An die Rollatoren, fertig, los! - Elias Raatz - E-Book

An die Rollatoren, fertig, los! E-Book

Elias Raatz

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Beschreibung

Es ist immer die vorhergehende Generation, die eine darauffolgende prägt. Grund genug, dieser Generation einen Sammelband mit Texten einiger der besten Slam Poeten und Poetinnen des deutschsprachigen Raums zu widmen.

Lassen Sie sich mit Witz, Charme und viel Gefühl vom Thema Altwerden mit all seinen unterschiedlichen Facetten berühren. Freuen Sie sich auf unterschiedliche Perspektiven und spannende Eindrücke, beispielsweise über Oma-Liebe, Senioren-WGs, Kriegserinnerungen, Martinis vor fünf Uhr und einen Rentnerverleihservice.

Ob Lyrik oder Prosa, humorvoll oder nachdenklich – so vielfältig, wie Poetry Slam sein kann, ist es auch dieses fulminante Poesie-Feuerwerk.

Mit Texten von:

Anna Lisa Azur | Tobias Beitzel | Edith Brünnler | Jan Cönig | Eva-Lisa | Jana Goller | Michael Jakob | Eberhard Kleinschmidt | Lukas Knoben | Achim Leufker | Alex Paul | Niko Sioulis | mario el toro | Samson Völk | Mit einem Vorwort von Elias Raatz und Illustrationen von Barbara Gerlach

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Seitenzahl: 83

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An die Rollatoren, fertig, los!

14 Geschichten, Gedichte, Gedanken über Rentner, Omas und das Altwerden

Dichterwettstreit deluxe Themenband 1

Mit Beiträgen von

Anna Lisa Azur ● Tobias Beitzel ● Edith Brünnler ● Jan Cönig ● Eva-Lisa ● Jana Goller ● Michael Jakob ● Eberhard Kleinschmidt ● Lukas Knoben ● Achim Leufker ● Alex Paul ● Niko Sioulis ● mario el toro ● Samson Völk ● Mit einem Vorwort von Elias Raatz

Herausgegeben von

Anna Lisa Azur

Die Bonnerin Anna Lisa Azur ist neben ihrer künstlerischen Tätigkeit vor allem als Veranstalterin in NRW und Rheinland-Pfalz bekannt. Als Kulturmanagerin fördert sie den Kunstnachwuchs im Bergischen Land und ist kulturpolitisch aktiv.

Elias Raatz

Der 1997 geborene Moderator, Autor, Kulturschaffende und Medienwissenschaftler Elias Raatz ist Gastgeber diverser Kleinkunstveranstaltungen. Gemeinsam mit dem Dichterwettstreit deluxe versammelt er regelmäßig herausragende Slam Poeten und Poetinnen auf Bühnen sowie in Büchern. Als kreativer Tausendsassa liebt er geschmunzelt-frönenden Eskapismus, bitterböse Satire und eine gesunde Portion Stumpfsinn, die er mit viel Meinung sowie aktuellem Zeitgeschehen anreichert.

Inhalt

Vorwort: An die Rollatoren, fertig, los!

Elias Raatz

Old´s cool

Achim Leufker

Um die Welt in 90 Jahren

mario el toro

Der Nachtmahr

Eberhard Kleinschmidt

Herbst

Niko Sioulis

Kittelschürzenbraut

Anna Lisa Azur

Generation analog

Michael Jakob

Türklopfen

Jana Goller

Ich bin 80 Jahre alt

Lukas Knoben

Altern ist nichts für Feiglinge

Alex Paul

Ein Koffer voller Briefe

Tobias Beitzel

Das Interview

Edith Brünnler

Weiße Deutsche

Samson Völk

Der Körperforscher

Eva-Lisa

Opas Fauxpas

Jan Cönig

Bonustext: Rent a Rentner

Jan Cönig

Impressum/Informationen

Diese E-Book-Version erscheint im Vergleich zur Printversion ohne Illustrationen von Barbara Gerlach und Fotos der Autor*innen.

© 2023 Dichterwettstreit deluxe, Villingen-Schwenningen, www.dichterwettstreit-deluxe.de/impressum

Lektorat: Elias Raatz

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

ISBN E-Book: 978-3-98809-003-4

Mehr unter: www.dichterwettstreit-deluxe.de

Vorwort: An die Rollatoren, fertig, los!

Von Elias Raatz

Manchmal hält das Leben Ereignisse bereit, die einzelne Lebensabschnitte wie mit einem fein geschliffenen Damoklesschwert zerteilen. Ereignisse, die in ein Davor und ein Danach einteilen. Zurück bleiben voneinander getrennte Teile desselben Lebens, die sich so unterschiedlich anfühlen, dass man nicht fassen kann, dass sie zusammengehörten.

Zumindest stelle ich es mir so oder so ähnlich vor, wenn man in Rente geht. Also den Tag, wenn der „letzte Feierabend des Lebens“ vor der Tür steht und das Arbeitsleben endgültig endet.

Allerdings kommt es mir ein wenig eskapistisch vor, dass ich mir mit meinem Geburtsdatum knapp vor der Jahrtausendwende überhaupt Gedanken über die Rente mache. Sie ist nicht nur weit entfernt, ich empfinde es zudem als fraglich, ob es für mich überhaupt etwas wie eine „Rente“ geben wird. Zumindest bin ich mit Blick auf unser Rentensystem, den Klimawandel und andere Katastrophen skeptisch gestimmt. Vielleicht sieht die Welt in vielen Jahren Zukunft ganz anders aus – und wenn ich in Rente gehen würde, kämpfen wir alle längst in der sandigen Wüstenzone des ehemaligen Baden-Württembergs um das letzte saubere Trinkwasser.

Wer weiß das schon?

Relativ sicher ist, wenn wir nichts ändern, wird es nicht nur mit meiner Rente, sondern auch mit unserem kompletten Planeten eher schwieriger als einfacher. Ganz ehrlich: Altersarmut oder gar Überlebenskampf reizt mich nicht.

Wobei wir mit Altersarmut bei einem Thema wären, das bereits in unserer Gegenwart präsent ist. Ein Problem, mit dem viele ältere Menschen schon jetzt zu kämpfen haben: Die Rente reicht nicht und wenn es schlecht läuft, muss man bis zum letzten Atemzug arbeiten. Dann kommt dieser „letzte Feierabend des Lebens“ nie, da man sich das „nicht mehr arbeiten“ wortwörtlich nicht leisten kann – obwohl man mutmaßlich sein ganzes Leben lang geschuftet hat. Da stellt sich mir schon die Frage, was in unserem reichen Land eventuell alles nicht so rund läuft. Es ist doch traurig, dass für einige Rentnerinnen und Rentner der Gang zur Tafel zum (überlebenswichtigen) Alltag geworden ist.

Doch leider ist der Platz dieses Vorworts für die Lösung großer gesellschaftlicher Fragen zu Rentenpolitik, sozialer Ungerechtigkeit und Weiterem zu begrenzt – und ich bin kein Experte dieser Themen. Daher mache ich es wie die Bundesregierung undgehe auf das Thema Altersarmut einfach nicht weiter ein.

In diesem Buch geht es schließlich um so viel mehr, beispielsweise um Oma-Liebe, eine Senioren-WG, Kriegserinnerungen, Martinis vor fünf Uhr sowie einen Rentnerverleihservice. Und natürlich um das Altwerden, welches aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Ein Thema, zu dem ich ebenso keine fachkundige Auskunft treffen kann – dafür stecke ich zu tief in der Quaterlifecrises und habe keine Ahnung, was das Älterwerden für mich bereithält. Während ich mir Gedanken darüber mache, was zur Hölle auf mich warten wird, wenn ich einmal dreißig bin, sitzen Sie vielleicht kopfschüttelnd-grinsend da, weil Sie es schon deutlich weiter geschafft haben. Respekt dafür!

„An die Rollatoren, fertig, los!“ soll auch gar keine endgültigen Antworten oder fachkundige Aussagen auf große Fragen liefern, sondern spannende Eindrücke und fremde Perspektiven. Gemeinsam mit meiner Mitherausgeberin Anna Lisa Azur möchte ich zeigen, dass sich junge wie alte Menschen mit der Thematik des Älterwerdens in all ihren Facetten auseinandersetzen. Denn, ob man es glauben mag oder nicht: Es ist immer die vorhergehende Generation, die eine darauffolgende prägt – nicht zuletzt guter Grund, ein Buch mit Witz, Charme und viel Gefühl über sie herauszugeben.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und gute Unterhaltung. Bleiben Sie glücklich!

Ihr Elias Raatz

Achim Leufker

Achim Leufker (gen. Acho – wegen eines Schreibfehlers) wurde 1961 in Rheine geboren. Als ehemaliger Schreibtischtäter ist er seit 2008 auf Poetry Slam- und Lesebühnen aktiv. 2017 trat er erstmals als Comedian auf und nahm 2018 an den Kabarett-Tagen des WDR teil. Er ist fester Teil verschiedener Showformate, erreichte mehrmals das Finale der NRW-Meisterschaften im Slam und veröffentlichte 2021 sein zweites Buch unter dem Titel „Du kannst alles schaffen, wenn du nur chillst“.

In seinen humorvollen Texten betont er zur Freude der Leser und Leserinnen in der Regel eher die komischen und skurrilen Seiten des Lebens.

Old’s cool

Von Achim Leufker

Lieber Leser, liebe Leserinnen,

gerne würde ich euch ein wenig über das Altern erzählen. Zuerst zur allgemeinen Orientierung: Mein Name ist Achim und ich bin Baujahr 1961, womit ich bei vielen Poetry Slams und anderen Kulturveranstaltungen den Altersdurchschnitt auf der Bühne nahezu dreistellig nach oben korrigiere.

Man spricht mich dann an mit: „Ey, Alter!“, oder: „Alter Schwede!“, oder: „Alter Verwalter!“, oder mittlerweile auch schon mit: „Alter schwedischer Verwalter!“

Neben den ironisch-bissigen Zurufen gibt es auch die anderen, die versuchen, mich zu trösten. Da kommen dann Sätze wie: „Du bist nicht alt, du bist retro! Und außerdem ist es doch großartig, wie 50 auszusehen!“, die völlig unbeachtet lassen, dass ich noch nicht sooo alt bin, du Ötzi! Andere behaupten: „Das Leben beginnt doch im Grunde erst mit 50!“, worauf ich nur erwidern kann: „Ja, aber nur, wenn du der gottverdammte Highlander bist!“

Da wir damit bereits mitten im Thema wären, erläutere ich im Folgenden mit einer kurzen Zusammenfassung, wie „Altern“ überhaupt funktioniert:

• Mit sechs Jahren: „Juhu, ich komm’ in die Schule!“

• Mit 17 Jahren: „Wow, bald volljährig!“

• Mit 18 Jahren: „Wie geil ist das denn?!“

• Mit 25: „Yeah, fett, Boom Chicka Wah Wah!“

• Mit 29: „Äh… warte mal!“

• Mit 30: „Oh mein Gott, nein! Mach’, dass das aufhört! Bitte!!“

Ich persönlich liege inzwischen alterstechnisch irgendwo zwischen McDrive und Essen auf Rädern. Mittlerweile verzichte ich bewusst auf Bioprodukte, weil ich gar nicht genug Konservierungsstoffe bekommen kann. Früher hatte ich auf der Bühne noch Texte mit Schriftart Arial in Schriftgröße 10 vorgelesen, dann irgendwann in Schriftgröße 12 und in der Zwischenzeit bin ich kurz davor, das Publikum zu bitten, jeweils mannsgroße Buchstaben in der richtigen Reihenfolge an der Bühne vorbeizutragen, die ich dann möglichst sinngebend ablese.

Jedenfalls, um wieder aufs Alter(n) zurückzukommen, befinde ich mich derzeit exakt in der Phase zwischen gepflegt aussehen und gepflegt werden. Früher sah ich übrigens weitgehend gut aus. Zwischenzeitlich sah ich plötzlich nur noch von Weitem gut aus. Und heute bin ich weit davon entfernt, gut auszusehen. Darum dusche ich nach dem Aufstehen mit Duschgel, das Meersalz enthält. Das ist mein Versuch, mich ein bisschen zu pökeln, um meine Hülle etwas haltbarer zu machen.

Mittlerweile weiß ich jedoch aus eigener Erfahrung, dass dir mit fortschreitendem Alter früher oder später auf jeden Fall drei Dinge passieren werden: Erstens lässt dein Gedächtnis nach und zweitens… und zweitens… und zweitens und drittens habe ich vergessen.

Hinzu kommen auch noch die körperlichen Wehwehchen. Da kann es dir in meinem Alter passieren, dass ein fünfminütiges Hinknien oder ein kurzer Schneidersitz eine dreitägige Ganzkörperlähmung zur Folge haben. Das ist auch der Grund, warum ich nichts Hochprozentiges mehr trinke – ich reibe mich damit ein. Meine Frau kommentiert das Eincremen immer damit, dass es doch völlig normal in meinem Alter sei, worauf ich einmal mit: „Anfang 60, das ist doch kein Alter!“, antwortete und sie dann erwiderte: „Das stimmt, aber nur für einen Baum!“

Da mich das damals unsicher machte, hatte ich noch meine Tochter gefragt. Meine Tochter ist Einzelkind, bevorzugt inzwischen allerdings die Bezeichnung „Alleinerbin“. Ich fragte sie also: „Findest du, dass ich alt bin?“

„Sagen wir mal so“, entgegnete sie, „dein Mindesthaltbarkeitsdatum ist deutlich überschritten.“

„Ich finde es ziemlich erniedrigend, dass du mich mit abgelaufenen Nahrungsmitteln vergleichst!“, protestierte ich erbost.

„Gut, dann formuliere ich es anders: Du bist alt und in Hundejahren wärst du sogar schon tot.“

Während sie das sagte, verband sie mit einem Permanentmarker fünf Pigmentstörungen auf meinem Handrücken miteinander – wohl um zu sehen, welches Bild sich dabei ergibt.

Dieses Gespräch hatte mich noch weiter verunsichert. Besser gesagt, verunsichert es mich noch heute. So sehr, dass ich letztens auf die Frage nach meinem Alter nur entgegnete: „Sag’ ich nicht!“, worauf der Fragesteller trocken erwiderte: „Ach komm schon, nur die ersten drei Zahlen!“

Tja, das mit dem Alter ist eben so eine Sache. Als ich 20 wurde – und alle um die 20 wissen, wovon ich spreche – bin ich noch hinter dem Bus hergerannt, der mir vor der Nase wegzufahren drohte.