The Night is Defying - Chloe C. Peñaranda - E-Book

The Night is Defying E-Book

Chloe C. Peñaranda

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Beschreibung

Jetzt das eBook zum Einführungspreis sichern! »The Night is Defying« ist der 2. Band der spicy New-Adult Fantasy-Trilogie »Nytefall«: düstere Romantasy um Vampire und Star-Crossed Lovers in einer Welt voller Magie, Geheimnisse und Verrat. Kein Monster ist herzlos und kein Engel ohne Sünde. Nach dem Ende des Libertatem ist Astraea festentschlossen, ihre Freiheit zu bewahren – auch wenn sie dafür ihre wahre Liebe verraten muss. Doch ihre neuentdeckten Kräfte drohen, die bestehende Ordnung der Welt ins Wanken zu bringen. Denn wer sich nicht erinnert, läuft Gefahr, die Vergangenheit zu wiederholen. Währenddessen hat Nyte alle Hände damit zu tun, die blutdürstigen Vampire in Schach zu halten, und seinen hinterlistigen Bruder daran zu hindern, die Macht an sich zu reißen.  Freunde werden zu Feinden, Brüder zu Rivalen, und was lange in den Sternen stand, entfacht nun ein neues Feuer in den Herzen zweier Liebenden, die nie füreinander bestimmt waren. Astraea gehen zu lassen, würde die Welt vor der Dunkelheit retten, aber Nyte ist kein Held. Und für seine Liebe würde er die Welt in Brand stecken. »Eine verbotene Liebe, für die es sich zu sterben lohnt, in einer komplexen Welt voller überraschender Wendungen.« Genova Dimova, Autorin von »Tage einer Hexe« »Ein poetisches und fantastisches Abenteuer voller Figuren, die unsere Herzen im Sturm erobern.« Elizabeth Helen, Autorin von »Bonded by Thorns« »Peñarandas fesselnde Erzählkunst zieht Leser*innen bis zur letzten Seite in ihren Bann.« Rina Vasquez, Autorin von »City of Flames« Die BookTok-Sensation mit deinen Lieblingstropes der New-Adult-Fantasy: Romantasy-Highlight für alle Fans von Nisha J. Tuli, Rebecca Yarros, Sarah J. Maas oder Jennifer L. Armentrout. Bestseller-Autorin Chloe C. Peñaranda verwebt all deine Lieblingstropes zu einem herzzerreißenden Fantasy-Epos: - Villain gets the Girl - Star-Crossed Lovers - Forbidden Love - Who Did This To You - Slow Burn - Deadly Trials - Lost Memories - Morally Grey Charaktere Die Nytefall-Trilogie erscheint in folgender Reihenfolge: - The Stars are Dying - The Night is Defying - The Dark is Descending

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Seitenzahl: 904

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Chloe C. Peñaranda

The Night is Defying

Die dunkelsten Nächte brauchen süße Träume

Aus dem amerikanischen Englisch von Johanna Ruhl und Anna Kuntze

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Kein Monster ist herzlos und kein Engel ohne Sünde.

Nach dem Ende des Libertatem ist Astraea festentschlossen, ihre Freiheit zu bewahren – auch wenn sie dafür ihre wahre Liebe verraten muss. Doch ihre neuentdeckten Kräfte drohen, die bestehende Ordnung der Welt ins Wanken zu bringen. Denn wer sich nicht erinnert, läuft Gefahr, die Vergangenheit zu wiederholen. Währenddessen hat Nyte alle Hände damit zu tun, die blutdürstigen Vampire in Schach zu halten, und seinen hinterlistigen Bruder daran zu hindern, die Macht an sich zu reißen. 

Freunde werden zu Feinden, Brüder zu Rivalen, und was lange in den Sternen stand, entfacht nun ein neues Feuer in den Herzen zweier Liebenden, die nie füreinander bestimmt waren.

Astraea gehen zu lassen, würde die Welt vor der Dunkelheit retten, aber Nyte ist kein Held. Und für seine Liebe würde er die Welt in Brand stecken.

»The Night is Defying« ist der 2. Band der spicy New-Adult Fantasy-Trilogie »Nytefall«: düstere Romantasy um Vampire und Star-Crossed Lovers in einer Welt voller Magie, Geheimnisse und Verrat.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.bramblebooks.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Hinweis der Autorin

TEIL EINS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

TEIL ZWEI

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

TEIL DREI

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

TEIL VIER

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

TEIL FÜNF

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

TEIL SECHS

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

Aussprachehilfe

Danksagung

Für meine Leser*innen. Immer.

Glaubt an euch selbst – mehr als alle anderen

und trotz aller anderen.

Hinweis der Autorin

Bitte achte beim Lesen dieses Buchs auf dich. Auch wenn folgende Themen keine zentrale Rolle spielen, kommen sie im Buch vor: häusliche Gewalt, emotionale Manipulation, Trauer und Verlust, explizite Sexszenen, gewalttätige und blutrünstige Handlungen im Fantasysetting, Selbstmordfantasien, Suchtbekämpfung.

TEIL EINS

1

Nyte – Vergangenheit

Er sah zu, wie sich die Dunkelheit in seinen Fingerspitzen wieder in sanfte Bräune verwandelte, doch was sich in seinem Herzen verbarg, würde sich nicht so einfach zurückziehen. In ihm legte sich Nightsdeath als schlafendes Monster zur Ruhe, stolz auf das Blutbad um ihn herum.

Vampirblut roch nach Verwesung. Besonders das der Nachtwandler. Nyte zog ein Taschentuch aus seinem Mantel und wischte sich das Gesicht ab, während er über die Leichen stieg. Er fühlte dabei nichts und konnte sich kaum mehr daran erinnern, wie er das Dutzend, dem er hier in Alisus begegnet war, niedergemetzelt hatte.

»Euer Vater wird nicht gerade erfreut sein«, merkte ein Vampir namens Ripley hinter ihm an.

Er war ein Seelenloser – die Art von Vampir, die kein Blut, sondern Seelen verspeiste. Soviel Nyte wusste, konnten sie in der Seele alles über eine Person lesen. Einst waren sie enge Verbündete der Celestials gewesen, um den Frieden zu wahren und Land und Sterne von jenen zu befreien, die Sünden begangen hatten, die keine Läuterung verdienten.

»Er ist nie erfreut«, sagte Nyte. Für sein Handeln würde er bestraft werden, doch das kümmerte ihn nicht.

Er ging auf den Wagen mit gefangenen Fae zu. Sie kauerten sich zusammen, in der Erwartung, dem einen Schicksal nur für ein noch viel schlimmeres entgangen zu sein. Nicht unberechtigt, wenn das Blutbad, das sie gerade mit angesehen hatten, einen Vorgeschmack auf das darstellte, was er mit ihnen vorhatte.

Mit Leichtigkeit zerbrach er das Schloss, warf es beiseite, und die eiserne Tür schwang auf.

Die Fae verharrten wie versteinert.

Um sich dem nun folgenden, seelenbefleckenden Teil zu stellen, musste er jedes Gefühl abschalten. Nicht alle von ihnen konnten am Leben bleiben. Um es zu einem glaubhaften Überfall zu machen, bei dem die meisten entkommen konnten, musste es Tote auf beiden Seiten geben. Doch beim Anblick der verängstigten Seelen vor sich war er nie in der Lage, diese Entscheidung zu treffen.

»Nicht alle von euch können gerettet werden, aber ihr dürft wählen, wer gehen darf«, sagte Nyte.

Es war egal, was er tat und wen er rettete, all seine Handlungen schienen einen Anstrich von Boshaftigkeit zu haben. Leben mussten geopfert werden, und das Überleben einiger tilgte seine Schuld nicht.

Für einen Diener des Todes gab es keine Erlösung.

Die Fae musterten sich gegenseitig, schoben sich schützend voreinander und ihren Nachwuchs. Nyte trat vom Wagen zurück und sah ihnen beim Aussteigen zu. Fünf Männer, drei Frauen, vier Kinder.

»Entscheidet euch jetzt, wer von euch sterben muss. Tötet sie am besten gleich selbst, und ihr erhaltet ein Vermögen, das den Rest eures Lebens ausreicht.«

Ganz ruhig stand Nyte da. Im Geiste folgte er ihren Gedanken. Und wartete.

Sie hatten ihre Wahl getroffen, bevor sie sie in die Tat umsetzen konnten.

Nyte reagierte auf ihre unausgesprochenen Absichten. Einem Mann brach er das Genick, als er sich auf die Frau neben ihm stürzen wollte, um sich selbst zu retten. Dann wirbelte Nyte herum und rammte einem anderen die Hand in die Brust, der gerade seinem Freund in den Rücken fallen wollte. Dem dritten Mann drückte Nyte die Kehle zu, weil er eines der Kinder in seiner Gruppe als Ziel ausgewählt hatte. Nyte warf ihn zur Seite und sah nicht zu, wie Ripley den Fae auffing und sein Wimmern schnell erstickte, indem er sich seine Seele einverleibte.

Das Blut auf Nytes Hand löste sich in zarte Rauchfahnen auf, während er sich den übrig gebliebenen Fae zuwandte. »Lauft Richtung Süden, und seht euch nicht um«, sagte er zu ihnen, ohne jede Gefühlsregung.

Sie brauchten einen Moment, bis sie erkannten, dass Nyte sie bei der Flucht nicht angreifen würde. Ihre Vorsicht war angebracht. Er hoffte, die Angst vor ihm und anderen Vampiren, die sie erneut jagen könnten, würde sie wachsam halten.

Die Frauen führten die Kinder davon, doch ein Mann drehte sich zu ihm um. Er hatte kurzes sattgrünes Haar und kleine, sich voneinander wegbiegende Hörner. »W … warum helft Ihr uns?«, fragte er.

Nyte wusste mit der Frage nichts anzufangen. Noch nie hatte sie ihm jemand gestellt. Doch diese Gruppe ließ sich ungewöhnlich viel Zeit damit, sich von ihm zu entfernen.

»Dein Haar kann als Sternenstaubveränderung durchgehen«, erwiderte er schließlich, ohne auf die Frage einzugehen, auf die er keine Antwort hatte. »Aber an den Hörnern und Ohren wirst du immer als Fae erkennbar sein.« Die Andeutung ließ ihn erschauern. »Wenn du ein normales Leben führen oder überleben und kämpfen willst …«

»Ich verstehe«, sagte der Mann. »Danke.«

Die Dankbarkeit fühlte sich falsch an.

»Es gibt eine Menschenfrau namens Lucinda Havesten. Geh zum Gasthof Delven am Rand von Alisus. Sie wird dir helfen.«

Der Fae nickte. »Ich werde nicht vergessen, was wir Euch schuldig sind.«

Ehe Nyte sagen konnte, dass er gar nichts bei ihm guthaben wollte, war der Fae schon der Gruppe hinterhergelaufen.

»Mein Herr.« Ein neuer Vampir unterbrach seine Gedanken. Ein junger Schattenloser namens Lionel.

»Du solltest gar nicht hier …«

»Sie haben die Sternenmaid.«

Nytes Blick fixierte die Wache und ließ sie erstarren. »Wenn das wahr ist …«

»Das ist es. Sie haben sie im Turm in Astrinus in Gewahrsam.«

In ihm explodierte ein kaltes, grausames Lachen, doch er ließ es nicht hinaus.

»Sie haben die Sternenmaid nicht«, sagte Nyte mit gelassenem Spott, während Aufregung in seiner Brust aufstieg. »Die Sternenmaid hat sie.«

Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Ihr einzigartiges silbernes Haar floss ihr über die Schultern, einzelne Strähnen schimmerten im Mondlicht, in dessen Anblick sie versunken war.

Nyte schickte alle Wachen davon, bevor er die Zelle betrat. Das war sein Moment. Endlich stand er ihr gegenüber. Er wollte ihn ganz allein auskosten.

In Schatten gehüllt hielt er sich im Hintergrund, und ihre ausbleibende Reaktion ließ ihn an ihrem viel gelobten Verstand und Wahrnehmungssinn zweifeln.

Bis sie sich umdrehte.

Er sah gerade noch ein silberblaues Aufblitzen, ehe eine Macht, so bindend wie der Tod und so verdammend wie die Hölle, ihn mit Wucht überrollte. Instinktiv schlüpfte Nyte in ihren Geist und verbarg seinen Anblick vor ihr. Die Schatten reichten nicht aus, um ihn vor ihrem Blick zu verstecken.

Vor dieser Unmöglichkeit.

Denn es war vollkommen unmöglich.

Ein fieser Trick. Und doch konnte er nicht verstehen, wie sie einen Teil seines Selbst davon überzeugte, dass sie zusammengehörten. Dass er sich mit ihr verbinden, sie schützen und stärken sollte.

Nein, er musste sie schwächen, zerstören, auslöschen.

Sie war ein listiges, aber wunderschönes kleines Ding.

Wut stieg in ihm auf. Wie konnte sie es wagen, ihre Celestialmagie an ihm zu versuchen? Mit silbernen Augen blickte sie sich in der Zelle um, und Nyte entspannte sich ein wenig, in dem Wissen, dass sie nicht immun gegen seine Fähigkeit war, den Geist zu beeinflussen.

Astraea.

Die Tochter von Abendrot und Morgengrauen. Die geliebte Herrscherin von Solanis. Die Sternenmaid.

Eine überwältigende Kreatur von unleugbarer Macht.

Ihre Anziehungskraft konkurrierte mit der Schwerkraft, während er wie angewurzelt dastand. Er musste hier raus. Zwei Schritte hatte er gemacht, als ihre Stimme bewirkte, was bisher keine getan hatte: Sie ließ jedes Ungeheuer in seinem Geist verstummen.

»Warum versteckst du dich?«

Ihre Stimme.

Er kämpfte gegen den Drang an, sie aus seinem Geist zu verbannen, überwältigt vom berauschenden Wunsch, sie erneut zu hören.

»Warum gibst du vor, gefangen zu sein?« Er konnte nicht widerstehen, ihr eine Antwort in den Kopf zu pflanzen.

Sie vernahm sie mit einem leisen Keuchen. Sein Blick wurde auf volle, rosa Lippen gelenkt, die jetzt leicht geöffnet waren und – er sollte sie verdammt noch mal einfach umbringen, dann wäre dieses Problem erledigt.

Nyte war unbewaffnet gekommen, weil es die größte Befriedigung wäre, sie mit bloßen Händen zu töten. Doch jetzt hatte sich ein Dämon in seinem Kopf festgesetzt, der sich lieber selbst zerfleischen würde, als mit bösartiger Absicht Hand an sie zu legen.

Astraea würde sterben. Dafür würde er sorgen.

Die schwere Kette klirrte, als sie ihre Fesseln betrachtete. »Die fühlen sich echt an«, sagte sie. »Das Gleiche kann ich von dir nicht behaupten.«

Er wollte das Eisen um ihre Handgelenke schmelzen lassen und die Wache erwürgen, die sie in Ketten gelegt hatte.

Bei den Sternen, er wollte …

»Du musst der sein, den man Nightsdeath nennt«, sagte sie gedehnt.

Der Name klang nicht richtig. Nicht aus ihrem Mund. Und doch horchte das Böse in ihm in Gegenwart seiner größten Feindin mit sündigem Entzücken auf.

Sternenglanz.

Er überzog sie. Der Geruch von Lavendel und Honig ließ Nyte näher treten, um ihn tief einzuatmen. Berauschend. Noch einen Schritt. Sie war eine Droge, und er wollte allzu gerne eine Kostprobe nehmen, in dem Bewusstsein, dass er dieser Krankheit wie allen anderen jederzeit ein Ende setzen konnte.

Nur noch kurz genießen.

»Warum glaubst du das?«, schickte er als Antwort zurück.

Er hatte schon unzähligen Bedrohungen gegenübergestanden. Jede Farbe von Blut gesehen. Doch die tödlichsten Gefahren waren immer die schönsten. Und Astraea … Sie war ein so hypnotisierendes, provozierendes, schönes Geschöpf, dass es der restlichen Welt gegenüber ungerecht gewesen wäre, sie mit irgendetwas darin zu vergleichen. Sie stellte alles in den Schatten.

Der hellste Stern.

»Ich habe von deinen Geistesfähigkeiten gehört«, sagte sie einfach, unbeeindruckt, ohne jegliche Angst.

Ihre Gleichgültigkeit ließ etwas in ihm auflodern.

Sie hob den Kopf, und der direkte Blickkontakt mit ihr gab ihm das Gefühl, mit voller Wucht gegen die Steinwand gelaufen zu sein.

In diesem Moment schwor er, gegen seinen eigenen Willen, dass niemand sie verletzen würde. Niemand würde sie auch nur berühren. Niemand außer ihm selbst.

Als er den Kratzer auf ihrer Wange bemerkte, der auf ihrer hellen Haut noch rosa leuchtete und auf dem sich vor Kurzem erst Schorf gebildet hatte, wäre Nyte fast ausgerastet.

Er würde sie nicht danach fragen. Nein. Ein verstecktes Blitzen in ihren Augen verriet ihm, dass sie für jedes Wort eine listige Verwendung fände. Der Eindruck, dass ihre Verletzung ihn kümmerte, würde sich sicherlich als umgedrehte Klinge in seine Brust bohren.

Noch verblüffender war jedoch, wie mühelos sie Nyte direkt in die Augen sah, obwohl er sicher war, dass er seinen Anblick in ihrem Geist noch immer blockierte.

»Ich bin schon vielen Monstern begegnet«, stichelte sie und trat näher an ihn heran. Sie faszinierte ihn. »Du jagst mir keinen Schreck ein, wenn du dich zeigst.«

Ausnahmsweise erlaubte er sich ein leichtes Lächeln. Ihre wagemutige Art zupfte an seit Langem nicht mehr berührten Fäden in seinem Inneren. Er freute sich darauf, auszuprobieren, wie weit diese Kreatur sich biegen ließ, bevor er sie zerbrach.

Nyte widerstand dem Drang, genauso kühn zu sein und den Abstand zwischen ihnen weiter zu verringern. Von ihrer Wunde ging noch der Geruch ihres Blutes aus, und die in seinem Mund auftauchenden scharfen Zähne brachten ihn zur Besinnung.

Er entschlüpfte ihrem Geist und ließ ihn los.

Astraea blinzelte, als wüsste sie es. Als spürte sie es. Sie blickte sich nach ihm um, obwohl sie ihn bereits direkt angesehen hatte.

Nicht aus Feigheit hielt er sich halb in den Schatten des Raumes versteckt. Er konnte nicht sicher sein, welche Geschichten über die Sternenmaid Wahrheit oder Mythos waren. Er musste vorsichtig sein.

»Eine Art des Verstecks gegen ein anderes einzutauschen, zählt nicht«, sagte sie.

»Hier bin ich«, antwortete er. »Ich war die ganze Zeit schon hier.«

Nyte wusste nicht, was er von ihrer Reaktion halten sollte, als sie seine Gestalt schließlich in der Dunkelheit ausmachte. Sie starrte ihn bloß wortlos an; es war zum Verrücktwerden. Ihr Blick ließ seine Haut so sehr kribbeln, dass er ihr das Genick brechen wollte, nur um die Aufmerksamkeit loszuwerden.

Sobald ihm der Gedanke kam, stellte er sich vor, ihren zarten, leblosen Körper in den Armen zu halten, und fragte sich, ob sie wieder zum Leben erwachen würde oder ob sie nicht wie er war. Keine wahre Unsterbliche. Doch dass die Tochter zweier Urgewalten irgendetwas anderes sein sollte, erschien ihm falsch.

Die Regungen in seiner Brust waren ihm fremd, er wusste damit nichts anzufangen. Zuerst ein Rasen wie im Kampfesrausch, dann ein Aussetzer, der sich wie Reue anfühlte.

Nyte war, ohne es zu merken, einen Schritt aus seinem Schattenversteck hervorgetreten. Sie hob ihr Kinn leicht, um mit ihren kühlen Augen seinen Blick weiter zu halten.

Feuer gegen Eis.

Welch eine Zerstörung sie bewirken könnten.

Die Luft zwischen ihnen vibrierte herausfordernd, als wartete sie nur darauf, dass eine der beiden Seiten der anderen den Krieg erklärte.

»Astraea«, sagte er. Nur um ihren Namen zu kosten – und Scheiße, was für eine besitzergreifende Kraft der Klang in ihm freisetzte. Ihr Name sollte nur ihm gehören.

»Nightsdeath.«

Wieder missfiel ihm sein Name aus ihrem Mund. Besonders so, wie sie damit spielte. Ein Name, der bösartige Kreaturen in die Knie zwang – sie verwendete ihn, als hätte sie Spaß daran, ein gefährliches Tier zu triezen.

»Einfach nur Nyte«, korrigierte er sie.

Sobald es ihm über die Lippen gekommen war, wollte er dieses Zugeständnis ihr gegenüber wieder zurücknehmen. Sie sollte lieber weiter den Namen austesten, der das Monster in ihm anstachelte, sie zu verschlingen. Nightsdeath würde wollen, dass sie immer weiter vordrang, bis Nyte keine andere Wahl mehr hatte, als ihm das Steuer zu überlassen. Und dann wäre jede Hoffnung für sie verloren.

»Du bist nicht, was ich erwartet habe«, stellte sie fest.

Ihr langsam an ihm hinabgleitender Blick kratzte an ihm wie Messerklingen. Alle ihre Handlungen waren so zielgerichtet … aufmerksam. Nyte musste sie durchschauen, bevor sie ihn durchschaute, und als ihre Blicke sich erneut trafen, war es, als hätte das Wettrennen begonnen.

Sie war nicht gefangen. Natürlich nicht. Das hatte Nyte selbst versucht – hätte jemand anders geschafft, was ihm nicht gelungen war, er hätte ihr oder ihm ein Schwert gereicht und den eigenen Nacken hingehalten. Irgendwo prahlte ein einfältiger Bastard, vielleicht waren es auch mehrere, damit, die Sternenmaid gefangen genommen zu haben. Und Nyte konnte es kaum abwarten, ihn oder sie aufzuspüren.

»Darf ich fragen, welche Vorstellung du von mir hattest?«

Ihre Mundwinkel zuckten, als ob die Geschichten, die sie gehört hatte, sie amüsierten. »Älter auf jeden Fall«, sagte sie. Mit silbernen Augen musterte sie ihn, und – bei denSternen! – die Unruhe, die ihr Blick jedes Mal in ihm auslöste, gefiel ihm gar nicht. »Viel älter. Mit Bart und vielleicht einer Art Zepter.«

»Ein Zepter?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Niemand weiß, wie deine Magie funktioniert. Ich dachte, zur Manipulation des Verstandes nutzt du vielleicht irgendein seltenes Artefakt.«

Nyte konnte nicht verhindern, dass sich einer seiner Mundwinkel amüsiert anhob. Es war ein so seltsames Gefühl, dass er es nicht zu beherrschen wusste. »So wie dein Schlüssel?«

Astraea wandte den Blick von ihm ab. Die legendäre Waffe der Sternenmaid wurde von allen gefürchtet, und er brannte darauf, sie zu sehen.

»Er kann vieles, aber nicht den Geist beeinflussen.«

»Wenn er in der Leere ist, könnte ich ihn finden.«

»Deshalb ist er nicht dort. Meinst du, ich kenne deine Fähigkeiten nicht, Nyte?« Sie trat an die Gitterstäbe, umfasste sie mit blassen Händen und legte die Stirn gegen das kalte Metall. »Ich weiß, wie oft du nach mir gesucht hast. Ich weiß, dass es das oberste Ziel deines Vaters ist, mich zu finden.«

»Du hast mich beobachtet?«

»Natürlich.«

»Ich weiß auch einiges über dich, Astraea.« Sie hörte ihn gerne ihren Namen aussprechen. Das schloss er aus dem deutlich erkennbaren Zucken um ihre Augen, sobald er ihn sagte. »Wissen deine Hüter, dass du hier bist?«

Ihre Miene verriet ihm die Antwort.

Die Sternenmaid war von sechs von ihnen in sterblicher Form großgezogen worden, auserwählt vom Gott des Abendrots und der Göttin des Morgengrauens, um die eine Herrscherin auszubilden, mit der das Goldene Zeitalter anbrechen würde. Sie hatten sich aus drei verbundenen Paaren und Vertretern aller Arten zusammengesetzt, um der Sternenmaid Frieden vorzuleben und zu vermitteln. Sobald sie reif genug war, legten sie ihre tausend Jahre alten sterblichen Körper zur Ruhe und ließen ihre verbundenen Geister zurück, sie weiterhin zu leiten, in ihren legendären Gestalten als Schlange, Panther und Rabe.

»Sie sind schon lange der Meinung, dass – was dich angeht – die beste Lösung ist, keine Notiz von dir zu nehmen.«

»Autsch.«

»Ach, tu doch nicht so.«

»Warum bist du dann hergekommen?«

Astraea blickte nachdenklich drein. Als würde sie abwägen, ob ihre Hüter recht hatten oder sie ihrer Intuition vertrauen sollte. »Was weißt du über die Beben?«

Das überraschte ihn, er hätte nicht erwartet, dass sie deshalb ihr Leben riskiert hatte und hergekommen war.

»Warum sollte ich dir Informationen geben?« Nyte entschied sich, ein bisschen mit ihr zu spielen. So viel Spaß hatte er schon seit Jahrzehnten nicht mehr gehabt.

»Weil es dich auch betrifft.«

»Ach ja?«

Sie kniff die Augen zusammen bei dem Versuch, ihn zu lesen. Dabei sah sie ziemlich niedlich aus.

»Die Sterne sterben«, sagte sie und zeigte den ersten wahrnehmbaren Anflug von Angst. »Diese Welt ins Dunkel zu stürzen, würde ein katastrophales Ungleichgewicht erzeugen.«

»Ich mag die Dunkelheit.«

»Das ist mir schon aufgefallen.«

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Bittest du mich um Hilfe?«

»Du glaubst vielleicht, eine Störung der Lichtmagie betrifft nur die Celestials und Menschen, aber da liegst du falsch. Die Vampire wären unkontrollierbar. Nachtwandler würden frei herumlaufen und das Land verwüsten. Diese Welt ist nicht bereit dafür. Dein Vater ist nicht darauf vorbereitet, wie schnell das Ganze sich wie eine unkontrollierbare blutdurstige Seuche ausbreiten würde.«

»Wenn ich mich nicht irre, war einer deiner Hüter ein Nachtwandler.«

Sie spitzte die Lippen und überlegte offensichtlich, wie viel sie mit ihm zu teilen bereit war. »Er hätte sich keine Freiheit bei Tageslicht für sie gewünscht. Viele von ihnen können sich nur deshalb beherrschen. Abgesehen davon würden die Celestials irgendwann ihre Kräfte verlieren. Ehe du meinst, der Triumph über sie wäre Grund genug, die Beben geschehen zu lassen, solltest du wissen, dass du nicht verstehst, was das in Wahrheit bedeuten würde. Seelen würden nicht länger zu den Sternen aufsteigen. Die Seelenlosen würden zu einer weiteren unersättlichen Macht heranwachsen. Es könnte nicht mehr mit Sternenstaub gehandelt werden. Ohne die Sonne würde nichts wachsen. Die Menschen würden ebenfalls aussterben. Wenn sie erst verschwunden sind, würden die Vampire in ihrer Verzweiflung zuletzt auch die Fae angreifen. Ja, die Vampire würden die Herrschaft erlangen, aber in einer Welt nur aus Monstern leben. Es gäbe keinen Weg, sie zu beherrschen, keine Ordnung. Nur reines Chaos und Blutvergießen. Will dein Vater mich stürzen, um ein lebendiges Reich zu regieren, muss aufgehalten werden, was unser Gleichgewicht stört.«

Nyte nahm sich einen langen Moment zum Nachdenken. Sie wollte ein Bündnis. Die Idee war so faszinierend wie absurd. Doch sein Interesse würde er nicht einfach so offenbaren. Auch nicht, dass sie recht hatte und er selbst wegen des wachsenden Ungleichgewichts besorgt war. Die Beben gab es schon seit mindestens einem Jahrhundert. An eine Zeit ohne sie konnte Nyte sich nicht erinnern. Doch im Laufe der letzten Jahrzehnte waren sie häufiger aufgetreten, und damit die Sternenmaid zu ihm kam, mussten ihre Auswirkungen auf die Celestials wirklich ernst sein.

»Warum hast du nicht mit meinem Vater gesprochen?«

»Weil ich dich beobachtet habe«, erinnerte sie ihn. »Ich denke, wir wissen beide, wer hier wirklich die Macht hat, etwas auszurichten.«

Nyte würde nicht zugeben, wie unerwartet groß seine Erleichterung war, dass sie nichts davon zu seinem Vater gesagt hatte. Er würde ihren Argumenten nicht folgen. Er war zu verblendet, um ihre Warnung zu verstehen, und würde das Wissen zu seinem Vorteil nutzen, was es auch koste. Als ihr Feind konnte Nyte nicht leugnen, dass es gut ausgeführt ein cleverer Plan wäre.

Wie konnte sie den Verrat übersehen, den es bedeutete, zu ihm zu kommen?

Er könnte den Grund für die Beben herausfinden, der Sternenmaid ein Ende setzen und die Herrschaft über die Celestials übernehmen. Dann würde er die Ursache der Störungen selbst beheben.

»Du frierst«, sagte er, um abzulenken. Er brauchte Zeit, um sich genau zu überlegen, auf was er sich da einließ.

Auf Nytes Bemerkung hin zitterte sie sichtbar, als hätte sie es die ganze Zeit unterdrückt. Um keine Schwäche zu zeigen.

»Sag deinen Wachen, es braucht mehr als ein paar frostige Nächte hier drin, um mich umzubringen«, sagte sie und begann, auf und ab zu laufen.

Ihr dunkelviolettes Kleid hatte durchsichtige Ärmel, die ihre wunderschönen, metallisch silbernen Tattoos zur Geltung kommen ließen. Über der Brust schimmerte eines unter ihrem Kleid hervor, das die Konstellation der Sternenmaid nachempfand.

Wie wunderschön sie war. Aber für den tiefsten Winter war sie kaum angemessen gekleidet.

»Sie haben dir deine Sachen genommen«, sagte er, überrascht von der Dunkelheit, die sich in seine Stimme mischte.

Er konnte nicht anders. Die Vorstellung, wie Hände sie berührt hatten, ließ den Drang in ihm aufwallen, sie denjenigen abzureißen, die es für angemessen gehalten hatten, Astraea ohne sein Wissen anzufassen.

»Ein Rohling mit einer Narbe auf der Lippe war besonders gründlich bei der Suche nach Waffen«, sagte sie ungerührt von der Behandlung, die sie hatte ertragen müssen. »Stell sicher, dass sie meinen Dolch nicht beschädigen, ja? An dem liegt mir viel.«

Da er keine offensichtliche Ausrüstung zur Aufbewahrung von Waffen an ihr ausmachen konnte, fiel sein Blick auf ihren Oberschenkel. Beim Gehen blitzte ein Stück schwarzes Leder durch einen Schlitz in ihrem Kleid hervor. Kalte Mordlust überkam ihn schneller, als er sie unterdrücken konnte.

»Sollen die mir Angst einjagen?« Ihre Stimme holte ihn aus einer Reihe ungeheuerlicher Gedanken zurück.

Nyte folgte ihrem Blick, der den Schattenfingern galt, die in ihre Zelle eindrangen. Sie umkreisten sie. Er wusste, welche Albträume sie hervorrufen konnten, wenn sie jemanden als Ziel auserkoren hatten. Sein Bündnis mit ihnen war eine in den tiefsten Tiefen der Hölle geschmiedete Verbindung.

Das Pochen in Nytes Brust wurde schneller, bereitete ihn aufs Eingreifen vor, aber die Schatten wollten sie nicht angreifen. Sie reagierten auf seine Neugier ihr gegenüber, und er musste sich fragen, ob fehlgeleiteter Mut oder Dummheit sie antrieb, die Hand nach der lebendigen Dunkelheit auszustrecken.

Nyte ballte die Faust, und welche Gefühle es auch waren, die aus ihm herausströmten und den Schatten eine Form gaben, sie verpufften, sodass auch die Schatten sich in schwarzen Rauch auflösten und verschwanden.

»Wenn du es ernst meinst, finde mich erneut«, sagte er und verschwand ohne ein weiteres Wort.

Er marschierte durch die dunklen Gänge der Festung, die sie vor ein paar Jahren in Astrinus eingenommen hatten, ohne ein bestimmtes Ziel, kämpfte lediglich gegen die Macht an, die ihn zum Umdrehen bewegen wollte.

»Wir haben die schwer zu fassende Sternenmaid?«

Drystan tauchte wenig überraschend vor Nyte auf, nachdem er ihm vor Aufregung geradezu hinterhergehüpft war. Sein jüngerer Halbbruder hatte sich in letzter Zeit dem endlosen Ränkeschmieden ihres Vaters angeschlossen, in einem Krieg, dem er wegen seiner Paranoia den Celestials gegenüber mehr Aufmerksamkeit als nötig widmete. Sie zu stürzen war kein Kinderspiel, und auch wenn Nyte die Befehle seines Vaters befolgte, würde ihn doch nichts anderes als der Tod der Maid zum Ziel bringen.

»Bis zum Morgen wird sie verschwunden sein«, sagte Nyte steif.

Er konnte Drystans Stirnrunzeln fast schon spüren.

»Sie sitzt in einer Zelle und ist in Ketten aus Stahl und Nebulora gelegt.«

Nyte hatte die Verbrennungen um Astraeas Handgelenke von der kosmischen und für ihre Art schädlichen Pflanze nicht übersehen. Das würde nicht ausreichen, um ihr die Kräfte zu nehmen.

»Sie wird einen Weg hinausfinden.«

»Vater hat die Wachen in der Festung verdreifacht.«

Er blieb stehen und wandte sich Drystan zu, als er sicher war, dass niemand sie belauschen konnte. »Unterschätze deinen Feind nicht, wenn er noch Ressourcen hat, dich zu besiegen. Dass sie noch atmet, reicht bei Astraea aus.«

Drystan zog eine Augenbraue hoch, als wartete er auf die Pointe. »So hochachtungsvoll hast du noch von keinem Feind gesprochen«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

Damit traf er einen Nerv, aber Nytes jüngerer Bruder hatte noch viel über die Beurteilung seiner Feinde zu lernen. »Noch habe ich niemanden mir ebenbürtigen getroffen. Aber mach dir keine Sorgen um mich, Bruder. Nur ein Rat für dich: Sei lieber nicht in der Nähe, wenn Vater von ihrer Flucht erfährt.«

2

Astraea – Gegenwart

Ich presste mir den Dolch ans Herz und wusste, dass er kommen würde. Der Pakt, unsere Verbindung, würde ihn bei Lebensgefahr für mich herbeirufen.

»Es gibt reizvollere Wege, meine Aufmerksamkeit zu erregen, Starlight.«

Ich wollte nicht wahrhaben, wie seidig und lustvoll seine silbrige Stimme mir über die Haut strich. Könnte die Wut, die in mir brodelte, doch stattdessen Ekel in mir auslösen!

»Wenn du die Wahrheit gesagt hast, dürfte mich das nicht umbringen«, sagte ich herausfordernd.

Vielleicht verlor ich gerade den Verstand, aber zwischen Steinmauern und Eisenstreben gefangen gehalten zu werden, und sei es nur für einen einzigen Tag, den er mich hier eingesperrt hielt, ließ mich vor Groll alles andere vergessen.

»Nein. Aber es würde wehtun. Sehr sogar.« Mit der Hand umfasste er einen Gitterstab. Das Gold in seinen Augen tanzte. Der Bastard genoss es. »Es gibt nur einen Ort, an dem ich deine Schreie hören möchte – wo sie mir gehören.«

Ich ließ die Hand mit der Sturmsteinklinge sinken und fixierte ihn mit einem sengenden Blick. »Nichts an mir gehört dir«, zischte ich.

Den Dolch ließ ich in der Sternenleere verschwinden, dann ging ich auf und ab und versuchte, mich zu konzentrieren. Zwar hatte ich mich daran gewöhnt, dieses eine Objekt daraus hervorzuholen, aber ich musste erst noch herausfinden, wie ich wie Nyte hindurchreisen konnte.

Beim Gehen ballte ich die Fäuste, als könnte die Vorstellung, sie um seinen Hals zu schließen, mir genug Entschlossenheit verleihen, um es zu schaffen.

»Astraea.« Seine Stimme war leise, und ich kniff die Augen zusammen. Der bittende Tonfall gefiel mir gar nicht. »Nur einen Tag noch.«

Ich lachte bitter auf. »Ich hoffe, das war es wert«, sagte ich. Der Schmerz in meinem Herzen ließ mich den Kiefer anspannen. »Auf meine Kosten ihre Loyalität zu gewinnen.«

»Darum geht es nicht.«

»Worum denn dann?«

Meine Augen brannten, aber für ihn würde ich keine Träne vergießen.

»Deinen Schutz.«

»Kontrolle«, korrigierte ich ihn mit eisiger Ruhe. »So hast du es ihnen gesagt. Du hast mich gezwungen, den Schlüssel zu holen, um deine Macht über mich zu demonstrieren. Du solltest mich damit töten, denn sobald du mich wieder freilässt, finde ich einen Weg, dich umzubringen.«

Er hatte den Schlüssel an sich genommen und verhinderte auf irgendeine Art, dass ich ihn rufen konnte. Vielleicht war es besser so, da meine Gefangenschaft mich unberechenbar machte und ich nicht sicher sein konnte, was meine unkontrollierte Macht bewirken könnte.

»Du bist wunderschön.«

Meine Verbitterung nahm fiese Züge an.

»Ich habe dich hergerufen, damit du mir mehr über mein anderes Gegenstück erzählst. Das Drystan erwähnt hat«, sagte ich und genoss, wie sein Lächeln verschwand.

»Du hattest schon so viel zu verarbeiten. Drystan hätte dir das nicht auch noch zumuten dürfen«, knurrte Nyte.

»Ich bin froh, dass er es getan hat«, erwiderte ich höhnisch. »Vielleicht finde ich die andere Person ja erträglicher als dich.«

Schatten berührten mich, ehe ich seine Haut auf meiner spürte. Federleicht streichelnde Finger folgten der Dunkelheit, die meinen Arm hinaufwanderte.

»Warum trägst du die Kleider nicht, die ich dir gebracht habe?«

»Ich will keine Kleider. Ich will hier verdammt noch mal raus.«

Die Kleidung auf dem Bett würdigte ich keines Blickes. Sie war verlockend und schön. Eine Art Kleid, aber auch eine Lederhose und hohe Stiefel. Aus Kleinlichkeit wollte ich nichts von ihm annehmen.

»Es war nicht sicher genug.«

»Es wird nie sicher sein. Du hast einen ganzen Hofstaat an Vampiren da oben, die mich alle tot sehen wollen.«

»Das stimmt nicht. Sie wollen dich lebendig, jetzt wo sie wissen, dass es, solange ich auch lebe, die Celestials schwächt.«

Die Erinnerung an unsere verhängnisvolle Existenz war jedes Mal wieder erschlagend.

»Dann eben unter Kontrolle.«

»Ja, das schon eher. Du wärst ihre stärkste Verbündete.«

»Du würdest mich dazu zwingen.«

»Das könnte ich.«

Nyte liebte dieses Spiel zwischen uns. Ich wollte es in Flammen aufgehen lassen.

Langsam hob er mein Kinn an, doch mein Blick blieb kalt.

»Ich will, dass du zu mir gehörst«, flüsterte Nyte.

Mein nächster Herzschlag stolperte verräterisch.

Ich schüttelte den Kopf. »Du willst mich besitzen.«

»Ich will ein Bündnis«, korrigierte er mich.

»Das ist nur dein Wunsch.«

»Bist du sicher?«

»Die andere Verbindung«, sagte ich, um abzulenken. Das von Drystan gegebene Stichwort ging mir nicht aus dem Kopf.

»Sicher verstehst du mittlerweile, wie du mir so leicht folgen konntest, ohne dass ich tatsächlich bei dir war. Als du auf dem See in Alisus fast erfroren wärst, hast du mich herbeigesehnt. Während der Prüfungen hast du mich zu dir gerufen. Deine Seele … Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mir leidtut, aber es stimmt nicht. Ich bin mit dir verbunden, Starlight.«

Ein Teil von mir musste das schon immer gewusst haben, denn die Bestätigung schockierte mich nicht. Stattdessen spürte ich ein Flattern in der Magengegend. Eine Reaktion, die ich gar nicht haben wollte, während seine Worte sich immer wieder in meinem Kopf wiederholten.

»Das kann nicht sein. Allein die Tatsache, dass wir beide zur gleichen Zeit existieren, bringt die Sterne zum Verglühen.«

Seine Lippen kamen näher, und ich spürte seinen warmen Atem auf meinen. »Einen Moment lang habe ich versucht, selbstlos zu sein und dich in Richtung des Schleiers zu locken statt zum Libertatem nach Vesitire. Aber sobald du vor mir gestanden hast, konnte ich nicht mehr loslassen.«

Wir atmeten dieselbe Luft, und ich war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihn zu küssen und ihn noch einmal zu erstechen.

»Du hast es nicht entschieden genug versucht.«

»Glaub mir, dieser kleine Schubser in die Arme eines anderen hat an jeder Faser meines Selbst gezerrt.«

Er senkte die Lippen auf meine, und ich war eine verdammte Närrin, dass ich meine Wut in seiner Hitze auch nur einen Moment lang schmelzen ließ. Er presste sich an mich, einen Arm hinter meinem Rücken. Begierig zu spüren, wie mein Körper sich mühelos an ihn schmiegte.

Abrupt unterbrach ich den Kuss, als mir wieder einfiel, wie sauer ich auf ihn war. Ich presste eine Hand gegen seine Brust und schob ihn weg, um Raum zu gewinnen.

»Wie kann ich mit zwei Personen verbunden sein?«

»Ein Streich des Schicksals. Eine Art Schlupfloch, wenn man so will«, sagte er. »Jede Person ist mit einer anderen verbunden. Ob vom gleichen Geschlecht oder nicht. Doch ich stamme nicht aus dieser Welt. Wir hätten uns nie begegnen sollen. Es ist hart, ja grausam, dass zwei Seelen aus verschiedenen Welten so perfekt aufeinandergetroffen sind. Und daher hast du zwei.«

Bei den Sternen. Die Seltenheit unseres Schicksals war so überwältigend wie tragisch.

»Was bedeutet das?«, flüsterte ich. »Mit mir verbunden zu sein?«

Es ließ ein Licht in mir auflodern, das ich verzweifelt auszulöschen versuchte.

»Nichts, wenn du das wünschst.«

Wie er es beiseitewischte, verstörte mich. Ich versuchte zu erkennen, ob er, was diese Sache zwischen uns anging, tatsächlich so fühlte. Eine Verbindung, die uns aneinanderfesseln könnte.

»Eine Verbindung hat kein Herz. Du hast zu mir gesagt, dass Liebe keine Voraussetzung ist.«

»Du hast mich falsch verstanden«, sagte er vorsichtig. »Ich habe nie gesagt, dass zu einer Verbindung kein Herz gehört. Es ist eine lebenslange Partnerschaft. Man schwört, sich gegenseitig zu schützen und zu stärken. Man bindet die eigene Seele an eine andere.«

»Was, wenn einer von beiden stirbt?«

Ein flaues Gefühl in meinem Magen begleitete die Kühle der sich um ihn ausbreitenden Schatten.

»Bei einem Paar, das den Bund eingegangen ist? Dem einen Herz wird es zur Qual, ohne das andere zu schlagen.«

Das beantwortete eine Frage über uns, die ich noch nicht bereit war, ausgesprochen zu hören. »Du wusstest die ganze Zeit …«

»Natürlich.«

»Alles, was du für mich fühlst …«

»Hat damit nichts zu tun. Es gab eine Zeit, da wollte ich dich töten. Du warst auf mehr als nur eine Art meine Feindin. Ich war der Sohn meines Vaters – etwas anderes hatte ich nicht gelernt –, und du würdest seinem Ziel immer im Weg stehen. Herrscher über Solanis zu sein.«

»Du hast den Befehl deines Vaters nicht befolgt …«

»Stimmt.«

»Warum?«

»Dank dir glaube ich, dass Monster vielleicht nicht geboren, sondern geschaffen werden. Sohn war ich nie, immer nur skrupelloser Soldat. Auch als du weg warst, konnte ich nicht verstehen, warum ich dir nicht egal war. Als Sternenmaid bist du auf den Bösen zugegangen, vor dem alle anderen bloß fliehen wollten, aber mit der Zeit hast du dich mir als Astraea gezeigt. Nur du, kein Titel. Da habe ich verstanden, dass es ein Licht gab, das ich nicht nur tolerieren, sondern nach dem ich mich sogar verzehren konnte.«

Niemals würde ich abstreiten, dass Nyte zu Monströsem fähig war, doch er war kein Monster. Dann wiederum musste ich mich fragen, ob meine eigenen Gefühle mich verrieten und mich das glauben ließen. Ich fühlte seine tiefe Zuneigung. Er war zu mir gekommen, bei mir geblieben, hatte mich geleitet. Aber wie konnte ich sicher sein, dass er das alles nicht nur zu seinem eigenen Vorteil tat, auf eine von mir noch unerkannte Weise?

»Dass ich am Leben bin, schwächt die Celestials …«, murmelte ich, lief zur Wand hinüber und legte eine Hand auf den Stein. In dieser Welt, so zerbrechlich wie Glas, musste ich etwas Festes spüren. »Wie kann ich sicher sein, dass nicht auch du mich deshalb hierbehältst?«

»Es hat mir keine Freude bereitet, dich auf dem Dach zu überwältigen«, sagte er düster. Meine Haut zog sich zusammen bei seiner zunehmenden Präsenz hinter mir. Ich erzitterte, in Schatten gewickelt, die sich zu Händen formten und mich an der Hüfte umdrehten, ehe sein richtiger Körper mich gegen die Wand presste. »Du hast alle Macht über mich. Sag mir, dass du das weißt.«

Es konnte nicht stimmen. Wie sollte ich über jemand derart Einflussreiches, Dominierendes wie Nyte Macht ausüben können?

»Entlasse mich aus unserem Pakt«, sagte ich.

Sein Kiefer mahlte. »Er soll dich davor schützen, etwas Dummes zu tun.«

»Wie dein dummes Leben zu retten?«

Wenn er in Schwierigkeiten steckte, versuchte er, mich über unseren Blutspakt von sich fernzuhalten, und der Schmerz, dagegen anzukämpfen, war unvergleichlich.

»Genau solche Sachen, die auf hundert andere Arten ausgehen und dich töten könnten.«

»Mittlerweile bereue ich die Entscheidung auch.«

»Aber sieh doch nur, wie viel Spaß wir haben.«

»Ich hasse dich.«

»Hm.« Nyte weigerte sich, mir Bewegungsfreiraum zu lassen. Das bisschen Luft zwischen uns lud sich statisch auf. »Sag das doch noch mal und guck, was passiert.«

Sein herausfordernder Tonfall reizte mich, und ich fühlte, wie diese schlafende Sprache zwischen uns erwachte.

»Ich …«

Mit der Pause breitete sich von meinen Zehenspitzen ausgehend ein Kribbeln in mir aus. Leidenschaftliches helles Gold loderte in seinen Augen auf.

»Ja?«, hakte er nach.

Eine Herausforderung. Ich sollte ihn nicht provozieren, aber ich wollte es so sehr.

»… hasse dich.«

Der plötzliche, vertraute Sog der Leere ließ mich nach Luft schnappen. Kalte Luft umgab mich, und ich hatte keine andere Wahl, als die Arme um Nytes Hals zu schlingen, da ich überall um uns herum Wolken wahrnahm. Meine Ungläubigkeit wurde ein paar Sekunden lang von der Schönheit der Landschaft im Mondlicht und dem Sternenhimmel über uns überlagert.

»Noch mal«, sagte Nyte.

Mein Blick fiel wieder auf ihn, und mein Ärger kehrte zurück. Er trug mich so, dass er mich ganz leicht fallen lassen könnte. Seine mitternachtsblauen Federflügel schlugen in der Nachtluft um uns.

»Ich habe auch Flügel.«

»Ach ja? Zeig sie mir.«

Er ließ mich los.

Mein Magen überschlug sich bei meinem plötzlichen Sturz. Mit den Armen rudernd und ohne jede Eleganz fiel ich in die Tiefe.

Nyte war ein verdorbenes, furchtbares Arschloch.

Er folgte mir im Sturzflug. Der schneidende Wind und die Kälte ließen meine Sicht verschwimmen, sodass ich seine dunkle Silhouette gerade so erkennen konnte.

»Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich!«, schrie ich in meinem Kopf.

Ob es das war, was ihn schneller aufholen, eine Hand um meinen Rücken schlingen ließ, konnte ich nicht sicher sagen. Immer langsamer wurde unser Sturz, bis mein Körper wieder der Schwerkraft entgegen hochgezogen wurde.

Dann Stille. Eine plötzliche, verwirrende Stille, und Wärme linderte die Kälte, die mir ins Gesicht gebissen hatte. Ich musste mehrmals blinzeln, um mich wieder neu zu orientieren. Er hatte uns wieder durch die Leere transportiert. Jetzt lag ich auf einem Bett, und Nyte und seine prächtigen Flügel ragten über mir auf. Er drückte seinen Körper sanft an mich, und ich war zu überrascht und mir war zu schwindelig, um irgendetwas zu tun.

»Ich liebe es, wenn du mich hasst«, schnurrte er an meiner Wange. »Findest du es nicht auch aufregend? Eine deiner strahlendsten Formen von Leidenschaft.«

»Mein Hass wird etwas Scharfes finden und es dir durchs Herz jagen.«

»Diesmal denkst du dran, wohin du zielen musst. Gutes Mädchen.«

Er beugte sich zwischen meinen Beinen über mich, und ich konnte nicht leugnen, dass mein Hass sich gerade auf andere verräterische Weise entladen wollte.

»Entlasse mich aus dem Pakt«, wiederholte ich.

»Astraea, ich entlasse dich aus unserem Pakt.«

Meine Lippen öffneten sich, als ich ein leichtes Ziehen in mir spürte. Ich wusste, es war geschehen. Die Erleichterung, dass er sich mir deshalb nicht widersetzt hatte oder mir ausgewichen war, ließ mich entspannt auf die Matratze zurücksinken. Nytes Flügel verschwanden in einer Welle wie Sternenstaub schimmernder Luft. Er legte sich neben mir mit aufgestütztem Kopf auf die Seite. Erst jetzt nahm ich die Details des Zimmers wahr und erkannte, dass es meins aus dem Libertatem war.

»Warum hast du mich nicht schon früher den Schlüssel holen lassen, wo du es doch hättest befehlen können?«

»Du musstest heilen.«

»Dein Vater hatte die tödlichste aller Waffen, der er schon seit Jahrhunderten hinterherjagt.«

»Du musstest heilen«, sagte er erneut. »Allein der Versuch, ihn in deinem Zustand zu rufen, hätte dich umbringen können. Es gibt nichts, das ich nicht niederbrennen lassen würde, wenn es deine Sicherheit bedeutet.«

Ich wollte ihn auf Abstand halten, aber stattdessen fühlte ich mich ihm immer enger verbunden. Was den Schmerz nur umso schlimmer machen würde, wenn er ging. Wie konnte ich vergessen, dass er vorhatte, diese Welt zu verlassen?

Mich zu verlassen.

»Was hat dein Vater damit getan?«

Nyte richtete sich auf und setzte sich mit dem Rücken zu mir auf die Bettkante, während ich mich auf die Unterarme stützte.

»Er hat es in den Tempel geschafft, aber ich glaube nicht, dass sie ihm seinen Wunsch erfüllt haben. Die Tore standen offen, aber irgendwas hat nicht gestimmt.«

»Du hast jetzt den Schlüssel?«

»Er ist in der Sternenleere. Der Schlüssel ist eine mächtige Waffe, aber am tödlichsten ist er in deinen Händen. Ohne ihn hast du schon unvergleichliche Macht. Zumindest muss ich glauben, dass du sie auch in diesem Leben noch besitzt und zurückerlangen kannst. Der Schlüssel ist für dich ein Verstärker. Für alle anderen ist er eine tickende Zeitbombe. Er fügt jedem Schaden zu, der versucht, ihn zu verwenden, weil er nur für dich gedacht ist. Im Gegenzug schwächt er die dir innewohnende Magie als Strafe dafür, dass du ihn dir hast stehlen lassen.«

»Aber ich konnte ihn zurückrufen, als dein Vater ihn hatte.«

»Dieses Mal, ja. Aber das lässt sich unterbinden. Mein Vater hat nur noch nicht herausgefunden, wie.«

»Du aber schon.« Ein Gefühl des Verrats breitete sich in meinem Magen aus. Langsam dämmerte es mir. »Du hast es bereits getan. In der Vergangenheit.«

Er stritt es nicht ab. »Ich will dir helfen. Glaubst du mir das?«

Nytes Sanftheit ließ mich immer wieder zur Närrin werden. Weckte mein schmachtendes Herz, das ihm vertrauen wollte.

Ich schüttelte den Kopf. »Dazu hast du mir bisher kaum Anlass gegeben.«

»Gehe den Bund mit mir ein.«

Seine Worte trafen mich wie Messerhiebe. Ich riss die Augen auf und suchte sein Gesicht nach Anzeichen ab, dass er sich gerade einen gewaltigen Scherz mit mir erlaubte. »Das meinst du nicht ernst.«

»Du bist meine andere Seelenhälfte. Ob du entscheidest, dich an mich zu binden, oder nicht, daran ändert sich nichts. Aber so geben wir ihnen, was sie wollen. Die Vampire sind unruhig. Wenn wir unsere Kräfte vereinen, werden sie dich nicht mehr als Bedrohung sehen.«

»Aber ich bin eine Bedrohung«, zischte ich. »Eher lasse ich alle ihre Ängste wahr werden, als sie glauben zu lassen, irgendjemand, ob sie oder du, könnte mich besitzen.«

Nytes Mundwinkel kräuselte sich mit unterdrückter Zustimmung. »Der Schlüssel zum Sieg ist manchmal, dem Gegner vorzugaukeln, er würde gewinnen.«

Dann stand er auf, und ein innerer Drang ließ es mich ihm gleichtun. Wir waren wie zwei Magneten, die sich zu widerstehen versuchten. Mein Ärger ließ mich an Ort und Stelle bleiben, aber Nyte gab öfter nach, als ihm bewusst zu sein schien. Als er sich näherte, schlang ich unbewusst die Hände um den Bettpfosten hinter mir, um den Abstand zwischen uns zu schließen.

»Gehe den Bund mit mir ein«, raunte er mir erneut ins Ohr. Seine Stimme war wie eine sanfte Berührung. Ich legte den Kopf leicht auf die Seite, als er mir das Haar über die Schulter strich, um meinen Hals freizulegen. »Macht und Einsamkeit verderben den Charakter. Zusammen sind wir unendlich.«

Mein Atem wurde flach unter dem sanften Druck seines Körpers. Bei dem Gedanken, wieder seine Zähne in mir zu spüren, geriet mein Blut in Wallung.

»Das kannst du nicht von mir verlangen.«

»Warum nicht?«

»Du kennst meine Vergangenheit, aber ich nicht die deine.«

»Noch nicht.«

Nyte presste die Lippen an meine Kehle. Mit seinen Verführungskünsten lenkte er mich vom rationalen Denken ab, um das ich mich mit aller Macht bemühte. Er machte mich süchtig, auf eine Art, die sich zeitlos, endlos anfühlte. Die mich in seinen Armen zum Beutetier werden und alle Vorbehalte ausblenden ließ.

Wie sehr konnte ich mir selbst, meinen Instinkten, vertrauen? Oder hatte mich das in der Vergangenheit vielleicht zu Fall gebracht, und jetzt musste ich aufpassen, die Geschichte nicht zu wiederholen?

In den Armen desjenigen, der einst mein Feind gewesen war, oder es vielleicht sogar immer noch war, musste ich einen Plan schmieden. Einen, der meine Seele zerreißen könnte. Doch Wunden im Herzen wurden zur Rüstung des Verstandes.

Den vergangenen Tag über hatte ich nicht aufhören können, mir den Schleier vorzustellen. Die flügeltragenden Celestials dahinter.

Mein Volk.

Der Gedanke erfüllte mich mit genauso viel Aufregung wie Angst, weil ich nicht wusste, ob ich würdig war, zu sein, wofür sie mich hielten. Was ich einmal gewesen war.

»Ich gehe den Bund mit dir ein«, sagte ich.

Er lehnte sich zurück und musterte mich mit seinen wunderschönen goldenen Augen, unübersehbar überrascht, dass ich zugestimmt hatte. Doch mehr gab ich ihm nicht. Meine sachliche Antwort schien ihn zu treffen.

»Gut«, sagte er genauso kühl, wandte sich von mir ab und zur Tür.

»Keine Käfige mehr?«, fragte ich und ging diesmal auf ihn zu.

In seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »Falls du dich jemals in einem wiederfinden solltest, hast du die Mittel, auszubrechen.«

»Wie kannst du dir da so sicher sein?«

»Ich weiß, was in dir steckt.«

Was auch immer es war, das in meinem Inneren schlummerte, es hielt sich auch vor meinen Augen versteckt.

»Und die Vampire?«

»Werden dich nicht anrühren. Die meisten habe ich weggeschickt. Nur Tarran und ein paar andere bleiben aufgrund unserer Abmachung noch hier.«

»Was für eine Abmachung?«

»Sobald wir verbunden sind, bist du eine von uns. Nur als Verbündete natürlich. An deiner celestialen Herkunft wird es nichts ändern.«

Lauter Fragen dazu, was sich denn ändern würde, drängten sich mir auf. Welche Auswirkungen unser Bund auf mich hätte, und ob das bedeutete, dass ich ihm niemals entkommen könnte. Nicht lebendig jedenfalls.

»Wie soll ich denn herausfinden, was meine Herkunft bedeutet und wozu ich fähig bin, wenn ich nicht zu den Celestials in Althenia gehen kann?«

»Ich werde dich trainieren.«

Das überraschte mich. »Warum?«

»Damit du deine Kräfte zurückerlangst. Ich werde behaupten müssen, dass es für sie ist – um ihnen zu zeigen, dass du immer noch mächtig bist und diese Verbindung zu ihrem Vorteil ist. Aber sie wissen nicht, dass ich vorhabe, zu gehen. Ich tue das für dich. Damit du zurückerhältst, was gegen deinen Willen unterdrückt wurde. Deine Magie und deine Flügel. Wir tun es für dich, damit du diesen Krieg beenden kannst, wenn ich weg bin. Glaubst du mir das?«

In den Stunden, die er mich in der Zelle hatte sitzen lassen, hatte ich einen Ruf geübt. Ein Manöver.

Meine Hand traf mit Wucht auf seine Brust, ohne dass er damit gerechnet hätte, und presste ihn gegen die Tür. Mit der anderen Hand griff ich in die Leere und umschloss mit den Fingern den kalten, gedrehten Griff des Sturmsteindolchs.

Mein Herz pochte wie wild, doch meine Hand zitterte nicht, als ich ihm die Spitze der gewellten, violetten Klinge unters Kinn hielt.

»Wenn du mich jemals wieder in einen Käfig sperrst, steche ich dir damit ins Herz. Dann warte ich, bis du wieder aufwachst, und tue dasselbe noch mal.«

Nyte lächelte, ein starker, warmer Kontrast zu meinem eisigen Blick. Er hob die Hand und mit unter dem Druck meines Dolches zusammengepressten Zähnen strich er mir eine Strähne hinters Ohr.

»Willkommen zurück, Starlight.«

3

Nyte

Auf der steinernen Brüstung von Astraeas Balkon zu sitzen, während sie drinnen nichts ahnend schlief, könnte man unmoralisch nennen. Falsch. Aber das war mir scheißegal.

Meine Flügel schirmten mich größtenteils von der bitteren Kälte der Winterluft ab, aber ich wollte auch nicht lange bleiben. Ich war nur hergekommen, um sie zu sehen. Auch wenn ich vor ein paar Stunden noch bei ihr gewesen war.

Ich konnte nicht schlafen. Nicht, wenn ich Angst hatte, nach dem Einschlafen in der verdammten Höhle unter der Bibliothek wieder aufzuwachen. Die Dämonen, die meinen Geist plagten, verwandelten Astraeas Anblick in eine Vision, ihre Berührung in einen qualvollen Lufthauch. Ich war hergekommen, um mich daran zu erinnern, dass ich nicht länger den Himmel absuchen, sondern nur meinen gefallenen Stern ansehen musste.

Sie friedlich und in Sicherheit schlafen zu sehen, wäre genug, hatte ich gedacht.

Doch das war es nicht.

Schatten krochen auf das Türschloss zu, als ich mich lautlos auf den Balkon fallen ließ. Ich öffnete die Tür. Meine Flügel versteckte ich beim Eintreten nicht. Lange würde ich nicht bleiben, und sie würde auch nichts davon wissen.

Astraea war immer noch wütend auf mich, zu Recht, und es war sadistisch, wie viel Aufregung ich dabei spürte. Ich wollte, dass sie alles Dunkle und Gefährliche aus ihrem Inneren auf mich losließ. Und dann, gemeinsam mit mir, auf unsere Feinde.

Im Halbkreis ging ich um ihr Bett herum. Im Mondlicht, das ihr silbernes Haar glitzern ließ, glich sie einer Göttin. Einfach betörend.

Meins.

Ich war besessen. Nicht in der Lage, sie loszulassen, selbst wenn Tod und Zeit sich verbündeten, um uns zu trennen. Das reichte nicht aus. Nichts würde je ausreichen.

In ihrer Gegenwart erwachte das dunkle, verkümmerte Ding in meiner Brust zum Leben. Es war angsteinflößend und doch schön – eine tägliche, verletzliche Erinnerung daran, was auf dem Spiel stand. Noch einmal konnte ich sie nicht verlieren. Das durfte ich nicht. Meine Suche nach dem, der sie mir dreihundert Jahre lang genommen hatte, hatte in der Sekunde begonnen, als das Licht ihre silberblauen Augen verließ.

Schmerz schloss sich wie eine Faust um mein Herz, und ich musste die Vergangenheit aus meinem Kopf drängen. Sie war hier. Hier. Mein Impuls, sie zu berühren, siegte.

Astraea schlief auf der Seite, die Hände unter der Wange gefaltet. Mit den Fingern strich ich ihr an der Schläfe übers Haar. Wie dabei Jahrhunderte der Qual aus meinem Kopf verschwanden, wenn auch nur für eine Sekunde – das war reine Glückseligkeit.

Ihre Augenlider flatterten, als sie tief einatmete. »Nyte?«, fragte sie mit schläfrig geöffneten Lippen.

Scheiße. Bei diesem sanften, nach mir verlangenden Murmeln wollte ich auf die Knie fallen.

»Starlight«, flüsterte ich.

Die Spur von Blau in ihrer Iris stach im Dunkeln stärker hervor. Ihr Blick strich über meine Schultern und die Kurven meiner Flügel. »Sie sind … so schön«, sagte sie, noch nicht vollständig bei Bewusstsein.

Ich konnte einfach nicht anders. Über sie gebeugt, presste ich meinen Mund auf ihren. Ihr sanftes Seufzen verbreitete wohligen Frieden in meinem Inneren und weckte das Verlangen, mich neben sie zu legen. »Schlaf, meine Liebste.«

Astraea versuchte, den Kopf zu schütteln, aber ich hatte ihren Geist bereits in Schläfrigkeit gewiegt, und ihre Lider schlossen sich. Beim Aufwachen würde sie das nicht als wirkliches Ereignis in Erinnerung behalten. Vielleicht als einen Traumfetzen.

All meine Kraft war nötig, um von ihr zurückzutreten, wo ich doch den einzigen Grund, warum ich leben wollte, in die Arme schließen sollte. Astraea war ohne Furcht vor Ungeheuern auf die Welt gekommen. Und als das schlimmste aller Ungeheuer sie gefunden hatte, hatte sie meinen Willen dem ihren unterworfen, ohne es auch nur zu merken.

Nur eins schützte diese Welt vor mir.

Sie.

Ich würde die Person, die sie getötet hatte, finden und für jedes Jahr, das sie uns genommen hatte, leiden lassen, für jeden Tag einen Monat, für jedes Jahr ein Jahrhundert. Sie würde sich an keine Existenz ohne Schmerz mehr erinnern können.

Wegen dieser Person hatten Angst und Qual für mich nur noch eine Bedeutung: ohne sie zu sein.

Ich hockte mich neben sie. »Noch eine Wahrheit für dich, Astraea. Dich gehen zu lassen … dazu bin ich nicht in der Lage. Du hast mir angeboten, Hand in Hand durch andere Welten mit mir zu gehen, und ich kann meine selbstsüchtigen Gedanken nicht unterdrücken. Ich bin nicht besser als meine Eltern, wenn ich mir wünsche, unsere gemeinsame Zeit in dieser Welt zu Ende zu bringen, nur um mit dir in die nächste zu reisen, die wir damit ebenfalls dem Untergang weihen. Es ist mir egal, welche Zerstörung wir dabei hinterlassen würden. Ich weiß nicht, zu was mich das macht. Und ob du abgestoßen wärst von dem, was ich für dich tun würde.« Bevor ich mich davon abhalten konnte, hatte ich die Lippen bereits auf ihre Stirn gepresst und atmete den einzigen Duft ein, der rastlose Dunkelheit zur Ruhe bringen konnte. »Es gibt viele Schätze in vielen Reichen, aber du bist der meine.«

4

Astraea

Ein innerliches Ziehen weckte mich aus meinem erholsamen Schlaf, aber ein Gefühl von Vertrautheit schwächte den Schreck ab. Ich setzte mich auf, rieb mir den Schlaf aus den Augen und blinzelte in die Dunkelheit hinein, als müsste ich dort jemanden entdecken können. Nur der Mond ließ die Silhouetten der Möbel im Zimmer erkennbar werden.

Ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass ich nicht allein war.

Ich schlüpfte aus dem Bett, griff mir einen Morgenmantel aus Baumwolle und ließ mich von einer unerklärlichen Anziehungskraft zum Balkon leiten. Die Eiseskälte des Bodens biss mir in die Füße, aber ich öffnete trotzdem die Tür und trat hinaus. Mein Blick richtete sich in die Ferne, mein Körper spannte sich an. Doch ich nahm die beißende Kälte nicht mehr wahr, als mein Blick bei der Suche im Dunkeln am Dach der Bibliothek hängen blieb.

Ein Engel beobachtete mich.

Seine silbernen Schwingen ließen sich auch in der dunkelsten Nacht nicht verbergen, aber er oder sie hielt sich vorsichtig im Schatten eines in die Höhe ragenden Gebäudeteils versteckt. So unbewegt würde niemand den Celestial bemerken.

In meiner Brust pochte es, so erstaunt war ich. Mit den Händen auf die Steinbrüstung gestützt, versuchte ich, nicht zu blinzeln, als könnte die Gestalt sonst verschwinden.

Ich wollte, dass sie näher kam. Vollständig angezogen hätte ich mich vielleicht hinausgewagt, in der Hoffnung, dass sie sich mir zeigen würde.

Stimmen vor meiner Tür lenkten meine Aufmerksamkeit von der Silhouette ab, aber die Leute im Korridor gingen vorbei. Als ich zurückblickte, war der Engel verschwunden.

Zeitgleich mit der aufsteigenden Enttäuschung verließ die Anspannung meinen Körper, und die Kälte überkam mich als heftiger Schauer. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper. Ohne das Adrenalin fühlte ich, wie der Wind mich umspielte, und begann, zu zittern und mit den Zähnen zu klappern. Schnell wollte ich zurück ins Zimmer huschen, doch an der Tür keuchte ich auf. Mit wild hämmerndem Herzen blieb ich vor Angst erstarrt stehen.

Die Spiegelung einer kauernden, kapuzenverhüllten Gestalt mit aufragenden silbernen Flügeln war so atemberaubend wie Furcht einflößend. Mein Puls raste, aber mein Geist schirmte alles ab, was Nyte erreichen könnte, der sofort auftauchen und die Gestalt verscheuchen würde, sobald er meine schwankenden Empfindungen spürte.

»Wer bist du?«, bekam ich gerade noch so über die Lippen, bevor sich mir die Kehle zuschnürte.

Ich hatte zu viel Angst, um mich umzudrehen. Meine Magie summte in mir, und auch wenn ich sie noch nicht richtig anwenden konnte, war ich sicher, dass ich mich lange genug verteidigen konnte, um nach Hilfe zu rufen.

»Du bist es wirklich«, sagte er.

Mit tiefer, ruhiger Stimme, die eine Reaktion in mir hervorrufen wollte. Kam sie mir vertraut vor?

»Kommt drauf an, für wen du mich hältst.«

Dann richtete ich mich auf und drehte mich um. Seine Kapuze hüllte den Großteil seines Gesichts in Schatten, doch ich konnte eine stoppelige Kieferpartie und dunkelbraune Augen ausmachen. Seine Kleidung kam mir bekannt vor: Sie war aus Leder mit violetten Akzenten, und in einer Scheide an seiner Seite hing eine lange Klinge.

»Astraea.«

Die Art, wie er meinen Namen aussprach, ließ wieder einen Funken in mir erwachen. Ich sollte diesen Mann kennen.

Leichtfüßig sprang er von der Brüstung auf meinen Balkon und streifte die Kapuze ab. Das braune Haar fiel ihm bis auf die Schultern; ein Teil war zu einem Knoten zurückgebunden, doch einige Strähnen umrahmten sein Gesicht. Er war wunderschön. Trotzdem trat ich einen Schritt zurück, als er auf mich zukam. Woher mein aufkeimendes Unwohlsein stammte, konnte ich nicht sagen.

Er hielt inne und musterte mich genau, als könnte eine falsche Bewegung mich zum Schreien bringen. »Ich habe so lange auf dich gewartet. Ich kann gar nicht glauben, dass du endlich direkt vor mir stehst, und doch … ist es nicht die freudige Wiedervereinigung, von der ich geträumt habe.«

Das stieß etwas in meiner Brust an und brachte meinen Magen dazu, sich zusammenzuziehen. Als ich erkannte, wer er war, wurde mir augenblicklich so schwindlig, dass ich mich am Türrahmen festklammern musste – aber wieso berechnete ich gleichzeitig, wie schnell ich hineinstürzen und ihn ausschließen könnte?

»Auster«, stellte ich fest.

Er nickte, und die Welt fühlte sich plötzlich instabil an. Dieser Mann war mein anderes Gegenstück.

»Du solltest nicht hier sein«, sagte ich. »Wenn er dich findet …«

»Ich habe keine Angst vor ihm. Und ich werde ihn nicht noch länger deinen Verstand vergiften lassen, als ich es bereits zugelassen habe.«

»Das hat er nicht.« Mir war klar, wie naiv mein Widerspruch klingen musste.

Nyte war sein größter Feind und ich der Grund für den Krieg, der jederzeit zwischen ihnen ausbrechen konnte.

»Warum bist du hierhergekommen?«, fragte ich.

»Deinetwegen natürlich. Ich habe dich überall gesucht. Seit du vor fünf Jahren zurückgekehrt bist.«

»Aber warum heute Nacht? Ich kann nicht einfach mit dir durchbrennen.«

»Warum nicht?«

Auster kam einen Schritt auf mich zu, und mein Körper verkrampfte sich. Er schien es zu bemerken, und ich fühlte mich fast schuldig, als ich die Enttäuschung in seinen Augen sah. Ich konnte nicht anders, als dieses Gefühl mit dem zu vergleichen, das ich beim ersten Treffen mit Nyte gespürt hatte.

Hätte er mir nach meinem Tanz in Haus Goldfell angeboten, mit ihm davonzulaufen, wäre ich mit ihm gegangen? Vermutlich nicht – aber nicht aus einem Mangel an Begehren, sondern aus Angst vor Goldfells Rache. Ich schüttelte den Kopf. Mittlerweile wusste ich so viel mehr über die Welt und mich selbst, da war meine Zurückhaltung Auster gegenüber doch natürlich, trotz der Sicherheit, die er mir geben sollte. Oder nicht?

»Ich erwarte nicht, dass du bei Nacht und Nebel mit mir davonrennst«, sagte Auster. Er lächelte sanft und ein wenig traurig. »Aber ich musste dich einfach sehen und hoffen, dass du mich wiedersehen willst.«

Bei der Versicherung, dass er mich nicht einfach packen und mit mir davonfliegen oder mich weiter überreden würde, entspannte ich mich etwas. Er hatte Erinnerungen an uns, über die ich nicht mehr verfügte, aber ich versuchte, auf meinen Instinkt zu hören. Denn dieser hatte mir bei Nyte ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, ehe ich wusste, wer er wirklich war. Als ich von Auster erfahren hatte, hatte der Gedanke, ihn zu treffen, mich eingeschüchtert. Vielleicht war ich sogar froh, dass er so unerwartet auftauchte. Einer Einladung wäre ich vielleicht feige ausgewichen.

»Du hast Nyte geschrieben«, sagte ich, als ich mich an Nytes schwelende Verärgerung erinnerte, bevor er den Brief hatte in Rauch aufgehen lassen. »Was hast du ihm mitgeteilt?«

Austers Augen verengten sich kaum merklich. Nytes Gefühle ihm gegenüber beruhten offensichtlich auf Gegenseitigkeit.

»Natürlich hat er es dir nicht gesagt«, stellte er verbittert fest. »Ich habe darum gebeten, dich zu treffen, und er hat es ignoriert. Also bin ich heute bei Nacht gekommen und hoffe, dass du nicht darüber redest.«

»Warum nicht?«

»Wenn er schon meine Bitte vor dir verborgen hat, wird er auch Wege finden, dich davon abzuhalten, mich wiederzusehen.«

»In der letzten Woche ist viel passiert. Er wollte mich nicht überfordern.«

Auster warf mir die Art Blick zu, bei der ich augenblicklich rot wurde. Als wäre ich zu abgeschirmt und manipuliert, um zu glauben, Nyte würde mich ausnutzen. Er brauchte nichts zu sagen – die Stille traf mich schmerzhaft, weil ich mir auch nicht ganz sicher war, ob ich mich auf mein eigenes Urteil verlassen konnte.

Ich war so erschöpft und verwirrt.

»Astraea, sehen wir uns wieder? Du musst so viel lernen. Wir haben nicht damit gerechnet, dass du ohne Erinnerungen zurückkehrst. Finde einen Weg, mich ohne sein Wissen zu treffen. Ich habe dich schon einmal an ihn verloren. Er darf dich nicht erneut derart verletzen.«