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Wenn die Journalistin Christine Case ihren Job behalten will, hat sie nur eine Chance: Als Sängerin getarnt, soll sie sich auf DIE Promihochzeit des Jahres einschleichen und brisante Details aus dem Privatleben von Schauspieler Dakota Rain in Erfahrung bringen. Dieser hasst Presse und Medien nämlich abgrundtief - dementsprechend streng sind die Sicherheitsvorkehrungen für die Hochzeit seines jüngeren Bruders. Doch Christy schafft es nicht nur, sich auf das Luxusanwesen einzuschleichen, sondern auch Dakotas ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als er sie spontan für eine Woche auf seine Privatinsel einlädt, scheint das die Gelegenheit, um ihre Karriere und ihr Liebesleben aufzumischen. Doch was, wenn Dakota erfährt, dass sie in Wirklichkeit eine der von ihm verachteten Journalisten ist?
»Cara Connelly hat wieder eine einzigartige und absolut sinnliche Liebesgeschichte abgeliefert, die die Leserherzen höherschlagen lässt!« Romantic Times
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Seitenzahl: 463
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Wenn die Journalistin Christine Case ihren Job behalten will, hat sie nur eine Chance: Als Sängerin getarnt, soll sie sich auf DIE Promihochzeit des Jahres einschleichen und brisante Details aus dem Privatleben von Schauspieler Dakota Rain in Erfahrung bringen. Dieser hasst Presse und Medien nämlich abgrundtief – dementsprechend streng sind die Sicherheitsvorkehrungen für die Hochzeit seines jüngeren Bruders. Doch Christy schafft es nicht nur, sich auf das Luxusanwesen einzuschleichen, sondern auch Dakotas ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als er sie spontan für eine Woche auf seine Privatinsel einlädt, scheint das die Gelegenheit, um ihre Karriere und ihr Liebesleben aufzumischen. Doch was, wenn Dakota erfährt, dass sie in Wirklichkeit eine der von ihm verachteten Journalisten ist?
CARA CONNELLY
The Wedding Dates
BEINAH GAR KEIN HERZKLOPFEN
Aus dem amerikanischen Englisch von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
Dakota Rain warf einen prüfenden Blick in den Badezimmerspiegel und machte Inventur.
Durchdringende blaue Augen? Passt.
Sexy Dreitagebart? Passt.
Sonnengebleichtes blondes Haar? Passt.
Kameralächeln?
Oh, oh.
Seine Assistentin, die in der Tür stand, verdrehte die Augen und drückte eine der Kurzwahltasten. »Hier spricht Emily Fazzone«, sagte sie. »Mr Rain braucht heute Morgen einen Termin bei Dr. Spade. Wieder eine Krone.« Sie hörte einen Moment zu, dann lachte sie schnaubend. »Da haben Sie recht. Am besten sollte man sie gleich alle überkronen, dann wäre endlich Ruhe.«
Dakota sah sie im Spiegel mit seinem Killerlächeln an. »Keine Krone mehr als nötig.«
»Weichei«, erwiderte sie und steckte ihr Handy ein. »Heute hättest du dafür sowieso keine Zeit. Spade schiebt dich dazwischen, wie üblich. Um elf musst du für die Voice-over-Texte im Studio sein. Das wird knapp, also komm endlich in die Gänge.«
Dakota wandte sich wieder seinem Spiegelbild zu. Legte den Kopf auf die Seite. Zupfte an seinen Wangen, als dächte er daran, sich zu rasieren.
Erneut verdrehte Emily die Augen und murmelte etwas, das entweder »Jetzt mach schon, Mann« oder »Verdammter Blödmann« hieß. Dann verschwand sie in seinem Ankleidezimmer und tauchte eine Minute später mit Jeans, T-Shirt und Boxershorts in den Händen wieder auf. Sie legte alles auf die Granitplatte des Toilettentischs, holte erneut ihr Handy hervor und scrollte durch den Terminplaner.
»Um zwölf bist du bei Peter im Büro wegen des Werbevertrags mit Levi’s, und um halb zwei ist die Anprobe für den Smoking. Mercer kommt um halb drei her, um mit dir die Sicherheitsmaßnahmen für die Hochzeit zu besprechen …«
Dakota blendete sie aus. Sein Terminplan interessierte ihn nicht. Emily würde schon dafür sorgen, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und wenn er sich mal ein bisschen verspätete und ein paar Leute mit den Hufen scharrten – nun, die waren den Umgang mit Filmstars gewohnt. Verdammt, die wären doch enttäuscht, wenn er sich wie ein normaler Mensch benehmen würde.
Ohne Eile zog er die Unterhose vom Vortag aus und schlenderte unbefangen zur Dusche. Er wusste, dass Emily kaum hinschauen würde. Nachdem sie sich zehn Jahre lang durch alle Verletzungen und Krankheiten, Brechanfälle und Schmerzen um ihn gekümmert hatte, kannte sie ihn in- und auswendig. Breite Schultern? Knackiger Hintern? Sie war immun.
Außerdem war sie lesbisch.
Er drehte den Hahn bis zum Anschlag auf, streckte den Kopf unter die Dusche und stöhnte, als das Wasser auf das Gänseei hinten an seinem Kopf traf. Er maß es mit den Fingern – etwa drei Zentimeter breit.
Derselbe rechte Haken, dem er den abgebrochenen Zahn verdankte, hatte auch seinen Hinterkopf gegen die Betonwand knallen lassen.
Emily klopfte an die beschlagene Glasscheibe. Er rieb eine Stelle frei und starrte seine Assistentin unwillig an.
Auch dagegen war sie immun. »Ich habe dich gefragt, ob es zu einer Klage kommen wird.«
»Aber natürlich!«, erwiderte er empört. »Wir verklagen The Combat Zone. Tubby hat mir einen Zahn ruiniert und mir außerdem eine Gehirnerschütterung verpasst.«
Sie seufzte. »Ich meinte, werden wir verklagt? Tubby ist ein guter Türsteher. Wenn er dich verprügelt hat, musst du ihm einen Grund dafür geliefert haben.«
Dakota reicherte seinen Westküstendialekt mit einer kräftigen Portion Gekränktheit an. »Wieso hältst du immer zu den anderen? Du warst nicht dabei. Du weißt doch gar nicht, was passiert ist.«
»Natürlich weiß ich das. Es ist schließlich Oktober, der Monat, wo du den Mond anheulst und auf wildfremde Leute losgehst. Das passiert jedes Jahr. Die Anwälte stehen Gewehr bei Fuß. Ich will nur wissen, ob ich sie anrufen soll.«
Er gab jenen Knurrlaut von sich, der Bösewichte wie Jungfrauen zuverlässig dazu brachte, zu ihren Mamas zu laufen. Emily verschränkte die Arme vor der Brust.
Er streckte den Kopf aus der Dusche. »Fühl mal.« Er deutete auf die Beule.
Sie bohrte den Finger hinein.
»Aua! Verdammt, Em, du gemeine Schlange!« Er stellte das Wasser ab, durchquerte tropfend das Badezimmer und verdrehte sich vor dem Spiegel, um die Beule betrachten zu können.
»War Montana dabei?«
»Nein.« Sein kleiner Bruder ging nicht mehr in Clubs. Er verbrachte die Abende mit seiner Verlobten.
»Zeugen?«
»Mehr als genug.«
»Paparazzi?«
»Fragst du das im Ernst?« Diese Schmarotzer waren ihm Tag und Nacht auf den Fersen. Bis der Oktober zu Ende ging, lag einer von ihnen gewöhnlich am Boden, und der Rest der Blutsauger filmte, wie Dakota ihn krankenhausreif schlug.
Wieder hielt Em sich das Handy ans Ohr. »Hallo, Peter. Ja, Dakota hat sich gestern Abend mit Tubby geprügelt. Nur ein abgebrochener Zahn und eine Beule an seinem Dickschädel. Aber die Presse war dort, also müssen wir mit Fotos rechnen. Okay, bis dann.«
Dakota gab es auf, die Beule anschauen zu wollen. Sein Haar war zu dicht.
Und zu lang, verdammt, zwei Zentimeter über Kinnlänge, für den Western, den er ab nächsten Monat drehen würde. Eine Menge Aufwand für etwas, das letztlich nichts weiter war als eine einzige Ballerei, genau wie der letzte Film und der davor. Diesmal waren es Pferde statt frisierte Autos und sechsschüssige Revolver statt Uzis. Aber keinerlei Überraschungen, bloß viele Tote.
Em reichte ihm ein Handtuch. »Auto?«
Er warf einen Blick aus dem Fenster. Auch dort keine Überraschungen. Ein weiterer sonniger Tag in L. A. »Porsche. Der schwarze.«
Sie verließ das Badezimmer, schon wieder mit dem Handy beschäftigt. »Tony, bringst du bitte den schwarzen Porsche? Und klapp das Verdeck runter.«
Dakota trat das Gaspedal durch, quetschte sich zwischen einem glänzenden Lexus und einem altersschwachen Civic hindurch, schoss über die gelbe Ampel, bog mit quietschenden Reifen nach rechts zu In-n-Out-Burger ab und hielt am Drive-in-Schalter.
»Einen XXL-Burger, Pommes und einen Schokomilchshake, Schatz.« Er richtete den Blick auf Em. »Das Übliche?«
Sie nickte, wieder einmal das Handy am Ohr.
»Und gegrillten Käse für die Fleischhasserin. Und einen extra Strohhalm.« Er schloss zu einem gelben Hummer auf.
Em telefonierte weiter, öffnete zugleich ihr iPad, strich einen Moment darauf herum und hielt es ihm dann hin. Fotos von seiner Prügelei mit Tubby.
Er zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm egal, aber das war es nicht. Nicht dass es ihn störte, wenn die Leute mitbekamen, dass er den Kürzeren gezogen hatte. Das war unvermeidlich gewesen, Tubby war nicht zu schlagen.
Ihn nervten in erster Linie diese verdammten Paparazzi.
Alle Welt – Peter, Em, sogar Montana − sagte ihm ständig, die Medien gehörten nun mal dazu, wenn man berühmt sei. Ein notwendiges Übel. Und vielleicht stimmte das sogar.
Aber das mit Charlie würde er ihnen niemals vergeben: dass sie einen guten Menschen in den Selbstmord getrieben und dann seinen Leichnam gefleddert hatten wie die Geier.
Und nicht nur die Paparazzi hatten aus Charlies Leben und Tod Geld und beruflichen Erfolg herausgeschlagen. Auch ›echte‹ Journalisten hatten sich ihre Stücke vom Kuchen gesichert und den Niedergang seines besten Freundes ausgeschlachtet. Eine gute Geschichte war ihnen mehr wert gewesen als Mitgefühl.
An dem Tag, als Charlies Leichnam auf den Titelseiten präsentiert wurde, hatte Dakota ewige Abstinenz von sämtlichen Nachrichten gelobt. Keine Zeitungen, keine Zeitschriften, kein CNN. Bis ans Ende seines Lebens nicht mehr.
Als er beim Ausgabefenster angekommen war, schob er die schlechte Stimmung beiseite und schenkte der Rothaarigen ein vielgeübtes Lächeln.
»Hallo, Sandy, mein Mädchen, wie läuft’s?«
»Hallo, Kota.« In ihrem Jerseydialekt klang sein Spitzname weich wie geschmolzene Butter. »Schicke Haare.«
»Du kannst sie haben, wenn ich sie abschneide.« Er gab ihr fünfzig Dollar Trinkgeld, und sie warf ihm eine Kusshand zu.
Er reichte Em die Tüte und raste los. Sie sagte immer noch dauernd »Aha« ins Handy, deshalb riss er es ihr aus der Hand.
»He! Das war Peter!«
»Den haben wir doch erst vor zwanzig Minuten gesehen.« Er raschelte mit der Tüte.
»Himmelherrgottnocheins!« Sie packte seinen Hamburger aus und legte ihm eine Serviette auf den Schoß. Dann steckte sie beide Strohhalme in den Milchshake, sog kräftig an dem einen und reichte den Becher an ihn weiter, wobei sie sich halb im Sitz umdrehte und Dakota durchdringend ansah. »Also los. Was ist letzte Nacht passiert?«
Er sog fünf Zentimeter Milchshake aus dem Becher und klemmte ihn dann zwischen seine Oberschenkel. »Irgend so ein Arschloch hat ein Mädchen belästigt. Betatscht.« Grob rumgefummelt hatte er an dem armen Kind. Hatte sie gegen die Wand gedrückt und sich überall an ihr gerieben.
»Du hast ihn doch hoffentlich nicht geschlagen?«
»Ich war drauf und dran.« Und hätte sich das nicht toll angefühlt, dem hübschen Jungen die Fresse zu polieren? »Ich habe ihn von ihr weggezerrt. Dann kam Tubby dazu und hat mir den Spaß verdorben.«
»Und schon haben wir wieder den Oktoberwahnsinn.« Em legte den Kopf in den Nacken und schaute in den blauen Himmel. »Wieso nur konnte Montana nicht im September heiraten? Oder im November?«
»Wieso muss er überhaupt heiraten?« Es ergab keinen Sinn. Montana – oder Tana, wie ihn seine Familie, seine Freunde und die Legionen von Followern auf Twitter nannten – lag die Welt zu Füßen. Die Frauen liebten ihn. Hollywood liebte ihn. Die Kritiker liebten ihn. Er war der Wunschkandidat aller unabhängigen Filmemacher, dem eine anspruchsvolle, facettenreiche Rolle nach der anderen angeboten wurde, während Kota immer nur Städte in die Luft jagen und im Alleingang ganze Armeen mit der Maschinenpistole niedermähen durfte.
Klar, Kotas Filme spielten mehr Geld ein, aber das größere Talent hatte Tana.
»Sasha ist eine tolle Frau«, erwiderte Em.
»Klar, sie ist eine Sahneschnitte. Aber Sahneschnitten gibt es in Kalifornien an jeder Ecke. Warum sich mit einer begnügen, wenn man sie alle haben kann?«
Em boxte ihm gegen die Schulter. »Das ist für alle Sahneschnitten, speziell für die in Kalifornien.«
Kota grinste und reichte ihr den Milchshake. »Sei so lieb und ruf Mercer an. Sag ihm, dass wir uns verspäten. Ich will nicht, dass er sauer auf uns ist.«
»Tsss! Du scherst dich doch sonst nicht um die Gefühle anderer Leute!«
»Die können einen auch nicht mit einem einzigen Blick töten.«
»Siehst du? Sogar du hast Angst vor ihm.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich wünschte, du hättest ihn nicht angeheuert.«
»Das hast du schon tausendmal gesagt. Aber Tana hat es nun mal mir aufgetragen, für die Sicherheit zu sorgen, und Mercer ist einfach der Beste.« Mercers Leute waren ehemalige Ranger und Navy SEALs. »Er sagt, er hält die Presse draußen, und ihm glaube ich das.«
»Na, dann viel Glück. Die schaffen es doch immer, jemanden einzuschleusen.«
»Diesmal nicht.« Klar, eine Hochzeit am Strand war ein sicherheitstechnischer Albtraum – und noch dazu völliger Quatsch, weil sowieso alle in Zelte gesperrt wurden und vom Wasser nichts zu sehen bekamen –, aber auf Mercer war Verlass. Hermetisch abgeriegeltes Gelände, Flugverbotszone. Wenn Gäste und Angestellte am Samstag anreisten, würde man sie mit Bussen von einem entlegenen Parkplatz abholen und vor Betreten der Zelte filzen. Jeder, der mit irgendeinem Aufnahmegerät erwischt wurde, würde auf der Stelle erschossen … ähm, rausgeschmissen werden.
Kota lächelte grimmig. »Glaub mir, Em, Mercer hat alles im Griff. Bei dieser Hochzeit schleicht sich nicht ein einziger schleimiger, widerlicher Reporter ein.«
»Sie werden bei dieser Hochzeit dabei sein.« Reed zeigte mit dem Finger auf Chris. »Sie brauchen gar nicht erst zu widersprechen. Entweder Sie schaffen es, oder Sie fliegen.«
»Das ist doch Schwachsinn, Reed! Archie hat längst zugegeben, dass er derjenige ist, der die Sache vermasselt hat.«
»Und er hat seinen Schreibtisch bereits geräumt. Bei Ihnen dagegen steht es noch auf der Kippe, Christine. Der Artikel ist unter Ihrem Namen erschienen.«
»Ich hatte Reed gesagt, dass er ihn erst in Druck geben soll, wenn ich die Fakten überprüft habe. Hätte er gewartet, bis ich ihm grünes Licht gegeben habe …«
»Sie kapieren nicht, worum es geht. Senatorin Buckley hat Ihren Namen – Christine Case – auf der Titelseite gelesen. Sie haben sie beschuldigt, Wahlkampfspenden veruntreut zu haben. Sie will Blut sehen, und zwar Ihres.« Reed rückte seinen Stuhl lautstark ein Stück zurück. »Sie wollten doch unbedingt über harte Themen berichten. Dann müssen Sie da jetzt durch.«
Chris rieb sich die Schläfe. »Ich habe mir meine Namensnennung hart erarbeitet, Reed.« Schließlich hatte sie zwei Jahre lang Nichtigkeiten für die Promiseite geschrieben. Dann endlich schien sich das auszuzahlen: Einer von Buckleys PR-Leuten – ein Typ, den Chris von ihren Berichten über Buckleys Tausend-Dollar-pro-Person-Luxusdinners zur Wahlkampffinanzierung kannte – hatte ihr die Story ihres Lebens angeboten. Den großen Durchbruch. Titelseite, obere Hälfte, garantiert.
Reed ließ sich nicht erweichen. »Sie hätten die Geschichte unter Verschluss halten müssen, bis Sie alle Fakten bestätigt hatten. So haben Sie Archie eine Stange Dynamit in die Hand gedrückt.«
Oh ja, das hatte sie. Und das Dynamit war ihr um die Ohren geflogen.
Reed hatte recht. Sie war mit daran schuld. Sie konnte froh sein, dass er sie nicht auf der Stelle vor die Tür gesetzt hatte.
»Chris, jetzt hören Sie mal gut zu.« Reed kam um den Schreibtisch herum und setzte sich auf die Kante. »Ihre Mutter gilt einer ganzen Generation von Journalisten als Heldin. Emma Cases Berichte über Vietnam haben den Gang der Geschichte verändert. Nur deshalb sitzen Sie noch hier und bekommen eine weitere Chance. Deswegen, und weil Ihr Vater bei Montana Rains Hochzeit auftritt.«
»Dann machen wir also jetzt dem Enquirer Konkurrenz? Wir schleusen Leute bei Promihochzeiten ein? Himmel, wir sind der Los Angeles Sentinel! Ist es mit dem Journalismus wirklich schon so weit gekommen?«
Falsche Frage. Reed versteifte sich. »Halten Sie mir bitte keine Predigten, junge Dame. Ich bin in diesem Geschäft groß geworden, und ich sage Ihnen, die Welt hat sich verändert. Überall im Land stehen Zeitungen kurz vor der Pleite.«
»Ein Bericht über diese Hochzeit entscheidet doch nicht über die Zukunft des Sentinel.«
»Vielleicht nicht. Aber über Ihre Zukunft. Ich habe mich für Sie prügeln lassen, und dafür schulden Sie mir einen Gefallen. Ich habe Owen einen Exklusivbericht versprochen. In zwei Wochen geht Wo sind die Stars? an den Start, und den größten Raum darin wird Montana Rains Hochzeit einnehmen.«
»Also wirklich, Reed. Das ist Boulevardniveau …«
Er fiel ihr rücksichtslos ins Wort. »Ihre Meinung ist nicht gefragt. Owen ist unser Verleger, und das Ganze ist sein Ding. Er rechnet damit, dass die Sonntagsauflage dadurch kräftig anziehen wird, und falls es ein Flop wird, dann jedenfalls nicht, weil wir hier nicht unser Bestes gegeben haben.«
Chris versuchte, ihn niederzustarren, aber darin war Reed besser. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er tat dasselbe.
Die Sekunden verstrichen.
Chris senkte den Blick. Sie dachte an ihre Mutter und daran, wie stolz sie gewesen war, als Chris an der Columbia University ihren Master in Journalismus gemacht hatte. Und wie enttäuscht, als sie diesen Abschluss nicht als Sprungbrett für eine glänzende Karriere genutzt hatte, sondern lieber mit ihrem Vater um die Welt getourt war.
Nun, bei ihrer Mutter konnte sie keine Lorbeeren mehr ernten. Emma Cases messerscharfer Verstand war der Alzheimerkrankheit zum Opfer gefallen. Die Frau, der Chris’ Bewunderung und Groll und ihre tiefe Liebe galten, war im Grunde schon für sie verloren.
Emma würde nie mehr erfahren, dass Chris schließlich doch noch in ihre Fußstapfen getreten war. Und dass sie diese Chance Emmas altem Freund Reed verdankte, dem leitenden Redakteur des Sentinel.
Aber Chris wusste es. Reed hatte sie genommen, obwohl sie außer ihrem Familiennamen keinerlei Referenzen vorweisen konnte. Er war davon ausgegangen, dass sie sich für den Sentinel genauso engagieren würde, wie es die Pulitzerpreisträgerin Emma getan hatte.
Aber sich bei Promihochzeiten einschleichen und anschließend durchhecheln, wer was getragen und wer mit wem geknutscht hatte … Nun, damit gewann man keine Preise.
Dennoch – sie war Reed etwas schuldig. Und da sie bei ihm wirklich tief in der Kreide stand, musste sie die Kröte schlucken, mit der Band ihres Vaters bei Montana Reeds extravaganter Hochzeit auftreten und irgendwelche belanglosen Gerüchte einsammeln, mit denen Owen sein Lieblingsprojekt aufpeppen konnte.
Und dann, wenn diese Erniedrigung hinter ihr lag, würde sie ihre Zeit auf der Strafbank absitzen, bis sich wieder eine Chance bot, über harte Themen zu schreiben.
Nächstes Mal würde sie dabei mit mehr Verstand vorgehen und die Angaben ihrer Quellen genau überprüfen.
Nächstes Mal würde sie es so machen, dass ihre Mutter stolz auf sie wäre.
Ohne Reed anzuschauen wählte sie die Telefonnummer ihres berühmten Vaters. Er nahm beim ersten Klingeln ab.
»Hallo, Schätzchen.«
»Hallo, Dad.« Sie kam sofort zur Sache. »Sag mal, steht dein Angebot noch? Kann ich zu der Hochzeit an diesem Wochenende mitkommen?«
»Aber klar doch«, erwiderte Zach Gray, ohne zu zögern. »Ich stelle gleich eine neue Setlist zusammen und maile sie dir. Um zwei sind wir dran. Und, Schatz, die Security ist schlimmer als bei jedem Gipfeltreffen. Keine Handys, kein gar nichts. Mach dich darauf gefasst, dass du dich bis auf die Unterhose ausziehen darfst.«
Das fing ja gut an.
Nach und nach kamen die Hochzeitsgäste ins Festzelt geschlendert: Promis mit ihrem attraktiven Anhang sowie ein paar normale Leute, die völlig fehl am Platz wirkten.
Durch ein Loch im Backstagevorhang beobachtete Chris, wie sich die Gäste mithilfe von Handtaschen und Schultertüchern ihre Tische sicherten und dann auf die Suche nach etwas Trinkbarem machten. Genau wie die Gäste bei einer normalen Hochzeit, und doch anders.
Am anderen Ende des etwa tausend Quadratmeter großen Zelts spielte ein Streichquartett Mozart, während hoffnungsvolle Jungschauspieler als unterwürfiges Personal auftraten und Horsd’œuvres herumreichten.
Nun, sie selbst spielte schließlich auch eine Rolle, nicht wahr? Der Unterschied war nur, dass es bei ihr nicht immer reine Schauspielerei gewesen war.
Lange bevor sie sich in die ernsthafte Journalistin Christine Case verwandelt hatte, war sie die laszive Nachtklubsängerin Christy Gray gewesen, die mit Zach und seiner Band auf Tour gegangen und in Europa, Vegas und bei sündhaft teuren Hochzeiten wie dieser aufgetreten war.
Zach kam zu ihr herüber. »Alles okay, Schätzchen? Es ist ja schon eine Weile her.«
Sie zwang sich zu einem Die-Show-geht-weiter-Lächeln. »Das ist doch wie Radfahren.«
Er strich ihr ein paarmal über den Arm. »Du bist ein echter Profi, Liebling.« Den Rest sprach er nicht aus, aber sie hatte ihn oft genug zu hören bekommen: Deshalb solltest du auch im Rampenlicht stehen und für Tausende singen, statt bei einer Zeitung langweilige Artikel zu produzieren, die vielleicht hundert Leute überfliegen werden.
Er hatte leicht reden. Er wusste nicht, was es hieß, die Tochter von Emma Case zu sein. Für Zach war Emma nur eine kurze Affäre gewesen und hauptsächlich deswegen bemerkenswert, weil sie klasse im Bett war, damals doppelt so alt wie er und eine berühmte Journalistin – in dieser Reihenfolge.
Vermutlich hätte er sie völlig vergessen, hätte sie ihm nicht Chris geschenkt – sein erstes Kind, seine einzige Tochter und, wie er Chris kürzlich gestanden hatte, die beste Sängerin von Liebesballaden, mit der zu arbeiten er jemals das Vergnügen hatte.
Er hatte unbedingt gewollt, dass sie in seine Fußstapfen trat, während Emma von ihr erwartet hatte, dass sie ihrem Beispiel folgte. Mit dem Ergebnis, dass Chris nie wirklich frei über ihren Lebensweg entscheiden konnte, sondern gezwungen war, zwischen zwei Extremen zu wählen.
Heute allerdings würden sich Chris und Christy die Bühne teilen. Die Sängerin und die Journalistin in ihr rieben sich aneinander wie Wolle und Seide, luden sich gegenseitig elektrisch auf und trieben ihr den Schweiß auf die Stirn.
Mit einer Hand massierte sie ihren verspannten Nacken. Wenn sie das Ganze überstehen wollte, ohne sich zu blamieren, musste sie Ruhe bewahren. Überraschungen meiden, Komplikationen aus dem Weg gehen und sich auf niemanden einlassen …
Zach spähte durch den Vorhang und grinste. »Ja, schau an. Das dürfte interessant werden.« Er wich einen Schritt zurück.
Der Vorhang teilte sich, und ein großer Mann trat hindurch.
Ein riesiger Mann.
In ihren hochhackigen Schuhen war Chris fast einen Meter achtzig groß, aber dieser Mann war locker zehn Zentimeter größer. Außerdem hatte er eine Brust wie eine Plakatwand und Schultern, die das Zelt stützen konnten, sollte es zusammenklappen.
Dakota Rain. Wow.
»Zach, nicht wahr?« Er streckte ihrem Vater eine Hand hin, die dazu geschaffen schien, Thors Hammer zu werfen. »Ich bin ein großer Fan von Ihnen.« Seine tiefe Stimme dröhnte wie ferner Donner.
Dann schaute er von Zach zu ihr, und seine blauen Augen – so blau wie der Himmel in den Bergen – weiteten sich.
Einen Moment lang starrte er ihr ins Gesicht, dann ließ er den Blick Zentimeter für Zentimeter nach unten wandern, zog ihr dabei das Kleid bis zu den Knöcheln hinunter und zerfetzte ihr dann im Hinaufschauen Slip und BH. Ihre Haut begann zu glühen. Bei ihren Lippen hielt er kurz inne und sah ihr schließlich in die Augen. Sein Adamsapfel hüpfte.
»Meine Tochter Christy«, hörte sie Zach durch das Rauschen in ihren Ohren sagen.
»Hübsch. Das Kleid.« Die Worte schienen Dakota in der Kehle stecken zu bleiben.
Auch Chris brachte keinen Laut heraus, völlig überwältigt von dem Testosteron, das dieser Mann mit jedem Atemzug verströmte.
Sie gaben sich die Hand und ließen nicht wieder los, völlig fasziniert voneinander. Bis eine zierliche Frau mit kurzem schwarzem Haar Dakota einen spitzen Ellbogen in die Rippen stieß. »Zieh die Zunge ein, du trittst noch drauf.«
Dakota sah sie ungehalten an. »Das ist Em. Sie war mal meine Assistentin. Jetzt ist sie auf Jobsuche.«
»Nett, Sie beide kennenzulernen.« Em gab ihnen die Hand. »Falls Sie irgendetwas brauchen, sagen Sie es mir. Ich sorge dafür, dass Sie es bekommen.«
»Danke«, erwiderte Zach. »Aber wir haben alles.«
»Okay, dann lassen wir Sie jetzt allein.« Sie packte Dakota am Handgelenk und versuchte, ihn hinter sich her durch den Vorhang zu ziehen. Er ließ sich fast den Arm ausrenken, wich aber nicht von der Stelle. Genauso gut hätte sie an einem Cadillac zerren können.
»Zach« – wieder diese donnernde Stimme –, »meine Ma war vom ersten Tag ein Fan von Ihnen. Macht es Ihnen was aus, wenn ich mit ihr nach hinten komme?«
»Ganz und gar nicht. Wir würden uns freuen, sie kennenzulernen.«
Dakota nickte, musterte Chris mit einem letzten feurigen Blick und ließ sich schließlich von Em davonziehen.
»Schätzchen, nimm dich vor ihm in Acht. Das ist ein Playboy.«
Chris rang sich ein Lächeln ab. »Da redet der Richtige.«
»Stimmt. Aber mit dem kann nicht einmal ich mithalten. Dem Typ quillt der Sex aus allen Poren. Wenn selbst ich das spüre, müssen die Frauen ja wie Streichhölzer umknicken.«
Ja, und wenn man den Medien glauben konnte, hatte Dakota schon ganze Streichholzwälder abgeholzt.
»Ich nicht.« Chris hatte schon genug mit Berühmtheiten zu tun gehabt. Mit wenigen Ausnahmen waren sie egoistische, narzisstische Sensibelchen, die ständig im Mittelpunkt stehen mussten.
Und Dakota Rain, Hollywoods bestverdienender Star, war die größte Berühmtheit von allen. Was hatte es schon zu bedeuten, dass er sie mit dem Blick ausgezogen hatte? Der Mann verdiente aus gutem Grund mit jedem Blick aus schmalen Augen eine Million.
Zach legte ihr den Arm um die Schultern. »Es heißt, wenn er seinen Charme spielen lässt, liegen sie auf dem Rücken, bevor sie auch nur Piep sagen können.«
Sie legte eine Hand an die Brust. »Ach, Dad, ich liebe diese Vater-Tochter-Gespräche.«
Er hob ihr Kinn an. »Ich weiß, dass ich dir das mit den Blumen und Bienen nicht mehr erklären muss. Aber, meine Liebe, der König des Dschungels hat deine Fährte aufgenommen. Glaub mir, der kommt wieder.«
»Was soll der Scheiß, Em?«
»Du hast auf deine Schuhe gesabbert.«
»Hast du sie gesehen?« Groß wie ein Supermodel, Kurven genau an den richtigen Stellen, Unmengen von haselnussbraunen Locken und ein Gesicht, das da Vinci zum Weinen gebracht hätte.
»Ja, ich habe sie gesehen. Ich habe auch gesehen, wie du sie mit den Augen gevögelt hast, und das im Beisein ihres Vaters.«
Kota wollte es erst abstreiten, sagte dann aber: »Sie hat mich genauso angeschaut.«
»Bei ihr war es nur ein Befummeln. Offensichtlich ist sie nicht so eine Nutte wie du.«
Was nur für sie sprach. »Wieso habe ich sie noch nie gesehen?«
»Weil sie kaum noch auf Tournee geht.« Em manövrierte ihn zwischen den Tischen hindurch und um potenzielle Hindernisse herum. »Sasha hat sie vor ein paar Jahren in Vegas singen gehört, zusammen mit Zach. Sie hat den Saal zum Toben gebracht. Dann ist sie von der Bildfläche verschwunden.«
»Wieso?«
»Vielleicht hat sie ein Kind gekriegt. Oder einen Nervenzusammenbruch. Sasha war jedenfalls völlig aus dem Häuschen, als Zach gesagt hat, seine Tochter wäre heute dabei.«
Kota war beim Thema »Baby« hängen geblieben. »Sie ist verheiratet?« Er war viel zu durcheinander gewesen, um nach einem Ring Ausschau zu halten.
»So genau weiß ich auch nicht Bescheid. Sasha hat Mercer erst heute Morgen von ihr erzählt. Er ist durchgedreht, war ja klar. Keine Zeit, sie noch zu überprüfen, bla, bla. Also pass auf dich auf, vielleicht ist sie eine Terroristin.«
»Ich sollte sie filzen.«
»Das wirst du ja wohl auch. Aber tu mir einen Gefallen, mach es erst nach dem Empfang. Erspar deinen Eltern die Peinlichkeiten, die unweigerlich folgen werden.«
Volltreffer. Was Hochzeiten anging, war sein Ruf wirklich nicht der beste. Er hatte schon oft Chaos gestiftet, wenn ihn zum Beispiel der Vater einer Brautjungfer mit heruntergelassenen Hosen erwischt und ihm einen Stuhl über den Kopf gezogen hatte.
»Ich hebe es mir für die Party danach auf«, beschloss er. »Du kommst doch, oder?«
»Eine halbe Stunde, höchstens. Dann« – sie grinste breit – »habe ich Urlaub.«
Was hatte er sich dabei gedacht, ihr die Woche freizugeben?
»Vergiss den Urlaub. Du musst uns bei der Flucht helfen.« Es gab einen ausgeklügelten Plan, nach dem sich zwei Doppelgänger sehr verdächtig von der Party fortschleichen und in seiner Cessna nach Italien abdüsen sollten, während die Frischvermählten klammheimlich zu der Gulfstream eines Freundes eilten, um paparazzifreie Flitterwochen auf Kotas Privatinsel zu verbringen.
»Dafür brauchst du mich doch nicht«, erwiderte Em. »Mercer hat alles im Griff. Ich würde nur im Weg stehen.« Sie drängte ihn zum Ehrentisch. »So, bringen wir es hinter uns. Ich will, dass du dieses Flugzeug auch wirklich besteigst.«
»Du könntest mitkommen«, versuchte er sie zu locken. »Eine Woche am Strand. Kein Telefon, kein Internet …«
»Genau was Tana braucht, noch mehr Leute, die seine Flitterwochen stören.«
»Ich werde ihn nicht stören. Ich bleibe im Gästehaus am anderen Ende der Insel. Außerdem hast du selbst gesagt, im Oktober soll ich mich verkriechen.«
»Da hatte ich aber eher an einen Monat auf der Raumstation gedacht. Oder eine Hundeschlittenfahrt zum Südpol. Nicht dass du deinem Bruder und seiner Braut hinterherläufst.«
»Die werden gar nicht merken, dass ich da bin.«
»Pfft. Nach zwanzig Minuten fühlst du dich einsam und rückst ihnen auf die Pelle.«
Vielleicht hatte sie recht. Vor einem Monat, als er noch Raketenwerfer durch den dampfenden Dschungel schleppen und Leichen in Hubschrauber stemmen musste, hatte es recht idyllisch geklungen, eine Woche ganz allein zu verbringen, Drehbücher zu lesen und dem Sonnenuntergang über dem Pazifik zuzuschauen.
Aber seit der Film abgedreht und er wieder in L. A. war, schwebte die Aussicht auf diese einsame Zeit wie ein Damoklesschwert über ihm.
Em drückte ihn auf seinen Stuhl. Im Moment war der Ehrentisch noch leer, Braut und Bräutigam waren noch mit dem Fotografen beschäftigt. Em setzte sich auf die Tischkante und sah Dakota durchdringend an.
Als sie sprach, klang ihre Stimme ungewohnt sanft und freundlich. »Du wirst schon klarkommen. Tana ist immer noch dein kleiner Bruder. Du wirst ihn nicht verlieren.«
Manchmal bemerkte Em einfach zu viel.
»Du und Tana«, fuhr sie fort, »ihr steht euch näher als alle anderen Menschen, die ich kenne. Euch kann niemand trennen. Und selbst einem Holzkopf wie dir müsste klar sein, dass Sasha das auch gar nicht will. Sie mag dich.«
»Ich mag sie ja auch.« Und er konnte nicht leugnen, dass sie Tana oft dazu ermunterte, Zeit mit seinem Bruder zu verbringen. Es war nicht ihre Schuld, dass Tana meist lieber mit ihr zusammen war. Der Typ war ihr völlig verfallen.
»Ich weiß, du bist es gewohnt, Tana für dich allein zu haben«, redete Em weiter. »Mal eben spontan nach Vegas oder Miami oder New York jetten. Mit einer ganzen Horde Frauen auf die Insel fliegen statt mit Ehefrau und einem Stapel langweiliger Drehbücher. Aber ehrlich, Kota, nächsten Monat wirst du fünfunddreißig.«
Autsch. »Mit fünfunddreißig ist man doch nicht alt.«
»Nein, aber erwachsen, oder zumindest sollte man es sein.« Sie legte den Kopf schräg. »Ich glaube, die einsame Woche ist genau, was du brauchst. Da kriegst du einen klaren Kopf. Du kannst dir überlegen, wie es weitergehen soll.«
Genau das war das Problem. Er wollte nicht darüber nachdenken, wie es weitergehen sollte.
In seiner Verzweiflung wurde er tollkühn. »Du kriegst einen Monat Urlaub, sobald wir zurück sind.«
Ihr Lächeln hatte etwas Trauriges. »Das ist Schwachsinn. In L. A. kämst du nicht einen Tag ohne mich klar. Außerdem habe ich für diese Woche schon mit Jackie etwas vor.«
»Bring sie mit.« Tollkühn, wahrhaftig. Jackie trieb ihn in den Wahnsinn.
»Geht nicht. Wir fahren nach Houston. Sie will es endlich ihren Eltern sagen.«
Er schnaubte. »Die werden dich wahrscheinlich erschießen. Im besten Fall stecken sie euch in getrennte Schlafzimmer. Die ganze Woche kein Sex.«
»Vielleicht. Aber ich kann eine Woche lang ohne Sex auskommen. Du dagegen wirst die Schafe über die Insel jagen.«
Er lächelte, genau wie sie beabsichtigt hatte. »Du hast eine kranke Fantasie, Em. Eben deshalb liebe ich dich.«
»Ich liebe dich auch.« Sie boxte ihm kräftig gegen die Schulter, um die Rührseligkeit auszugleichen. Dann ging sie, und er musste allein zurechtkommen.
Nicht ganz einfach, sobald das glückliche Paar eintraf.
»Herzlichen Glückwunsch«, rang Kota sich ab, eine oscarreife Darbietung. Nicht dass er sich für die beiden nicht freute. Das tat er wirklich. Er selbst war es, den er bemitleidete.
»Danke, Mann.« Tanas Augen waren genauso schillernd blau wie Kotas, und wenn er grinste, bildeten sich in den Winkeln Fältchen.
Tana zog für Sasha den Stuhl zurück, sodass sie sich darauf niederlassen konnte wie eine Prinzessin auf ihrem Thron. Dann setzte er sich neben sie.
Kota beugte sich vor, um an seinem breit gebauten Bruder vorbeisehen zu können. »Sasha, Süße, du bist die hübscheste Braut, die je zum Altar geschritten ist.«
»Ach, Kota.« Aus einem ihrer smaragdgrünen Augen lief eine dicke Träne. »Danke. Ich bin so glücklich.« Sie reichte ihm ihre zarte Hand, und er drückte sie sanft.
Sie war wirklich ein nettes Mädchen. Wenn Tana schon unbedingt eine Ehefrau haben musste, hätte er keine bessere finden können. Sasha war herzlich und rücksichtsvoll und so süß wie … nun ja, wie eine Sahneschnitte.
Jemand klopfte mit einem Löffel gegen sein Glas. Hundert weitere Gäste machten es ihm nach, und die Frischvermählten taten wieder einmal, was sie am besten konnten – rumknutschen, als wären sie die beiden einzigen Menschen auf der Welt.
Kota unterbrach sie, indem er aufstand. Höchste Zeit, die Rede hinter sich zu bringen. Es wurde still im Zelt, und fünfhundert Augenpaare richteten sich auf ihn. Sogar die Frischvermählten lösten sich voneinander.
Er hatte nichts vorbereitet. Das war auch nicht nötig, denn er würde es kurz und schmerzlos machen. Eine kleine Stichelei gegen seinen Bruder, ein paar Worte, mit denen er Sasha in der Familie willkommen hieß, und dann konnte er sich zur Bar davonmachen.
Mit dieser Vorstellung im Kopf spulte er die übliche Einleitung ab, dankte den Leuten, dass sie gekommen waren, begrüßte Einzelne namentlich und lud alle zur Hochzeitsparty in seine Villa in Beverly Hills ein.
Dann legte er seinem Bruder eine Hand auf die Schulter und ließ sie dort liegen, während er in der Versammlung von Freunden und Kollegen umherschaute. Es waren überwiegend Menschen, mit denen sie in den fünfzehn Jahren ihres Berufslebens zusammengearbeitet hatten.
Filmleute wussten eine dramatische Pause zu schätzen, deshalb weitete Dakota sie aus und ließ die Spannung steigen. Schließlich kam jetzt der Teil, der allen Spaß machen sollte, bei dem er irgendeine von hundert möglichen witzigen Geschichten über Tana zum Besten gab. Genau darauf warteten die Leute. Sie waren ganz Ohr.
Dann fing er den Blick seiner Mutter auf und sah, dass ihre Augen feucht glänzten. Und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass er zwar gemischte Gefühle bei dieser Hochzeit haben mochte, aber dass für seine Mutter gerade ein Traum in Erfüllung ging.
Sie hatte kaum noch zu hoffen gewagt, dass ihre Jungs je sesshaft werden und ihr Enkelkinder bescheren würden. Jetzt war Tana auf dem besten Weg dorthin. Sicherlich erwartete sie von Kota, dass er dieses einschneidende Ereignis besser würdigte als mit ein paar Anekdoten auf dem Niveau einer Junggesellenparty.
Er brachte es nicht über sich, sie zu enttäuschen.
Also holte er tief Luft und legte los. »Sie alle kennen die Vorgeschichte der Rain-Jungs. Zwei junge Übeltäter, die in die Mühlen des Systems geraten waren und von jeder Pflegefamilie irgendwann vor die Tür gesetzt wurden. Aus verdammt gutem Grund. Wir machten ständig Ärger.«
Er breitete die Arme aus und setzte sein lausbubenhaftes Lächeln auf. »Manches hat sich bis heute nicht geändert.«
Dröhnendes Gelächter.
Er ließ ihnen eine Minute Zeit, dann gab er seinem Lächeln etwas Reuevolles. »Wir waren mit Sicherheit nicht leicht zu bändigen. Groß und böse und sauer auf die ganze Welt. Unser Motto war: Erst zuschlagen, und zwar kräftig, und über die Folgen später nachdenken.
Die Sozialarbeiter wussten nicht mehr, was sie mit uns anfangen sollten. Sie versuchten es damit, uns zu trennen. Sie brachten uns sogar in verschiedenen Staaten unter.« Er erwähnte nicht, welche Panik, welche Wut, welcher Wahnsinn ihn gepackt hatten, als man Tana von ihm wegzerrte.
Stattdessen sagte er lächelnd: »Da waren wir wirklich sauer«, und erntete für diese Untertreibung erneut Gelächter.
»Aber da wir klüger waren, als wir aussahen, tüftelten wir einen Plan aus. Er war eigentlich ganz einfach, und er lautete folgendermaßen: Egal wohin sie uns steckten, wir würden immer weglaufen und nach Wyoming zurücktrampen. Zur Ranch von Roy und Verna Rain.«
Er schaute zu seinen Eltern hinüber, die an einem Tisch ganz vorn saßen. Verna mit ihren deutlich sichtbaren Runzeln und dem Kleid von der Stange hätte in dieser illustren Gesellschaft eigentlich fehl am Platz wirken müssen, aber in Kotas Augen überstrahlte sie alle.
Und Roy, dieser ein Meter achtzig große Knochen im steifen schwarzen Anzug, war der stärkste und ehrlichste Mann, den Kota kannte.
»Die Rains waren gute Menschen, die selbst keine Kinder hatten. Sie hatten uns schon früh zu sich genommen und uns viel Freundlichkeit und Zuneigung geschenkt. Wir Teufelsbraten wussten das jedoch nicht zu schätzen, und so schickten sie uns schließlich weg.
Aber wir vergaßen sie nie. Und sie vergaßen uns genauso wenig. Wie sollten sie auch, wenn wir immer wieder bei ihnen aufkreuzten wie falsche Fuffziger? Beide abgebrannt und total sauer auf die ganze Welt, und natürlich waren wir viel zu stolz, um sie zu bitten, uns noch eine Chance zu geben, obwohl wir uns nichts sehnlicher wünschten.«
Als er daran zurückdachte, schien Hollywood auf einmal weit entfernt.
»Anfangs kochte Verna jedes Mal eine riesige Mahlzeit für uns, wenn wir bei ihnen vor der Tür standen. Truthahn mit Soße oder Steaks mit Kartoffeln. Wir hatten immer Hunger. Nachdem wir gegessen hatten, lud uns Roy in den Pick-up und brachte uns zum staatlichen Heim zurück, in der Annahme, dass er und Verna uns nie wiedersehen würden.
Aber Tana und ich waren stur wie die Maulesel. Wir wussten, auf der Ranch gab es Arbeit für zehn, also dachten wir uns: Hängen wir uns richtig rein, schleppen Heuballen, schaufeln Schei…« Er warf Verna einen verlegenen Blick zu, was die Leute zum Kichern brachte.
Er zuckte mit den Schultern und lächelte halbherzig. »Wie auch immer, ob es nun an der Schlepperei und Schaufelei lag oder ob sie es einfach satthatten, ständig hundertfünfzig Kilometer weit bis zum Heim zu fahren, eines Tages ließ Pop den Pick-up in der Scheune. Zwei Monate später haben sie uns adoptiert. Und ab da wurde für Tana und mich alles anders.«
Er schwieg einen Moment. »Sie alle kennen den Spruch, dass man zwar nicht die Welt verändert, wenn man einen Hund rettet, aber dass man die Welt dieses Hundes verändert. Nun, für Kinder gilt das Gleiche.«
Im Zelt war es still geworden, nur hier und da war ein Schniefen zu hören.
Kota drückte seinem Bruder die Schulter. »Tana und ich haben überlebt« – er betonte jedes einzelne Wort –, »weil wir einander hatten. Und es ist uns gut ergangen, weil wir Roy und Verna Rain hatten. Deshalb kommt für Tana und mich die Familie immer an erster Stelle.«
Kota ging um seinen Bruder herum, fasste Sasha an der Hand und zog sie sanft auf die Füße. Ernst wie ein Priester sagte er: »Willkommen in unserer Familie, Liebes.«
Unter tosendem Beifall nahm er sie in die Arme.
Chris hielt ein Ohr an den Vorhang und machte sich mit dem Augenbrauenstift auf einem Umschlag Notizen.
Es ergab ein furchtbares Geschmiere, aber was sollte sie sonst machen? Block und Kuli hatte sie zu Hause gelassen. Nach hundert Abendveranstaltungen der High Society merkte sie sich fast automatisch, wer welches Designerkleid trug. Das brauchte sie nicht mehr aufzuschreiben.
Aber als Dakota Rain in seinem faszinierenden Dialekt begann, sein Innerstes nach außen zu kehren und von seiner unglücklichen Kindheit zu erzählen, stand für sie fest, dass sie jedes Wort notieren musste. Es war bewegend, persönlich und exklusiv – genau das, was Reed wollte.
Wenn sie damit nicht ihren Job retten konnte, womit dann?
»Was machst du denn da, Süße?«
Sie wirbelte herum und zerknüllte gleichzeitig den Umschlag. »Das ist nur ein Spickzettel fürs erste Set. Äh, Fever spielen wir in A-Dur, oder?«
»Wie immer.« Zach legte den Kopf schräg. »Nervös?«
»Sehe ich so aus?« Sie warf das Haar nach hinten und machte einen auf lässig.
»Eher kribbelig.« Er grinste. »Dakota geht dir unter die Haut, was?«
»Pfft. Von wegen.«
»Tja, Süße, du ihm schon.«
Sie verdrehte die Augen. »Klar, er konnte ja gar nicht mehr aufhören zu plappern.«
»Er wäre nicht der erste Mann, dem eine hübsche Frau die Sprache verschlägt.«
Sie deutete mit dem Daumen in Richtung Gäste. »Hast du da schon mal rausgeschaut? Da stehen mindestens zweihundert hübsche Frauen herum.«
»Was sonst? Wir sind hier in Kalifornien.«
»Dann wollen wir mal sehen, wie sehr es ihm die Sprache verschlagen hat.« Sie zog den Vorhang zur Seite.
Die Hälfte der Gäste war auf den Beinen und ließ die teuren Häppchen auf den Tischen kalt werden. Aber wie gesagt, dies war Kalifornien. Für die meisten dieser Frauen war bei fünfhundert Kalorien pro Tag Schluss. Die vergeudeten sie nicht mit Häppchen, egal wie berühmt der Koch war.
Stattdessen umkreisten sie Dakota. Und der war keineswegs auf den Mund gefallen, sondern plapperte munter drauflos.
Chris grinste triumphierend, aber Zach zuckte mit den Schultern. »Das beweist nur, dass du ihn tatsächlich vom Hocker gehauen hast.«
»Nein, Dad, es beweist, dass sich bestimmte Frauen jeden Dreck anhören, Hauptsache, er fällt einem Promi aus dem Maul.«
Sie richtete den Blick auf Dakota, den Mann, der sich für den Nabel der Welt hielt. »Der Typ denkt, er wäre Gott weiß wie faszinierend. Warum auch nicht, wenn unsere promihörige Gesellschaft ihm so an den Lippen hängt? Als wäre er schon deshalb interessant, weil er gut aussieht.« Sie hob eine Schulter und ließ sie wieder fallen. »Da kann man ihm kaum vorwerfen, dass er sich für ein Geschenk des Himmels hält.«
Zach gab ihr einen Schubs. »Du bist ja so eine Neunmalkluge. Genau wie deine Mutter.«
Sie ließ den Vorhang los. Wenn sie Dakota zu lange anstarrte, wurde sie am Ende noch selbst geblendet.
Stattdessen konzentrierte sie sich auf Zach. »Da wir gerade von Mom reden: Ich habe es dir noch nicht gesagt … Also, ich habe es noch niemandem gesagt.« Sie musste schlucken. »Mom hat Alzheimer.«
»Ach, Süße, das tut mir leid.« Er nahm sie in die Arme.
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Bitte behalte es für dich.«
»Es ist eine Krankheit, Christy. Nichts, wofür man sich schämen müsste.«
»Darum geht es nicht. Es ist nur – Mom fände es furchtbar, wenn die Sache Schlagzeilen machen würde. Pionierin der Kriegsberichterstattung hat eigenen Namen vergessen.«
Zack zuckte zusammen. »Ist es so schlimm?«
»Noch nicht. Aber Journalisten brauchen nun mal einen Aufhänger.« Die Ironie entging ihr nicht. »Ich würde ihnen sogar zutrauen, dass sie sie ›interviewen‹.« Sie malte Gänsefüßchen in die Luft. »Speziell denjenigen Kollegen, die Mom im Laufe der Jahre verärgert hat. Und das sind nicht gerade wenige.«
»Ja, verstehe, was du meinst.« Verletzungen der Privatsphäre waren Zach nur zu vertraut.
Sein sarkastischer Tonfall ließ Chris aufhorchen. »Wie läuft es bei dir überhaupt?«
»Immer schön von Tag zu Tag. Manchmal auch von Minute zu Minute.«
Sie drückte ihn. Was konnte sie auch sagen?
Zachs ganzes Erwachsenenleben war eine einzige Party gewesen. Irgendwann hatte er sich dann zu einer Entziehungskur im Betty Ford Center durchgerungen.
Seit sieben Wochen war er jetzt clean und trocken, und jeden Morgen beim Aufwachen fing er wieder bei null an.
Er löste sich von ihr und lächelte sie ermutigend an. »Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Ich kriege das schon hin.«
Sie nickte, auch wenn sie sich da nicht so sicher war.
Er ballte die Hände in den Taschen und lächelte boshaft, um die Stimmung ein bisschen aufzulockern. »Wie ich schon sagte, du bist eine richtige Neunmalkluge, aber genau damit stellst du dir manchmal ein Bein.«
Sie ging auf das Spiel ein und trieb es noch weiter. »Und wie ich schon sagte, Dakota Rain ist ein maßloser Egomane und ein Blödmann obendrein. Kennst du seine Filme? Nichts als Muskeln und Blicke aus schmalen Augen. Er knurrt und faucht nie mehr als zwei Worte am Stück. ›Hübsch. Das Kleid.‹« Sie grunzte wie ein Affe.
In dem Moment schob jemand den Vorhang zur Seite. Der Muskelprotz höchstpersönlich.
Beschämt schaute sie ihn an, während ihr das Blut ins Gesicht schoss.
Aber falls er gehört hatte, wie sie ihn niedermachte, verbarg er das gekonnt hinter einem Lächeln. Und über dieses Lächeln konnte man nun wirklich nichts Abschätziges sagen. In jedem Film ließ er es aufblitzen, und es lockte ebenso viele heißblütige Frauen in die Kinos wie das Leichenaufkommen blutrünstige Männer.
»Zach.« Ein tiefes, gedehntes Dröhnen. »Hier ist jemand, der Sie unbedingt kennenlernen möchte.«
Er trat einen Schritt zur Seite und legte seine Pranke auf die zarte Schulter seiner Mutter. Chris erhaschte zum ersten Mal einen freien Blick auf die Frau, die die Rain-Jungs stubenrein bekommen hatte.
Hätte Größe die entscheidende Rolle gespielt, hätten ihre Söhne sie gnadenlos untergebuttert. Zierlich und schlank wie sie war, hätte Verna Rain locker unter Dakotas ausgestrecktem Arm hindurchgehen können, ohne sich die frisch gelegten schneeweißen Locken zu zerzausen.
Aber sie war mehr als nur eine zarte alte Dame. Sie strahlte Freundlichkeit, Humor und Entschlossenheit aus. Alle drei Eigenschaften dürfte sie auch dringend benötigt haben, um aus den zwei bösen Jungs die größten Stars von Hollywood zu machen.
Dennoch war auch sie nicht dagegen gefeit, sich von Stars blenden zu lassen. Während sie Zach anstarrte, wurden ihre kornblumenblauen Augen groß und rund, und ihre Wangen nahmen die Farbe roter Äpfel an.
Zach ging gelassen damit um und gab ihr galant einen Handkuss. »Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mrs Rain.«
»Ach du meine Güte.« Sie errötete noch mehr. »Mr Gray, ich bin schon so lange ein Fan von Ihnen. Schon seit Precious Love.«
Zach grinste. »Na, das ist ja wirklich lange her. Und vergessen Sie den Mr Gray. Für meine Freunde bin ich Zach.«
»Ach du liebe Zeit.« Sie war völlig aus dem Häuschen.
Chris warf Dakota einen Blick zu. Der schien sich zu amüsieren, war aber offenbar auch ein wenig verdutzt. Er bemerkte ihren Blick und grinste sie an, so offen wie ein kleiner Junge. Und das war doppelt so attraktiv wie sein allseits bekanntes Lächeln.
Ihr Herz fing zu rasen an, und ohne groß nachzudenken, grinste sie zurück. Sofort wurde sein Blick glasig und richtete sich auf ihren Mund.
Spontan presste sie die Lippen zusammen.
Zach berührte sie am Arm. »Darf ich Ihnen meine Tochter Christy vorstellen?«
Mühsam öffnete Chris den Mund. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mrs Rain.«
»Bitte nennen Sie mich Verna.« Ihr Händedruck war kräftig, auch wenn sich ihre Finger wie Reisig anfühlten.
»Was für ein hübscher Name. Den höre ich zum ersten Mal.«
»Ach, in Los Angeles gibt es bestimmt nicht mehr viele Vernas, aber in Wyoming leben noch ein paar.« Sie legte Dakota eine Hand auf die Manschette. »Erinnerst du dich an Verna Presky? In der sechsten Klasse warst du schwer verknallt in sie. Sie hat dir allerdings die kalte Schulter gezeigt.«
Zach lachte laut. »Ich wette, das ist Ihnen in letzter Zeit nicht mehr passiert.«
»Sie würden sich wundern«, erwiderte Dakota ironisch.
Chris spürte seinen Blick auf sich und sah kurz zu ihm hin.
Und Verna ertappte sie auf frischer Tat. »Christy, sind Sie verheiratet?«, fragte sie lächelnd.
»Äh … nein.« In Chris’ Welt waren die Beispiele für gute Ehen dünn gesät. Mögliche Ehekandidaten ebenso.
Verna tätschelte ihr das Handgelenk. »Keine Bange. Irgendwann kommt der Richtige. Vielleicht schneller, als Sie glauben.« Sie schaute ihren Sohn an. »Ich habe deinen Vater auf einer Hochzeit kennengelernt, wusstest du das?«
»Ja, Ma. Hundert Leute, und eure Blicke trafen sich quer durch den Saal.«
»Genauso war es.« Verna wandte sich wieder an Chris. »Es war die Hochzeit meiner Großcousine Noreen. Ich war sechzehn und trug ein geblümtes Musselinkleid, das ich mir extra geschneidert hatte. Etwas so Enganliegendes hatte ich noch nie angehabt.«
Sie strich sich über die Hüfte. »Ich hatte gerade angefangen, meine Rundungen zu kriegen, und das Kleid hat die Blicke aller Jungs angezogen. Sie haben sich um mich gedrängt, wie Jungs halt sind, aber ich kannte sie alle von der Schule und fand sie nicht weiter interessant. Dann kam Roy hereinspaziert.« Ihre Augen funkelten. »Er war älter und nicht aus unserer Stadt. Wir hatten uns noch nie gesehen, aber ein Blick, und schon waren wir unterwegs zum Pfarrer.«
Sie senkte die Stimme. »Damals gab es keinen Sex vor der Ehe, deshalb hatten wir es eilig. So gut hat Roy ausgesehen.«
Dakota zuckte zurück wie unter einem Schock. »He, Moment mal, soll das heißen, ihr zwei hattet Sex?«
»Ach, so ein-, zweimal. Aber obwohl wir für reichlich Gelegenheit gesorgt haben, war es Gottes Wille, uns keine Kinder zu schenken, bis schließlich dein Bruder und du daherkamt.« Sie tätschelte ihm die Wange. »Und die Moral von der Geschichte: Sei vorsichtig, was du dir wünschst.«
Dakota küsste ihr die schmale Hand. »Die Wege des Herrn sind unergründlich.«
»Da hast du recht, mein Junge.« Sie lächelte ihn voller Liebe an. »Jetzt haben wir die Leute hier aber genug belästigt. Bring mich wieder zu deinem Vater.«
»Dein Wunsch ist mir Befehl.«
Chris schaute den beiden nach, dem breitschultrigen Mann im maßgeschneiderten Smoking und der kleinen Frau im Kleid von der Stange.
Zach stieß sie an. »Ein Junge, der seine Mutter liebt, kann nicht ganz schlecht sein.«
»Ich habe nicht behauptet, dass er schlecht ist, sondern dass er nicht allzu viel im Kopf hat.«
Aber sie musste es zugeben: Es war schwer, einen Mann nicht zu mögen, der seine Mutter wie eine Königin behandelte.
Noch schwerer würde es sein, die Beziehung der beiden für den Sentinel auszuschlachten.
Kota lächelte das Möchtegernstarlet an, das hinter dem Tresen als Barkeeperin arbeitete. »Einen Johnnie Walker, bitte.«
»Red, Black, Blue oder Platinum, Mr Rain?« Sie spitzte die erdbeerroten Lippen und schmachtete ihn aus lupinenblauen Augen an.
»Red, Süße. Ich bin nicht anspruchsvoll.« Da sie es sicher von ihm erwartete, schaute er auf ihre Brüste, die aus einem viel zu kleinen Wams hervorquollen, und zwar lange genug, um klarzustellen, wie erfreulich er den Anblick fand. Dann sah er ihr wehmütig lächelnd ins Gesicht, wie um zu sagen: Zu schade, dass ich heute Abend schon was vorhabe.
Eine spontane Geste, die sie zufriedenstellte. Als sie ihm den Drink reichte, fühlten sich alle prima.
Er spazierte durch den Raum, nippte an seinem Whiskey, plauderte mit den Gästen und verstreute Komplimente wie Konfetti. Ab und zu flirtete er ein bisschen. Doch er fühlte sich ruhelos. Unzufrieden.
Nach wenigen Schlückchen stellte er das Glas auf ein Tablett. Er wollte keinen Whiskey.
Er wollte hinter die Bühne.
Aber einer Frau hinterherzuhecheln war nicht sein Stil. Also schlenderte er in die entgegengesetzte Richtung, zum Tisch seiner Eltern.
Sein Vater war sichtlich pikiert. »Du bist doch bestimmt um Zach herumscharwenzelt«, sagte er gerade zu Verna, die immer noch kräftigen Arme vor der Brust verschränkt.
»Und wie sie scharwenzelt ist«, bestätigte Kota lässig, um ihn noch ein bisschen anzustacheln. Sechzig Jahre verheiratet, und Pops wurde immer noch eifersüchtig. So viel Glück müsste man haben.
Kota drehte einen Stuhl herum und setzte sich rittlings darauf. Ma schlug ihm auf den Arm, eine Feder, die über einen Ast strich. »Sei du lieber still. Du hast dich schließlich in Christy vergafft.«
»Vergafft? Gibt es das Wort überhaupt?«
»Spiel hier nicht den Trottel, Herr Jahrgangsbester. Höchste Zeit, dass dir ein Mädchen den Kopf verdreht. Geh mit ihr aus.«
Er gab ein unflätiges Geräusch von sich, was ihm einen weiteren Schlag einbrachte. Kota spürte ihn kaum, sagte aber trotzdem »Aua«, damit sie zufrieden war.
»Hör auf, ihn unter die Haube bringen zu wollen«, knurrte sein Vater. »Er soll sich erst die Hörner abstoßen.«
Jetzt war es an Ma, ein unflätiges Geräusch von sich zu geben. »Die Hörner hat er sich schon reichlich abgestoßen …«
»Der hat doch nicht mal mehr Stumpen«, unterbrach Tana, der gerade rechtzeitig kam, um seinen Senf dazuzugeben.
Er setzte sich ebenfalls rittlings auf einen Stuhl und schlug Kota auf den Rücken. Das war zu spüren. Kota verzog das Gesicht, und sein Bruder lachte.
»Ich habe eben gesagt«, fuhr Ma unbeeindruckt fort, »dass dein Bruder Zachs Tochter ausführen sollte.«
Tana grinste süffisant. »So ungern ich das sage, Ma, normalerweise läuft es andersrum. Die Damen stellen Kota nach.«
»Diese nicht«, prophezeite Ma. »Die hat Klasse. Rundum.«
»In dem Fall geht sie eh nicht mit ihm aus«, spottete Tana.
Auf so etwas hatte Kota nur gewartet.
Theatralisch seufzend stand er auf.
»Wo willst du hin?«, fragte Tana.
»Christy Gray anbaggern, was sonst? Vorher gibt Ma ja doch keinen Frieden.«
»Na endlich.« Ma war zufrieden. »Musik in meinen Ohren.«
Diesmal gab Pops unflätige Geräusche von sich.
Kota entdeckte Christy hinter der Bühne, wo sie gerade auf einem zerknitterten Umschlag herumkritzelte.
»Hi«, begrüßte er sie.
Sie machte vor Schreck einen Satz.
Sofort hob er beschwichtigend die Hände. »Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
Sie zerknüllte den Umschlag. »Wenn Sie Dad suchen – der ist in der Garderobe.« Sie zeigte in die entsprechende Richtung und ging dann auf ihre eigene Garderobe zu.
Kota folgte ihr und schlängelte sich zwischen den Bandmitgliedern und Roadies hindurch, die vor den provisorischen Umkleideräumen herumlungerten. »Eigentlich habe ich Sie gesucht. Sie haben auf Ma ziemlich Eindruck gemacht.«
»Eine außergewöhnliche Frau«, sagte sie über die Schulter hinweg.
»Ich soll mit Ihnen ausgehen.«
Christy blieb vor der Garderobe stehen. Die Plane, die als Tür diente, war geschlossen, und Christy machte keine Anstalten, sie aufzuklappen.
Stattdessen schaute sie ihn spöttisch an. »Sucht Ihre Mutter immer die Frauen für Sie aus?«
»Normalerweise nicht, aber die Hochzeit hat ihr irgendwie das Hirn vernebelt.« Er ließ den Zeigefinger an der Schläfe kreisen. »Ich denke, wir sollten der sentimentalen alten Dame diesen Gefallen tun.«
Christy lachte. Leise, sinnlich und so weich, dass man sich nackt darin hätte wälzen mögen.
»Ich meine es ernst«, sagte er. »Sie kann jede Sekunde überschnappen.«
Wieder dieses sinnliche Lachen. Er hakte einen Finger in seinen Kragen, denn der schien ebenso schnell zu schrumpfen wie seine Unterwäsche.
»Sie wird es schon überleben.« Und dann tat Christy das Undenkbare: Sie hob die Plane an und ließ ihn stehen.
Ein beispielloser Vorfall. So was kam in keinem Drehbuch vor.
Also musste er improvisieren. Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und schlüpfte mit ihr in den Umkleideraum.
Ziemlich beengt, gemessen an den Verhältnissen, die man als Filmstar gewohnt war. Mit einem Blick hatte er alles erfasst. Ausgeblichene Jeans und ein rosa T-Shirt auf einem Stuhl, Flipflops darunter. Auf dem Schminktisch eine alte Stofftasche, aus der preiswerte Kosmetika quollen.
Abseits der Bühne war Christy offenbar keine Diva.
»Dann sind Sie also schon verbandelt.« Er plauderte einfach weiter, als hätte er sich nicht soeben sehr unhöflich aufgedrängt.
»Nein, ich bin nicht verbandelt.« Leicht gereizter Tonfall.
»In einen verheirateten Mann verliebt? Keuschheitsgelübde abgelegt?«
Sie lächelte ein wenig boshaft. »Ich weiß, eigentlich lautet der Spruch ›Es liegt nicht an dir, sondern an mir‹. Aber in diesem Fall liegt es nicht an mir. Sondern an Ihnen.«
»Autsch.« Er rieb sich die Brust, als hätte sie ihn geschlagen.
»Tut mir leid, aber ich habe eine Promi-Allergie.«
»Warum? Wir sind auch nur Menschen.«
»Und die Vogelgrippe ist auch nur ein Virus.«
»Und wenn ich jetzt keine Berühmtheit wäre?«
»Sondern?«
»Tierarzt.« Er platzte einfach damit heraus.
»Dafür braucht man Verstand«, sagte sie, als hätte er keinen.
Er kratzte sich am Kopf wie ein Einfaltspinsel. »Da komme ich nicht mehr mit.«
Sie lachte erneut. Allmählich machte ihn das fertig.
Er setzte alles auf eine Karte. »Hören Sie, Ma lässt mir bestimmt keine Ruhe, bis Sie versprechen, mit mir auszugehen. Und wenn es nur aus Mitleid ist. Das stört mich nicht. Hauptsache, sie glaubt, Sie meinen es ernst.« Er schenkte ihr sein Jetzt-kommen-Sie-schon-Lächeln. »Bitte machen Sie die alte Dame glücklich und gehen Sie mit ihrem flatterhaften Sohn aus.«
»Aber ich …«
»Kommen Sie wenigstens mit zur Party. Lassen Sie Ma einen Blick auf Sie werfen, ehe sie und Pops ins Bett wackeln. Das wäre zwar kein richtiges Date, aber immerhin etwas in der Richtung.«
Er lächelte wieder. Einen Moment lang schien sie in Versuchung – fast als würde er sie derart anmachen, dass sich ihre durchaus vernünftige Aversion gegen Promis plötzlich idiotisch anfühlte.
Man durfte ja wohl noch hoffen.
Doch dann, ganz langsam, wie in einer dieser Zeitlupensequenzen, bei denen das Blutvergießen endlos in die Länge gezogen wurde, um auf der Leinwand die maximale Wirkung zu erzielen, schüttelte … sie … den … Kopf …
Und wie auf Bestellung rief in dem Moment Zach: »Klopf, klopf«, und schaute herein. Als er Kota bemerkte, sagte er: »He, Mann, das wird ja eine Wahnsinnsparty nachher.«
»Sie kommen doch, oder?«
»Was glauben Sie denn!«
Kota verkniff sich das Grinsen. Manchmal, wenn gerade alles richtig scheiße lief, erblühte auf dem Misthaufen plötzlich eine rote Rose.
Christy fuhr dazwischen. »Dad, willst du da wirklich hin?«
»Ja, will ich.« Er stupste ihr gegen das Kinn. »Mach dir nicht so viele Sorgen, Süße. In zehn Minuten sind wir dran.«