The Beautiful Ones – Deutsche Ausgabe - Prince - E-Book

The Beautiful Ones – Deutsche Ausgabe E-Book

Prince

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Beschreibung

Bis zu seinem Tod arbeitete Prince fieberhaft an seiner Autobiografie. Sie war sein letztes großes Projekt. Durch Prince‘ überraschenden Tod musste dieses Werk unvollendet bleiben. Erst nach und nach wurde bei der Sichtung des Nachlasses klar, dass Prince in den Überlegungen und Plänen für seine Autobiografie bereits weit fortgeschritten war – bis hin zur Auswahl des Bildmaterials.

»The Beautiful Ones« beschreibt aus radikal persönlicher Sicht, wie aus Prince Rogers Nelson der Künstler Prince wurde: Es ist die in Echtzeit erzählte Geschichte eines Jungen, der die Welt um sich herum aufsog und bereits eine Figur, eine künstlerische Vision, erschuf, bevor die Hits und der Ruhm ihn definierten. Das Buch schildert die Kindheit, die frühen Jahre als Musiker und den Höhepunkt seiner internationalen Karriere anhand seiner eigenen Aufzeichnungen, persönlicher Fotos und handschriftlich verfasster Texte und Kompositionen, die der renommierte Übersetzer Eike Schönfeld ins Deutsche übertragen hat. Prince, der scheinbar Unnahbare, lädt seine Fans ein, an den Bildern seiner Erinnerungen und an seinem Leben teilzuhaben.

Ein unkonventionelles, sinnliches und hochemotional präsentiertes Buch, aufwendig und edel ausgestattet: mit goldenem Lesebändchen, mit Fotos bedrucktem Vorsatzpapier, geprägtem Leineneinband in Purpur und Schutzumschlag in strahlendem Gold.

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Seitenzahl: 233

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Die schillernde Geschichte des Weges von Prince Rogers Nelson zu Prince, einem der größten Künstler aller Zeiten, in seinen eigenen Worten erzählt. Mit bisher unveröffentlichten Fotos und originalen Auszügen aus Notizbüchern und Kompositionen sowie den handgeschriebenen Seiten seiner zutiefst persönlichen Erinnerungen, die Prince noch vor seinem tragischen Tod verfasste. Prince war ein musikalisches Genie, einer der beliebtesten und begabtesten Musiker unserer Zeit. Er war ein Visionär mit einer so tiefen Vorstellungsgabe, dass er ganze Welten erschaffen konnte, vom Funk-Paradies von Uptown zu den mythischen Landschaften von Purple Rain zum psychedelischen Paisley Park. Sein größter kreativer Akt aber war die Verwandlung von Prince Rogers Nelson aus Minnesota zu Prince, dem zeitlosen Popstar. The Beautiful Ones ist die persönliche Erzählung von einem kleinen Jungen, der die Welt um sich herum in sich aufsog und dann eine Rolle für sich erschuf, eine künstlerische Vision und ein Leben – schon vor den Hits und dem Ruhm, den er später erringen sollte. Die Geschichte wird in vier Teilen erzählt: Der erste umfasst die autobiografischen Aufzeichnungen, die Prince kurz vor seinem Tod zu schreiben begann. Handgeschriebene Seiten, die den Leser durch Prince´ ganz eigenen besonderen Erzählstil mit in die Welt seiner Kindheit nehmen. Der zweite Teil führt als aussagekräftiges Erinnerungsalbum mit Texten und Fotos durch die frühen Jahre des Musikers Prince, noch bevor er sein erstes Album veröffentlichte. Der dritte Teil zeigt in unverfälschten Bildern die Entwicklung von Prince bis zum Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens, der im vierten Teil des Buches präsentiert wird: das handschriftliche Original seiner Bearbeitung von Purple Rain. Dies ist der letzte Schritt in der Selbsterschaffung von Prince. Hier erzählt er die Autobiografie der ersten drei Teile als Heldenreise nach. Seinen Rahmen gibt dem Buch die spannende und bewegende Einführung von Dan Piepenbring, der eindrücklich von seiner engen Zusammenarbeit mit Prince in dessen letzten Monaten erzählt, einer Zeit, in der sich Prince intensiv damit beschäftigte, wie er mehr von sich selbst und seinen Ideen offenbaren könnte, ohne zugleich die Mystik und die Geheimnisse preiszugeben, die er so sorgfältig gepflegt hatte.

PRINCE, geboren 1958 als Prince Rogers Nelson, war Sänger, Komponist, Songwriter und Musikproduzent, Schauspieler und Regisseur. Er gewann u.a. sieben Grammy Awards und einen Oscar in der Kategorie »Beste Filmmusik« für den Musikfilm Purple Rain. 2004 wurde er in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen. Prince verstarb 2016 in Folge einer Überdosis Fentanyl in seinem Studio und Zuhause Paisley Park.

DAN PIEPENBRING ist beratender Redakteur bei The Paris Review und verfasste gemeinsam mit Tom O’Neill Chaos: Charles Manson, the CIA, and the Secret History of the Sixties.

PRINCE

THEBEAUTIFULONES

Herausgegeben von Dan Piepenbring

Aus dem Amerikanischen Englischvon Eike Schönfeld (Texte von Prince) undClaudia Wuttke (Texte von Dan Piepenbring)

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

 

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Originalausgabe erschien unter dem TitelThe Beautiful Onesbei Spiegel & Grau, an imprint of Random House,a division of Penguin Random House LLC, New York

Text- und Bildnachweise finden sich hier.

Copyright © 2019 by NPG Music Publishing LLC,First Published in the United States by Spiegel & Grau,an imprint of Random House, a divisionof Penguin Random House LLC, New York.

Copyright © 2019 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, Münchenin der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenRedaktion: Gisela KlemtBeratung zu musikalischen Fachfragen: Rüdiger KrauseHerstellung: Helga SchörnigSatz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenUmschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Entwurfs von© Triboro Studio, Art direction: Greg MollicaUmschlagabbildung: Prince Rogers Nelson © The Prince Estate

ISBN 978-3-641-23191-0V004

www.heyne.de

INHALT

EINFÜHRUNG

I. TEILTHE BEAUTIFUL ONES

II. TEILFOR YOU

III. TEILCONTROVERSY

IV. TEILBABY I’M A STAR

ANMERKUNGEN UND HINTERGRÜNDE ZU DEN FOTOS

 

Editorische Notiz zur deutschen Ausgabe

In der Übersetzung wurden Besonderheiten und Eigenheiten des Originaltextes von Prince nach Möglichkeit beibehalten.

Faksimiles wurden für die deutsche Ausgabe übersetzt, Durchgestrichenes und Unleserliches kenntlich gemacht.

Faksimiles mit Songtexten wurden transkribiert, eine Übersetzung der Songtexte ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

EINFÜHRUNG

DAS LETZTE MAL SPRACH ICH AM

Sonntag, den 17. April, mit Prince – vier Tage vor seinem Tod. Ich lag bereits im Bett, als mein Telefon vibrierte und eine 952-Vorwahlnummer im Display aufleuchtete. Er hatte mich noch nie auf dem Handy angerufen, aber ich wusste sofort, dass er es war. Ich griff nach Zettel und Stift und hängte das Handy ans Ladekabel – der Akku war fast leer. Das Kabel war aber nur dreißig Zentimeter lang und mein Bewegungsradius deshalb deutlich eingeschränkt. Aus heutiger Sicht ist das eine merkwürdige Vorstellung, aber meine letzte Unterhaltung mit Prince verbrachte ich zusammengekauert in der Ecke meines Schlafzimmers und machte mir Notizen auf einem Stück Papier, das auf dem Fußboden lag.

»Hi, Dan«, sagte er. »Ich bin’s, Prince.« Über Princes Sprechstimme ist viel geschrieben worden – über jene eigentümlich flüsternde Fülle, durchdringend und doch leise. Niemals trat dieses Paradox deutlicher zutage als in seiner simplen Begrüßung: »Hi, Dan, ich bin’s, Prince.« Das waren immer seine Worte.

»Ich wollte nur sagen, dass mit mir alles o.k. ist«, sagte er, »entgegen dem, was die Presse behauptet. Die müssen doch immer übertreiben, du weißt schon.«

Und ob ich das wusste! In dem Monat, in dem Prince verkündet hatte, dass »sein Bruder Dan« ihm bei seinen Memoiren zur Seite stehen werde, hatte ich tatsächlich lesen können, dass ich – 28 Jahre jünger als er – sein leiblicher Bruder sei. Doch die Schlagzeilen jetzt waren von einem anderen Kaliber. Ein paar Tage zuvor hatte Princes Privatjet kurz nach dem Start in Atlanta notlanden müssen. Er hatte dort der Performance für seine geplante sphärische und beinahe intime Solo-Tour, die er »Piano & A Microphone« nannte, den letzten Schliff gegeben. Prince kam in Moline, Illinois, ins Krankenhaus, vorgeblich, um eine hartnäckige Grippe zu behandeln.

Wenige Stunden, nachdem die Nachricht auf der News-Website TMZ veröffentlicht wurde, hatte Prince von Paisley Park aus, seinem Domizil in Chanhassen, Minnesota, getwittert, dass er sich gerade seinen Song »Controversy« anhöre, der mit der Zeile beginnt: »I just can’t believe all the things people say.« Subtext: Es ging ihm gut. Ein paar Anwohner aus Paisley Park hatten ihn sogar auf dem Fahrrad gesehen. Und in der Nacht vor dem Anruf hatte er in seinem privaten konzertsaalähnlichen Tonstudio eine Tanzparty gegeben und die Gelegenheit genutzt, stolz seine neue purpurfarbene Gitarre und das purpurne Klavier vorzuführen. »Wartet noch ein paar Tage, statt eure Zeit mit Gebeten zu verschwenden«, hatte er der Menge zugerufen.

»Ich habe mir Sorgen gemacht, aber ich habe auf Twitter gesehen, dass du okay bist«, sagte ich. »Es tat mir leid zu hören, dass du die Grippe hast.«

»Ich hatte grippeähnliche Symptome«, korrigierte er, und auf dieser Formulierung würde ich die nächsten Monate noch so manches Mal herumkauen. »Und ich war heiser.« Für mich klang er immer noch ein wenig so, als müsse er sich von einer schweren Erkältung erholen. Aber er wollte das Thema nicht weiter vertiefen. Er hatte angerufen, um über das Buch zu sprechen.

»Was ich dich fragen wollte: Glaubst du an ein Zellgedächtnis?« Er bezog sich damit auf die Idee, dass in unserem Körper die Erinnerungen unserer Eltern eingespeichert sind, dass sich Erfahrung also vererbt. »Ich musste daran denken, als ich die Bibel las«, erklärte er. »Die Sünden der Väter … Wie soll das ohne Zellgedächtnis möglich sein?«

Das Konzept spiegelte sich in Princes eigenem Leben wider. »Mein Vater hatte zwei Familien. Ich gehöre zu seiner zweiten, und er wollte es bei mir besser machen als bei seinem ersten Sohn. Also war er in Bezug auf seine Regeln sehr kategorisch, aber meiner Mutter gefiel das nicht. Sie mochte Spontaneität und Lebendigkeit.«

Prince wollte erklären, wie er als die Synthese seiner Eltern zu dem wurde, was er war. Ihre Gegensätzlichkeit lebte in ihm. Selbst in ihrer Dissonanz nahm er eine Harmonie wahr, die ihn zu seinem künstlerischen Schaffen inspirierte. Er war voller Achtung und Verständnis gegenüber seiner Mutter und seinem Vater, über die Art, wie er selbst deren Einigkeit und Uneinigkeit zugleich verkörperte.

»Das ist eins der Dilemmata meines Lebens«, erzählte er, während ich auf dem Fußboden hockte und mir wie wild Notizen machte. »Ich mag Ordnung, Klarheit und Wahrheit. Aber wenn ich dann bei einer schicken Dinnerparty oder so bin, und der DJ legt was Funkyges auf …«

»Dann musst du tanzen«, ergänzte ich.

»Genau. So was zum Beispiel … hör mal.« Er hielt das Telefon vor einen Studiomonitor, und ich vernahm die Klänge einer ungestümen, schrillen und doch gleichsam geerdeten Musik. »Das ist funky, oder? Es ist von Judith Hills neuem Album. Ich höre es zum ersten Mal.«

Einen Moment lang herrschte Stille. »Wir müssen ein Wort dafür finden«, sagte er. »Für das, was funky ist.«

DIE SUCHE NACH DIESEM WORT

ging Prince in jenen Tagen nie ganz aus dem Kopf. Die Ansagen, die er während seiner »Piano & A Microphone«-Auftritte zum Publikum machte, kreisten oft um das Wesen des Funk. »Der Raum zwischen den Noten – das ist der gute Teil«, pflegte er zu sagen. »Wie groß auch immer dieser Raum sein mag, so funky ist das Stück. Oder eben nicht.« Die Ausarbeitung dieser Idee war einer der Hauptgründe, warum er ein Buch schreiben wollte.

Obwohl Prince bereits mehrere Fotobücher veröffentlicht hatte und an verschiedenen Punkten seiner Karriere schon über substanziellere Themen nachgedacht hatte, wurde die Idee für dieses Projekt Ende 2014 geboren, und Phaedra Ellis-Lamkins, Princes Managerin und Anwältin, suchte nach einem Agenten, der Prince vertreten könnte. Princes Wahl fiel direkt auf Esther Newberg, einer Agentin von ICM Partners. Sie vertrat auch Harry Belafonte, und Prince mochte ihre altmodische Art, plus: Sie wirkte auf ihn wie die Matriarchin inmitten eines patriarchalen Gewerbes. Anfang 2015 hatte Prince den Vertrag für ein Buch mit Liedtexten samt einer Einführung und Anmerkungen von ihm selbst unterschrieben. Newberg und ihr Kollege Dan Kirschen boten die Idee einigen interessierten Verlegern an, aber Princes Team finalisierte den Deal nicht, und für die nächsten Monate konzentrierte sich Prince vornehmlich auf seine Musik.

Erst Mitte November 2015 widmete er sich mit neuem Enthusiasmus wieder der Buchidee. »Er möchte möglichst bald alles in trockenen Tüchern haben«, schrieb Ellis-Lamkins an Newberg. Zusammen mit Trevor Guy, einem Berater, der das Team in Vertragsfragen unterstützte, erweiterten Prince, Esther und Dan Kirschen das bis dato noch recht nebulöse Konzept des Buches. Was, wenn es nicht nur kommentierte Liedtexte, sondern auch unveröffentlichte Zeichnungen, Fotos und sonstige Ephemera wie Tickets, Einladungen und so weiter enthielt? Das Wort Memoir fiel bei diesen Unterhaltungen noch nicht, aber Prince wollte direkt mit der Arbeit an dem Projekt beginnen. Trevor schlug vor, ein paar Lektoren nach Paisley Park einzuladen, um das Konzept von Angesicht zu Angesicht mit ihnen zu besprechen.

Das Buch koinzidierte mit einer musikalischen Wende bei Prince. War er in den Jahren zuvor mit der elektrisierenden Band 3rdeyegirl gereist, fühlte er sich nun dazu bestimmt, allein zu spielen. Er träumte von einer neuen Tour. Nur er allein und sein Klavier. Die intimen, noch nicht genau geklärten Sets würden seine musikalische Karriere jenseits der Restriktionen und der Pyrotechnik einer Arenashow befördern. Gegenüber einer Gruppe europäischer Journalisten, die er nach Paisley Park eingeladen hatte, erklärte er, dass ihn die Vorstellung davon begeistere, wie er seine Songs auf einer komplett leeren Bühne auf ihre wesentlichen Bestandteile reduzieren und beim Spielen neu zusammensetzen würde.

Er hatte oft bis in die Nacht geübt, stundenlang allein gespielt, das Piano die verlassene Bühne mit seinem Klang erfüllend, bis er etwas gefunden hatte, das er »Transzendenz« nannte. Das war es, was er teilen wollte.

Prince hatte bereits Tourdaten quer durch Europa gebucht, als Terroristen den Anschlag auf das Bataclan verübten, einem Nachtclub, in dem er bereits dreimal gespielt hatte. Die Gewalt, gepaart mit der Preistreiberei bei dem Neuverkauf der Tickets, bewogen ihn dazu, die Tour zu canceln. Aber warum sollte er die Shows nicht in Paisley Park zeigen? Auf seinem eigenen Grund und Boden konnte er eine Produktion zu einem anständigen Preis auf die Beine stellen.

Und so, wie Princes Visionen für »Piano & A Microphone« Gestalt annahmen, gewann auch das Buch an Form. Laut einem Freund wurden zu jener Zeit viele Menschen, die er liebte und bewunderte, krank und führten ihm dadurch seine eigene Sterblichkeit vor Augen. Mehr als jemals zuvor fand er es wichtig, seine Geschichte zu erzählen. Am 6. Januar 2016, nur wenige Wochen vor seiner ersten Solo-Performance, bat er drei Lektoren zu sich nach Paisley Park, um ihnen sein Vorhaben zu erklären und danach zu entscheiden, mit welchem Verlag er arbeiten wollte. Das war ein ziemlich unübliches Vorgehen, standen doch alle im direkten Wettstreit miteinander. Und prompt kursierten natürlich etliche Gerüchte: Würde er auf Fragen nach seiner Vergangenheit sauer reagieren? Würde er jeden sofort hinauswerfen, der sich gotteslästerlich äußerte, oder einen Obolus für seine Fluchbüchse verlangen? Stimmte es, dass man ihm nicht in die Augen sehen durfte?

Sobald aber Prince den Raum betreten hatte, war alle Beklemmung verflogen. Er war charmant, interessiert, sogar selbstkritisch (»Ich schweife manchmal ab«, gab er zu). Die nächsten zwei Stunden vergingen in einer ungezwungenen Unterhaltung über sein Leben, seine musikalische Philosophie und seine Erwartungen an das Buch. Er wolle ein Memoir schreiben, sagte er – eine Entscheidung, die er so kurzfristig getroffen hatte, dass selbst Trevor, der auch bei dem Meeting anwesend war, davon überrascht wurde. Und es werde The Beautiful Ones heißen, nach einem der entblößendsten und schmerzhaftesten Songs aus seinem Repertoire.

Seine Mutter, deren Blick »der erste war, den ich sah« und die nie genug Würdigung für ihre Rolle bei seinem Erfolg erfahren hatte, würde in der Geschichte eine zentrale Rolle spielen.

Prince zeigte den Lektoren eine bunte Sammlung an Material. Zusammen mit seiner Schwester Tyka hatte er ein paar alte Familienfotos ausgegraben, darunter viele von seinen Eltern, und einen Stammbaum. Auch die Originalgrafik des Covers für das Album 1999 hatte er aufgestöbert – eine gezeichnete Kollage mit Ausschnitten einer Telefonzelle, einer futuristischen Skyline und einer nackten Frau mit Pferdekopf. Und er zeigte den ersten Entwurf eines Drehbuchs, Dreams, aus dem später Purple Rain wurde.

Einer der Lektoren fragte Prince, wie er seine Songtexte schrieb. Das sei der schwierigste Teil, gab er zur Antwort. Du schreibst, wo du hinwillst. Seit er denken könne, erklärte er, schreibe er Musik, um sich selbst zu definieren und neu zu erfinden. Künstler zu sein komme einer konstanten Evolution gleich, und natürlich sei es auch eine Form der Symbiose mit allem und jedem, der einen umgibt, wenn man Musik macht. Er empfand es als lebenswichtig, wenn nicht gar als einen prophetischen Akt, sein lyrisches Ich zu erschaffen: Er werde zu der Person, die er sich vorgestellt habe. Sein ganzes Leben sei eine fließende Abfolge des Vorstellens, Schaffens und Werdens. Heute ist es für jeden Superstar mehr oder weniger essenziell, ein solches lyrisches Ich zu haben; für Prince war es untrennbar mit seiner Identität als Künstler verknüpft.

Schon früh hatte er das diesem Prozess innewohnende Mysterium erkannt und die Kraft, die darin steckte, dieses Mysterium zu bewahren oder es sogar in weiteren unergründlichen Schichten einzubetten.

»Mysterium ist das Wort für einen Grund«, erklärte er. »Es hat eine Bestimmung.«

Das richtige Buch könne dieses Mysterium mit neuen Aspekten anreichern, meinte Prince, genauso wie es andere entkräften könne. Es müsse als Autobiografie funktionieren, aber in einer Art sui generis, so umfassend und gestaltwandlerisch wie sein Autor selbst. Da Prince niemand war, der vor Superlativen zurückschreckte, gab er nur eine einzige Regel aus: Es musste das größte Musikbuch der Geschichte werden.

Das Meeting hatte in dem Sinne kein offizielles Ergebnis. An einem bestimmten Punkt – er hatte gerade einen Witz gerissen – stand Prince einfach auf und verließ begleitet von seinem eigenen Lachen den Raum. Zehn Minuten später kam er zurück, ohne ein Wort über seine Abwesenheit zu verlieren. Dann sagte er, dass es Zeit für das Dinner sei, und verschwand erneut. Die Lektoren freuten sich schon – ein Dinner mit Prince! –, bis sie merkten, dass sie nicht eingeladen waren und der Künstler nicht noch einmal wiederkam.

BALD NACH DIESEM TREFFEN

zeigte Prince seine erste »Piano & A Microphone«-Show in Paisley Park, die sehr genau den Ideen entsprach, die er vor Monaten dazu entwickelt hatte. Bei dem Auftritt wob er Geschichten und Gedanken in Lieder, die von seinem ersten Album For You bis hin zu seinem jüngsten HitnRun Phase Two reichten. Die gesprochenen Beiträge gaben eine Vorstellung davon, was er zu jener Zeit dabei gedacht hatte. Er arbeitete seine Vergangenheit auf.

Erst als ich über ein Jahr später das Bildmaterial sichtete, begriff ich, wie sehr es sich in die Gedanken zu The Beautiful Ones fügte.

Sobald er sich an diesem Abend ans Klavier gesetzt hatte, regredierte er in einer Art Bewusstseinsstrom und wurde plötzlich wieder zu dem Kind, das er einst war, erweckte seine frühesten musikalischen Erinnerungen. »Ich wünschte, ich könnte Klavier spielen«, sagte er mit kindlicher Stimme in die Menge. »Aber ich weiß nicht, wie es geht. Alles sieht anders aus. Drei Jahre alt – mit drei Jahren sieht das Piano riesig aus. Hm … Vielleicht gucke ich einfach ein bisschen fern.« Er schwang sich auf sein Klavier und spielte als Pantomime ein Kind, das vor dem Fernseher Popcorn aß.

»Hier kommt Dad. Ich soll es nicht anfassen, aber ich möchte es so gern spielen … Dad geht. Er und Mom lassen sich jetzt scheiden.« Dann brachte er die zweite Person ins Spiel, als wäre sein Vater im Raum. »Ich bin, ehrlich gesagt, ganz froh, dich gehen zu sehen … Ich war erst sieben. Doch jetzt – kann ich Klavier spielen, wann immer ich will.« Prince schlug hämmernd ein paar Töne des Soundtracks von Batman an – darauf komme ich später zurück.

»Aber ich kann nicht so Klavier spielen wie Dad«, sagte er. »Wie macht Dad das? Mal sehen … Ich wünschte, ich könnte singen.« Dann fügte er hinzu: »Ich dachte, ich würde nie wie mein Dad spielen können, und er hat keine Gelegenheit verpasst, mich daran zu erinnern. Aber wir kamen gut miteinander klar. Er war mein bester Freund.«

Ein Ritual der beiden war, abwechselnd Ray Charles’ »Unchain my Heart« zu spielen.

Vor dieser Show wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass er etwas Derartiges so unverblümt angesprochen hätte. Das Repertoire des Abends schloss auch »Sometimes I feel like a Motherless Child« mit ein, ein klassischer spiritueller Song, der auf seine Art auch Princes Sehnsucht nach der verschwundenen Welt der Eltern zum Ausdruck brachte. Er war »a long way from home«, wie er sang. »Sometimes I feel like I’m almost gone.«

Vielleicht folgte das unverstellteste Zeichen von Melancholie später am Abend. »Wer von euch kennt Klarträume?«, fragte er das Publikum. »Ich träume heute lieber als früher. Einige meiner Freunde sind gestorben, und ich sehe sie in meinen Träumen. Es ist, als wären sie hier, und die Träume fühlen sich manchmal an, als wäre ich wach.«

Etwas liegt in diesen Zeilen – vielleicht diese Kombination aus unruhig und befriedet –, das mich heute traurig macht. Es ist leicht, solchen Dingen im Nachhinein eine Bedeutung zuzumessen, aber sie holen mich ein als die Gedanken eines Mannes, der halb begehrt, dass ihn der Tod berühr’, um es mal mit diesem Zitat zu sagen. Danach sang er die ersten Zeilen aus »Sometimes it Snows in April« – ganz sicher einer der nachhaltigsten Songs aus seinem Repertoire. »Tracy died soon after a long-fought civil war …«

NUR WENIGE TAGE DANACH –

nach seiner ersten Soloshow überhaupt und dem ganz sicher emotionalsten Moment seiner Laufbahn – entschied sich Prince für einen Lektor für sein Memoir: Chris Jackson von Spiegel & Grau, einem Imprint der Random-House-Gruppe. Er fand es gut, dass Chris auch Jay Z’s Buch Decoded betreut hatte. Um das Momentum nicht zu verlieren, beauftragte er Chris, Trevor und die ICM-Agenten Esther und Dan damit, einen Co-Autor zu finden. Seine frühere Managerin Julia Ramadan hatte ihm einst gesagt: »Wenn es um deine Lebensgeschichte geht, lass niemanden sonst den Stift halten.« Nun, es schien, als habe er genau das vor. Doch niemand, vielleicht noch nicht einmal Prince selbst, hatte eine Vorstellung davon, wie eine Zusammenarbeit aussehen könnte.

Und an dem Punkt kam ich ins Spiel. Dan Kirschen, mein Agent, wusste seit Jahren um meine Bewunderung für Prince. Er kannte die Prince-Poster in meinem Schlafzimmer; er war dabei, als ich in einer Karaokebar »Kiss« sang; er setzte sich zu mir, als ich ihm Videoclips von der Signo’ the Times-Konzertverfilmung zeigen wollte. Doch selbst eingedenk all dessen glaube ich nicht, dass er, als er mir erzählte, er sei in der glücklichen Position, einen Co-Autor für Princes Biografie suchen zu dürfen, auf meine flehentliche Bitte vorbereitet war, mich ins Spiel zu bringen. Er versprach, mich auf die Liste zu setzen, aber er machte auch keinen Hehl aus seiner Einschätzung: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich den Job bekam, lag irgendwo zwischen sechs Richtigen im Lotto und dem Überleben eines Asteroideneinschlags. Und um auch das zu erwähnen: Ich hatte bis dahin kein einziges Buch veröffentlicht. Zu dieser Zeit war ich Redakteur bei The Paris Review, einer literarischen Zeitschrift, von der ich nicht wusste, ob Prince sie jemals gelesen oder überhaupt von ihr gehört hatte – und zweifelsohne hatte sein am schlechtesten verkauftes Album immer noch eine größere Reichweite gehabt als der Review jemals. Ich war neunundzwanzig. Neben den bedeutend erfahreneren Aspiranten für den Job, von denen viele Prince schon länger verehrten, als ich überhaupt auf der Welt war, war ich der garantierte Verlierer.

Doch Prince zögerte, als ICM und Random House ihm die profilierten Kandidaten präsentierten. Er war es gewohnt, die Kritiken seiner Shows von Nichtprofis zu lesen, insbesondere die begeisterten Rezensionen, die Fans auf Twitter oder in ihren Blogs posteten. Das waren die Leute, so dachte er, die den Job verdienten. Ungeübt wie sie waren, inspirierte er ihr Schreiben, so wie auch sie ihn umgekehrt vielleicht beflügeln konnten.

Wie sich Trevor später erinnerte, betrachtete Prince den Schreibprozess durch das Prisma der Musik: Er wünschte sich einen Improvisationspartner, jemanden, dem er sich öffnen konnte, um seine Geschichte zu arrangieren wie einen Song oder ein Album. Solange die Beziehung stimmte, hätte er immer einen hingebungsvollen Novizen einem alten Profi vorgezogen. Selbstverständlich wären die Verlage bei der Vorstellung Sturm gelaufen, irgendeinen Prince-fanatischen Teenager unter Vertrag zu nehmen, dessen einzige Referenz eine selbst veröffentlichte Konzertkritik war. Zur Beruhigung der Gemüter gab Prince die Liste mit potenziellen Co-Autoren zurück, auf der er immerhin zwei Namen hatte stehen lassen. Ich war einer der beiden. Und wir beide waren die Einzigen, die noch kein Buch veröffentlicht hatten.

Dan sagte mir, dass Prince nun meine Telefonnummer habe. Ich könne jederzeit, ob Tag oder Nacht, mit einem Anruf rechnen.

Also schlief ich fortan mit dem Telefon neben dem Kopfkissen, den Klingelton auf ohrenbetäubende Lautstärke gestellt. Und ich übte meine Begrüßung, versuchte, jeden hysterischen Aufschrei aus meiner Stimme zu verbannen. Mein Ziel war es, so cool wie möglich zu klingen. »Hi, Prince.« – »Hallo, Prince.« – »Ah, Prince, du bist es. Hey. Schön von dir zu hören.«

Aber der Anruf kam nie. Stattdessen dachte sich Trevor eine Aufgabe aus. Wir, die potenziellen Co-Autoren, sollten für Prince eine persönliche Stellungnahme über unsere Beziehung zu seiner Musik abgeben und aufschreiben, warum wir glaubten, den Job gut meistern zu können. Ich gab mein Geschriebenes noch am selben Abend um 20:30 Uhr ab.

Zu behaupten, es sei voll mit Schmeicheleien, wäre noch völlig untertrieben. Vieles davon würde ich heute anders schreiben, wenn ich noch mal die Chance dazu bekäme. Und gewiss war es nie für andere Augen als die seinen bestimmt. Aber hier kommt eine Leseprobe:

Wenn ich der Musik von Prince lausche, habe ich das Gefühl, ein Gesetz zu brechen. Als ich das erste Mal allein mit dem Auto durch Baltimore fuhr, schaltete ich das Radio an und hörte einen Mann darüber singen, eine Frau sein zu wollen, aus dem einfachen nackten Wunsch heraus, seine Freundin besser zu verstehen – und das hob in meinem Kopf alle Türen aus den Angeln. »For you naked I would dance a ballet.« Das war das gefühlvollste, außergewöhnlichste, ehrlichste, gefährlichste Musikstück, das ich je gehört hatte. Ich rechnete förmlich damit, dass man mich auf den Standstreifen herauswinken würde, wenn man mitbekäme, wie verschmolzen ich mit diesem Lied war.

… Wenn Prince ein Buch schreiben will, dann möchte ich ihm dabei helfen: um seine Stimme auf den Seiten zum Klingen zu bringen … Ich betrachte dieses Projekt als die Verlängerung des Songschreibens – nicht als journalistische Arbeit oder als Interview, sondern als die Chance, einen neuen Weg zu finden, wie er sich mit seinen Fans verbinden kann, und noch viel mehr. Aber ist er nicht zu schwer zu fassen, um ihn auf Papier zu bannen?, mögen die Leute fragen. Viele denken, ein Sachbuch zerstört das Mysterium eines Autors – aber wenn es gut gemacht ist, vertieft es dieses Mysterium nachgerade. Seit meiner ersten Begegnung mit Prince, über die Schallwellen in Baltimore, weiß ich, dass er ein meisterhafter Geschichtenerzähler ist, eine ekstatische, transzendente Erscheinung. Ihm zu helfen, seine Geschichte auf neue Weise zu erzählen, wäre eine Ehre, die einem nur einmal im Leben zuteil wird.

Trevors Antwort kam nicht einmal zwölf Stunden später, morgens um 2:23 Uhr. »Hat Dan Piepenbring Zeit, PRN am Freitagabend (morgen) in Paisley Park kennenzulernen?«, schrieb er an Dan Kirschen und Esther.

Dan, dem Nachrichten aus Paisley zu unchristlichen Zeiten schon vertraut waren, las die Notiz direkt und lief anschließend in seinem Apartment so lange auf und ab, bis die Sonne aufging. Dann ließ er es bei mir klingeln, bis ich wach wurde. Ich schrie. Er schrie. Am nächsten Morgen – es war der 29. Januar – saß ich im Flugzeug nach Minneapolis.

IN EINEM INTERVIEW MIT OPRAH

erklärte Prince 1996, warum er in Minnesota blieb, während seine Kollegen das Leben an der Küste bevorzugten: »Es ist dort so kalt, dass sich die schlechten Menschen fernhalten.« Und wie sollte es anders sein – der Boden war mit einer festen Schneedecke bedeckt, als ich landete, und es waren nicht nur die schlechten Menschen, die sich fernhielten – draußen war kaum eine Menschenseele unterwegs. Princes Fahrerin, Kim Pratt, holte mich am Flughafen in einem schwarzen Cadillac Escalade ab. Sie trug einen falschen Diamanten von der Größe eines Ring Pops. »Manchmal muss es eben femininer sein«, sagte sie.

Bis zu meinem Meeting in Paisley Park dauerte es noch Stunden – und niemand schien zu wissen, wann genau es denn nun stattfinden sollte. Also ließ mich Kim beim Country Inn & Suites raus, einem unspektakulären Hotel in Chanhassen, das de facto als Außenstelle von Paisley fungierte. Einer von Princes Beratern erzählte mir, dass er schon so lange Jahre dort lebte, dass ihm das Liegerad im Fitnesscenter kaputtgegangen wäre. Offenbar hatte Prince bereits so viele Übernachtungen bezahlt, dass er das gesamte Hotel inzwischen viermal hätte kaufen können.

Ich war bis auf Weiteres »auf Abruf«. Ich hatte das Gefühl, mich in die lange und illustre Schlange von Leuten einzureihen, die Prince warten ließ. Leute, die ebenfalls schon in den Zimmern dieses Hotels gesessen hatten, vielleicht genau in diesem Zimmer, und langsam kurz vor dem Durchdrehen waren, so wie ich kurz vor dem Durchdrehen war. Ich machte den Fernseher an. Ich machte den Fernseher aus. Ich trank einen Minztee. Von meinem Zimmer aus sah man auf ausgeblichene Dachziegel, eine Pinie und eine ausrangierte Leiter. Da ich wusste, dass das Fotografieren in Paisley streng verboten war, machte ich stattdessen hiervon eine Aufnahme.

Gegen 18:30 Uhr schickte Kim mir eine Textnachricht, sie würde mich nun abholen, P – jeder im Paisley-Kosmos nannte ihn »P«, wie ich bald merken würde – war jetzt so weit, mich zu empfangen.