Textsorbet - Volume 2 - Elias Raatz - E-Book

Textsorbet - Volume 2 E-Book

Elias Raatz

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Beschreibung

In diesem Sammelband erleben Sie 28 einzigartige wie vielseitige Texte voll Melancholie, Liebe, Hoffnung und Spaß. Mal lustig, mal lyrisch und mal nachdenklich erwarten Sie Geschichten von Vergangenem, gerade Passiertem und zukünftig zu Erwartendem. Niedergeschrieben von einigen der erfolgreichsten und aufstrebendsten BühnenpoetInnen Deutschlands, beispielsweise der beiden deutschsprachigen Meister im Poetry Slam, Jean-Philippe Kindler und Friedrich Herrmann.

Begeben Sie sich mit diesem Textsorbet auf eine literarisch abwechslungsreiche Reise und genießen Sie den Augenblick, wenn Worte zu Emotionen werden, wenn ein Lächeln Ihren Mund umspielt oder sich gar eine kleine Träne ihren Weg sucht.

Mit Texten von:

Markus Becherer | Phriedrich Chiller | Enora Le Corre | Einfach So | Hank M. Flemming | Maron Fuchs | Barbara Gerlach | Laura Gommel | Madleen Marie Haberstroh | Friedrich Herrmann | Jean-Philippe Kindler | Maximilian Koch-Erpach | Richard König | Moritz Konrad | Franzi Lepschies | Marius Loy | Saskia Frederike Münch | Skog Ogvann | Max Osswald | Elias Raatz | Holger Rohlfs | Nik Salsflausen | Vincent Sboron | Marina Sigl | Xenia Stein | Ines Strohmaier | Daniel Wagner | Artem Zolotarov

Herausgegeben von Elias Raatz.

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Seitenzahl: 133

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Mit Beiträgen von

Markus Becherer • Phriedrich Chiller Enora Le Corre • Einfach so Hank M. Flemming • Maron Fuchs Barbara Gerlach • Laura Gommel Madleen Marie Haberstroh • Friedrich Herrmann Jean-Philippe Kindler • Maximilian Koch-Erpach Richard König • Moritz Konrad Franzi Lepschies • Marius Loy Saskia Frederike Münch • Skog Ogvann Max Osswald • Elias Raatz Holger Rohlfs • Nik Salsflausen Vincent Sboron • Marina Sigl Xenia Stein • Ines Strohmaier Daniel Wagner • Artem Zolotarov

Herausgegeben vonElias Raatz

Der 1997 geborene Moderator, Veranstalter, Autor und Kulturschaffende Elias Raatz ist Gastgeber diverser Kleinkunstveranstaltungen. Mit dem Dichterwettstreit deluxe bringt er Poetry Slam auf Bühnen in Süddeutschland und nun zum zweiten Mal in ein Buch. An seine Projekte geht er mit einer großen Portion Leidenschaft und Herzblut für die Kunst – das merkt man.

Elias Raatz (Hrsg.)

Textsorbet II

Die Poesie schlägt zurück

Die Dichterwettstreit deluxe Anthologie

© 2020 Dichterwettstreit deluxe | 78054 Villingen-Schwenningen www.dichterwettstreit-deluxe.de

Umschlaggestaltung: T-Sign Werbeagentur Lektorat: Maron Fuchs & Elias Raatz

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

ISBN Taschenbuch: 978-3-9820358-1-9 ISBN E-Book: 978-3-9820358-3-3

„Man wird in einer halben Stunde sehr leicht ein Urteil darüber gewinnen, ob ein Buch etwas oder gar nichts taugt.“

Oscar Wilde

Quellenangaben für verwendete Bilder:

Titel © Luciana Serra – stock.adobe.com

Bild Friedrich Hermann © Christoph Worsch

Bild Marina Sigl © Ansgar Wörner

Bild Max Osswald © Olivia von Saldern

Bild Xenia Stein © Dichterwettstreit deluxe

Bild Phriedrich Chiller © Parvati Sauter

Bild Enora Le Corre © Valentin Ollp

Bild Maximilian Koch-Erpach © Dichterwettstreit deluxe

Bild Barbara Gerlach © Marie Gerlach

Bild Richard König © Dichterwettstreit deluxe

Bild Marius Loy © Pierre Jarawan

Bild Vincent Sboron © Lara Valentina

Bild Ines Strohmaier © Fabian Fischer

Bild Einfach so © Frank Kloten

Bild Elias Raatz © Dichterwettstreit deluxe

Bild Jean-Philippe Kindler © Fabian Stürtz

Bild Laura Gommel © Karsten Hohage

Bild Moritz Konrad © Karsten Hohage

Bild Maron Fuchs © Andreas Bühner

Bild Nik Salsflausen © Marvin Ruppert

Bild Artem Zolotarov © VIA Poetry Slam Offenburg

Jegliche Bilder und Grafiken in diesem Werk sind urheberrechtlich geschützt. Bei nicht gesondert genannten Quellenangaben obliegt das Bildrecht beim jeweils abgebildeten Poeten / der abgebildeten Poetin.

Inhalt

Vorwort:Uber den Titel und weitere Gedanken Elias Raatz

Drei FädenFriedrich Herrmann

MotivationsschreibenMarina Sigl

Die Ballade vom SchiffHank M. Flemming

Wenn Gott ein Kuchen wäreMax Osswald

Liebeserklärung an die deutsche SpracheXenia Stein

verAntwortenPhriedrich Chiller

Im SupermarktHolger Rohlfs

Butterfly-EffektEnora Le Corre

What a time to be aliveMaximilian Koch-Erpach und Elias Raatz

Permanent poppende PandasBarbara Gerlach

Häus erdächerkantenRichard König

Der Grundstein der KünsteMarius Loy

Das MundwerkMadleen Marie Haberstroh

Der Status quo der JugendVincent Sboron

Ritter Knut von HohensteinSkog Ogvann

Straßen fluchtenSaskia Frederike Münch

Vierzehn FlugstundenInes Strohmaier

KÄSIDADaniel Wagner

Blaues GoldEinfach so

Brief an einen FreundElias Raat%

Wir waren mal jungMarkus Becherer

LauraFranzi Lepschies

Karma als GottersatzJean-Philippe Kindler

Für meinen OpaLaura Gommel

Lieber SebastianMoritz Konrad

Summ, summ, summMaron Fuchs

Im Auge des BetrachtersNik Salsflausen

Kafkas SpiegelgalaxienArtem Zolotarov

Vorwort:Über den Titel und weitere Gedanken

Von Elias Raatz

„Textsorbet II – Die Poesie schlägt zurück“.Ich weiß, was Sie jetzt denken: Wie konnte dieser Titel passieren? Lassen Sie mich zur Beantwortung der Frage ein kleines bisschen ausholen…

Im Laufe des Lebens treffen handelsübliche Menschen viele verschiedene Entscheidungen: Einige davon bringen sie weiter, wie z.B. dieses Buch zu kaufen, andere werfen sie aus der Bahn, wie z.B. kein gültiges Zugticket zu lösen, und wieder andere legen ihre kognitive Eingeschränktheit offen, wie z.B. die Abgabe der eigenen Stimme an die AfD.

Schließlich existiert noch eine besondere Kategorie von Entscheidungen. Namentlich die, von denen der Mensch bereits im Voraus genauestens weiß, dass sie eine sehr dumme Idee sind. Dennoch zieht ihn etwas, das so tief in ihm verankert ist, dass selbst Freud es nicht gefunden hätte, genau dorthin.

Es sind Momente, in denen Menschen, wie man im Volksmund zu sagen pflegt, sehenden Auges in die Kreissäge rennen. Und einen solchen Sprint in Richtung rotierender Sägeblätter legte ich hin, als ich mich für den oben genannten Untertitel für diese Anthologie entschied.

Natürlich nur im übertragenen Sinne, denn ich sprinte allgemein eher selten. Jedenfalls: Seit ich diesen Untertitel das erste Mal vor meinem inneren Auge sah, konnte ich von dieser Idee nicht mehr ablassen. „Textsorbet II – Die Poesie schlägt zurück“. Es war wie bei Donald Trump und Fake News: nichts geringeres als Liebe auf den ersten Blick.

Es war mir aber trotz innerer Euphorie ob dieses wunderschönen Titels völlig bewusst, dass eventuell nur Wenige meine Begeisterung dafür teilen können: Manche waren vehement auf meiner Seite, andere nicht und nur einer zweifelte angesichts dieser Namensidee dermaßen an meiner Gehirnleistung, dass er es seitdem erstaunlich findet, wie ich es morgens schaffe, mir selbst die Schuhe zuzubinden. Aber das ist eine andere Geschichte…

Ja, ich gebe zu, dieser Untertitel hat Schwächen. So wurde schon von Beginn an meine Argumentation beiseite gewischt, dass die im Titel integrierte Anlehnung an den zweiten Teil der bekannten lichtschwertdurchfluteten Space-Opera eine neue Leserschaft erschließen könnte.

Für mich passte es perfekt: Eine zweite Anthologie, die in ihrem Untertitel mit dem zweiten Teil einer Filmreihe eine wundervolle Symbiose eingeht. Dass es sich zwar um den als zweiten gedrehten Film, aber eigentlich eine fünfte Episode handelt, war mir leider nicht bewusst. Dies lag zum einen daran, dass ich grundsätzlich eher Star Trek bevorzuge, und zum anderen beim besten Willen die Logik in einem System nicht verstehe, in welchem der zweite Film einer Reihe ein fünfter Teil sein soll.

Ein noch größeres Paradoxon sind ausschließlich die einzelnen Handlungsstränge im MCU und warum Andreas Scheuer noch immer einen Ministerposten innehat. (Beziehungsweise wenn Sie dies lesen vielleicht: „…so lange einen Posten hatte.“ – die Hoffnung nicht aufgeben!)

Doch zurück zu den Schwächen dieses Titels, zu dem durchaus auch notorisch-bohrende Fragen gestellt wurden: Wie kann eine nicht-physische Poesie überhaupt schlagen? Wen eigentlich? Und warum sollte sie das tun?

Anhand solcher Schwierigkeiten erinnere ich mich fast sehnsüchtig an die Namenswahl im Vorfeld des ersten Teils. Auch damals klapperten zu Beginn der Suche massenhaft verstopfte Zahnräder in den Gehirnen meiner MitstreiterInnen und mir gegeneinander. Doch irgendwann kamen wir nach langem Weg durch einen Dschungel voller perfider Kreativitätsausdünstungen zu einer rettenden Oase der Erleuchtung: „Textsorbet“.

Ein Titel, der die Vielseitigkeit der inbegriffenen Texte unterschiedlichster Autorinnen perfekt in sich vereint und dadurch – gleich einer bunten Schale leckeren Eissorbets – die verschiedensten Geschmäcker bedienen kann.

In dieser Titel-Oase überwintert, musste ich jedoch später feststellen, dass sie sich inmitten einer Ideenwüste befindet und auf den zweiten Blick wie eine Fata Morgana gänzlich verschwunden war. Denn der zum damaligen Zeitpunkt durchaus passende Titel, der vielleicht auch deshalb gewählt wurde, da zum Brainstormen Himbeersorbet gereicht wurde, war nicht mehr genug.

Ich wollte mehr. Etwas Neues musste nun geschaffen und die Zahnräder wieder in Gang gebracht werden, um dem zweiten Teil der Reihe einen ebenso episch-eleganten wie präzise-pompösen Untertitel zu verpassen.

Tja, wie bereits zu Beginn dieses Vorworts erwähnt, kam dann dieser absolut grandiose Untertitel, der mit der Vehemenz einer Flutwelle mein Gehirn überschwemmte. Ursprünglich übrigens vorgeschlagen von Hank M. Flemming, wobei ich mir bis heute nicht sicher bin, ob diese Titelidee überhaupt ernst gemeint war.

Im Endeffekt sind alle aus meinem Team rund um die Spoken Word Event- und Künstleragentur Dichterwettstreit deluxe auf diese Titelidee stolz gewesen. So stolz, dass wir sie unübersehbar und übermäßig groß auf der Titelseite dieses Buches präsentiert haben. Beziehungsweise nicht extrem groß. Und auch nicht auf der Vorder-, sondern der Rückseite. Aber dort macht sich der neue Untertitel wirklich herausragend! Ich freue mich auf Teil 3…

Aber ich glaube, jetzt habe ich Ihnen wirklich genug über den beschwerlichen Weg des Titels dieser Anthologie erzählt. Vor allem sollten Sie, um das einleitende Zitat von Oscar Wilde aufzugreifen, in Ihrer ersten halben Stunde Lesezeit noch etwas anderes als nur das Vorwort zu sehen bekommen.

Abschließend bleibt mir noch zu sagen:

Genießen Sie dieses Textsorbet, lassen Sie sich von abwechslungsreichen Geschichten sowie Gedichten fesseln und freuen Sie sich auf Texte einiger der erfolgreichsten und aufstrebendsten Slam Poetinnen Deutschlands.

Für Ihre Reise durch diese 28 verschiedenen, jeweils einzigartigen Texte wünsche ich Ihnen viel Spaß, gute Unterhaltung und niemals müde Augen.

Ihr Elias Raatz

Friedrich Hermann

Friedrich Hermann ist ein Multitalent zwischen Lyrik, Komik und Storytelling. Mit seinen schnellen, unterhaltsamen und meist tiefgründig-humorvollen Texten begeistert er seit 2015 im gesamten deutschsprachigen Raum.

Der aus Jena stammende Slam Poet war unter anderem thüringer (2015) und sächsischer (2017) Landesmeister im Poetry Slam. 2019 gewann er die deutschsprachigen Meisterschaften in Berlin und zählt zu den erfolgreichsten Bühnenautoren der Bundesrepublik. Sein erstes Buch „Notizen eines Linkshänders“ erschien 2019 im Lektora-Verlag.

Mehr unter: www.friedrich-herrmann.com

Drei Fäden

Von Friedrich Herrmann

Manchmal lieg’ ich nachts noch wach, vor mir ein Knäuel aus Gedanken. Ich zupfe hier und da an losen Enden und beginne, hin und her zu schwanken. Hätt’ ich das mal vorsichtig geknotet, hätt’ ich hier mal mehr gesponnen, hätt’ ich’s dort mal andersrum gewickelt – was wär’ verloren, was gewonnen?

„Ja, was hätte alles werden können?” Diese Frage juckt aufs Neue, kratzt wie schlechte Wolle, ich glaub’, man nennt das Reue. So viele Fehler und vergebene Chancen, so viel zögern, schauen: „Ja, vielleicht!”, viel zu oft: „Das machen wir auf jeden Fall!”, und für viel zu wenig hat die Zeit gereicht.

Ich greif’ mir einen dünnen Faden, zieh’ ihn vorsichtig aus dem Gemenge, breite ihn so vor mir aus und betrachte seine volle Länge. Er reicht zurück in Grundschulzeiten, in kapla- und gameboyverschwendete Tage, in den Plattenbau am Herrenberg, wo wir uns durch die Gänge jagten.

Ein Stickig-Hitzig-Schwitzig-Tag im Juni, da platztest du zur Tür herein, Fabian, mit wildem Blick, und fingst errötet an zu schrei’n: „Krieg! Sie haben uns den Krieg erklärt! Die Schädelspalterbande drüben.“ Ich sag’: „Diese Ghettokids sollen uns’re Fäuste spüren!”

Fabian, o Fabian. Deine Schläge schmetterten so mächtig, deine Stimme klang echt gruselig und dein Haupthaar fettete so prächtig. Du riefst: „Lasst uns diese Schlacht heut’ schlagen, Kameraden, hört des Schicksals Ruf! Diese Schulhofschlägerei ist der Grund, warum der Herr uns schuf!”

Und ich? Ich hab’ gekniffen. Ach, wär’ ich mal in die Schlacht gezogen! Hätt’ ich mit geballten Fäusten ein paar Knochen umgebogen. Ein paar Schädel eingedroschen, ein paar Finger abgebissen, den Beton mit Blut besudelt und ein paar Augen ausgerissen.

Fast wär’ ich ein Mann gewesen, auch im zarten Alter! Fabi hätte mich genannt: „Der Schädelspalter-Spalter“.Und bald, da hätte man mein Zeichen an jede Häuserwand gesprüht. Niemand hätte mich herausgefordert, weil mein Anblick schon genügt. Eine aufgeschlitzte Lederjacke, aus der pythonbreite Arme ragen, hinter mir ein Heer aus Motorrädern, die alle meinen Namen tragen.

Gold’ne Ketten um ’nen stiernen Nacken! Ein Bullenpiercing durch die Nasenwand! Ein Blick von mir bricht dein Genick und steckt deinen Sarg in Brand. Na ja, nichts davon ist wahr geworden. Schließlich hab’ ich ja gekniffen. Lang, bevor er sich entspinnen konnte, ist dieser Faden wohl gerissen.

Ich nehme einen Zweiten. Er wirkt ganz klamm, durchnässt sogar. Ich überlege kurz warum und schmunzle, denn es wird mir klar. Ein noch stickiger-hitziger-schwitziger Tag, auch im Juni, glaube ich, Gewitterwolken ball’n sich über uns, als du mir in die Augen blickst.

Du hast ganz freibadverstrubbelte Haare, die in jede Richtung sprießen. Ich will lachen, so wie du, und den Augenblick genießen.

Mann, bin ich nervös. Da setzt der Regen ein, so heftig und so plötzlich, dass wir beide stehen bleiben. Jetzt muss ich dich küssen, denk ich, krieg es bitte einfach hin! Deine Lippen sind ganz sanft geöffnet, vermutlich noch leicht süß vom Gin. Gloria, o Gloria. In deine Wangen schießt die Glut. Sinnlich drehst du dich zu mir und ich sage: „Tschüss, mach’s gut.”

Ich schwing mich auf mein Fahrrad und radele davon, ein Arsch auf nassem Sattel, und bereue es da schon. Ein Kuss in sattem Regen… – die Geschichte hätte ich erzählt! Wir hätten uns am Strand in Thailand in stürmischem Monsun vermählt!

Unsere Flitterwochen in Venedig, mit der Gondel auf dem Canal Grande, und von der Rialtobrücke winkt uns … die Schädelspalterbande! Du lachst ein schrilles Lachen, ich seh’ dich panisch an, reißt dir die Perücke runter und ich frage: „Fabian?!”

Ja! Es wäre ein Gemetzel, gefilmt von tausenden Touristen. Aus der Ferne klingt der Soundtrack eines Straßengitarristen. Schädel werden eingedroschen, Schultern abgerissen, der Kanal mit Blut besudelt, inmitten der bombastischen Kulissen. Da seh’ ich ein Messer blitzen, sinnlich drehst du dich zu mir, rammst es zwischen meine Rippen, es ist das Letzte, was ich spür.

Ich nehme einen dritten Faden in die Hand, er scheint belanglos im Vergleich, er ist dünn und kratzt ein bisschen, fasrig, rau und wirkt recht bleich. Er beginnt mit einem: „Ja, warum denn nicht? Natürlich les’ ich heut’ was vor.” Er handelt von verschloss’nen Türen und von manchem off’nen Ohr. Er hat mich immerhin, das hab’ ich früh gespürt, auf ziemlich viele Bühnen und in dieses Buch geführt.

Er besteht aus Whisky, aus Freunden, aus Jubel, Lachern und Geschichten. Man kann immer nur an einem Faden spinnen, doch die ander’n immerhin – erdichten.

Marina Sigl

Man munkelt, durch der Venen der 1996 im Schwarzwald geborenen Slam Poetin fließe kein Blut, sondern Buchstaben. Die angehende Lehrerin für Deutsch und Chemie gründete während ihres Studiums eine Hochschulgruppe für kreatives Schreiben und stand 2018 erstmals auf einer Poetry Slam Bühne.

Zwei Buchveröffentlichungen, drei Slam-Meisterschafen und über 150 Auftritte später hat sie allerlei Bühnenerfahrungen und Texte im Gepäck. Dabei schafft sie es stets, das Publikum zum Nachdenken, Mitfühlen und Lachen zu bringen.

Mehr unter: www.fb.com/marinasiglpoetry

Motivationsschreiben

Von Marina Sigl

Sehr geehrte Frau Schmitz, wenn Sie einem Mädchen in der Grundschule die Frage stellen „Und, was möchtest du einmal werden, wenn du groß bist?“, ist die Antwort selbstverständlich: „Prinzessin.“

Aber, Frau Schmitz, sehen Sie – es gibt auch immer dieses eine Mädchen, das etwas verwundert danebensteht und sich fragt, wie erfüllend sie es wirklich fände, den ganzen Tag hübsch aussehen zu müssen und seltsam zu winken.

So toll ist Prinzessin sein nämlich wirklich nicht, wenn wir mal ehrlich sind. Da hockt man dann neben dem Kronprinzen von Schweden am Tisch, wird über Fjorde zugeschwallt und stochert in seinem Fisch. Dabei bin ich Vegetarierin, Frau Schmitz! Fische sind Freunde, kein Futter! Und als wäre das nicht genug, ist der Prinz sicher auch noch blond, blauäugig und perfekt und sein scheiß Kleid – ja, er trägt ein Kleid, er hat schließlich die Figur dazu – sieht an ihm auch noch besser aus als meins an mir.

Können Sie die Schlagzeilen nicht auch schon sehen? „Kronprinz von Schweden stiehlt Prinzessin Marina erneut die Show!“ Und dann geht es weiter: „Galerie des Grauens – Prinzessin Marinas 33 schlimmste Modesünden im Januar.“

Das sind mehr Modesünden als Tage im Monat, Frau Schmitz!

Sehen Sie, ich wollte nie Prinzessin werden. Ich wollte Lehrerin werden. Schon immer. Und meine Motivation ist wie eine kaputte Guillotine. Sie bleibt immer oben.

Gut, ich muss zugeben, während meines Studiums war ich nicht immer motiviert.

In meinem dritten Semester hat sich einer meiner Kommilitonen die rechte Hand mit konzentrierter Schwefelsäure verätzt, um eine Prüfung nicht mitschreiben zu müssen. Ich war nicht sehr motiviert, ihm zu sagen, dass es eine mündliche Prüfung sein würde.

Ich bin also froh, dieses Schreiben nicht vor zwei Jahren verfasst haben zu ... na ja, sagen wir mal dürfen. Damals bestand meine Motivation für den Lehrberuf hauptsächlich darin, meine Schülerinnen und Schüler zu vernünftigen Menschen mit einem vernünftigen Grad an Fachwissen zu erziehen, die wissen, dass man eine Katze nicht in die Mikrowelle steckt und dass man, wenn man es doch „aus Versehen“ tut, zumindest noch den Hersteller verklagt.