The grump who stole my heart - Ella Fields - E-Book

The grump who stole my heart E-Book

Ella Fields

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Beschreibung

Zwei verwundete Seelen, deren Schicksale untrennbar miteinander verwoben sind Als Smith und Alice sich zum ersten Mal begegnen, knistert es sofort. Der mysteriöse Bad Boy und die rebellische Schönheit – eine Kombination mit explosiver Anziehungskraft. Doch am Ende des Sommers bleibt Alice mit gebrochenem Herzen zurück und ihr Leben gerät aus den Fugen. Drei Jahre später: Als Alice vom College fliegt, braucht sie dringend einen Job – und landet ausgerechnet in Smiths Buchladen. Alten Wunden reißen wieder auf, doch es dauert nicht lange, bis auch die Funken wieder sprühen. Kann es diesmal ein Happy End für die beiden geben? Ihr wollt weitere New Adult Bücher von Ella Fields lesen? Entdeckt die hochemotionale College-Romance: Gray Springs University 1: Suddenly Forbidden  Gray Springs University 2: Bittersweet Always Gray Springs University 3: Pretty Venom

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Seitenzahl: 515

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The grump who stole my heart

Die Autorin

Ella Fields ist Mutter und Ehefrau und lebt in Australien. Während ihre Kinder in der Schule sind, trifft man sie meistens, wie sie mit ihrer Katze Bert und ihrem Hund Grub über ihre Figuren und Bücher spricht. Sie ist schokoladensüchtig und eine unverbesserliche Sammlerin schöner Notizbücher. Sie liebt es, Stories mit hart erarbeiteten Happy Ends zu schreiben.

Das Buch

Zwei verwundete Seelen, deren Schicksale untrennbar miteinander verwoben sind

Als Smith und Alice sich zum ersten Mal begegnen, knistert es sofort. Der mysteriöse Bad Boy und die rebellische Schönheit – eine Kombination mit explosiver Anziehungskraft. Doch am Ende des Sommers bleibt Alice mit gebrochenem Herzen zurück und ihr Leben gerät aus den Fugen.

Drei Jahre später: Als Alice vom College fliegt, braucht sie dringend einen Job – und landet ausgerechnet in Smiths Buchladen. Alten Wunden reißen wieder auf, doch es dauert nicht lange, bis auch die Funken wieder sprühen. Kann es diesmal ein Happy End für die beiden geben?

Ella Fields

The grump who stole my heart

Roman

Aus dem Englischen von Nina Bader

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Mai 2023 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-715-3

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

ERSTES KAPITEL

ZWEITES KAPITEL

DRITTES KAPITEL

VIERTES KAPITEL

FÜNFTES KAPITEL

SECHSTES KAPITEL

SIEBTES KAPITEL

ACHTES KAPITEL

NEUNTES KAPITEL

ZEHNTES KAPITEL

ELFTES KAPITEL

ZWÖLFTES KAPITEL

DREIZEHNTES KAPITEL

VIERZEHNTES KAPITEL

FÜNFZEHNTES KAPITEL

SECHZEHNTES KAPITEL

SIEBZEHNTES KAPITEL

ACHTZEHNTES KAPITEL

NEUNZEHNTES KAPITEL

ZWANZIGSTES KAPITEL

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL

SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL

EPILOG

Leseprobe: Things We Never Got Over

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

ERSTES KAPITEL

Widmung

Für diejenigen, die Sicherheit in der Einsamkeit finden

ERSTES KAPITEL

Alice

»Billionen-Dollar-Erbin enthüllt ihre natürlichen Reichtümer.« Die sanfte, aber dennoch von zu vielen Zigaretten angeraute Stimme meiner Mutter klang bestenfalls teilnahmslos.

Sie war sauer.

»Hör zu.« Ich schlug ungefähr zum zehnten Mal die Beine übereinander, seitdem sie mich hier hereingerufen hatte. Natürlich passierte das erst, nachdem sie mich dreißig Minuten in der Halle hatte warten lassen, als wäre ich eine ihrer vielen Angestellten. »Es ist absolut nicht so schlimm, wie es klingt.« Ich rang mir ein gezwungenes Lachen ab und bemühte mich, nicht zu fluchen, als es in der erdrückenden Stimmung in dem übergroßen Arbeitszimmer erstarb. »Du weißt doch, wie gerne diese Arschlöcher die Tatsachen verdrehen.«

Valencia Corvall ließ die Zeitschrift sinken, sodass ihre frisch operierte Nase und ihr giftiger Blick zum Vorschein kamen. »Wirklich«, erwiderte sie gedehnt. Ihre Augen wichen nicht von meinen, als sie nach den sechs weiteren neben ihr aufgestapelten Magazinen griff. Ich bemühte mich, nicht bei jedem Klatsch zusammenzuzucken, als sie eine nach der anderen mitten auf ihren riesigen Schreibtisch knallte. »Ein Paar nackter Titten auf der Titelseite jeder Klatschzeitschrift im Land lügt nicht.«

Ich war versucht zu fragen, wie sie überhaupt so viele Magazine in so kurzer Zeit zusammengesucht hatte, verkniff es mir jedoch. Ich hielt den Mund und rümpfte die Nase, als ich einen Blick auf das Bild erhaschte. Es war idiotisch von mir, zu glauben, dass die Nacht meinen Körper verbergen würde. Dunkelheit war für moderne Technik und ein bisschen Hilfe von Photoshop kein Problem mehr.

Ich war eine Idiotin und außerdem betrunken. So hinüber, dass ich einen ziemlichen Filmriss hatte, was diese Nacht angeht.

Ihre bewusst eingelegte Pause endete. »Sollen wir einmal nachschauen, wo wir sie überall online finden können?«

»Sie sind unscharf.« Ich spürte den Drang, darauf hinzuweisen.

Ein Fehler. Ihre hohen Wangenknochen bewegten sich kaum, aber ihre Augen sprühten Feuer.

Ich machte direkt einen weiteren, indem ich planlos weiterfaselte. »Das sind sie wirklich, aber wir können die Zeitschriften trotzdem verklagen.« Schweigen. Ich öffnete erneut den Mund. »Ich meine, wer ist noch nie irgendwann mal nachts mit Freunden nackt baden gegangen?« Ich verdrehte die Augen, warf meine frisch mit Highlights versehenen Haare über die Schulter und lachte erneut unbeholfen auf. »Ich denke, wir haben Glück, dass ich mich erst jetzt entschlossen habe, ein bisschen abenteuerlustig zu sein, und nicht schon vor ein paar Jahren.«

Der Duft von frischem Lavendel, den ich normalerweise liebte, hüllte mich ein wie eine Heizdecke mitten im Sommer. Der Kamin unter der riesigen orientalischen Vase blieb leer, und ein Luftstrom wehte in den Raum.

Trotzdem begann ich zu schwitzen.

Ich kannte diesen Blick von ihr – hatte ein Mal zu oft gesehen, wie sie meinen Vater beim Dinner damit bedacht hatte, wenn sie im Begriff stand, ihm seinen Arsch auf einem verdammten Silbertablett zu servieren. Oft wurde er von einem Bund Petersilie begleitet, um Christopher Corvalls ernsthaften Mangel an Eiern zu verstecken.

Es war, als würde man zusehen, wie ein Sturm langsam heraufzog. Das Fehlen jeglicher Gefühlsregung in ihrem Gesicht und das wachsende Maß an Gift in ihren Augen. Ihr völlig regungsloser Körper.

Der Sturm brach mit dem erschreckend sanften Wort »abenteuerlustig« los.

Ich schluckte und beschloss aus Angst und einem Selbsterhaltungstrieb heraus zu schweigen.

»Deine Titten der ganzen Welt zu präsentieren, ist also abenteuerlustig«, sagte sie kühl. Ein langer, schwarz lackierter Nagel tippte auf das Mahagoniholz ihres Schreibtischs. »Ich nehme an, ein flotter Dreier mit einem fremden Jungen und seiner Freundin im Farmtrucks seines Vaters ist auch abenteuerlustig.«

Na ja, so würde ich es nicht unbedingt nennen. Aufregend und unerwartet, klar. Wieder sturzbetrunken, aber ich bereute nichts.

Wir hatten unseren Spaß, und sie wohnten außerhalb der Stadt, also war es nicht so, als müsste ich ihnen auf dem Campus begegnen. Zu dumm war nur, dass die Freundin die Dashcam eingeschaltet hatte. Die Qualität war beschissen, und wir waren nicht immer im Bild, aber es gab eine kleine Szene, in der ich es mit ihrem Freund treibe, während sie auf seinem Gesicht sitzt und mich küsst.

Ich hielt den Mund.

»Was war denn im letzten Sommer, hmm?« Ihr Finger tippte schneller. Scheiße.

Dreifach verfluchte Scheiße.

Nein, bat ich stumm.

Ihre Lippen zuckten, als könnte sie meine inneren Schreie hören. Sie hatte versprochen, damit aufzuhören, das Thema zur Sprache zu bringen. Ich hatte zur Strafe für drei Monate mein Auto abgegeben und als Freiwillige in einem Obdachlosenheim gearbeitet. Ich hatte die Zeit abgeleistet. Ich hatte die Demütigung durchgestanden, online beschimpft und auf dem Campus höhnisch belächelt zu werden.

»Die Dervents.«

Mein gesamtes Gesicht brannte. »Du weißt, dass ich das nicht absichtlich getan habe.«

Das Feuer in ihren Augen erlosch ein wenig, aber ich ließ mich dadurch nicht zu dem Glauben verleiten, dass das hier gut ausgehen würde. »Das mag ja so sein, aber nichtsdestotrotz ist es passiert, und es hat mich ein verdammtes Vermögen gekostet, den Riesenschlamassel wieder in Ordnung zu bringen.«

»Ich wusste nicht, dass er mit einer Politikerin verheiratet war.« Und es hat mich tatsächlich ein bisschen aus der Fassung gebracht, herauszufinden, dass der Kerl, mit dem ich ganze drei Dates hatte, überhaupt verheiratet war. Ich war kein Typ für Dates. Ich hatte noch nicht einmal die Chance, ihn zu vögeln, bevor wir es in die Boulevardpresse schafften, nachdem wir in einem Restaurant fotografiert worden waren.

Eine verdammte Schande, obwohl ich mich wegen der Art, wie wir beim zweiten und dritten Date unter dem Tisch herumgefummelt hatten, schuldig fühlte. Das dunkle Funkeln in seinen Augen und die markante, glatt rasierte Kieferpartie, die ihm ein selbstbewusstes Auftreten verliehen, versprachen eine gute Zeit.

Einen Monat, nachdem die Bilder veröffentlicht wurden, hatte er aufgehört, mich zu kontaktieren. Bis zu diesem Punkt hatte er mir täglich flehende Nachrichten geschickt, bevor er darauf umschwang, zu behaupten, er würde seine Frau verlassen.

Ich hatte mit so viel Anstand wie möglich geantwortet: Ich bin zwanzig, du blödes Arschloch. Verlass deine Frau für jemanden, der tatsächlich mehr als nur Sex will.

Weil das mit absoluter Sicherheit nicht ich war.

Klar, ich hatte den Typen gemocht – dieses breite Grinsen, das seine dunklen Augen aufblitzen ließ, und diese kratzige, tiefe Stimme –, aber ich weigerte mich, jemals wieder jemanden so sehr zu mögen, dass ich mich komplett verliere und in den Untergang stürze.

Liebe war etwas für Leute, die Schmerz genossen. Nichts für mich, danke. Ich wachte gerne ohne den prompten Schmerz in der Brust auf, den kein Maß an Selbstmedikation lindern konnte. Ich liebte es, zu atmen, ohne das Brennen zu spüren, das das Fehlen von etwas Lebenswichtigem auslöste.

Ich versuchte mit allen Mitteln, ohne dieses Gefühl zu leben.

Meine Mutter seufzte, ihre steifen Schultern lockerten sich ein wenig. »Alice, es ist Zeit, dass wir uns nach einer Therapie umsehen.«

»Therapie?« In meinem Kopf überschlugen sich Bilder von mir auf einer Couch, wo ich mit tausend nadelspitzen Fragen bombardiert werde. Das konnte ich nicht. Nicht, weil ich es für falsch hielt, sondern weil ich es einfach nicht konnte. Es würde mich zurückversetzen. Nur darauf lief es hinaus.

Und ich würde nicht dorthin zurückgehen. Nicht für meine Mutter. Nicht für meine wenigen Freunde. Noch nicht einmal für mein Erbe.

Für nichts auf der Welt.

»Drogen- und Alkoholentzug.«

Ich schnappte nach Luft. »Ich habe seit dem letzten Vorfall kein Koks mehr angerührt«, verkündete ich entschieden lauter als nötig, und meine Mutter blinzelte langsam – ihre Version eines Zusammenzuckens. »Und es liegt nicht am Alkohol.« Okay, hilfreich war dieser eindeutig nicht, aber trotzdem. »Du willst, dass ich aufhöre zu trinken? Schön.« Ich warf die Hände hoch. »Betrachte es als beschlossene Sache.« Ich lehnte mich zurück, streckte mich und schlug die Beine übereinander. »Kein Problem.«

»Nein.« Jetzt klang sie eher resigniert als verärgert. »Es liegt nicht an den Drogen oder am Alkohol. Es liegt an dir.«

Sie ließ die Feststellung einen Moment lang in der stickigen Luft hängen. Ich konnte spüren, wie sich ihr Gewicht in meine Haut grub und die Worte drohten, in meine Poren zu sickern und Wunden aufzureißen, für deren Heilung ich lange gebraucht hatte. Die ich lange ignoriert hatte.

Es war alles dasselbe.

Sie beugte sich über den Schreibtisch und hielt die dunklen Augen auf mich gerichtet, während sie den Kopf schief legte. »Ich habe dir fast bei jedem Besuch, seit du zum College gegangen bist, dieselbe Frage gestellt, aber ich werde dich noch einmal fragen. Erzähl mir, was dir passiert ist, bevor du abgereist bist.«

Statt mich augenblicklich zu verschließen und abzuschotten, wie ich es für gewöhnlich tue, beschloss ich zu fragen: »Warum?« Es war ja nicht so, als wäre meine Mom eine schlechte Mutter. Ganz und gar nicht. Sie arbeitete viel, und ihr Interesse an ihren beiden Töchtern hatte mit Sicherheit nachgelassen, seit wir in die Pubertät gekommen waren und ihr mehr Besuche im Friseursalon beschert hatten, aber sie liebte uns.

Auf ihre eigene unterkühlte und einzigartige Weise vergötterte sie uns beide. Vor allem meine ältere Schwester Tiana.

Von uns beiden war Tiana Mom am ähnlichsten mit ihrer Persönlichkeit und ihrem dunkelbraunen lockigen Bob und den gleichfarbigen Augen. Wohingegen ich sowohl mit meinen glänzenden blonden Haaren als auch meiner Haltung unserem Vater nachkam.

Bis vor wenigen Jahren.

»Was macht es für einen Unterschied, wenn du es weißt?«, fragte ich, als sie lediglich abwartete, um zu sehen, ob ich noch mehr sagen würde.

Ihre Wimpern flatterten, und die Brauen zogen sich leicht zusammen, bevor sie ihre Fassung zurückgewann. »Du gibst also zu, dass etwas passiert ist.«

Ich grinste. »Würde es mir jetzt helfen, wenn ich das tun würde?«

Ihr ausdrucksloser Gesichtsausdruck wurde noch eisiger. Das bedeutete also nein.

Ich leckte mir über die Lippen und betrachtete den vergoldeten Samtsessel zu meiner Rechten und die Bücher über Vintage-Mode auf dem Couchtisch. Schatten krochen über meine Haut und führten mich in Versuchung, mit der Dunkelheit zu tanzen, die ich lange hinter mir gelassen hatte. Seither hatte ich immer nach Licht gesucht, und wenn ich es nicht finden konnte, erschuf ich es. Dafür würde ich tun, was auch immer erforderlich war.

Selbst auf Kosten meines Rufs – oder des Rufs meiner gesamten Familie.

»Nein«, sagte ich schließlich leise, aber sie hörte es trotzdem. Ich straffte meine Schultern und zwang die Schatten dazu, zurückzuweichen.

Manchmal überwältigten sie mich, trafen mich unvorbereitet und zwangen mich, mein Innerstes zu Papier zu bringen. Ich war entschlossen, um jeden Preis zu vermeiden, heute oder irgendwann in der Zukunft ein weiteres manchmal zu erleben. Auch wenn es irgendetwas Gewaltsames in mir vertrieb und den Druck minderte, war der Hangover immer schlimmer als irgendeiner, den ich zuvor durchlitten hatte.

Er war pures Gift, ein dunkles Verlangen in meinen Adern, das die Seele verdüsterte und dem Herzen einen Schock versetzte, aber nur, wenn ich zuließ, dass ich blutete.

Also tat ich das nur selten. Ich kannte die Anzeichen. Ich entwickelte mich zu einer Expertin darin, seine Ankunft zu erkennen. Ich würde ganz bleiben.

Glücklich.

Atmend.

Lebendig.

»Du wirst dein Studium nach dem Sommer hier in Eloise beenden. Bis dahin wirst du dich jeden Tag bei deinem neuen Job einfinden und um elf wieder zu Hause sein.«

Jedes Wort glich einer Ohrfeige, wieder und wieder, bis meine Ohren dröhnten. Zu Hause. College. Job.

Mir entfuhr ein seltsames Geräusch. »Nicht witzig, Mom. Gar nicht …«, ich schluckte, » … witzig.«

»Ich lache nicht, Alice.«

Scheiße.

Ich hatte noch nie einen richtigen Job. Das war es allerdings nicht, was mir die Hoffnung nahm.

Hier gab es kein privates College. Hochschulen schon, aber kein College. Es sei denn, sie meinte … nein. »Was soll das heißen, ich werde hier weiterstudieren? Ich stehe vor meinem gottverdammten letzten Jahr!«

»Also wirst du es verdammt noch mal hier verbringen«, gab sie ohne zu zögern zurück. »Der Ivy League ist es egal, wessen Tochter du bist. Sie wollen sich nicht länger mit Leuten wie dir herumärgern.«

Mein Mund blieb offen stehen. »Sie haben mich rausgeworfen?«

»Sei nicht so dramatisch.« Für sie war dieses Gespräch anscheinend fast beendet, denn sie griff nach ihrer geflügelten Brille, setzte sie auf und zog ihr Tablet näher heran. »Sie fragten an, ob du eine … Alternative finden könntest.« Sie kräuselte leicht die Nase. »Bis du dich zusammenreißt. Da du ein Jahr davon entfernt bist, erwachsen zu werden«, sie ließ in jedes Wort Sarkasmus einfließen, »und es dir natürlich nicht gefallen wird, wie ich wusste.«

»Dann schick mich zu einer anderen Ivy-League-School.« Ihre kühle Miene ließ mich fast schreien. »Bitte, Mom.« Ich schämte mich nicht dafür, zu betteln. Ich konnte mich nicht auf eine so öffentliche Weise demütigen lassen. Ich würde es nicht überleben.

Ich würde keine fünf Minuten an einer gewöhnlichen Hochschule überleben, mit gewöhnlichen Leuten, die mich vermutlich für nichts weiter als einen reichen, privilegierten Schwachkopf halten würden. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht nach Hause zurückziehen konnte. Ich kam ja kaum im Sommer für eine Woche zurück.

Ich hasste es hier wie die Pest.

Ein weiteres Seufzen. »Alice, die Entscheidung steht fest, also provoziere mich nicht. Gerade du solltest doch wissen, dass es viel schlimmer kommen könnte.«

»Im Moment erschließt es sich mir leider nicht, wie mein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen und es in Brand zu stecken noch getoppt werden könnte«, schleuderte ich ihr entgegen, bevor ich nachdenken konnte.

Jedes sanfte Wort war in Eis gehüllt. »Möchtest du es darauf ankommen lassen, dass ich es versuche?«

Sie brauchte mir nicht zu erklären, was als Nächstes kommen würde. Ich würde meinen Treuhandfonds verlieren. Mein Auto. Mein Telefon. Und diese grauenhafte Liste würde sich zweifellos fortsetzen.

Ich sank in meinen Sitz zurück. »Also würde ich für dich arbeiten.«

Sie schnaubte. »Nein, du wirst als freiwillige Hilfskraft für eine andere arme Seele tätig sein.«

»Als Freiwillige?« Na schön. Das hatte ich schon mal gemacht und war unversehrt davongekommen, aber dann zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen, als ich mich erinnerte. »Aber mein Apartment …«

»Während unseres Gesprächs hier wird es ausgeräumt.« Sie blickte auf ihre Uhr und summte, als wäre sie zufrieden. »Sie sind inzwischen wahrscheinlich fertig.«

»Du hast was getan?« Ich war verwöhnt – über alle Maßen privilegiert –, und ich wusste das, aber ich brauchte mein Apartment. Meine Notizbücher. Ich brauchte Raum für mich, um atmen zu können. Sie verstand das nicht, und ihre vorgetäuschte Geduld hielt mich davon ab, zu versuchen, es ihr verständlich machen zu wollen.

Diese Befriedigung würde ich ihr nicht gönnen. Nicht nur, weil ich innerlich schäumte, die Wut in all meinen Blutgefäßen und jedem meiner verdammten Knochen kochte, sondern weil ich nicht in die Dunkelheit zurückkehren konnte.

Ich räusperte mich und sagte mir, dass alles in Ordnung kommen würde. Sagte mir, dass ich weiteratmen sollte. Meinen Sachen würde nichts passieren. Ich würde eine andere Wohnung finden, und das schon sehr bald, da sich meine Eltern inzwischen an ein weitgehend leeres Nest gewöhnt hatten. »Was ist mit meinem Hauptfach am College?«

»Wie schön für dich, dass du eine derart typische Fehlentscheidung getroffen hast, um unser Geld dafür zu verschwenden.«

Kreatives Schreiben war keine Fehlentscheidung. Wenn jemand eine Leidenschaft für etwas nachvollziehen konnte, dann meine Mutter mit ihrem Schönheitsimperium. Aber sie ließ mich nie vergessen, dass sie eine seltene Ausnahme war. Dass sie niemandem die Skrupellosigkeit, den Druck und die schlaflosen Nächte ihrer ersten zehn Geschäftsjahre wünschte.

»Hör auf, mir das ständig vorzuwerfen.«

»Dann musst du aufhören, mir Gründe dafür zu geben«, schoss sie zurück, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihr Tablet. »Ich bin spät dran für einen Anruf. Du musst jetzt gehen.«

Das war es. Ich war entlassen.

Die Verbindung wurde bereits hergestellt, aber ich blieb dennoch an der Tür stehen. »Wegen des Jobs hast du aber nur Witze gemacht, oder?«

»Oh nein, mein Liebling. Aber keine Angst.« Sie lachte, und ich erschauerte. »Diesmal habe ich etwas für dich arrangiert, von dem ich glaube, dass du es lieben wirst.«

ZWEITES KAPITEL

Smith

Hustend stolperte ich die letzten Stufen zum Laden hinunter. Mein Kopf pochte.

Als ich das Gewicht in meiner Hand betrachtete, erkannte ich den Grund dafür und stellte die Whiskyflasche, die ich umklammert hielt, vor einem Bilderbuch ab. Mein schlechtes Gewissen gewann die Oberhand, als ich mich der vorderen Ladentheke näherte, und ich stöhnte, schlug eine andere Richtung ein und ließ die Flasche in der Abteilung für Selbsthilfe-Bücher verschwinden.

Viel besser.

»Hallo?«

»Fuck.« Ich fuhr mit einem Knurren herum. »Warnen Sie beim nächsten Mal jemanden vor, bevor Sie wie aus dem Nichts auftauchen.«

Der Mann, der mit einem Buch in der Hand am Ende des Ganges stand, blinzelte mich an. »Sie arbeiten hier, nicht wahr?«

»Nein, ich verstecke mich bloß hier, weil ich keine bessere Unterkunft habe.« Nicht komplett gelogen. Ich schob mich an ihm vorbei, wobei ich darauf achtete, dass kein Teil von mir, noch nicht einmal meine Jacke, seine rundliche Gestalt berührte, und steuerte auf die Theke zu.

Dort herrschte wie üblich das totale Chaos. Ich schob Papiere zur Seite, fand, was ich suchte, drehte den Verschluss der Tablettenflasche auf und schüttete drei Pillen in meine Handfläche. Sofort stellte sich Bedauern ein. Ich hätte den Whisky nicht abstellen sollen. Fluchend griff ich nach dem Flachmann, den ich unter der Kasse aufbewahrte. Es war nur noch ein Schluck darin, aber er reichte, um die Tabletten hinunterzuspülen.

Der Mann hatte immer noch keine Anstalten gemacht, zu gehen. »Wir öffnen um neun«, grollte ich, als er auf die Theke zukam. »Auf dem Schild steht immer noch ›Geschlossen‹.«

»Es ist nach zehn«, stellte er fest, und ich wich dem Blick aus, der über mich hinwegwanderte – abschätzend, verurteilend, voreingenommen. »Und das Schild besagt, dass geöffnet ist.« Er hielt inne. »Und da ist noch etwas, das, äh … ein bisschen unangenehm auffällt. Sind Sie betrunken?«

Wenn dem doch nur so wäre. »Sind Sie jetzt fertig?«

Er ließ das Buch auf den Tresen fallen. »Zwanzig Dollar«, blaffte ich ihn an, ohne den Preis zu checken.

Er schnaubte, knallte mir aber den Schein hin und nahm sein Buch. »Kein Kassenbon?«

Seine zusammengekniffenen Augen begegneten endlich meinen, und ich funkelte ihn an, woraufhin seine sich weiteten, bevor er sich wohlweislich davonmachte und auf dem ganzen Weg zur Tür hinaus vor sich hin grummelte.

Das Morgenlicht fiel durch das gewellte Glas der Tür, und ich machte mir eine geistige Notiz, jemanden kommen zu lassen, um neue Läden anzubringen. Die letzten waren draufgegangen, nachdem sie auf den Boden gefallen waren. Vermutlich weil die Tür einmal zu viel von irgendeinem Vollpfosten zugeknallt worden war, der hier arbeitete.

Von mir. Ich war der Einzige, der hier arbeitete.

Die bösen Mächte hatten offenbar entschieden, dass es für mich heute Morgen keine Gnadenfrist gab. Die Tür wurde erneut geöffnet und brachte genug Sonnenlicht mit in den Laden, um mir ein Zischen zu entlocken.

»Großer Gott, Charles. Hier stinkt es nach Mottenkugeln und Whisky.«

Fuck. Ich war versucht, wieder nach oben zu kriechen und diese Woche ohne mich verstreichen zu lassen. »Was willst du?«

Mein guter alter Dad blieb auf der Schwelle stehen und registrierte die staubige Auslage eines Memoiren-Bestsellers mit einem Stirnrunzeln. Wenn man mich fragt, bleibt den meisten Büchern nicht genug Zeit im Regal. Ich tat diesem alten Schmöker einen Gefallen. »Ich statte nur einem der Läden, die mir gehören, einen Besuch ab.«

»Dir zum Teil gehören«, korrigierte ich ihn und ließ mich in den Sessel hinter der Theke fallen, während ich nach einer Zigarette kramte.

»Du hast für deine Hälfte mit deinem Erbe bezahlt – einem Erbe von deiner Mutter und mir.«

»Worauf willst du hinaus?« Ich zündete die Zigarette an, warf das Feuerzeug auf den mit Papieren übersäten Tresen und schlug ein Bein über mein Knie.

Er gab einen frustrierten Laut von sich. Das Geräusch lenkte meinen Blick auf ihn, als ich den Atem ausstieß, und mein Vater blieb vor der Theke stehen. Solange ich denken kann, hatte er sich nicht verändert, daher erwartete ich nichts anderes, seit er vor drei Monaten das letzte Mal den Laden betrat.

Der dichte, dunkle Haarschopf fing noch immer das Licht auf, und sein karierter Blazer sah aus, als wäre er ein halbes Dutzend Mal von einem Truck überrollt worden, so lächerlich gründlich war er gebügelt worden.

»Du sagtest, du würdest kündigen.«

»Du sagtest, ich sollte kündigen«, erwiderte ich. »Ich kann mich nicht erinnern, dir eine Antwort gegeben zu haben.«

»Charles«, begann er in diesem verärgerten, scharfen Ton, aus dem Missbilligung und Enttäuschung herausklangen.

Mein Kiefer spannte sich an. »Was genau willst du?«

Er seufzte, woraufhin ich die Zähne zusammenbiss. Ich zog ein letztes Mal stark an meiner Zigarette und beugte mich dann vor, um Asche in eine leere Takeaway-Schachtel zu schnippen. »Ich weiß, dass du Nein sagen wirst, und ich weiß, dass du es hassen wirst, aber offen gestanden ist mir das egal.« Er hob leicht die Schultern. »Die Entscheidung steht fest.«

Genervt drückte ich die Zigarette in der Nudelschachtel aus. »Komm zur Sache.«

»Du hast eine neue Angestellte. Sie fängt heute an.« Er blickte sich um. »Eigentlich sollte sie schon hier sein.«

»Wie bitte?« Ich wäre fast aufgesprungen und hätte es auch getan, wenn mein Kopf nicht wie ein Presslufthammer gepocht hätte. Ich lachte. »Das kommt überhaupt nicht infrage, alter Mann. Das Thema hatten wir doch schon. Mein Laden. Meine Regeln.«

»Es ist ein Gefallen für eine Freundin in sehr hoher Position. Ich habe ihr schon versprochen, dass das in Ordnung geht.«

»Das ist mir egal, und wenn es ein Gefallen für eine verdammte Königin wäre. Die Antwort lautet und wird immer lauten«, ich betonte die letzten beiden Worte langsam durch die Zähne, »fuck, nein.«

»Die Hälfte meines Ladens, die Hälfte meiner Regeln, Charles«, erwiderte er mit einem plötzlichen Wutausbruch, der von seinen roten Wangen unterstrichen wurde. »Das Ganze ist bereits eine beschlossene Sache.« Er stach mit dem Finger in die Luft. »Endgültig.«

»Ach ja? Zahlst du dann auch ihren Lohn?« Ganz sicher würde der nicht den Rest meines Erbes tilgen. Fuck, nein, vielen Dank. Dieses Geld war dazu bestimmt, mich durchzubringen, bis ich in ein Loch kroch und starb.

Aber Mr. Geldsack da drüben? Sollte er doch die Sache durchziehen und sie bezahlen. Ich würde sie einfach nach Hause schicken, sobald sie hier aufkreuzte. Eine Win-win-Situation für uns beide.

»Soweit ich weiß, ist sie bereit, ehrenamtlich hier zu arbeiten. Du verdienst ja kaum genug, um deine Stromrechnung zu bezahlen.« Sein Ton verlor etwas von seiner Schärfe. »Also wirst du sie akzeptieren, dich benehmen und dir von ihr helfen lassen, den Laden wieder in Schwung zu bringen, oder …«, er hob die Stimme, als ich erneut Einwände erheben wollte, » … du kannst sehen, wie du das Geld auftreibst, um mich auszuzahlen, denn im Gegensatz zu dir habe ich es satt, mich von Geistern verfolgen zu lassen.«

Mit diesen Worten musterte er mich mit seinen dunklen Augen scharf und schüttelte dann den Kopf, ohne dass eine Strähne seines zurückgegelten Haares verrutschte, als er zur Tür ging. »Ich werde vorbeikommen, um mich zu vergewissern, dass du sie nicht vergrault hast.«

»Es wäre mir lieber, du würdest dir das sparen«, knurrte ich, doch die Tür wurde schon zugeschlagen.

Dieser aufgeblasene Scheißkerl musste zur Hälfte hirnamputiert sein, wenn er sich einbildete, irgendjemand würde in diesem verdammten Laden arbeiten. Es kümmerte ihn nicht wirklich, was daraus wurde. Es hatte ihn seit Jahren nicht gekümmert. Er hatte ihr gehört, und wenn ich nicht gewesen wäre, hätte Dad ihn schon vor Jahren verkauft, ohne auch nur ein einziges Mal zurückzublicken.

Das konnte ich nicht zulassen – auch wenn ich mir nie vorgestellt hatte, mich als Einsiedler in einer Buchhandlung zu vergraben. Ich konnte ihn nicht diesen letzten Teil von ihr auslöschen lassen. Dieser Laden hatte ihr alles bedeutet, ihre große Liebe nach mir und dem lausigen Dreckskerl, der gerade meine Stimmung ruiniert hatte.

Sicher, er war ein bisschen … heruntergekommen. Aber ich hatte wie jeder andere auch gute und schlechte Zeiten. Ich brauchte niemanden, der seine schmutzigen Pfoten in alle meine Angelegenheiten steckte und Veränderungen –

Die Tür wurde geöffnet. Ich stand auf und sandte einen mörderischen Blick in die Richtung, bereit, die Person in Tränen aufgelöst wieder auf die Straße hinauszujagen.

Die Worte verwandelten sich auf meiner Zunge zu Asche.

Die platinblonde Granate ließ ihre himmelsblauen Augen über mein Zuhause, meine Geister, meine Unsicherheiten und meinen sicheren Hafen gleiten.

Der flüchtige Blick fühlte sich an, als hätte sie meine Brust aufgerissen, um hineinzuspähen und endlich zu bestätigen, dass mir etwas fehlte.

Dass mir immer etwas fehlen würde.

Sie konnte nicht hier sein. Sie lebte mit ihren hochnäsigen, aufgeblasenen Freunden im Nachbarstaat und nicht mehr in Eloise. Sie konnte mich nicht länger mit ihrer bloßen Existenz bedrohen.

Und doch war sie hier.

In der verdammten Höhle, in die ich mich zurückgezogen hatte, um mich vor Menschen wie ihr zu verstecken.

Langsam krochen ihre Augen wieder über die Gänge, und sie trat in einem verdammt kurzen lila Kleid und dazu passenden lebensgefährlichen High Heels zögernd einen Schritt vor.

Dann erstarrte sie.

Ich grinste, ließ genug Bosheit darin einfließen, um die

aufflackernde Angst in ihren Augen und das Erschlaffen der rot geschminkten Lippen zu rechtfertigen. »Ich glaube, du hast einen ganz falschen Weg eingeschlagen, Wonderland.«

DRITTES KAPITEL

Alice

Vier Jahre zuvor

Es gab bessere Orte, um sich zu verstecken, aber das Baumhaus, in dem ich als Kind endlose Stunden verbracht hatte, war mein Lieblingsplatz, um zu rauchen.

Nicht nur, weil es halb vom Wald verborgen ganz am Ende unseres Grundstücks lag, sondern auch, weil es hier keinen Lärm gab. Nur die Geräusche der Nacht. Der dröhnende Bass der Musik in unserem Poolhaus, in dem sich meine Schwester und ihre Freunde aufhielten, erreichte mich kaum.

Normalerweise wäre ich bei ihnen oder würde es zumindest versuchen, während meine Eltern auf einer der zahlreichen Geschäftsreisen meiner Mutter unterwegs waren. Aber nicht heute Abend. Wahrscheinlich überhaupt nicht in diesem Sommer.

Ich zündete das Ende des Joints an. Einer von den wenigen, die ich einem Typen geklaut hatte, der sich ins Haus geschlichen hatte, als ich es verließ. Nur ein weiterer Fremder, den meine Schwester aufgegabelt hatte, seit sie vom College wieder zu Hause war. Ich war dankbar gewesen, dass er mich nicht kannte, dass viele von ihnen mich nicht kannten. Nicht, weil er mich bei meiner Schwester hätte verpetzen können – sie würde das gar nicht interessieren –, sondern weil ich in diesem letzten Monat genug Demütigung erlebt hatte.

Meine Gnadenfrist – der Sommer – war endlich gekommen. Dennoch empfand ich keine Erleichterung. Der bittere Geschmack von Reue und dieser Schmerz waren mir geblieben wie ein Virus, das ich nicht loswerden konnte.

Es half auch nicht gerade, dass Brooklyns Schwester Desiree hier war. Ich hatte ihr Auto in der Auffahrt gesehen und das Lachen gehört, das dem ihrer Schwester so sehr glich. Es zählte nicht, dass die meisten, die sich in unserem Poolhaus betranken, mich vielleicht nicht kannten – sie tat es. Sie kannte mich.

Und sie würde alles wissen, ob es nun der Wahrheit entsprach oder nicht.

Ich schrak zusammen, als ein dumpfer Schlag das Zirpen der Grillen unterbrach, und ging in dem Moment zur verrottenden Tür, als ein Kopf darin erschien.

Der Eindringling hielt inne, lange dunkle Wimpern krümmten sich langsam über moosgrünen Augen, dann runzelte er die Stirn. »Wer bist du?«

»Das kommt darauf an, wer fragt.« Ich lächelte gespielt schüchtern.

Er war attraktiv, doch als er seine riesige Gestalt in meinen sicheren Hafen quetschte, stellte ich fest, dass das Wort nicht annähernd ausreichte, um seine Größe zu beschreiben.

Er roch sowohl frisch als auch ein wenig modrig, wie Pinien und Zigaretten. Ich hätte nie gedacht, dass so eine Mischung etwas anderes als abartig sein könnte, bis er sich mir gegenüber niederließ und sich die dichten, unordentlichen schwarzen Haare aus der Stirn strich.

Er duftete wunderbar – so als würde er eine appetitliche Abwechslung abgeben.

Ich nahm einen weiteren Zug von meinem vergessenen Joint, ohne den Blick von dem Fremden abzuwenden, der die Knie bis zur Brust hochzog und sie dann leicht auseinanderfallen ließ. Sein Kinn war mit dunklen Stoppeln übersät. Nicht dicht genug, um als Bart bezeichnet zu werden, aber dunkel genug, dass kleine Flecken auf seinem markanten Kiefer zu sehen waren.

Rauch wehte über seine schwarzen Jeans, als ich ihn ausstieß. »Möchtest du meine Finger auf deinem Gesicht spüren?«

Er hustete, dann funkelte er mich an. »Was?«

»Deine Stoppeln«, sagte ich immer noch lächelnd. »Irgendwie möchte ich mit den Nägeln darüberfahren.«

Er betrachtete den Joint in meiner Hand. »Wie viele davon hast du geraucht?«

»Zwei«, überlegte ich laut. »Nein, drei.«

»Gehört es zu deinen Angewohnheiten, fremde Typen zu fragen, ob du ihnen im Gesicht herumfummeln kannst?«

»Ich frage nur die, die sich in mein sicheres Haus schleichen.«

»Sicheres Haus?«, wiederholte er und lehnte sich gegen die Wand zwischen dem Fenster und einem lang verblassten Gemälde einer Sonne über einem dreistöckigen Haus.

»Ja. Was führt dich her?«

Er deutete auf den Joint. »Ich war auf der Suche danach. Und ich wollte meine gottverdammte Ruhe haben.«

»Dann hast du eine ziemlich gute Nase«, scherzte ich.

Er lachte nicht, lächelte noch nicht einmal. Er beugte sich vor und nahm mir das Gras ab, bevor er sich wieder zurücklehnte und zwei tiefe Züge inhalierte. Seine Augen schlossen sich, und er wandte das Gesicht zu der mit Spinnweben bedeckten Decke. Ich spürte, wie ich mich weiter entspannte, während ich zusah, wie sein Körper förmlich mit dem Holz verschmolz.

»Das macht zehn Dollar.«

Zu beobachten, wie sich sein Hals bei seiner sarkastischen Stimme bewegte, löste irgendetwas in mir aus. »Setz es auf meine Rechnung.«

»Wo kommst du her?« Er war Amerikaner, aber einige seiner Worte klangen scharf und deuteten auf einen fast ausgestorbenen englischen Akzent hin.

»Aus London. Mein geliebter Dad hat uns hierher verschleppt, als ich sechs war. Also …« Er rülpste und deutete mit dem Joint auf mich. »Bevor du fragst, ich habe die Royals nie getroffen. Ich kann mich nicht erinnern und dir keinen Scheiß über die Stadt erzählen.«

»Die Royals interessieren mich nicht wirklich.«

»Du und deine Familie kommen ihnen in dem beschissenen Wettbewerb dieser Stadt ja auch nahe genug, dass du das nicht nötig hast.«

»Ha, nein.« Als er nur weiterrauchte, fragte ich: »Wie hast du Tiana kennengelernt?«

»Wahrscheinlich auf dieselbe Art und Weise wie die meisten dieser Arschlöcher.«

Ich wirkte gereizt, aber das hielt mich nicht davon ab, weiterzubohren. »Du magst sie.«

Er schnippte die Kippe durch die Tür und bedachte mich mit einem weiteren bösen Blick. Er war nicht so wirkungsvoll wie der erste, seine Augen waren jetzt verschleiert. »Was geht dich das an, Weirdo?«

Ich schnaubte. »Was Besseres fällt dir nicht ein?«

Er hob eine Schulter und ließ sie wieder sinken, als hätte ihn das gewaltige Anstrengung gekostet, dann blickte er zu den Bäumen hinaus.

»Du weißt, dass sie meine Schwester ist.«

Jetzt sah er mich wieder an und legte den Kopf schief. Sein Blick glitt über mich hinweg, eine kalte Abschätzung, die unbeabsichtigt wärmte, und seine Brauen zogen sich zusammen. »Ja, aber du siehst ihr überhaupt nicht ähnlich.«

»Ein bisschen schon.« Ich deutete auf mein Gesicht. »Nur nicht, was Haare und Augen angeht.«

Er blinzelte. »Warum hängst du dann nicht mit den anderen ab, statt deine minderjährigen Organe mit noch mehr illegalen Substanzen zu füllen?«

»Woher weißt du, dass ich jünger bin?« Eine einfache Internetrecherche würde das beweisen, aber ich wollte ihn provozieren.

»Du sitzt in einem gottverdammten Baumhaus.«

Ich hob eine Braue, beschloss dann aber, dass mich seine Meinung von mir und meinem Alter – oder dem Mangel davon – nicht sonderlich interessierte. »Es ist nicht nur ein Baumhaus, sondern ein sicheres Haus.«

Er starrte mich eine gefühlte Ewigkeit an, dann nickte er. »Coole Story.« Von jetzt auf gleich sprang er plötzlich auf, lief aus dem Baumhaus und verschwand ohne ein weiteres Wort.

Wieder alleine, aber nun mit dem Duft eines faszinierenden Fremden, der in der stickigen Luft hing, entschied ich, noch etwas zu warten, bevor ich weiterrauchte, und schloss die Augen.

Ich schlug sie wieder auf, als dieselbe Erinnerung zurückkehrte, und griff nach Notizbuch und Stift, die ich auf einem Regal in Deckennähe aufbewahrte.

Grillen und Zikaden setzten ihr Gezirpe fort. Ich rieb meine nackten Zehen über das abgenutzte Holz, und der Stift schwebte in der Luft. Er schwebte, und dann fiel er auf den Boden und durch eine Ritze in das Gras tief unter mir, als der Fremde zurückkam.

»Also gut«, sagte er, als er sich in das Haus schwang, um den Platz wieder einzunehmen, den er zwanzig Minuten zuvor verlassen hatte. »Um eins klarzustellen – es interessiert mich einen Dreck, aber erzähl mir einfach, warum du dich hier versteckst.«

Meine Lippen öffneten sich. »Warum?«

Er machte es sich mit einem leisen Stöhnen bequem und murmelte: »Sagen wir einfach, du würdest mir einen Gefallen tun.«

»Und was, wenn ich das nicht will?«

»Du lächelst.« Er gähnte, dann fluchte er, als würde er sich über die Unterbrechung ärgern. »Ein echtes Lächeln. Du willst es.«

»Du bist ganz schön von dir überzeugt.« Ich fragte mich, was passiert war, das ihn dazu bewegte, den ganzen Weg hier herunter im Dunkeln zurückzukommen, um mit dem Weirdo zusammenzusitzen, das den Wunsch geäußert hatte, sein Gesicht zu kratzen.

»Das ist eine Gabe«, entgegnete er so teilnahmslos, dass ich ein Lachen unterdrückte. »Also …«, er verschränkte die Finger zwischen den Knien, » … was ist es? Hat dich irgendein Kerl verschreckt, oder«, sagte er mit vorgetäuschter Schadenfreude, »könnte es sein, dass der Typ, auf den du stehst, es gerade oben im Poolhaus mit einem anderen Mädchen treibt und du dein Scheißtiming und dein Schicksal beklagst?«

Jetzt musste ich doch lachen, wurde aber schnell ernst, als ich beschloss, ihm ein paar saftige Bissen zu servieren. »Kein Kerl, Klugscheißer. Ein Mädchen.«

Seine Brauen schossen in die Höhe. »Oh.« Er schien einen Moment darüber nachzugrübeln, bevor er sagte: »Also ist sie hier?«

»Ihre Schwester ist hier«, gab ich zu, entschied aber, nicht näher darauf einzugehen. Obwohl ich wirklich nicht wusste, warum es mich kümmerte. Die Hälfte dieser dämlichen Stadt wusste wahrscheinlich ohnehin Bescheid. Vor allem die von der Eloise Prep oder die, die Familienangehörige dort hatten.

Ich schämte mich nicht aus den Gründen, über die die Leute gern Vermutungen anstellten und Scheiße redeten. Aber ich konnte nicht abstreiten, dass ich mich schämte. Jeder, der fallen gelassen worden war, nachdem er sein Herz offenbart hatte, und dann öffentlich bloßgestellt worden war, würde sich ein bisschen schämen.

Schlimm war nur, dass noch mehr dahintersteckte. So viel mehr.

»Was ist passiert?«, fragte er, lehnte den Kopf gegen das Holz, und seine stechenden Augen musterten mich über seinen kräftigen, makellosen Nasenrücken hinweg.

Ich starrte ihn an, lächelte, griff dann nach dem letzten Joint neben mir und zündete ihn an.

Er wartete, offenbar auf eine Antwort. Nach ein paar Zügen sagte ich: »Hier«, reichte ihm das Gras und rutschte zu der Leiter. »Deine Wunden scheinen frischer zu sein als meine.«

Ich mied das Poolhaus, indem ich an dem kleinen Obstgarten entlangging, und atmete den Zitronenduft in der Luft ein. Das dreistöckige Anwesen war still und leer bis auf zwei Seelen, die in ein Schlafzimmer im ersten Stock ein Stück den Flur hinunter huschten.

Tiana schloss mit einem leisen Lachen ihre Tür, und ich verschwand geräuschlos in meinem eigenen Zimmer.

Ich trat zu dem Fenster hinter dem Bett, das einen Blick auf den Wald in der Ferne bot, und schaute zu einem weiteren Jungen, dessen Hoffnungen von Tiana Corvall zunichtegemacht worden waren.

VIERTES KAPITEL

Alice

Die Innenstadt war erwacht, und der dort herrschende Betrieb bewirkte, dass mein Magen protestierte.

Sonnenlicht reflektierte von den Fenstern der Cafés, Modeboutiquen, Salons und der am Bordstein geparkten Autos. Leute standen zusammen und tratschten, während andere ihre teuren kleinen Schoßhunde spazieren führten und über Musik und Podcasts den neuesten Trends lauschten.

Nichts hatte sich geändert in dieser Küstenstadt, die halb vom Meer umgeben war, und doch wirkte alles anders.

Vielleicht lag es einfach nur an mir.

Ich hatte mich lange für einen introvertierten Menschen gehalten. Das war, bevor ich herausgefunden hatte, dass die Gegenwart anderer mir dabei half, den Schmerz meines gebrochenen Herzens zu ersticken.

Vielleicht stehe ich irgendwo in der Mitte, dachte ich, als ich meinen Lieblingspodcast leiser stellte, meine überdimensionale Sonnenbrille nach unten schob, um mein halbes Gesicht zu verdecken, und auf den Drive-through um die Ecke des Blocks zusteuerte.

Eine extrovertierte Introvertierte. Entweder das, oder ich musste mir eingestehen, dass ich nicht mehr die geringste Idee hatte, wer ich eigentlich war.

Das konnte ich so nicht hinnehmen.

Ich war Alice fucking Corvall, und alles, was ich tun musste, war, diesen elenden Sommer zu überleben, während ich meine liebste Mutter irgendwie davon überzeugte, eine andere Hochschule für mich zu finden – irgendeine weit entfernt von hier –, damit ich mein letztes Studienjahr beenden konnte.

Ich fuhr zum letzten Fenster, wo eine junge Blondine ihren Kaugummi knallen ließ und meinen Range Rover betrachtete, bevor sie dem Barista etwas zubellte. Eine Sekunde später wurde mir mein großer To-go-Becher mit einem »Auf deiner Heckscheibe ist jede Menge Vogelscheiße« förmlich zugeworfen.

»Dir auch einen schönen Tag«, murmelte ich mit einem flüchtigen Blick zu besagtem Fenster. »Scheiß Möwen.«

Wie auch immer. Nichts hielt mich davon ab, das flüssige Gold direkt zu inhalieren, während ich auf dem Rückweg zur Main Street versehentlich den Bordstein streifte. Wenn Eloise eines richtig machte, dann war das Kaffee.

Mein Handy piepte, während ich eine gelbe Ampel überfuhr. Ich ignorierte es, blickte mit zusammengekniffenen Augen auf die Richtungsangaben am Armaturenbrett und fuhr in Richtung der Docks zum Warehouse District der Stadt.

Wo es offiziell unmöglich wurde, sich zu fragen, ob das hier überhaupt noch schlimmer werden konnte.

Niemand verirrte sich auf diese Seite der Stadt, es sei denn, man vögelte jemanden, den man nicht vögeln sollte, oder man arbeitete hier.

Leider gehörte ich zu Letzteren.

Ich seufzte hilflos auf und ließ mir Zeit damit, auf ein hin und her schwingendes Schild zuzufahren, auf dem irgendetwas über Bücher stand. Ich konnte mich einfach nicht dazu überwinden, mich zu beeilen.

Stattdessen überprüfte ich meine Haare und meine Mascara, dann lehnte ich mich gegen meinen Wagen und antwortete auf Zoeys Textnachricht, während ich meinen Latte austrank. Ich war spät dran. Wirklich spät dran. Deswegen trödelte ich natürlich noch mehr, um den Vorwürfen aus dem Weg zu gehen, mit denen ich früher oder später konfrontiert werden würde.

Dieser schlechte Witz muss langsam aufhören, lautete Zoeys nächste Nachricht. Ehrlich, das ist nicht mehr lustig.

Ich blickte zu dem alten zweistöckigen Haus mit der abblätternden gelben Farbe und der weißen Veranda hoch und brummte: »Als ob ich das nicht selbst wüsste.«

Ich hatte die Frau, die sich meine Mutter nannte, per Text und Voicemail angebettelt und sie darauf hingewiesen, dass ich jetzt verdammt noch mal einundzwanzig Jahre alt war, aber ohne Erfolg. Dieser Irrsinn war real. Ich musste das wirklich durchziehen. Wieder zu Hause wohnen, ein zweitklassiges College besuchen und hier arbeiten … in diesem Haus, bei dem es sich anscheinend um einen Buchladen handelte.

In all den Jahren, die ich in Eloise gelebt hatte, hatte ich nie gewusst, dass er existierte. Ich war immer zu Barnes & Noble auf der Main Street gegangen. Niemand kam im Kaufrausch in diesen Stadtteil. Hier gab es nichts, um ihn auszuleben.

Doch hier war dieser Laden, nur zwei Straßen von dem lebhaften Treiben entfernt. Ein verstecktes Cottage im Vintagestil in der letzten Straße vor dem endlosen Blick auf den Ozean und die Fabriken, und er war offensichtlich erfolgreich genug, um eine helfende Hand zu fordern.

Ich blickte die Straße hoch und entdeckte am Ende ein paar neue Lagerhäuser, dazwischen einige Gebäude. Der Buchladen lag in einem großen Block an der untersten Ecke, aber dank des riesigen Weidenbaums, der die Hälfte des Vorgartens einnahm, weit genug von der Ecke selbst entfernt.

Die Tür öffnete sich quietschend. Ein älterer Mann kam heraus und eilte die drei Stufen zu dem rissigen und mit Unkraut überwucherten steinernen Weg hinunter, der direkt an mir vorbei zum Bürgersteig führte. Er würdigte mich keines Blickes, und ich hätte meine Kleiderwahl infrage gestellt, hätte ich ihn nicht übermäßig fluchen gehört, als er in einen dunkelgrünen Jaguar stieg.

Der Kerl hatte vielleicht eine beschissene Laune.

Gut zu wissen, dass ich nicht die Einzige war. Ich schob mein Handy in die Tasche und beschloss, diese Shitshow in Angriff zu nehmen.

Die warme, salzige Brise traf das knarrende Schild über dem rostigen Briefkasten.

The Booksmiths. Süß.

Der Garten war es jedenfalls nicht.

Glyzinen und verwilderte Rosenbüsche breiteten sich in alle Richtungen aus. Einige Blumen wirkten halb tot, vom Unkraut verschlungen, von einer verzweifelten größeren Beute und anderen stachelig aussehenden Pflanzen verschluckt. Die Stufen knarrten unter meinen pflaumenfarbenen Pumps, und ich fürchtete schon, mir in den Ritzen des alten Holzes einen Absatz abzubrechen.

Auf der Veranda standen zwei schmutzige, mit Spinnweben bedeckte Schaukelstühle, und in dem Fenster neben der Tür verkündete ein Schild in verblasster Schrift: Geöffnet.

Und mit Marker stand unordentlich hingekritzelt darunter … aber wenn Sie nicht planen etwas zu kaufen, verpissen Sie sich freundlicherweise gleich wieder.

Wie es aussah, würde ich den ganzen Sommer für irgendein mürrisches altes Arschloch arbeiten. Super. Einfach super. Ganz zu schweigen davon, dass ich sicher war, dass er gerade miserabel gelaunt zu seinem Auto gestapft war, während ich ein Stück entfernt bei meinem Wagen gestanden und in mich hineingekichert hatte.

Ein gedämpftes Geräusch von drinnen ließ mich hoffen, dass doch jemand da war. Jemand Netteres. Vielleicht jemand, der mich lesen ließ, während ich meinen Kaffee austrank.

Ich stieß die Tür auf; entschlossen, die Sache anzugehen, statt auf der Veranda zu stehen und meiner stetig wachsenden Angst zum Opfer zu fallen.

Keine hilfreiche kleine Glocke über der Tür kündigte mein Kommen an. Die Tür fiel hinter mir zu, als ich auf den abgenutzten Holzboden trat. Meine Tasche schlug gegen mein Bein.

Ich unterdrückte einen Fluch und ein Zusammenzucken. Gott, sie mussten hier drin unbedingt ein paar Fenster aufmachen, um den Geruch nach Mottenkugeln, verschimmelten Buchseiten und … Whisky? … herauszulassen.

Nicht zueinander passende Bücherregale in verschiedenen Schattierungen aus braunem und schwarzem Holz füllten den größten Teil des Erdgeschosses. Die einzige Ausnahme bildete eine Kinderecke mit weißen Regalen im hinteren Teil. Ein schwarzes Klavier stand neben einer Reihe von Bilderbüchern, dahinter entdeckte ich eine Wendeltreppe mit einem quer über den Fuß gespannten, ausgefransten Seil. Weiter hinten befanden sich drei geschlossene Türen.

Mein Herz wurde gleichzeitig schwer und schlug schneller. Für eine Bücherliebhaberin und gelegentliche Schriftstellerin gab es definitiv schlimmere Jobs, zu denen man gezwungen werden konnte. Aber der verwahrloste Zustand des Ladens, der völlige Mangel an Respekt …

Ich blickte zum vorderen Teil des Ladens, zog die Schultern zurück und entschied, dass dies vielleicht Schicksal war. Möglicherweise war es mir vorherbestimmt – das Universum hatte mich auf eine Mission geschickt –, als Retterin der Seele dieses misshandelten Buchladens hier aufzuschlagen.

Und dann zerfiel mein Herz zu Staub, als ich erkannte, dass er keine Seele hatte.

Denn da war er, grinste wie der Dämon, der er schon immer gewesen war. »Ich glaube, du hast einen ganz falschen Weg eingeschlagen, Wonderland.«

Meine Finger glitten über den Kaffeebecher. Ich zerdrückte ihn fast, dabei blinzelte ich heftig. Dieser Name, mit dieser Stimme zwischen diesen fast perfekten Zähnen hindurch ausgesprochen …

Bitterer Zorn erfüllte meine Adern und verschlug mir den Atem.

Von mir aus konnten die Bücher ersticken und einen muffigen, alkoholgetränkten Tod sterben.

Wenn er im Spiel war, dann würde ich für immer dieses egoistische Arschloch im Film bleiben, das nur darauf aus ist, sich selbst zu retten. Damit konnte ich leben, denn es hieß, dass ich leben würde. Die anderen Möglichkeiten beinhalteten Dinge wie Dunkelheit und Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.

Nicht imstande, seinen strahlenden Augen zu begegnen, ihn überhaupt anzusehen, wandte ich mich zur Tür.

»Du gehst schon wieder?«

Ich brachte kein Wort heraus. Konnte vor Angst, seinen Geruch wahrzunehmen, kaum atmen. Vor Angst davor, mein Herz könnte meinen Hals hochklettern, um sich aus meinem geschockten Körper zu befreien. Ich öffnete den Mund, schloss ihn, öffnete ihn erneut, dann stolperte ich zur Tür hinaus.

Er folgte mir nicht.

Nein. Dingen hinterherzujagen war nicht Smiths Stil, es sei denn, er konnte sie verjagen.

Ich hätte es wissen müssen. Warum hatte ich es nicht gewusst? Ich wusste es. Das Schild … Booksmiths.

Ich hatte jahrelang kein Wort von ihm gehört. Ganze drei Jahre komplette Funkstille – die qualvollste Art eines Segens.

In den sozialen Medien war er ein Geist. Ja, ich hatte ein paarmal dem Drang nachgegeben und ihn gestalkt, wenn ich gegen die Verzweiflung angekämpft hatte und daran gescheitert bin. Er war schon immer ein Geist in den sozialen Medien gewesen. Aber jetzt gab es keinerlei Accounts, noch nicht einmal eine Spur von ihm bei irgendjemand anderem.

Wenn ich ihn nicht berührt, gesehen und gekannt hätte, wäre ich geneigt, zu glauben, dass ich mir seine Existenz im Lauf dieser beiden Sommer nur eingebildet hatte. Ich schüttelte die Erinnerungen ab, die besser in staubige, übersehene Ecken zurückgestellt wurden.

Die gesamte Buchhandlung war eine übersehene Ecke. Himmel, sein gesamtes Leben war eine.

Smith war ein Einzelgänger. Schlimmer noch, er war ein hasserfüllter Mensch mit einem ernsthaften Groll gegen andere Menschen und allgemein alles, was atmete – ihn selbst mit eingeschlossen.

Ich warf meine Tasche auf den Beifahrersitz – mein Kaffee war irgendwo zwischen der Veranda und meinem Auto verloren gegangen – und kämpfte gegen die Versuchung an, mich noch einmal zu dem Laden umzublicken, zu der Veranda, von der ich wusste, dass sie bis auf die Spinnweben und Schaukelstühle leer bleiben würde.

Ich fluchte, weil ich fast das Rücklicht des Sedan vor mir mitgenommen hätte, und löste mich vom Bordstein. Ich drehte mich nicht um. Dreh dich verdammt noch mal nicht um. Mit hämmerndem Herzen drückte ich das Gaspedal durch, schoss aus der Seitenstraße heraus und fuhr in die Stadt zurück.

Mein Daumen schwebte zitternd über der Anruftaste auf dem Lenkrad. Aber wen sollte ich anrufen?

Zoey schoss mir durch den Kopf, aber sie wusste nichts. Nicht genug. Nur dass ich von irgendeinem Typen verarscht worden war. Niemand wusste etwas von ihm. Niemand wusste wirklich etwas von uns. Ich hatte es geheim gehalten, genau wie er es gewollt hatte.

So war es sicherer. Für mein Herz. Es war besser, Dinge für sich zu behalten, die andere vielleicht nicht verstanden. Sie zu bewahren, bis man sicher war, dass sie einen nicht an Orte zurückkatapultieren würden, von denen man nur schwer zurückkehren konnte, wenn jemand sie zur Sprache brachte.

Aber nach drei Jahren spürte ich noch immer, wie meine mühsamen Atemzüge mir Galle in die Kehle stiegen ließen und wie stark mein Brustkorb und meine Gliedmaßen zitterten. Es war klar, dass manche Geheimnisse für immer bewahrt werden mussten. Dass es vielleicht nie sicher sein würde, auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren.

Jedes Einatmen brannte. Jedes Ausatmen war zu kurz.

Zuhause konnte ich keinen Trost finden.

Die lange Auffahrt, die sich zwischen Kirschblüten und Palmen hindurchwand, wurde von einem Truck blockiert, der sich langsam bewegte.

Knurrend parkte ich unter einem Baum, der der Veranda am nächsten stand, griff nach meiner Tasche und wäre in meinen High Heels fast im Gras gestolpert, bis ich den Truck umrundet und den Beton erreicht hatte.

Mom war im Foyer. Sie wedelte mit ihren schwarzen Nägeln in alle Richtungen und trug ein dazu passendes Strandkleid, bei dessen Anblick ich beinahe vor Neid stehen geblieben wäre.

Das Adrenalin trieb mich weiter. Ich stürmte an ihr vorbei, als sie zwei stämmigen Kerlen den Befehl gab, mein gesamtes Leben hoch in mein Zimmer zu tragen. »Ich kann das nicht. Säg mein verdammtes Telefon und das Auto in zwei Hälften, es interessiert mich nicht.« Ich lief weiter durch die Halle mit dem Marmorboden auf die große Treppe zu und schleuderte meine Schuhe von den Füßen, bevor ich die Stufen hochrannte.

»Eine Minute«, hörte ich sie sagen, gefolgt von: »Alice, was zum Teufel?«, als sie mir die Treppe hoch folgte.

Im Flur vor meinem Zimmer bückte ich mich und hob die Liebe meines Lebens auf. Mein Shampoo. »Das ist aus Frankreich, Mom. Aus fucking Frankreich.«

»Und wenn du deins benutzt hättest, würdest du dich jetzt nicht wie eine geistesgestörte Idiotin aufführen.«

»Du hast mich nicht gewarnt«, zischte ich und versuchte meine Schlafzimmertür zuzuschlagen.

Sie fing sie ab und stieß sie auf. »Dass deine Sachen gebracht werden? Ich habe dir gesagt …«

»Smith.« Ich kreischte den Namen fast, bevor ich klar denken konnte und einmal tief Luft holte.

»Dieses Arschloch, das in dem Buchladen arbeitet.«

»Du meinst Charles?« Sie blinzelte. »Gregorys Sohn?«

Ihre Augen wurden groß, und sie murmelte mit einer Ruhe, die mich davor warnte, dass gleich Bomben fallen würden: »Warum musst du vor ihm gewarnt werden? Er ist ein Einsiedler, der in einem Buchladen lebt, verdammt. Niemand hat ihn seit Jahren gesehen. Er ist ein harmloser Außenseiter.«

Charles.

Meine Wut verrauchte. Meine leicht geöffneten Lippen öffneten sich weiter.

Dad erschien in einem seiner geliebten Stones-Shirts, noch immer in karierten Pyjamahosen und mit wild zerzausten Haaren. »Was ist denn los?«

Ich warf Mom einen warnenden Blick zu, und sie seufzte. »Alice hatte einen schlechten Start.«

»In dem neuen Job?«, fragte er, dabei biss er in eine Banane. »Warum?«

Die Art, wie Mom keine Sekunde zögerte, war manchmal regelrecht unheimlich. »Sie hat sich verfahren, kam zu spät und geriet in Panik. Aber jetzt weiß sie genau, wie sie hinkommt.« Die dunkelbraunen Augen bohrten sich in meine. »Morgen ist sie dann besser vorbereitet.«

Mit diesen Worten rauschte sie an meinem Vater vorbei, der erneut von seiner Banane abbiss, und ich schloss vor seinem verdutzten Gesicht die Tür.

Noch nicht einmal eine Minute später piepte mein Handy. Ich zog es aus der Tasche und fand einen Text von meiner Mutter vor. Ich weiß nicht, wo dein Problem liegt, aber es ist mir egal, selbst wenn er Dwayne Johnson wäre. Du kneifst vor keinem Mann. Geh morgen in diesen Buchladen zurück.

Ich ließ meine Tasche und mein Handy auf den Teppich fallen, warf mich auf mein Bett und schrie in die Dekokissen aus Samt.

FÜNFTES KAPITEL

Smith

Vier Jahre zuvor

Ein Monat verging, bevor Tiana Carvell mir wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte.

Diesmal trafen wir uns nicht dem Vintage-Plattenladen in der Stadt. Diesmal schickte sie mir eine Textnachricht. Ich hasste es, zu texten oder zu telefonieren – irgendetwas mit meinem Handy zu machen, das nichts mit Solitaire oder Pornos zu tun hatte.

Als sie das das erste Mal getan hatte, nachdem sie über meine Zurückweisung im Plattenladen gelacht hatte, war ich neugierig, vielleicht sogar ein bisschen aufgeregt genug gewesen, um ihre Einladung zu einer Party in ihrem Haus anzunehmen.

Dieses Mal war es anders. Ich war nur leicht angepisst, als ich mich erinnerte, wie sie kaum mit mir gesprochen hatte, bevor sie sich an einen Kerl ranschmiss, der ein Sorbet-ähnliches Poloshirt trug.

Ich hasste Sorbet und Poloshirts wie die Pest.

Trotzdem starrte ich, nachdem ich mein Telefon gesperrt und auf den Nachttisch fallen gelassen hatte, auf den Fernseher und sah nichts außer große blaue Augen, die bei jedem neckenden Lächeln aufleuchteten.

Ich wusste nicht viel über den blonden Weirdo. Mir war nur bekannt, dass sie Tianas Schwester war – ihre jüngere Schwester. Ich war nicht auf diese Weise an ihr interessiert, aber ich war an Gras und Schmerz interessiert, und das Mädchen verfügte von beidem über mehr als genug.

Also kehrte ich Freitagabend zu dem alten renovierten Anwesen mit dem vom Dach herabhängenden Efeu zurück und parkte mein Auto auf halber Strecke der Auffahrt, bevor ich mich zwischen all den Range Rovers und Mercedes hindurchschlängelte.

Es war noch nicht einmal neun, und das Poolhaus quoll bereits über vor betrunkenen Collegestudenten und Studienabbrechern. Es war so laut, dass ich mit den Zähnen knirschte.

Ich zog den Kragen meiner Jacke höher und ging durch den Garten in die Schatten des Obstgartens, die mir dabei helfen würden, in meinen schwarzen Klamotten nicht gesehen zu werden. Nicht dass das viel ausmachte, wenn es ein großes Poolhaus, einen Pool, einen heißen Whirlpool und jede Menge Sitzgelegenheiten gab, wo die notgeilen Arschlöcher ihren niederen Instinkten freien Lauf lassen konnten. Kaum jemand hatte Grund, durch zwei Hektar Wald zum Rand des Grundstücks zu marschieren.

»Wie kriegt ihr denn das arme Poolhaus wieder sauber?«

Tianas Schwester, neben der eine Flasche Whisky stand, blickte von ihrem Notizbuch auf und grinste.

Mein Magen krampfte sich zusammen. Die Verdauung, redete ich mir ein, dann kletterte ich die restlichen Sprossen hoch, um meinen Platz ihr gegenüber einzunehmen.

Das Baumhaus war wahrscheinlich so alt wie die beiden Schwestern – vielleicht älter – und wies Schimmelflecken auf, war viel zu feucht, und Fäulnis breitete sich in immer größeren Flächen aus. Aber es war geräumig genug, dass man sich nicht den Kopf an der Decke stieß, wenn man in der Mitte stand. Und man konnte auf dem knorrigen Holzboden sitzen und die Beine ausstrecken.

»Sie hat eine Reinigungsfirma engagiert.« Sie klappte ihr Notizbuch zu und fügte hinzu: »Meine Eltern wissen natürlich Bescheid, aber es stört sie nicht, solange niemand ins Haus kommt.«

Ich machte mir nicht die Mühe, ihr von der Gruppe zu erzählen, die ich im Vorbeigehen durch eines der Fenster drinnen im Haus gesehen hatte, sondern griff nach der Schnapsflasche neben ihr. »Name?« Vor April konnte ich selbst keinen Alkohol kaufen, aber wenn sie wusste, dass ich noch keine einundzwanzig war, hielt sie klugerweise den Mund.

»Alice.«

Ich rümpfte die Nase. Der Whisky zog eine feurige Spur meine Kehle hinunter, und ich schlug mir auf die Brust. »Ernsthaft?«

Sie grinste und holte sich den Whisky zurück. »Ernsthaft. Was stimmt denn mit Alice nicht?«

Ich gab keine Antwort. Hatte keine Lust, weiter darüber zu reden. Mein Handy summte in meiner Jackentasche.

Sie sprach weiter, dabei schlossen sich ihre Finger um den Hals der Flasche. »Du kannst mich Ally nennen. Mir ist es eigentlich egal.«

»Einigen wir uns auf Wonderland«, verkündete ich hauptsächlich, um das idiotische Gespräch zu beenden, und kramte in meiner Tasche nach einer Zigarette – das Einzige, was mein verdammter Vater mir kaufte, weil ich es noch nicht selbst kaufen konnte.

»Äh, nein.« Sie lachte leicht. »Das ist wahrscheinlich das Märchen, das ich am wenigsten leiden kann.«

»Tja.« Ich blies ihr eine Rauchwolke ins Gesicht und steckte mein Feuerzeug weg. »Dann ist es ja gut, dass es gar kein Märchen ist.«

»Oh?« Sie lehnte sich gegen die Wand und zog die Knie enger an die Brust. Sie trug Jeans. Die echten, die Geräusche machten, wenn man sich bewegte. »Dann klär mich auf.«

Ich schnaubte und schnippte Asche auf den Boden. »Google es und informiere dich selbst, und wenn du das da nicht mehr trinkst, gib es mir zurück.«

»Ich hab das Zeug geklaut«, sagte sie. »Deshalb gehört es mir.«

Ich hob eine Braue und nahm einen weiteren Zug.

»Lass uns tauschen. Eine Zigarette für den Whisky.«

»Schön«, schnaufte ich durch einen Rauchschleier hindurch und fischte nach einer weiteren Kippe und dem Feuerzeug.

Sie nahm mir beides ab, und ich hätte schwören können, dass ihr das Blut in die Wangen stieg, als ihre weichen Finger meine streiften. Sie schlug die Augen nieder, zündete die Zigarette an und hustete, als sie mir Feuerzeug und Whisky zurückgab.

»Es handelt sich übrigens um Fantasy«, sagte ich, als ihre Finger auf meinen ruhten und ich die Hand wegzog. »Ziemlich düstere.« Ich trank einen Schluck aus der Flasche und stellte sie neben mich. »Du solltest das wirklich recherchieren. Und du solltest nicht rauchen.«

»Du auch nicht.«

»Für mich ist es zu spät«, sagte ich mit einem Grinsen, auf das sie mit einem Stirnrunzeln reagierte. »Aber irgendetwas sagt mir, dass das erst deine dritte, vielleicht deine vierte ist.« Mein Handy vibrierte erneut, aber ich ignorierte es. »Sag mir, dass ich mich irre.«

Der Mond im Fenster hinter ihr war hell genug, um mir zu bestätigen, dass sich ihre Wangen erneut röteten. »Ich habe das letzte Mal geraucht, als du in meine Privatsphäre eingedrungen bist.«

»Gras«, erinnerte ich sie und drückte die Zigarette neben meinem Oberschenkel aus. »Wo wir gerade davon sprechen – hast du welches?«

»Nein.« Sie stieß keuchend Rauch aus. »Tianas Vorrat ist geschrumpft. Sie würde merken, wenn etwas fehlt, und mir nächste Woche das Leben zur Hölle machen.« Ich war sicher, dass die Kleine keine Ahnung hatte, wie wahre Hölle aussah, aber ihre nächste Frage hielt meine Gedanken davon ab, sich weiter zu verdüstern. »Gehst du mit ihr zur Schule?«

»Klar.« Ich trank und beschloss dann, selbst eine Frage zu stellen. »Was ist mit diesem Mädchen passiert?«

Ihre Augen wurden schmal, dann wandte sie den Blick ab. »So ziemlich gar nichts.«

Ich betrachtete ihre nackten Füße, den abblätternden schwarzen Lack auf ihren kleinen Zehennägeln, und als mein Blick zu den zerrissenen Knien ihrer hellblauen Jeans und zu ihrem ausgebeulten T-Shirt wanderte, das so verwaschen war, dass ich noch nicht einmal mehr die Worte auf dem grauen Stoff lesen konnte, stellte ich fest, dass sie mich beobachtete.

Scheiße. »Geht es etwas ausführlicher?«

»Was kümmert dich das überhaupt?«

Ich lachte leise. »Glaub mir, das tut es nicht. Aber du schuldest mir was.«

»Was?« Sie nahm einen kleinen Zug und stieß den Rauch aus. »Warum?«

»Ich bin in dem Glauben hergekommen, bekifft zu werden.« Ich unternahm den kläglichen Versuch, den Blick über die Farbe und die Kalkflecken an den Wänden zu dem Regal hinter ihr schweifen zu lassen, auf dem ein weiteres Notizbuch und ein paar Stifte lagen. »Aber danach sieht es absolut nicht aus.«

Wonderland schenkte mir ein Lächeln, das ihre Eltern ein nettes Sümmchen gekostet hätte, wenn es nicht natürlich war. Es war die Art von Lächeln, die man auf dem Cover von Zeitschriften sah, so perfekt, dass es eine Verschwendung war, es nicht für immer einzufangen und mit der Welt zu teilen.