The Ravenhood - Flock - Kate Stewart - E-Book
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The Ravenhood - Flock E-Book

Kate Stewart

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Beschreibung

»Sei ganz ehrlich: Wenn du dich nicht zwischen uns entscheiden müsstest, würdest du es dennoch tun?«

Der Deal ist simpel: Ein Jahr lang soll die 19-jährige Cecelia zu ihrem entfremdeten Vater nach Triple Falls ziehen und in dessen Fabrik arbeiten. Im Gegenzug erhält sie Zugang zu seinem Vermögen. Angewiesen auf das Geld, um ihrer kranken Mutter helfen zu können, willigt Cecelia ein – nichts ahnend, dass sie als Tochter des Chefs dort nicht den einfachsten Start haben wird. Doch das ändert sich, als sie Sean kennenlernt. Der attraktive Kollege macht sie mit seinen Freunden bekannt, einer Gruppe junger Männer, die alle nach ihren eigenen Regeln leben und dasselbe Raben-Tattoo tragen. Verwirrt von ihren Gefühlen für Sean, aber auch für dessen geheimnisvollen Kumpel Dominic, ist Cecelia entschlossen, das Jahr zu nutzen, um herauszufinden, was – und vor allem wen – sie wirklich will …

TikTok made me buy it – der erste Band der »The Ravenhood«-Trilogie endlich auf Deutsch!

Weitere Bände der Reihe:
Band 1: The Ravenhood – Flock
Band 2: The Ravenhood – Exodus
Band 3: The Ravenhood – The Finish Line

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Seitenzahl: 503

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Buch

Der Deal ist simpel: Ein Jahr lang soll die 19-jährige Cecelia zu ihrem entfremdeten Vater nach Triple Falls ziehen und in dessen Fabrik arbeiten, im Gegenzug erhält sie Zugang zu seinem Vermögen. Angewiesen auf das Geld, um ihrer kranken Mutter helfen zu können, willigt Cecelia ein – nichts ahnend, dass sie als Tochter des Chefs dort nicht den einfachsten Start haben wird. Doch das ändert sich, als sie Sean kennenlernt. Der attraktive Fabrikarbeiter macht sie mit seinen Freunden bekannt, einer Gruppe junger Männer, die alle nach ihren eigenen Regeln leben und dasselbe Raben-Tattoo tragen. Verwirrt von ihren Gefühlen für Sean, aber auch für dessen geheimnisvollen Kumpel Dominic, ist Cecelia entschlossen, das Jahr zu nutzen, um herauszufinden, was – und vor allem wen – sie wirklich will …

Autorin

Kate Stewart ist mehrfache »USA Today«-Bestsellerautorin, und das nicht ohne Grund: Ihre Romane rauben ihren Fans den Atem! Insbesondere ihre »The Ravenhood«-Trilogie traf mitten in das Herz ihrer Leser*innen und wurde zu einer weltweiten TikTok-Sensation.

Die gebürtige Texanerin lebt mit ihrem Mann inmitten der Blue Ridge Mountains in North Carolina. Wenn sie nicht gerade am Schreibtisch sitzt und knisternde Geschichten zu Papier bringt, vertreibt sie sich gern die Zeit mit Fotografie, dem Hören von und Tanzen zur Musik der 1980er- und 1990er-Jahre oder mit einem Glas gutem Whiskey.

Weitere Informationen unter: www.katestewartwrites.com

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag und www.facebook.com/blanvalet.

KATE STEWART

THE RAVENHOODFLOCK

ROMAN

Deutsch von Bettina Hengesbach

Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Flock«.

Das Zitat auf S. 7 stammt aus »Dornenvögel« von Colleen McCullough, übersetzt von Günter Panske, Blanvalet Verlag, München 1981.

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Copyright der Originalausgabe © 2020 by Kate Stewart

First published 2020 and subsequently reissued by Pan Books, in 2022, an imprint of Pan Macmillan, a division of Macmillan Publisher International Limited.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de nach einer Originalvorlage von Pan Macmillan

Coverdesign: Moesha Parirenyatwa

Covermotiv: © Shutterstock

DK · Herstellung: sam

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-641-30535-2V001

www.blanvalet.de

Für meinen Bruder Tommy, der mutig genug ist, jedem gegenüber immer das zu sagen, was er denkt. Danke, dass du mir beigebracht hast, dass es in Ordnung ist, Zweifel zu haben, sich aber nicht in ihnen zu verlieren. All meine Liebe und meinen Respekt, kleiner Bruder.

Da gibt es die Legende von einem Vogel, der in seinem Leben nur ein einziges Mal singt, doch singt er süßer als jedes andere Geschöpf auf dem Erdenrund. Von dem Augenblick an, da er sein Nest verlässt, sucht er nach einem Dornenbaum und ruht nicht, ehe er ihn nicht gefunden hat. Und wenn er im Gezweig zu singen beginnt, dann lässt er sich so darauf nieder, dass ihn der größte und schärfste Dorn durchbohrt. Doch während er stirbt, erhebt er sich über die Todesqual, und sein Gesang klingt herrlicher als das Jubeln der Lerche oder das Flöten der Nachtigall. Ein unvergleichliches Lied, bezahlt mit dem eigenen Leben. Aber die ganze Welt hält inne, um zu lauschen, und Gott im Himmel lächelt. Denn das Beste ist nur zu erreichen unter großen Opfern … So jedenfalls heißt es in der Legende.

Colleen McCullough, Dornenvögel

PROLOG

Heute

Ich war krank.

Ich wuchs nämlich in dem Glauben auf, dass es in großen Liebesgeschichten einen Märtyrer geben müsste oder dass unbeschreibliche Opfer erbracht werden müssten.

Bücher, Liebeslieder und Filme ließen mich noch lange trauern, nachdem ich die letzte Seite umgeblättert hatte, die letzte Note verklungen oder der Abspann vorbei war. Sie alle waren der Grund für meine Sichtweise; ich hatte mich selbst dazu gebracht, so etwas zu glauben, und züchtete mir ein überaus masochistisches Herz heran, süchtig nach Leid.

Als ich die folgende Geschichte erlebte, mein eigenes verdrehtes Märchen, war mir das nicht bewusst, weil ich jung und naiv war. Ich bin der Versuchung erlegen und habe das brutale Raubtier gefüttert, das mit jedem Hieb, jedem Schlag und jedem Stoß gieriger wurde.

Das ist der Unterschied zwischen Fiktion und Realität: Seine eigene Liebesgeschichte kann man nicht noch einmal erleben, denn sobald man erkennt, wie tief man drinsteckt, ist sie im Grunde schon vorbei. Zumindest war das bei mir der Fall. Und nun, Jahre später, bin ich überzeugt, dass meine Liebesgeschichte und mein Leiden untrennbar zusammenhingen.

Und alle wurden bestraft.

Deswegen bin ich wieder hier – um die Geschehnisse aufzuarbeiten, um zu trauern und vielleicht sogar meine Krankheit zu heilen. Hier hat es begonnen, und hier muss ich es beenden.

Er ist eine Geisterstadt, dieser Ort, der mich heimsucht, dieser Ort, der mich zu der Frau gemacht hat, die ich heute bin.

Einige Wochen vor meinem neunzehnten Geburtstag schickte meine Mutter mich fort, damit ich bei meinem Vater wohnen sollte, bei dem ich zuvor nur als Kind ein paar Sommer verbracht hatte. Nach meiner Ankunft lernte ich schnell, dass sich seine Haltung in Bezug auf seine väterlichen Pflichten nicht geändert hatte; er stellte die gleichen Regeln auf wie schon damals, als ich klein gewesen war: Ich durfte mich nur selten blicken lassen, und zu hören sollte ich auch nicht sein. Ich sollte den strengsten moralischen Grundsätzen genügen, fleißig lernen und mich ansonsten seinem Lebensstil anpassen.

In den darauffolgenden Monaten, als Gefangene in seinem Königreich, tat ich natürlich genau das Gegenteil, schadete mir selbst und befleckte seinen Namen nach Kräften. Damals bereute ich nichts – zumindest, was meinen Vater betraf – , bis ich gezwungen war, mich mit den Konsequenzen meines Tuns auseinanderzusetzen.

Nun, mit sechsundzwanzig, lebe ich immer noch damit.

Nach Jahren, in denen ich dagegen angekämpft habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich Triple Falls wohl niemals hinter mir lassen oder die Zeit vergessen kann, die ich dort verbracht habe. Ich bin jetzt eine andere als die, die damals diesen Ort verließ. Nachdem all das geschehen war, war ich fest entschlossen, niemals zurückzukehren. Doch die ärgerliche Wahrheit ist, dass ich niemals über Triple Falls hinwegkommen werde. Das ist der Grund, weshalb ich zurückgekehrt bin. Um Frieden mit meinem Schicksal zu schließen.

Ich kann die gierige Forderung des Herzens, das in meiner Brust schlägt, und das Drängen meines Unterbewusstseins nicht länger ignorieren. Ich werde nie eine Frau sein, die in der Lage ist, sich loszusagen, die Vergangenheit dort zu lassen, wo sie hingehört, sosehr ich es mir auch wünschen würde.

Während ich durch die gewundenen Straßen fahre, öffne ich das Fenster und heiße die Kälte willkommen, die meinen Körper betäubt. Seit ich auf dem Highway bin, schießen mir Erinnerungen durch den Kopf, die ich seit meiner Flucht zu verdrängen versuche. Seit Jahren weigern meine Träume sich, mich freizulassen, sorgen dafür, dass der Krieg in meinem Kopf weiter wütet und der Verlust mir das Herz zerreißt; in meinen Träumen durchlebe ich die schlimmsten Qualen erneut, immer wieder, in einer zermürbenden Endlosschleife.

Jahrelang habe ich probiert, mir einzureden, dass es ein Leben nach der Liebe gibt. Und vielleicht funktioniert das bei anderen tatsächlich, aber ich will endlich aufhören, so zu tun, als hätte ich nicht den größten Teil von mir zwischen diesen Hügeln und Tälern zurückgelassen, in dem Wald, der mein Geheimnis wahrt.

Obwohl mir der Wind kalt ins Gesicht peitscht, kann ich noch immer die Wärme der Sonne auf meiner Haut fühlen. Ich kann noch immer seine Gestalt spüren, die das Licht abschirmt, das Prickeln der Gewissheit, als er mich zum ersten Mal berührte, und die Gänsehaut, die er hinterließ.

Ich kann sie immer noch spüren, meine Sommerjungs.

Wir alle tragen die Schuld an dem, was passiert ist. Wir alle verbüßen unsere Strafe. Wir waren achtlos und unbesonnen, dachten, unsere Jugend mache uns unantastbar, befreie uns von unseren Sünden. Und dafür haben wir einen hohen Preis gezahlt.

Schneeflocken fallen träge auf die Windschutzscheibe, bedecken die Bäume und den Boden, als ich vom Highway abfahre. Das Knirschen von Kies unter den Reifen lässt mir das Herz bis zum Hals schlagen und meine Hände zittern. Ich betrachte die Sträucher, die die scheinbar endlose Straße säumen, und versuche, mir einzureden, dass es gut ist, mich aktiv mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dass dies der erste Schritt ist, um das zu verarbeiten, was mich seit Jahren quält. Fest entschlossen will ich mich der Wahrheit stellen, die so unumstößlich wie verheerend ist.

Die meisten glauben, dass es ein Segen ist, die alles verzehrende Liebe zu kennen, aber ich betrachte es als Fluch. Ein Fluch, der ein Leben lang auf mir lastet. Ich werde nie wieder so eine Liebe erleben wie hier vor all den Jahren. Und das will ich auch gar nicht. Ich kann nicht, denn ich leide noch immer darunter.

Für mich besteht kein Zweifel daran, dass es Liebe war. Welcher andere Sog könnte derart stark sein? Welches andere Gefühl könnte mich so süchtig machen, dass ich fast wahnsinnig werde? Dass ich die Dinge tue, die ich getan habe?

Selbst als ich die Gefahr längst spürte, beugte ich mich der Liebe. Keiner einzigen Warnung schenkte ich Beachtung. Ich begab mich willentlich in Gefangenschaft, ließ mich von der Liebe beherrschen und ruinieren. Sehenden Auges forderte ich das Schicksal heraus, bis es natürlich zuschlug.

Von Anfang an war klar, dass mir die Flucht niemals gelingen würde.

Als ich an der ersten Ampel am Rand des Ortes anhalte, lege ich meine Stirn auf das Lenkrad und atme tief ein, um mich zu beruhigen. Ich hasse die Tatsache, dass ich den Emotionen, die die Reise in mir auslöst, noch immer so machtlos gegenüberstehe, obwohl ich mittlerweile eine erwachsene Frau bin.

Ich atme aus und werfe einen Blick nach hinten auf die Tasche, die ich auf den Rücksitz geworfen habe, nachdem ich vor nur wenigen Stunden meinen Entschluss gefasst hatte. Mit dem Daumen taste ich nach meinem Verlobungsring, drehe ihn am Finger, und eine weitere Welle der Schuldgefühle überrollt mich. Jegliche Hoffnung auf die Zukunft, die ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe, war in der Minute verloren, als ich meine Beziehung beendete. Er hat sich geweigert, den Ring zurückzunehmen, und ich habe ihn noch nicht abgelegt. Nun wiegt er schwer an meinem Finger. Die Zeit, die ich in Triple Falls verbracht habe, hat ein weiteres Opfer gefordert, eines von vielen.

Ich war mit einem Mann verlobt, der in der Lage ist, seine Versprechen zu halten. Ein Mann, der es wert ist, dass man sich an ihn bindet, ihm seine bedingungslose Liebe schenkt. Ein loyaler Mann mit einem unerschütterlichen Herzen voller Wärme. Doch ich könnte ihn nie so lieben, wie eine Frau ihren Ehemann lieben sollte.

Er war mir ein Trost, und seinen Heiratsantrag anzunehmen, bedeutete die Aussicht darauf, endlich sesshaft zu werden und Ruhe zu finden. Als ich unsere Hochzeit absagte, genügte ein Blick in sein Gesicht, um zu erkennen, dass ich ihn mit der Wahrheit niedergeschmettert hatte. Mit der Wahrheit darüber, dass ich zu einem anderen gehöre, dass alles, was von meinem Herzen, meinem Körper und meiner Seele noch übrig ist, einem Mann gehört, der nichts mit mir zu tun haben will.

Es waren die Qualen, die meinem Verlobten ins Gesicht geschrieben standen, die das Fass für mich zum Überlaufen brachten. Er hatte mir seine Liebe, seine Hingabe geschenkt, und ich hatte sie weggeworfen. Ich hatte ihm das angetan, was mir angetan worden war. Meinem Herzen – meinem Meister und Monster – nicht zu folgen, hatte mich Collin gekostet.

Wenige Minuten nachdem ich ihn von mir befreit hatte, packte ich eine Tasche und fuhr los, auf der Suche nach Bestrafung. Ich fuhr die ganze Nacht durch, denn ich wusste, dass Zeit nicht wichtig ist, dass sie keine Rolle spielt. Niemand wartet auf mich.

Mehr als sechs Jahre sind vergangen, und ich bin wieder an dem Punkt, an dem ich begonnen habe, zurück in dem Leben, aus dem ich geflohen bin. Gefühle kochen in mir hoch, und ich versuche, mir einzureden, dass es kein Fehler war, Collin zu verlassen, sondern ein notwendiges Übel, um ihn von den Lügen zu befreien, die ich ihm erzählt habe. Ich habe ihm Unrecht getan, indem ich Dinge versprochen habe, die ich niemals hätte halten können, und ich würde ihm auf keinen Fall schwören, dass ich ihn lieben und ehren werde, in Gesundheit und Krankheit, denn ich habe ihm nicht verraten, wie krank ich wirklich bin. Ich habe ihm nie erzählt, dass ich mich habe benutzen, mich beinahe habe vernichten lassen, wie verdorben ich war … und dass ich jede Sekunde davon genossen habe. Ich habe meinem Verlobten nie erzählt, dass ich mein Herz habe ausbluten lassen. Dadurch habe ich meine Chancen sabotiert, die Art von Liebe zu erkennen und anzunehmen, die heilt, statt zu verletzen. Die einzige Liebe, die ich je kannte und nach der ich mich sehne, ist die Art von Liebe, die mich krank macht – vor Sehnsucht, vor Lust, vor Verlangen, vor Trauer. Es ist eine verzerrte Art von Liebe, die Narben und abgestumpfte Herzen hinterlässt.

Wenn ich nicht genügend trauern kann, um mich während meiner Zeit hier zu heilen, werde ich krank bleiben. Das wird mein Fluch sein. Vielleicht wird meine Geschichte nie ein Happy End haben, weil ich meine Chance verspielt habe, indem ich mich auf die düsteren Kapitel konzentriert habe. Wegen des Jahres, in dem ich meine Hemmungen ablegte und jegliche Moral verlor.

Es gibt Dinge, die man nicht laut ausspricht. Das hier ist wohl die Art von Geständnis, die Frauen, wenn sie möchten, dass man ihnen Respekt entgegenbringt, nie machen dürfen. Niemals.

Aber es ist an der Zeit zuzugeben, mehr vor mir selbst als vor irgendjemand anderem, dass ich mir jegliche Chance auf eine normale und gesunde Beziehung verbaut habe, weil ich zu der wurde, die ich bin, und wegen der Männer, die mich zu dieser Person gemacht haben. Mittlerweile möchte ich einfach nur Frieden mit mir selbst schließen, in dem Wissen, dass ich den einzigen Mann, dem mein Herz je treu war, nie haben werde.

Beklommenheit hüllt mich ein, und mehr Erinnerungen drängen an die Oberfläche. Ich kann ihn immer noch riechen, ihn in mir spüren, die salzigen Tropfen seines Spermas schmecken, den zufriedenen Ausdruck in seinen Augen unter den halb geschlossenen Lidern sehen. Ich kann den unvergleichlichen Rausch der Blicke fühlen, die wir gewechselt haben, die Vibration seines tiefen Lachens, die Vollkommenheit seiner Berührungen.

Je näher ich Triple Falls komme, desto mehr Erinnerungen brechen über mich herein. Mein Vorsatz, mich dem Fluch zu stellen, der auf mir lastet, beginnt zu bröckeln. Weil ich eine Vorahnung habe, wie das wahre Ende meiner Geschichte aussehen wird, und ich ihm nicht entkommen kann.

Vielleicht gibt es keine Chance auf Heilung und darauf, alles hinter mir zu lassen, aber es ist für mich an der Zeit, mich der Vergangenheit zu stellen. Möge die Geisterjagd beginnen.

KAPITEL EINS

Damals

Nachdem ich vor den massiven Eisentoren angehalten habe, tippe ich den Code ein, den Roman mir gegeben hat, und betrachte im Hindurchfahren das riesige Anwesen. Ein Park mit Bäumen und leuchtend grünem Gras umgibt das große Haus. Je näher ich komme, desto mehr fühle ich mich wie eine Fremde. Links von diesem Palast befindet sich eine Garage für vier Wagen, doch ich parke in der kreisförmigen Zufahrt am Haupteingang. Die Fahrt war nicht lang, aber meine Glieder sind mit jeder Meile schwerer geworden. Obwohl das Gebäude beeindruckend ist, kommt es mir wie ein Gefängnis vor, und heute ist der erste Tag meiner Haft.

Ich öffne den Kofferraum, nehme ein paar meiner Taschen heraus und gehe die Stufen hinauf, wobei ich die tadellose Terrasse betrachte. Nichts an diesem Haus wirkt einladend, und alles daran strahlt Reichtum aus.

Nachdem ich die Tür mit dem Fuß hinter mir zugeschoben habe, schaue ich mich im Foyer um, wo ein einsamer Tisch mit einer großen leeren Vase steht, die sicherlich mehr gekostet hat als mein Auto. Zu meiner Rechten befindet sich eine imposante Treppe und zu meiner Linken ein klassisch eingerichtetes Esszimmer.

Ich beschließe, besser nicht auf eigene Faust einen Rundgang zu unternehmen, und klemme mir mein Telefon zwischen Schulter und Ohr, fange an, meine Taschen in die obere Etage zu schleppen.

Sie geht beim zweiten Klingeln dran.

»Hey, ich bin angekommen.«

»So ein Mist«, jammert Christy an meinem Ohr, als ich die mir zugeteilte Zelle betrete und mich umschaue.

Im Raum steht ein schneeweißes Himmelbett, außerdem ein passender Kleiderschrank, eine Kommode und ein Frisiertisch. All das hat mein Dad liefern lassen. Das Zeug ist prachtvoll und hell und passt überhaupt nicht zu mir, was wenig überraschend ist. Er kennt mich schließlich nicht.

»Es ist doch nur bis zum nächsten Herbst«, beschwichtige ich sie.

»Das ist ein Jahr, Cecelia, ein ganzes Jahr. Wir haben gerade unseren Abschluss gemacht. Das hier ist unser letzter Sommer, bevor das College beginnt – und deine Mom beschließt, sich ausgerechnet jetzt Zeit für sich zu nehmen?!«

Das ist nicht die ganze Wahrheit, aber ich lasse Christy meiner Mutter zuliebe in dem Glauben, weil ich immer noch nicht weiß, wie ich es erklären soll. Die traurige Wahrheit ist, dass meine Mom einen Zusammenbruch epischen Ausmaßes hatte, was dazu führte, dass sie ihren Job verlor und ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte. Ihr Freund bot ihr an, dass sie bei ihm wohnen könnte, Betonung auf sie, nicht ihr uneheliches Kind.

Meine Mutter und ich standen uns immer nahe, aber selbst ich erkenne sie nicht mehr wieder. Trotz all meiner Bemühungen, eine gute Tochter zu sein, zog sie sich vor ein paar Monaten vollkommen zurück und trank über Wochen Tag und Nacht White Russians, bis sie am Ende gar nicht mehr aus dem Bett kam. Sie hat mich regelrecht verstoßen. Obwohl ich mir so viel Mühe mit ihr gab und verzweifelt auf Erklärungen und Antworten drängte, die sie mir aber nicht geben wollte, wusste ich nicht, wie ich ihr helfen konnte. Daher widersprach ich nicht, als sie sich auf das von meinem Vater vorgeschlagene und an Bedingungen geknüpfte Arrangement einließ.

Sie so kaputt zu sehen, war erschreckend, und von meinem Vater war keine Hilfe zu erwarten. Kurz vor meinem Schulabschluss unterzeichnete er den letzten Scheck für meine Mutter, der ebenso gut eine letzte Gehaltszahlung für die Dienste einer Angestellten hätte sein können.

In meinen wildesten Träumen kann ich mir nicht ausmalen, wie die beiden je ein Paar sein konnten oder dass sie mich gezeugt haben, denn diese zwei Menschen hätten niemals ein gemeinsames Kind hervorbringen dürfen. Sie sind vollkommen gegensätzlich. Meine Mutter ist – oder war es zumindest bis vor Kurzem – ein Freigeist mit vielen Lastern. Mein Vater ist ein konservativer Mann mit kritischem Verstand und militärischer Selbstdisziplin. Soweit ich mich erinnere, kann man die Uhr nach seinem Tagesplan stellen. Er wacht auf, trainiert, isst eine halbe Grapefruit und arbeitet dann, bis es dunkel wird. Als ich noch jünger war, bestand der einzige Genuss, den er sich gönnte, aus ein paar Gläsern Gin nach einem langen Tag. Das sind die einzigen privaten Dinge, die ich über ihn weiß, so diskret ist er. Die restlichen Informationen habe ich aus dem Internet. Er besitzt eine Fortune-500-Firma, die früher Chemikalien vertrieben hat, inzwischen aber Elektronik produziert. Das Bürogebäude befindet sich etwas mehr als eine Stunde entfernt in Charlotte, produziert wird hauptsächlich in Triple Falls. Ich bin mir sicher, dass er das Werk hier gebaut hat, weil das der Ort ist, an dem er aufgewachsen ist; und ich hege keinerlei Zweifel daran, dass er es genießt, seinen früheren Klassenkameraden, von denen einige für ihn arbeiten, seinen Erfolg unter die Nase zu reiben.

Auch ich werde ab morgen eine seiner Angestellten sein.

Ich bin kein verwöhntes Gör. Zumindest war ich das in all den Jahren nicht, in denen ich mit Mom in unserem heruntergekommenen Haus gewohnt habe. An meinem zwanzigsten Geburtstag soll ich eine große Menge an Firmenaktien erben, zusammen mit einem Geldbetrag. Ich weiß, dass der Zeitpunkt bewusst gewählt ist, denn er wollte nie, dass meine Mutter an sein Vermögen herankommt. Dass er einen Groll gegen sie hegt, ist nicht schwer zu erraten. Schließlich hat er über die Jahre stets nur das Minimum an Unterhalt gezahlt und sie ganz unten in seiner Nahrungskette gehalten.

Aufgrund der gegensätzlichen Lebensstile meiner Eltern habe ich Armut und Reichtum kennengelernt, und um mich meinem Vater zu widersetzen, werde ich die Aktien und das Geld annehmen und mich gegen jeden seiner Wünsche stellen. Sobald ich dazu in der Lage bin, dafür zu sorgen, wird meine Mutter nie wieder arbeiten müssen. Deshalb bin ich hier. Um meinen Plan in die Tat umzusetzen, muss ich jedoch zunächst bei seinem mitspielen, und dazu muss ich mich dankbar und respektvoll zeigen und in der Firma ganz unten anfangen.

Das Schwierigste wird sein, meine Zunge zu hüten und den Groll zu verbergen, der in mir brodelt. Schließlich hätte er sich selbst und mir ein gemeinsames Jahr ersparen können, wenn er verdammt noch mal Herz gezeigt und der Frau geholfen hätte, die seinen Job als Elternteil gleich mit übernommen hat.

Ich hasse meinen Vater nicht direkt, aber ich verstehe ihn und seine kompromisslose Grausamkeit nicht. Und ich werde sie auch nie verstehen. Für das kommende Jahr habe ich mir vorgenommen, zu analysieren, was in ihm vorgeht. Wann immer er mit mir kommunizierte, wirkte es stets so, als geschehe es aus reinem Pflichtgefühl und widerwillig. Von Anfang an war er für mich nur ein Versorger, kein Vater. Ich respektiere seine Arbeitsmoral und seinen Erfolg, aber ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass er kein Mitgefühl zeigt und derart unterkühlt ist.

»Ich komme nach Hause, wann immer ich kann«, sage ich zu Christy, auch wenn ich unsicher bin, ob das bei meinen zukünftigen Arbeitszeiten möglich sein wird.

»Und ich besuche dich.«

Ich öffne die oberste Schublade meiner Kommode, um eine Ladung Socken und Unterhosen hineinzuwerfen. »Freu dich nicht zu früh, lass uns erst schauen, ob es meinem peniblen Vater passt, dass du ein Gästezimmer belegst, okay?«

»Ich miete mir ein Zimmer mit der Kreditkarte meiner Mutter. Scheiß auf deinen Dad.«

Mein Lachen hallt seltsam in dem riesigen Zimmer. »Du hast heute scheinbar nicht viel für meine Eltern übrig.«

»Ich liebe deine Mom, aber ich versteh nicht, was das alles soll. Vielleicht muss ich einfach bei ihr vorbeischauen und persönlich mit ihr reden.«

»Sie ist bei Timothy eingezogen.«

»Wirklich? Wann?«

»Gestern. Gib ihr einfach ein bisschen Zeit, um sich einzuleben.«

»Okay …« Sie hält inne. »Warum erfahre ich erst jetzt davon? Ich wusste ja, dass es nicht gut läuft, aber was geht hier wirklich ab?«

»Ehrlich gesagt weiß ich es nicht.« Ich seufze. »Sie macht eine Krise durch. Timothy ist ein anständiger Kerl, und ich vertraue ihm.«

»Aber dich wollte er nicht bei sich einziehen lassen.«

»Fairerweise muss man dazusagen, dass ich erwachsen bin und er nicht genug Platz hat.«

»Ich würde trotzdem gerne wissen, warum sie plötzlich damit einverstanden ist, dass du bei deinem Dad wohnst.«

»Das hab ich dir doch erklärt – ich muss ein Jahr lang in seiner Firma arbeiten, um sie finanziell abzusichern. Ich möchte mir keine Sorgen um sie machen, während ich auf dem College bin.«

»Sie abzusichern, ist aber nicht deine Aufgabe.«

»Ich weiß.«

»Du bist nicht die Mutter.«

»Du weißt genau, dass ich das sehr wohl bin. Und wir knüpfen an unsere Pläne an, sobald ich wieder da bin.«

Es hat mich überrascht, dass mein Vater einverstanden damit war, dass ich zwei Semester lang hier das Community-College besuche, statt darauf zu bestehen, dass ich mir eine Auszeit nehme, um mit einem Jahr Verzögerung mein Studium an einem akzeptableren College zu beginnen. Es ist sein Geld, und er ist der Einzige, der in meinen College-Fonds einzahlt.

Ich schaue mich im Zimmer um. »Ich habe nicht mehr als einen Tag mit ihm verbracht, seit ich elf war.«

»Warum?«

»Er hatte immer eine Ausrede. Manchmal waren es Überseereisen oder eine Expansion, die ihn wochen- oder sogar monatelang davon abhielt, sich um mich zu kümmern. Die Wahrheit ist, dass ich auf einmal meine Periode, Brüste und eine eigene Meinung hatte und er damit nicht klarkam. Ich glaube, dass sich Roman vor nichts so sehr fürchtet wie davor, ein richtiger Vater sein zu müssen.«

»Dass du deinen Dad beim Vornamen nennst, ist wirklich schräg.«

»Nicht, wenn ich mit ihm spreche. Solange ich hier bin, nenne ich ihn Sir.«

»Du hast nie über ihn geredet.«

»Weil ich ihn nicht kenne.«

»Wann geht es denn los mit deinem Job?«

»Morgen habe ich meinen Einführungstag. Danach gehen meine Schichten immer von drei bis elf.«

»Ruf mich die Tage mal nach Feierabend an. Ich lasse dich jetzt auspacken.«

Mir wird schlagartig bewusst, dass ich, sobald wir auflegen, in der Stille des Raumes und des Hauses gefangen sein werde, ganz allein. Roman hatte nicht mal den Anstand, mich zu empfangen und mir alles zu zeigen.

»Cee?« Christys Stimme klingt genauso unsicher, wie ich mich fühle.

»Ach, verdammt. Ist alles ganz schön fremd hier.« Ich öffne die Doppeltür, die auf meinen privaten Balkon führt, und schaue auf die Ländereien hinab. In diagonalen Mustern gemähtes Gras und dahinter ein Wald, aus dessen Mitte ein Mobilfunkmast aufragt. Direkt am Haus befindet sich ein gepflegter Garten, der Südstaaten-Opulenz ausstrahlt. Glyzinen ranken sich an Gittern empor, die prächtige Springbrunnen überwölben. Geißblatthecken bilden hier und da Umfriedungen. Blütenduft steigt mir in die Nase, als eine Brise vorbeiweht und mich stumm willkommen heißt. Feudale Sitzgelegenheiten sind strategisch im Garten platziert, den ich soeben zu meiner zukünftigen Leseecke erkoren habe. Der große glitzernde Swimmingpool wirkt einladend, besonders in der aufkeimenden Sommerhitze, aber ich bin noch zu neu in diesem Palast, als dass ich an Baden denken könnte. »Gott, ist das alles merkwürdig.«

»Du schaffst das.«

Ihre Nervosität ist beunruhigend, und dass wir mittlerweile beide so unsicher sind, jagt mir nur noch mehr Angst ein.

»Das hoffe ich.«

»In gut einem Jahr bist du wieder zu Hause. Du bist fast neunzehn, Cee, wenn es dir nicht gefällt, kannst du jederzeit zurückkommen.«

»Stimmt.«

Meine Vereinbarung mit Roman schließt eine vorzeitige Rückkehr aus. Wenn ich die Entscheidung, meine Zeit in der Firma zu verbringen, revidiere, verliere ich ein Vermögen – eines, das die Schulden meiner Mutter tilgen und sie für den Rest ihres Lebens absichern würde. Das kann – und will – ich ihr nicht antun. Sie hat so viel für mich getan.

Christy spürt mein Zögern. »Du trägst nicht die Verantwortung. Es war ihre Aufgabe, dich großzuziehen, Cee. Das ist nun mal die Pflicht von Eltern, und du solltest dich nicht gezwungen fühlen, dich dafür zu revanchieren.«

Sie hat recht, und das weiß ich, aber während ich mich in Romans leblosem Palast umschaue, vermisse ich meine Mutter mehr als jemals zuvor. Vielleicht liegt es an der Distanz zu meinem Vater und daran, wie er mich behandelt hat, dass ich ihr gegenüber so viel Dankbarkeit empfinde. Wie dem auch sei, ich möchte mich wirklich um sie kümmern.

»Ich weiß, dass meine Mutter mich liebt«, sage ich mehr zu mir selbst als zu Christy.

Dass sich Mom nach all unseren gemeinsamen Jahren aus dem Leben und vor mir zurückgezogen hat, war eine grausame und verwirrende Überraschung.

»Nun, ich für meinen Teil würde dich nicht verurteilen, wenn du dich von all dem befreien wolltest. Ich liebe deine Mom, aber im Moment scheinen deine Eltern dir beide nichts zu nützen.«

»Roman ist erträglich – streng, aber ein paar Sommer haben wir es immerhin miteinander ausgehalten. Hauptsächlich, weil wir uns aus dem Weg gegangen sind. Ich will keine Bindung zu ihm aufbauen, sondern nur überleben. Dieser Ort wirkt … kalt.«

»Du warst noch nie dort?«

»Nein, nicht in diesem Haus. Er hat es erst gebaut, nachdem ich aufgehört hatte, ihn in den Sommerferien zu besuchen. Ich glaube, er lebt die meiste Zeit über in seiner Wohnung in Charlotte.« Als ich die Tür gegenüber von meinem Zimmer öffne, stelle ich erleichtert fest, dass da ein Gästezimmer ist. Zu meiner Linken, am oberen Treppenabsatz, befindet sich ein Halbgeschoss mit Ausblick auf das Foyer, dahinter ein langer Flur mit weiteren geschlossenen Türen. »Es wird sich anfühlen, als wohne ich im Museum.«

»Mir gefällt die Sache gar nicht.« Christy stößt ein Seufzen aus, das mehr wie ein Winseln klingt.

Wir sind schon seit der Mittelstufe Freundinnen und waren seitdem keinen einzigen Tag voneinander getrennt. Ich weiß nicht, wie ich ohne sie leben soll, und ehrlich gesagt will ich das auch gar nicht. Aber zum Wohl meiner Mutter werde ich es trotzdem tun. Etwas mehr als ein Jahr in einem verschlafenen Ort mitten in den Blue Ridge Mountains, und ich bin frei. Ich kann nur hoffen, dass die Zeit wie im Flug vergeht.

»Such dir einfach eine Ablenkung. Am besten eine mit Penis.«

»Das ist also die Lösung, die du vorschlägst?« Ich gehe zurück in mein Zimmer und trete auf den Balkon.

»Du fändest das sofort einleuchtend, wenn du nur mal einem eine Chance geben würdest.«

»Das habe ich, und du hast ja gesehen, wie es ausgegangen ist.«

»Das waren Jungs, such dir einen Mann. Warte nur ab, Süße. Du wirst für ordentlich Aufruhr sorgen, wenn sie dich erst mal gesehen haben.«

»Das ist mir im Moment vollkommen egal.« Ich betrachte den spektakulären Ausblick auf die Berge am Horizont. »Ich lebe ab jetzt offiziell auf der Rückseite des Mondes. Das ist so merkwürdig.«

»Ich kann mir vorstellen, wie sich das anfühlt. Kopf hoch. Ruf mich morgen nach der Einführung an.«

»Okay.«

»Hab dich lieb.«

KAPITEL ZWEI

Laut fluchend parke ich in der letzten Reihe vor der Fabrik, gehe eilig über den Parkplatz und betrete das Gebäude. Das Letzte, was ich nach dem langweiligen und unspektakulären Abendessen mit meinem Vater gestern gebrauchen kann, ist ein Vortrag über Pünktlichkeit. Nach der einen Stunde, die ich gezwungen war, unter seinen prüfenden Blicken zu verbringen, bin ich dankbar dafür, dass ich an den meisten Abenden werde arbeiten müssen.

Die Wärme der Sonne verschwindet in der Sekunde, als ich die Glastüren öffne. Das Gebäude wirkt rottig. Auch wenn alles frisch poliert ist, erkenne ich Sprünge und abgeblätterte Stellen im jahrzehntealten Kachelboden. In der Mitte der Eingangshalle steht ein Topf mit einem riesigen Farngewächs, das dem Gebäude zumindest ein bisschen Leben einhaucht, auch wenn ich bei genauerem Hinsehen feststelle, dass es künstlich und von Spinnweben bedeckt ist. Ein einsamer Portier, der aussieht, als lägen seine besten Jahre hinter ihm, steht untätig herum, während mir die gut gekleidete ältere Empfangsdame entgegenblickt.

»Hallo, ich bin Cecelia Horner. Ich bin für die Einführung hier.«

»Willkommen, Miss Horner, letzte Tür links«, erwidert sie und nimmt mein Kleid in Augenschein, deutet zu einem langen Flur.

Ich gehe in die entsprechende Richtung, komme an ein paar leeren Büros vorbei und schaffe es gerade noch, durch die Tür zu schlüpfen, die eine Frau für die letzten Neuankömmlinge offen hält.

Obwohl die Frau mich mit einem warmen Lächeln begrüßt, lassen mich die kühlen Temperaturen im Inneren des Gebäudes erschaudern. Sie weist mich an, mein Namensschild zu beschriften, was ich tue, ehe ich es auf mein Kleid klebe. Heute habe ich mich für luftige Sommerkleidung entschieden, da ich ab morgen nur noch die langweilige Arbeitsuniform tragen darf, die in meinem Schrank wartet.

Ich spüre die intensiven Blicke derjenigen, die bereits sitzen, und entscheide mich für den Tisch ganz vorn, der mir am nächsten ist.

Im Raum ist es dunkel, das einzige Licht geht von einer Projektorleinwand aus, auf der in fetten Buchstaben Willkommen steht, das Logo von Horner Technologies darunter.

Ich war noch nie stolz auf meinen Nachnamen. Soweit ich das beurteilen kann, bin ich ein Fehler, den Roman vor Jahren begangen hat und den er dank seines Reichtums beheben konnte. Ich bilde mir nicht ein, dass wir uns jemals nahestehen werden. Er schaut mich zwar nicht mit der gleichen grausamen Gleichgültigkeit an wie meine Mutter, wie ich während unseren wenigen Begegnungen sehen konnte, aber ich bin ihm höchstwahrscheinlich nicht wichtig.

Das gestrige Abendessen war gelinde gesagt unangenehm und unsere Unterhaltung gezwungen.

Heute bin ich hier, weil er es so will. Eine weitere Arbeiterameise für seinen Industriebetrieb. Es ist, als wolle er mir eine Lektion erteilen, dass sich harte Arbeit auszahlt, aber die bin ich ohnehin gewohnt. Seitdem ich arbeiten darf, bezahle ich alles selbst, habe mir mein erstes Auto gekauft, bin für die Versicherung aufgekommen und habe stets den Überblick über mein Konto behalten. Es gibt nichts, das ich von ihm lernen kann, das weiß ich. Ich hege keinen Zweifel, dass mein Groll wachsen wird, je länger ich seinen Forderungen nachkomme und mich mit seinen Plänen einverstanden zeige.

Ich mache es für Mom.

Die Frau, die mich an der Tür begrüßt hat, tritt nach vorn und lächelt. »Sieht aus, als sind alle da, also lassen Sie uns beginnen. Ich bin Jackie Brown. Ja, wie der Film«, fügt sie hinzu, aber niemand von uns lacht, »und ich arbeite seit acht Jahren für Horner Tech. Ich bin die Personal-Direktorin und freue mich, Sie zur Einführung begrüßen zu dürfen. Um alle kennenzulernen, fände ich es schön, wenn Sie sich kurz vorstellen würden.« Da ich ganz vorn sitze, nickt sie mir zu.

Widerwillig erhebe ich mich und spreche direkt in ihre Richtung, statt mir die Mühe zu machen, mich zu den anderen im Raum umzudrehen. »Ich bin Cecelia, nicht wie der Song. Neu in der Stadt. Ich will gleich reinen Tisch machen und verraten, dass meinem Vater die Firma gehört. Natürlich erwarte ich keine Sonderbehandlung. Und ich verspreche, nicht zu petzen, wenn jemand eine zusätzliche Zigarettenpause macht oder nachmittags Lust auf ein Tête-à-Tête in der Besenkammer hat.«

Meine Vorstellung kommt bei Jackie Brown nicht gut an, sie starrt mich mit offenem Mund an, während hinter mir Kichern zu hören ist.

Als ich mich wieder hinsetze, verfluche ich mich dafür, dass ich es nicht mal schaffe, die ersten Minuten der Einführung zu überstehen, ohne dass meine Wut mich übermannt. Ich sollte wissen, dass es unklug ist, an meinem ersten Tag schlafende Hunde zu wecken, und bin mir sicher, dass mein Vater davon erfahren wird. Aber wenn man von den unausweichlichen Konsequenzen absieht, kann ich es nicht bereuen. Zum hundertsten Mal erinnere ich mich daran, dass ich das Ganze für Mom mache, und nehme mir vor, mich von nun an zurückzuhalten, zumindest bis meine Probezeit vorbei ist.

»Als Nächstes Sie, in der Reihe dahinter.«

Zusammen mit einer Bewegung hinter mir nehme ich einen leichten Geruch von Zedernholz wahr.

»Sean, nicht verwandt mit dem Mann ganz oben, und das ist das zweite Mal, dass ich für Horner Tech arbeite. Ich war zwischenzeitlich kurz weg. Und gegen ein Tête-à-Tête in der Besenkammer hätte ich übrigens nichts einzuwenden.«

Gelächter hallt durch den Raum, während sich das erste Lächeln seit Tagen auf meinem Gesicht ausbreitet.

Ich blicke über meine Schulter und schaue geradewegs in grünbraune Augen, in denen ein amüsierter Ausdruck liegt.

Als er seinen Blick über mich wandern lässt, prickelt meine Haut. Ich betrachte sein Gesicht und seinen beeindruckenden Körper, sein T-Shirt, das über dem muskulösen Brustkorb spannt, und die enge dunkle Jeans, aber dann setzt er sich leider wieder hin. Ich drehe mich ein Stück weiter um, und wir schauen einander direkt an, dann drehe ich mich wieder zu Jackie Brown um.

»Willkommen zurück, Sean. Lassen Sie uns in Zukunft bitte auf solche Anspielungen verzichten, in Ordnung?«

Es kostet mich große Mühe, mein Grinsen zu verbergen, und ich kann seinen Blick noch immer auf mir spüren, während sich die anderen Personen im Raum vorstellen.

Vielleicht wird es doch nicht so schlimm.

KAPITEL DREI

»Hey, Miss Tête-à-Tête!« Ein belustigtes Lachen ertönt hinter mir, als ich über den Parkplatz gehe. »Warte!«

Mit gerunzelter Stirn drehe ich mich um und sehe, wie Sean zwischen einer Reihe von Autos auf mich zusteuert. Ich stemme meine Hände in die Hüften und lasse meinen Blick an ihm hinabwandern, während er sich nähert, bis ich wegen unseres Größenunterschieds gezwungen bin, nach oben zu schauen.

Im Tageslicht wirkt er noch umwerfender, als ich zunächst dachte, und ich muss mich bemühen, ihn nicht anzustarren. Sein Aussehen ist … lähmend. Schmutzig blonde Stoppelhaare mit ganz hellen Strähnen, sonnengebräunte Haut, ein unglaublicher Körper und grünbraune Augen mit einem undefinierbaren Ausdruck von Dominanz darin. Eine markante Nase mit einer kleinen Erhebung in der Mitte. Und sein Mund … Sein Mund zieht meinen hungrigen Blick magisch an. Seine Zunge blitzt hervor, fährt über den Ring in seinem Mundwinkel und lenkt meine Aufmerksamkeit auf seine volle Unterlippe.

Er mustert mich, wobei sein Grinsen, von dem ich mich nicht losreißen kann, langsam breiter wird.

Ich betrachte seinen ausgeprägten Adamsapfel, dann die breiten Schultern und lasse meinen Blick immer weiter nach unten wandern. Ein großes Tattoo bedeckt fast seinen gesamten linken Arm; die schwarze Spitze eines Flügels beginnt direkt über seinem Ellbogen und scheint dort aufzuhören, wo sein Hals beginnt.

»Das ist nicht mein Name.«

»Tut mir leid.« Seine Zähne blitzen auf. »Ich konnte nicht widerstehen.«

»Dann gib dir mehr Mühe.«

Sein Lachen jagt ein Kribbeln über meine Haut. »Alles klar. Du warst da drin ziemlich mutig.«

»Na ja, ich freu mich nicht gerade auf den Job. Er ist aber Teil meines Urteils.«

Er runzelt die Stirn. »Urteil?«

»Wegen meines Nachnamens. Ich bin gezwungen, hier für ein Jahr zu arbeiten, damit ich ihn verdiene, schätze ich.« Ich zucke mit den Schultern, als hätte meine Verbitterung nicht schon zu viel verraten.

»Hm, da bist du nicht die Einzige. Ich bin auch nicht begeistert darüber, wieder hier zu sein.«

Er ist älter als ich, vermutlich Mitte zwanzig. Seine Präsenz lässt sich wegen seines wahnsinnig guten Aussehens nicht ignorieren, und sein Duft ist ebenso verlockend – Zedernholz und etwas anderes, das ich nicht einordnen kann. Seine Ausstrahlung ist unwiderstehlich. Je länger er im goldenen Sonnenlicht steht, desto mehr scheint er davon in sich aufzunehmen. Es ist alarmierend, wie nervenaufreibend ich es finde, ihn anzusehen. Aber ich fühle mich deshalb nicht schuldig, denn sein Blick ist genauso schamlos.

Obwohl ich heute Morgen schlechte Laune hatte, habe ich mich edel angezogen, und nun, da ich Sean in meinem knielangen schwarzen Neckholder-Sommerkleid mit den weißen Pünktchen gegenüberstehe, bin ich froh, dass ich mir die Mühe gemacht habe. Meine geglätteten offenen Haare fallen mir über die Schultern. Für meine Wimpern habe ich mir besonders viel Zeit genommen, und ich habe Gloss auf meine Lippen aufgetragen, über die ich nun mit der Zunge gleite.

Er wendet den Blick nicht ab. »Cecelia, richtig?«

Ich nicke.

»Was machst du jetzt?«

»Warum?«

Er fährt sich mit einer Hand durch die Haare. »Du bist neu in der Stadt, oder? Ich wohne ein paar Meilen entfernt in einer WG. Später schauen noch ein paar Freunde vorbei, und ich dachte, vielleicht willst du ja auch kommen.«

»Ich verzichte lieber.«

Er legt den Kopf schief, amüsiert über meine schnelle Antwort. »Warum?«

»Weil ich dich nicht kenne.«

»Das ist ja der Grund für meine Einladung.« Was ihm über die Lippen kommt, mag höflich klingen, aber mit den Augen verschlingt er mich auf eine Art, die mich leicht beunruhigt.

»Der Witz, den ich vorhin gemacht habe, hat dir vielleicht einen falschen Eindruck von mir vermittelt.«

»Ich ziehe daraus keine Schlüsse, das schwöre ich.« Er hebt beide Hände, und ich sehe, dass ein schwarzes Ass sein rechtes Handgelenk ziert, als könnte er sich jederzeit eines aus dem Ärmel ziehen.

Clever.

Er zwinkert, was sich anfühlt wie ein Kuss auf die Wange.

Alles, worauf ich mich freuen kann, ist eine Runde zu schwimmen und mein Buch. Und so wird es wahrscheinlich für den Rest des Sommers laufen.

Ich betrachte ihn misstrauisch und strecke die Hand aus. »Zeig mir deinen Führerschein.«

Er zieht eine Augenbraue hoch, holt seine Brieftasche hervor und reicht mir seinen Führerschein.

Ich betrachte abwechselnd das Foto und sein Gesicht, als plötzlich eine Zigarette zwischen seinen Lippen klemmt, die er mit einem schwarzen Zippo aus Titan anzündet.

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Foto. »Dir ist bewusst, dass du der letzte Mensch auf der Welt bist, der noch raucht, oder?«

»Jemand muss ja die schlechten Angewohnheiten meines alten Herrn weiterführen«, sagt er und stößt den Rauch aus.

»Alfred Sean Roberts, fünfundzwanzig, Sternzeichen Jungfrau.« Ich mache ein Foto von seinem Führerschein und sende es zusammen mit einer Nachricht an Christy.

Falls ich tot aufgefunden werde, war es dieser Typ.

Sofort wird angezeigt, dass sie tippt, und ich weiß, dass sie durchdreht. Das Bild wird der Realität nicht gerecht.

»Zur Sicherheit?«, fragt er, als er erkennt, was ich tue.

»Genau.« Ich gebe ihm die Karte zurück. »Sollte ich nicht nach Hause kommen, bist du der Hauptverdächtige.«

Er scheint über meine Worte nachzudenken. »Machst du gerne einen drauf?«

»In welcher Hinsicht?«

»In jeglicher Hinsicht.«

»Nicht wirklich, nein.«

Er sieht mich intensiv an, und plötzlich zeigen sich Zweifel in seiner Haltung, als würde er überlegen, ob er seine Einladung zurücknehmen soll.

»Das ist wohl ein Ausschlusskriterium? Kein Problem für mich, dann sehen wir uns …«

»Das ist es nicht, aber …« Er greift sich in den Nacken. »Scheiße, ich ruiniere hier gerade alles. Es ist nur so, dass meine Freunde, na ja, sie sind …«

»Ich war schon auf vielen Partys, Sean. Ich bin nicht Rotkäppchen, allein im Wald.«

Das bringt mir ein Grinsen ein, und er tritt seine Zigarette mit einem braunen Lederstiefel aus. »Gut, denn wir wollen schließlich nicht, dass der Wolf dich wittert.«

»Wohin genau fahren wir?«

Er schenkt mir ein strahlendes Lächeln, das sich anfühlt wie ein Schlag gegen den Brustkorb. »Das hab ich dir doch gesagt. Zu mir nach Hause.«

Ich sollte auf der Hut sein, besonders wegen seines Zögerns, aber in erster Linie bin ich neugierig.

»Ich fahre dir hinterher.«

Wir halten vor einem zweigeschossigen Haus, das einzige in einer winzigen Sackgasse. Die übrigen Häuser in der Straße haben genau den richtigen Abstand zueinander, dass ein wenig Privatsphäre gewahrt wird. Da, wo ich aufgewachsen bin, stehen die Gebäude viel enger nebeneinander.

Ich steige aus meinem Camry aus und gehe zu Seans Wagen, irgendein Klassiker, mit dem ich auf der Fahrt hierher aber kaum mithalten konnte. Er ist knallrot, sieht frisch poliert aus und scheint perfekt zu ihm zu passen.

Auf den anderen Parkplätzen am kreisförmigen Ende der Sackgasse und am Straßenrand stehen Autos im gleichen Stil, die meisten davon Oldtimer aus glänzendem Metall und mit leistungsstarken Motoren – oder riesige Trucks, in die man nur mit Mühe hineinklettern kann.

»Schön hier«, stelle ich fest, als er aussteigt und die Wagentür zuklappt, die Augen hinter einer Vintage-Elvis-Sonnenbrille verborgen. Ein Accessoire, das an jedem anderen lächerlich aussehen würde, ihm aber gut steht.

Ich wende den Blick ab und fahre mit den Fingern über das glänzende Auto. »Was ist das für ein Wagen?«

»Ein Nova SS, Baujahr neunundsechzig.«

»Gefällt mir.«

Ein Aufblitzen weißer Zähne. »Mir auch. Komm mit rein.«

Ich schaue die Einfahrt hinauf und erkenne sofort, dass das Haus mit der hellbraunen Fassade perfekt für Junggesellen ist. Es ist nichts Besonderes, der Rasen ist gründlich genug gemäht, um gepflegt zu wirken, jedoch ohne persönliche Note.

Auf der Veranda sitzen mehrere Leute, von denen sich einige schon zu uns umgedreht haben.

Ein Anflug von Schüchternheit lässt mich erstarren, aber Sean ist schon ein paar Schritte weitergegangen. Als er merkt, dass ich nicht an seiner Seite bin, dreht er sich um.

»Wer wohnt hier alles?«

»Ich und zwei andere Jungs. Sie sind wie Brüder für mich, und sie beißen beide.«

»Das ist beruhigend.«

Er schiebt die Sonnenbrille hoch und betrachtet mich skeptisch. »Vielleicht sollten wir woanders hingehen?«

»Sollten wir das?«

Sean ist mit ein paar Schritten bei mir. »Bei der Vorstellungsrunde dachte ich, du wärst eher bissig als süß.«

Ich schaue ihn wütend an.

Er deutet auf mein Gesicht, nun wieder grinsend. »Siehst du, das meine ich. Mit diesem Killerblick wirst du in diesem Haus überleben. Denkst du, du kannst ihn beibehalten, solange wir hier sind?«

»Ich verstehe nicht recht. Ich dachte, das sind deine Freunde.«

Er hebt gelassen eine Hand und streicht mir eine Haarsträhne von der Schulter. Ich schrecke vor seiner Berührung nicht zurück.

»Wärst du zusammengezuckt, hätte ich dich woanders hingebracht, aber du schaffst das. Lass dir einfach nichts bieten, und sei genau so, wie du dich vorhin mir gegenüber verhalten hast, dann ist alles gut.«

Er nimmt meine Hand, und wir gehen über die Veranda.

»Wer ist das?« Die Stimme kommt von der Hollywoodschaukel, aus dem Mund eines Typen, der ein Mädchen fest umschlungen hält. Sie mustert mich, und ihre Blicke scheinen zu sagen: Wir mögen hier keine Fremden.

»Sie hat gerade in der Fabrik angefangen. Cecelia, darf ich dir James vorstellen? Und das ist seine Freundin Heather.« Dann deutet er mit dem Kinn zu den anderen, die am Rand der Veranda abhängen und mich prüfend mustern, während sie ihr Bier trinken. »Russell, Peter, Jeremy, Tyler.«

Alle nicken mir zu, und ein merkwürdiges Kribbeln läuft an meiner Wirbelsäule hoch, aber es ist keine negative Empfindung. Wenn überhaupt, fühlt es sich ein bisschen an wie ein Déjà-vu.

Tyler hält meinem Blick am längsten stand, und mir fällt die Flügelspitze unter dem Ärmel seines T-Shirts auf, als er sein Bier anhebt. Wir schauen einander in die Augen, bis Sean mir voran ins Haus geht.

Obwohl ich mir zunächst nicht sicher war, ob das eine gute Idee ist, fühle ich mich hier auf Anhieb wohler als bei meinem Vater, und das rufe ich mir bei jedem Schritt in Erinnerung. Neugierig schaue ich mich um. Die Wände sehen aus wie frisch gestrichen, und die Möbel wirken neu. Im Wohnzimmer treffen wir auf ein Paar, das auf einem kleinen Sofa sitzt und sich angeregt unterhält. Der Typ mustert mich prüfend, ehe er Sean zunickt, der mich durch eine Glasschiebetür führt.

Als ich hinaus auf die hintere Veranda trete, stellen sich mir alarmiert die Nackenhaare auf. Ich fühle mich wie auf dem Präsentierteller, was in gewisser Weise auch stimmt, denn der Garten ist voller Menschen. Jemand grillt, ein paar der Gäste, die am Zaun stehen, rauchen. Zu unserer Linken befindet sich ein langer Gartentisch, an dem sich mehrere Leute unterhalten und Karten spielen. Eine Party.

Sean führt mich in die Mitte des Gartens, wo neben einer Picknickbank reihenweise Kühlboxen mit Bier stehen.

»Schön hier.«

»Danke, wir arbeiten dran. Bier?«

»Ich …« Obwohl ich mich unbedingt anpassen will, falle ich sicherlich durch meine Unerfahrenheit auf. Das letzte Mal, als ich getrunken habe, hat allerdings kein gutes Ende genommen. »Ja, ich nehme eins.«

Er öffnet den Drehverschluss einer Ciderflasche. »Ich glaub, das ist das schwächste, was wir haben.«

Ich nehme einen Schluck und dann noch einen, denn ich mag den Geschmack.

Seans Lippen formen sich zu einem sinnlichen Lächeln. »Schmeckt’s?«

»Ziemlich gut.«

»Ich hätte wohl fragen sollen, wie alt du bist.«

»Alt genug, um zu wählen, aber nicht, um zu trinken.«

Er lässt den Kopf hängen.

»So jung auch wieder nicht. Ich werde in ein paar Wochen neunzehn.«

»Verdammt.« Er sieht mich an. »Und ich dachte, ich wäre derjenige, der dich in Schwierigkeiten bringt.«

Ich wackle mit den Augenbrauen. »Es ist eben nicht leicht mit mir.«

»Du bist gefährlich.« Er sieht mir forschend in die Augen. »Das spüre ich.«

»Ich bin harmlos.«

»Nein, du bist mehr.« Langsam schüttelt er den Kopf. »Viel mehr.« Er nimmt sich ein Bier aus der Kühlbox und öffnet es, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Hunger?«

»Und wie«, sage ich aufrichtig, denn mein Magen knurrt bereits von dem Duft im Garten.

»Gibt bald was.«

Einer der Typen, die auf der Veranda Karten spielen, winkt Sean herüber, wobei er mich neugierig beäugt.

»Ist es okay, wenn ich dich kurz allein lasse?«

»Klar.«

»Bin gleich wieder da.« Er geht weg, und ich scanne seinen Hintern.

Als das Lachen einer Frau hinter mir ertönt, drehe ich mich um und sehe, dass sie auf mich zukommt. Sie ist schön, mit langen blonden Haaren, himmelblauen Augen und, wie ich finde, einem perfekten Körper. Zierlich mit weichen Kurven.

Seit meinem letzten Wachstumsschub bin ich eins fünfundsiebzig und überrage sie deutlich. Meine blauen Augen und rotbraunen Haare habe ich von meinem Vater, den leicht unproportionierten Körperbau von meiner Mom. Während ich obenrum gerade einmal Körbchengröße B trage, ist mein Hintern ein Doppel-D.

Sie grinst. »Ich kann’s dir nicht verübeln, mit dem Hintern kann man Nüsse knacken.«

»War ich so offensichtlich?«

»Kann man so sagen.« Sie nimmt sich einen Cider aus der Kühlbox, öffnet den Drehverschluss und trinkt einen Schluck. »Aber wir alle starren diesen Hintern an. Ich bin Layla.«

»Cecelia.«

»Und, woher kennst du Sean?«

»Ich kenne ihn gar nicht. Ich bin ihm erst heute bei der Einführung begegnet.«

Sie zieht die Nase kraus. »Du arbeitest in der Fabrik?«

»Meine erste Schicht ist morgen. Bin gestern hergezogen.«

»Ich war nur ein paar Jahre nach der Highschool dort angestellt und fand es schrecklich. Fast alle hier arbeiten bei Horner oder haben mal dort gearbeitet. Der Besitzer ist aber ein Arschloch. Er wohnt in einem Schloss irgendwo in der Gegend. Ich verstehe ja, dass die Kleinstadtleute den Job machen müssen, aber warum du?«

»Ich bin die Tochter des Arschlochs.«

Sie legt den Kopf schief, und ihre Augen weiten sich. Dann wirft sie einen Blick in Seans Richtung. »Was du nicht sagst!«

»Ja, und glaub mir, ich hasse die Arbeit jetzt schon.«

»Und ich mag dich jetzt schon.« Sie trinkt noch einen Schluck von ihrem Cider und schaut sich im Garten um. »Jeden Tag das Gleiche.«

»Sie machen das also oft?«

»Oh ja …« Sie winkt gelangweilt ab. »Wo hast du vorher gewohnt?«

»In Peachtree City, bei Atlanta.«

»Warum bist du hergezogen?«

Ich zucke mit den Schultern. »Getrennte Eltern, und ich muss dieses Jahr ran.«

»Nervig.«

»Stimmt.«

Sie blickt an mir vorbei und nickt dem Typen zu, der Sean zu sich gewinkt hat.

Er sieht nicht mal annähernd so gut aus wie Sean, aber er hat was. Sie schenkt ihm ein Grinsen. Sein Kiefer mahlt, und er sieht wütend aus. »Ihm gefällt es nicht, wenn er sich meine Aufmerksamkeit mit anderen teilen muss.« Sie verdreht die Augen. »Hast du zu Hause jemanden?«

»Nein.«

Layla schaut ihm noch immer in die Augen, und sie wechseln einen Blick, der besitzergreifend wirkt, ehe sie sich wieder mir zuwendet.

»Nun, hoffentlich findest du jemanden in Triple Falls, mit dem du dir die Zeit vertreiben kannst.«

»Vielleicht.« Ich hebe meine Flasche, stelle aber fest, dass sie leer ist.

Layla holt für uns beide eine neue aus der Kühlbox. »Ich geh jetzt besser rüber. Komm gerne dazu, wenn du willst.«

»Danke, aber ich warte hier auf Sean. War schön, dich kennenzulernen.«

»Wir sehen uns, Cecelia.«

Sie schlendert davon, setzt sich auf den Schoß ihres Freundes und schlingt ihre Arme um ihn, während er weiter Karten spielt. Unauffällig, aber besitzergreifend streichelt er ihren Oberschenkel mit dem Daumen, als sie ihm etwas ins Ohr flüstert.

Ich wende den Blick ab, bin ein wenig neidisch. Es ist eine Weile her, dass ich einen festen Freund hatte, und manchmal vermisse ich es.

Je länger ich mich umschaue, desto bewusster wird mir, dass diese Leute wie eine Familie sind. Offenbar bin ich die einzige Außenseiterin hier, was vermutlich auch der Grund für die Blicke ist, die mich aus allen Richtungen treffen. Da ich nicht der Typ bin, der sich sofort unter die Leute mischt, vermisse ich Sean, der schon seit einer Ewigkeit fort zu sein scheint. Ich stehe mitten im Garten wie ein Fisch, der sich aufs Trockene verirrt hat. Musik dringt durch ein offenes Fenster in der oberen Etage des Hauses, als ich zum Zaun gehe. Von dort aus kann man die Berge sehen. Ich bin zwar aus einem Vorort von Atlanta mitten ins langweilige Nirgendwo gezogen, aber selbst ich weiß eine spektakuläre Landschaft zu würdigen.

Feierst du gern?

Die Antwort lautet Nein. Obwohl ich während meiner Highschool-Zeit auf Partys war, bin ich immer früh gegangen. Ich bin mir zwar durchaus bewusst, wie man sich zu verhalten hat, um sich bei solchen Zusammenkünften zu integrieren, aber ich bin dabei nie so in meinem Element wie Christy, die einfach auf alle Leute zugeht. In ihrer Gegenwart fühle ich mich immer sicher und wünschte nun, sie wäre hier. Ich habe noch nie auf dem Tisch getanzt, weil ich zu viele Shots getrunken habe, oder mit irgendwem rumgemacht. In dieser Hinsicht habe ich eine blütenreine Weste. Ich war schon immer eher introvertiert, eine Beobachterin, Zeugin der Geschehnisse, zu ängstlich zum Mitmachen.

Rückblickend wünsche ich mir, ich hätte ein paar Fehler gemacht, die sich lohnen, und wäre ein bisschen mutiger gewesen. Aber vor einigen Wochen habe ich meinen Highschool-Abschluss gemacht, ohne den anderen in Erinnerung zu bleiben. Ich bin auf den Jahrbuchfotos das »Wie heißt sie noch gleich«-Mädchen im Hintergrund. Hier, unter all den Fremden, wird mir auf einmal bewusst, dass ich sein kann, wer ich will. Abgesehen von Sean, der mich gleich bei unserer ersten Begegnung mühelos durchschaut hat, kennt mich niemand. Was meine Rolle in der Beziehung zu meiner Mutter betrifft, hat Christy in vielen Punkten recht. Sie fleht mich seit Jahren an, lockerer zu werden. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, ein paar würdige Fehler zu begehen, von nun an im Moment zu leben und kein Mauerblümchen mehr zu sein.

Da das eher Wunschdenken ist als etwas, das ich direkt in die Tat umsetzen werde, lehne ich mich mit meiner zweiten Flasche Cider, die schon halb leer ist, an den Zaun und verliere mich im Anblick der Berge in der Ferne.

Plötzlich spüre ich, dass ich nicht mehr allein bin.

»Hat Sean dich schon im Stich gelassen?«, fragt eine raue Stimme neben mir.

Als ich mich umdrehe, sehe ich Tyler nur ein kleines Stück entfernt, die Arme verschränkt auf den Zaun gestützt, seine Miene und seine braunen Augen voller Wärme.

»Jepp.« Ich hebe meine Flasche. »Aber ich kann mich nicht beklagen. Die Musik – wer immer sie auflegt – ist gut, ich hab ein Getränk und eine tolle Aussicht. Tyler, richtig?«

Sein Grinsen bringt Grübchen zum Vorschein. »Richtig.«

»Arbeitest du auch in der Fabrik?«

»Nein, in einer Autowerkstatt. Bin gerade nach vier Jahren beim Militär aus Greensboro zurückgekommen.«

»Wirklich?«

Er fährt sich mit den Händen durch die Haare. »Wirklich.«

»Bei welcher Einheit?«

»Marine.«

»Hat es dir gefallen?«

Er grinst. »Nicht so sehr, dass ich eine Karriere daraus hätte machen wollen. Vier Jahre im Einsatz, weitere vier Jahre auf Abruf, aber es war eine gute Zeit.«

»Willkommen zurück, Marinesoldat. Danke für deinen Dienst.«

»Gern geschehen.«

Wir stoßen mit unseren Flaschen an.

»Gehört dir eins von den Autos draußen?«

»Ja, der C20, Baujahr sechsundsechzig.«

Ich ziehe fragend die Augenbrauen zusammen, und er grinst.

»Der neongrüne Pick-up-Truck mit dem schwarzen Dach«, erklärt er, und in seinen Worten schwingt Stolz mit.

Ich betrachte ihn eingehend. Obwohl er ein bisschen kleiner ist als Sean, ist er genauso muskulös. Er hat gutmütige dunkelbraune Augen mit schwarzem Rand und natürlich geschwungene Wimpern. An heißen Männern gibt es in den Bergen eindeutig keinen Mangel. Christy wird begeistert sein. Doch auch wenn es mit ihnen lustig und aufregend ist, weiß ich nicht recht, ob einer hier mein Typ ist. Aber mit jedem weiteren Schluck Cider formt sich ein Gedanke in mir: Bisher bin ich noch keinem Bizeps begegnet, den ich nicht mochte. Dieser Gedanke – in Kombination mit dem Getränk – bringt mich zum Kichern.

»Woran hast du gerade gedacht?« Tylers Mundwinkel heben sich, und sein Lächeln wird breiter.

»Gestern habe ich noch woanders gewohnt, und jetzt bin ich bei Fremden im Garten.«

»Verrückt, was an einem Tag so passieren kann, was?«

»Exakt.«

»Das ist nicht ungewöhnlich hier, glaub mir«, sagt er und kommt ein wenig näher. Sein Raubtierblick lässt mir einen Schauer den Nacken hinablaufen.

»Was meinst du damit?«

»Wenn du lange genug hierbleibst, wirst du es selbst rausfinden.«

»Na ja, bis jetzt ist es ganz okay hier«, erwidere ich gedehnt. Mir ist bewusst, dass der Cider aus mir spricht.

»Gut zu wissen.« Er drängt mich an den Zaun. Es fühlt sich nicht bedrohlich an, aber ich kann die Wärme spüren, die von seiner Haut abstrahlt.

»Verschwinde. Und hör auf, sie anzubaggern, sie ist gerade erst angekommen«, warnt Sean, der sich in diesem Moment zwischen uns schiebt und mich mit hochgezogener Augenbraue ansieht. »Wo ist dein Killerblick?«

Ich hebe meine Flasche, um ihm zu zeigen, was schiefgelaufen ist, und er nimmt sie mir ab.

»Komm, wir besorgen dir was zu essen.«

Tyler grinst mich über Seans massive Schulter hinweg an. »Wir sehen uns, Cecelia.«

»Das hoffe ich doch.« Ich lege den Kopf schief, um an Sean vorbeizuschauen, damit Tyler mein Lächeln sehen kann.

»Ich wusste, dass du gefährlich bist«, sagt Sean und schüttelt den Kopf. Dann nimmt er meine Hand und führt mich zu einem Picknicktisch, der mit Grillfleisch und unzähligen Beilagen beladen ist.

Sean und ich essen zusammen, und es ist schwer, den Blicken auszuweichen, die unsere kleine Zweiergemeinschaft treffen.

»Ignorier sie einfach«, sagt er mit vollem Mund. »Und«, er hebt gespielt streng den Zeigefinger, »Killerblick.«

»Gibt es einen Grund dafür, dass wir nicht zusammen mit den anderen essen?«

Er mustert mich mit einem trägen Blick aus seinen grünbraunen Augen. »Ich will dich für mich, wie wär’s damit?«

»Ach ja?« Ich nehme einen Bissen, um mein Lächeln zu verbergen, denn ich bin mir nicht sicher, welche Signale ich aussenden will.

Schon als wir mit dem Essen begonnen haben, saßen wir nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, doch mittlerweile berühren sich unsere Knie, und wir lehnen uns einander entgegen. Er erzählt, dass er im Alter von fünf Jahren nach Triple Falls gezogen ist und damals seine Freunde kennengelernt hat, mit denen er jetzt zusammenwohnt. Sean, Tyler und ihr anderer Mitbewohner sind vor einer Woche in das Haus gezogen, und ich vermute, dass dies einer der Gründe für die Party ist, ebenso wie die Tatsache, dass Tyler wieder zurück ist.

Sean hat nach dem Highschool-Abschluss in der Fabrik und in einer Autowerkstatt gearbeitet. Seine Familie führt ein Restaurant auf der Main Street, das bei den Einwohnern von Triple Falls sehr beliebt ist. Während Sean redet, könnte man den Eindruck gewinnen, er sei ein offenes Buch, doch in seinen Augen liegt ein so großes Mysterium, als würden seine Worte einen Gegensatz zu seinen Gedanken darstellen. Satt und leicht angetrunken beobachte ich ihn, sobald er sich kurz abwendet und abgelenkt ist.

Die Party wird wilder, als die Sonne langsam untergeht, und die Unterhaltungen werden lauter. Mit einer weiteren halb leeren Flasche Cider stehe ich mitten im Garten an seiner Seite, und unsere Handrücken berühren sich, während Sean mit Tyler und Jeremy spricht. Ich bin so aufgeregt, dass ich nur mit einem Ohr zuhöre, mich stattdessen in der kreisenden Wärme des Alkohols verliere und in der Frage, wohin diese Berührungen führen könnten. Wieder spüre ich das Prickeln, als Sean mit seinem Finger gezielt über die Seite meiner Hand streicht.

Auf einmal ist da das eindeutige, unerschütterliche Gefühl, dass ich beobachtet werde. Obwohl ich gerade noch entspannt war, schaue ich mich paranoid in alle Richtungen um, suche die Menge ab, bis mein Blick auf einen aus metallisch silbergrauen Augen trifft. Aber es ist nicht nur die Farbe der Augen, die mich auf der Stelle erstarren lässt, sondern auch der beutegierige Ausdruck darin.

Seans Worte dringen in mein vernebeltes Bewusstsein. Wir wollen schließlich nicht, dass der Wolf dich wittert. Ich habe das Gefühl, dass besagter Wolf meine Fährte aufgenommen hat und mich nun aus der Ferne beobachtet.

Die Party um uns herum geht weiter, während wir einander anstarren und ich ihn zum ersten Mal in Gänze betrachten kann, als sich die Menge kurz teilt. Es ist das dritte Mal heute, dass ich eine Anziehungskraft spüre, und diesmal ist sie dermaßen stark, dass ich einfach nur wie angewurzelt dastehe, während er mich betrachtet, als würde er seinen nächsten Schritt abwägen. Eine Sekunde später kommt er geradewegs auf mich zu, ein dunkler Nebel umhüllt von maskuliner Schönheit. Über einem auffällig spitzen Haaransatz befinden sich Wellen aus glänzendem, dichtem onyxbraunem Haar, darunter ebenso dunkle Brauen und silberne Augen, in denen ein beunruhigender Tatendrang liegt.

Verdammter Mist.

Er hat hohe Wangenknochen und … diesen Mund. Der Typ sieht aus, als käme er gerade vom Laufsteg, ganz in Schwarz gekleidet, von seinem T-Shirt bis hin zu seinen schnürsenkellosen Militärboots, deren Zungen lose hinabhängen – genauso wie meine Zunge, je näher er kommt.