Theater der Selektion - Florian Evers - E-Book

Theater der Selektion E-Book

Florian Evers

0,0

Beschreibung

Das Assessment Center ist in vielen Unternehmen gängiges Instrument zur Personalauswahl und -entwicklung, mit ihm wird darüber entschieden, wer einen Arbeitsplatz erhält – oder auch behält – und damit Zugang zur privilegierten Teilhabe an unserem gegenwärtigen neoliberalen Gesellschaftsmodell hat. Florian Evers legt in seiner Studie erstmals dar, inwieweit diese Prozesse aus dem Unternehmensalltag Spielformen des Applied Theatre darstellen. Er beschreibt das Assessment Center als ein gesellschaftlich wirksames Scharnier zwischen Theater und Theatralität des Alltags. Selbst- undWeltverhältnis werden hier zum Gegenstand eines ernsten Spiels, das in soziale wie ökonomische Strukturen interveniert.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 650

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gedruckt mit Unterstützung der Richard Stury Stiftung.

The research leading to these results has received funding from the European Research Council under the European Union’s Seventh Framework Programme (FP7/2007-2013)/ERC grant agreement n° 295759.

Diese Arbeit wurde als Dissertation (D188) am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin eingereicht, im Mai 2018 verteidigt und mit dem Gesamturteil summa cum laude bewertet.

Florian Evers

Theater der Selektion

Personalauswahl im Unternehmen als ernstes Spiel

Recherchen 139

© 2018 by Theater der Zeit

Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechts-Gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

Verlag Theater der Zeit

Verlagsleiter Harald Müller

Winsstraße 72 | 10405 Berlin | Germany

www.theaterderzeit.de

Bearbeitung des Manuskripts: Gerke Schlickmann

Gestaltung: Bild1Druck GmbH

Umschlaggestaltung: Kerstin Bigalke

Printed in Germany

ISBN 978-3-95749-156-5eISBN 978-3-95749-205-0

Florian Evers

THEATER DER SELEKTION

Personalauswahl im Unternehmen als ernstes Spiel

In liebevoller Erinnerung an:

Fritz Evers

(14. November 1932 – 21. Dezember 2017)

Ellen Döhring

(28. September 1926 – 21. Januar 2017)

Michael Evers

(17. Februar 1956 – 27. Oktober 2016)

EINLEITUNG

1 Vier Szenen

2 Theater der Selektion

3 Forschungsrahmen

ASSESSMENT CENTER UND APPLIED THEATRE

1 Personalauswahl als theatrale Prozesse

2 Assessment Center avant la lettre

3 Applied Theatre

4 Theatrale Interventionen und ethische Ambivalenzen

5 Ernste Spiele in Rijswijk

6 Assessment Center: Theater der Persönlichkeitsdarstellung

ERNSTE SPIELE

1 Spieleinführung

2 Spielbegriffe

3 Spielästhetiken

4 Agon, Mehrwert und die Korruption der Spiele

5 Mise-en-abyme

THEATRALE DISPOSITIVE

1 Jenseits der Aufführungsanalyse

2 Der Dispositivbegriff

3 Theater und Dispositiv

4 Der „zynische Darsteller“

5 Spuren des Makrodispositivs

RESÜMEE

1 Ausblick

2 Ergebnisse

3 Maschinensturm?

ANHANG

EINLEITUNG

Eigentlich spielen wir hier alle Theater – die ganze Zeit!1

O. L., Human Resource Manager eines DAX-gelisteten, multinationalen Konzerns im Interview über seinen Arbeitsalltag

Nein, das ist kein Theater. Ich definiere Theater als Unterhaltung – ob es nun Komödie oder Tragödie ist – aber es ist Unterhaltung!2

S. C., Seminarschauspieler im Interview über sein Berufsfeld

1 Vier Szenen

Rijswijk, Niederlande, 2. Juli 2014

In einem Development-Center-Prozess für Verkäufer eines großen deutschen Automobilherstellers spielt ein Mitarbeiter um seine berufliche Zukunft. Mehr noch, er spielt sich selbst. Oder er spielt denjenigen, der er gerne wäre. Vielleicht aber auch spielt er das vor, von dem er annimmt, dass es sozial erwünscht sei, spielt den Menschen, von dem andere fordern, dass er dieser zu sein hat, um eine berufliche Zukunft zu haben. All dies oder auch Mischformen dieses Konzepts seiner Außenwirkung laufen hier unter dem Label ‚Authentizität‘. Der Mitarbeiter wurde aufgefordert, so authentisch wie möglich zu sein. Er berät den Schauspieler, der seinen kaufkräftigen Kunden spielt, so versiert und freundlich wie möglich. Er spielt improvisiert in einer vorab konzipierten Theaterszene, spielt aber gewissermaßen auch um Punkte. Das Spiel weist als Spiel aus, dass er hier nicht wirklich einen Wagen verkaufen wird. Der Ernst des Spiels ist, dass sein Verhalten von drei machtvollen Blicken beobachtet, eingeschätzt und auf seine Arbeitsrealität zurückgebunden wird.

Kiel, Deutschland, 16. Februar 2015

Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Dr. med. S. H., leitet mit zwei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis in einer Kleinstadt in Norddeutschland. Seinen Arbeitstag bestimmen gewöhnlich der Praxisalltag, Hausbesuche, Bereitschaftsdienst und gelegentlich auch Fortbildungen. Heute fungiert er als Prüfer für seine angehenden Fachkollegen, Studierende der Medizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Standort Kiel, und wird damit zum Spielleiter einer theatralen Konstellation.

Vor sechs Jahren wurde am UKSH-Kiel die sogenannte objective structured clinical examination für Studierende des zweiten Studienabschnitts implementiert. Sie stellt dabei eine Teilprüfung dar, um den Leistungsschein für das Fach Allgemeinmedizin an der Universität Kiel zu erhalten, und ist obligatorisch für den erfolgreichen Studienabschluss. Ausgesprochenes Ziel ist es, diesen klinischen Abschnitt möglichst realitätsnah zu prüfen, der Vorteil gegenüber einer Prüfung auf Papier sei dabei nicht zuletzt auch die Übung in ‚gesellschaftlichen Spielregeln‘ des Arzt-Patienten-Verhältnisses.3

Die Prüfung, die Dr. S. H. abnehmen wird, findet in Räumlichkeiten des Hauses der Lehre auf dem Campus des UKSH statt. Im Raum anwesend sind der Prüfer, der Prüfling und ein Laienschauspieler, der vorab genauestens über seine fiktive Vita und seine Symptome informiert wurde. Die Haltung des angehenden Arztes gegenüber dem Patienten, seine Art der Fragestellung, seine Diagnostik anhand der geschilderten wie gespielten Symptome und seine Therapievorschläge werden von Dr. S. H. mit einer Liste abgeglichen und in Prüfungspunkte übersetzt.

Innerhalb der zwanzigminütigen Prüfung zeigt der Prüfling eine Unsicherheit und wendet sich über die Schulter hinweg fragend an den Prüfer. Dr. S. H. verweist ihn darauf, dass die Fiktion der Theaterszene aufrechterhalten werden muss: Um ein Doktor zu werden, muss man einen Doktor spielen können.

„Frankfurt, Deutschland“, 3. Oktober 2014

An einem Check-in-Schalter der Lufthansa wird ein Fluggast ausfallend. Der Mann mittleren Alters im schwarzen Sakko erhebt die Stimme und schlägt, um seiner Frustration Ausdruck zu verleihen, mit der flachen Hand auf den Servicedesk. Der Servicemitarbeiter des Bodenpersonals versucht alles, um die Situation zu deeskalieren – allein, er kann nicht zaubern, denn der Flug nach New York, den der Fluggast gebucht hat, ist überbelegt worden und er befindet sich in der unangenehmen Situation, seine Firma, die für diesen Umstand verantwortlich ist, zu repräsentieren und dieses Problem lösen zu müssen. Jedoch ist er hier zugleich lediglich jener sprichwörtliche, unglückliche ‚Überbringer der Botschaft‘, der den gesamten Frust des Fluggastes abbekommt, obgleich er persönlich ihm den Sitzplatz weder durch ein Versäumnis seinerseits geschweige denn aus Böswilligkeit genommen hat. „Wissen Sie, was das für mich bedeutet?“, brüllt ihn der Kunde an – er werde ein entscheidendes Casting in New York verpassen, wenn keine Lösung gefunden wird.

Letztendlich bedeutet es aber nichts für den Mann im Sakko, denn dies ist kein Check-in-Schalter am Flughafen Frankfurt, es ist ein provisorischer Beistelltisch in einem Assessment-Center-Verfahren für Bodenpersonal der Airline im Lufthansa Flight Training Center in Berlin und nur der Servicemitarbeiter vollzieht hier Handlungen von Bedeutung über die Spielebene hinaus, denn er wird hier in seiner Kompetenz, Stressresistenz und Empathiefähigkeit im Arbeitsalltag eingeschätzt.

Allein, auch das stimmt nicht, da dieses Spiel zwei Spielebenen hat. Diese Szene entfaltet sich weder in Frankfurt noch in Berlin, sondern in einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen und dies ist ein Casting für Schauspielerinnen, die sich bei einem Anbieter für Unternehmenstheater auf eine Ausbildung als Seminarschauspielerinnen bewerben: ein Assessment-Center-Verfahren für Schauspielerinnen im Assessment-Center-Verfahren. Der Bewerber auf diese Stelle ist ein Schauspieler, der sich als Schauspieler bewirbt und dazu mit Unterstützung eines Schauspielers einen Schauspieler spielen muss, der einen Schauspieler spielt: eine mise-en-abyme der Spiele.

Berlin, Deutschland, 25. Februar 2016

Die Performerinnengruppe Talking Straight führt im Studio Я des Maxim Gorki Theater in Berlin das ‚kapitalistische Lehrstück‘ Entertainment auf. Vor Beginn der Aufführung werden an die Zuschauerinnen Kopfhörer, ein Bewertungsbogen auf einem Klemmbrett und ein Stift ausgeteilt. Das Hören, das Verstehen, das Bewerten und Erlernen werden in den folgenden zwei Stunden eine wichtige Rolle einnehmen.

Die Zuschauerinnen verfolgen die sechs Performerinnen auf der Bühne bei einem fiktiven Development-Center-Verfahren, bei dem Mitarbeiterinnen einer nicht näher benannten Firma unter Anleitung eines Coachs verschiedene theatrale und spielerische Trainingsmodule durchlaufen: die ‚Reise nach Jerusalem‘, ein kommunikationsförderndes Ballspiel, eine chorische Übung, Anleitungen für power napping, das Finden der eigenen Energielinien im Körper usw. Offenbar ist die Zuschauerin aufgefordert, durch den Bewertungsbogen, auf dem die Namen der Teilnehmerinnen des fiktiven Seminars auf der Bühne tabellarisch aufgelistet sind, diese in den einzelnen Modulen zu bewerten. Erschwerend kommt hinzu, dass das Dokument in einer nur teilweise verständlichen Kunstsprache gehalten ist.

Die Komik liegt in der Aufführung dicht am Schmerz, denn aus der Außenperspektive wird klar, wie nah der überzogene, irgendwo zwischen Stress, Paranoia, Verzweiflung und fiebrigem Simulakrum liegende Gestus der parodistischen Modulübungen sich an den tatsächlichen Workshops von Unternehmenstheateranbietern und Kommunikationstrainern orientiert.

Kernelement dieses ‚kapitalistischen Lehrstücks‘ von Talking Straight aber ist die Sprache, denn auch der komplette Ablauf des fiktiven Development-Center-Prozesses ist in einer für die Performance entwickelten Kunstsprache gehalten, in der sich die Schauspielerinnen wie selbstverständlich bewegen. Die Kopfhörer für die Zuschauerinnen dienen dazu, die feinen Nuancierungen und den intersozialen Ton dieser fiktiven Fortbildung sprachlich genau erfahrbar zu machen, denn er ermöglicht den mit Mikrofonen ausgestatteten Schauspielerinnen, nicht für den ganzen Raum sprechen zu müssen. Der Bewertungsbogen gibt ebenfalls Aufschluss über das fremde Vokabular: Einige Wörter sind dem Deutschen so sehr ähnlich, wie es im Niederländischen oder in den skandinavischen Sprachen der Fall ist, zudem fallen zahlreiche Anglizismen der Businesssprache ins Auge, deren Gebrauch sich auch auffällig auf der Bühne häuft – „Supervisionshoggen“, „Performsqualifise“, „Dinenchallenge“, „Evaluazion“. Auf diesem Bogen sollen die Leistungen der Teilnehmerinnen der Fortbildung bei den einzelnen Übungen bewertet werden.

Die Zuschauerinnen bekommen von Talking Straight durch den Bewertungsbogen Handlungsmacht suggeriert. Doch hat sich dabei unmerklich das Dispositiv auf sie zurück gerichtet4: Die Bewertung am Ende des Stückes bleibt aus und ist irrelevant. Weder küren die Zuschauerinnen eine Schauspielerin am Ende des Abends zur Gewinnerin noch werden ihre Bewertungen in irgendeiner Weise ausgezählt.

Dreh- und Angelpunkt des ‚Lehrstücks‘ ist, dass gerade durch die universal gebrauchten Worthülsen der Business-Neologismen die Zuschauerin sich im Verlauf der Aufführung immer mehr in die erfundene Sprache einfinden kann und so nach der anfänglichen Irritation ein Verstehen einsetzt, das die ideologische Gleichschaltung des Habitus in der neoliberalen Business-Kultur der westlichen Industrienationen unter den Bannern von rhetorischen buzzwords wie Selbstoptimierung, Kreativität, Flexibilität oder Team- und Kommunikationsfähigkeit unterstreicht wie persifliert – eine Kultur, in der leistungssteigernder Druck durch Fortbildungsseminare mit dem Charme eines New-Age-Selbstfindungskurses aufrecht erhalten wird.

Was eint, was trennt diese Beispiele, die stellvertretend, aber nicht alle Facetten abdeckend, den ersten Eindruck einer hier zu beschreibenden Theaterform geben sollen? Eine Szene gelangt zur Aufführung, im vierten Beispiel im Setting des Kunsttheaters, doch auch die Prüfung im Universitätsklinikum, der Mitarbeiter im Potentialanalyseverfahren und der Bewerber im Assessment-Center-Prozess stehen auf einer ‚Bühne‘ und spielen vor Zuschauerinnen eine Rolle. Nur weil diese Beispiele sich statt durch Guckkastenarrangement, zahlendes Publikum und die Kunstsphäre des Staatstheaters durch eine absolute Zweckgerichtetheit, Abschottung, ja, fast möchte man sagen, Geheimhaltung auszeichnen, verlieren sie nicht ihren theatralen Charakter. Die Assessment-Center-Verfahren der ersten drei Beispiele sind spezielle Formen von Theater und gehören, so wird im Folgenden dargelegt werden, zum Korpus des Applied Theatre. Sollen sie im Verlauf dieser Studie zunächst der Applied-Theatre-Ausrichtung des Unternehmenstheaters zugerechnet werden, weisen sie zugleich auch eine Verwandtschaft zur theaternahen Therapie und anderen Formen dieses Feldes auf, die Fragen bezüglich der Ästhetik wie der Ethik des angewandten Theaters an sich aufwirft.

Das Spiel, immer auch ein verwandter Terminus des Theaters, erscheint weiterhin von besonderer Bedeutung in den vier unterschiedlichen, performativen Formen. Im ersten Beispiel spielt die Bewerberin sich selbst, spielt gleichzeitig um Punkte wie um großen Einsatz: die berufliche Zukunft; im zweiten Beispiel spielt ein Studierender den Beruf, den er anstrebt, um ihm mit bestandener Prüfungssituation näher zu kommen; das dritte Beispiel verflicht die Spielebenen und die Situation des Schauspielers, der sich im Spiel für eine Ausbildung qualifizieren und gegen Mitbewerberinnen durchsetzen will, zu einem durch die Sprache nur noch schwer entwirrbaren Konstrukt; das vierte Beispiel zeigt ebenfalls Spielende, die Spielende spielen, und manipuliert subtil die Haltung des Publikums zum Schauspiel durch den ausgeteilten Bewertungsbogen.

Bewertungen gehen wohl mit den meisten Theatersituationen einher, sei es der Grad des Applauses, sei es die veröffentlichte Kritik, sei es das stets ausverkaufte Haus oder der private Austausch der Beteiligten um Gefallen oder Missfallen untereinander. Das Theater der ersten drei Beispiele jedoch kennt keinen Applaus, kennt keine Zeitungskritik, kein ausverkauftes Haus oder kunstästhetisches Urteil und verläuft unter strengen Datenschutzauflagen. Dennoch ist die Bewertung der Performance das Kernstück dieser Theaterszenen der Selektion durch „agonales“5 Spiel, in dem ein binäres System von Gefallen/Missfallen – wie es etwa Applaus oder sein Ausbleiben ausdrücken würde – vollkommen unterkomplex wäre. Und so halten mit dem Spielbegriff (im Sinne des englischen game in Abgrenzung zu play) die Messbarkeit, die Wertungsnoten und die gedrosselte Kontingenz des Theatralen in diese Theaterformen Einzug. Der Spielbegriff wirft neben der Kategorie des agonalen Wettstreits aber zugleich auch Fragen auf, die die „Konsequenzverminderung“6, die Machtasymmetrien und das Oszillieren zwischen verschiedenen Spielebenen und dem Konstrukt, das man zunächst heuristisch als ‚Realität‘ vom Spiel abgrenzen möchte, betreffen. Offenbar scheint es sich hier um Spiele mit brüchigen Rahmen – um Ernste Spiele – zu handeln, eine zunächst vielleicht widersprüchlich erscheinende Umschreibung, die in den Fokus der Analyse gestellt werden soll.

So geht mit dem Begriff des Spiels in diesen Beispielen die Frage einher, welches Konzept ihm gegenübersteht – die Realität, die Wirklichkeit, der Ernst oder einfach Nicht-Spiel? Die Frage betrifft nicht nur die mit geringem ästhetischen Aufwand vermittelte Teilfiktionalisierung der exponierten Zeit und des hervorgehobenen Raums dieser Theaterszenen der Prüfungen und Personalauswahlverfahren. Sie lässt sich auch auf die Persönlichkeit der Spielenden ausdehnen. Die in den beschriebenen Prozessen fallenden Begriffe wie ‚Natürlichkeit‘ oder ‚Authentizität‘ – die Forderung, ‚einfach man selbst zu sein‘, und vice versa der Umstand, dass der Schauspieler, wie noch aufgezeigt werden soll, in einigen Bereichen der modernen Unternehmensphilosophien zum Experten wie Rollenmodell erhoben wird, werfen Fragen über Spiel und Subjektivierung wie über das Theater als Mittel zur „Subjektivation“7 auf.

Nicht zuletzt sind die Theaterformen der ersten drei Beispiele, deren Parodie das vierte ist, komplexe Anordnungen, die auf die Formbarkeit von Gebaren, Kommunikationsfähigkeit und Haltung gegenüber der Arbeit abzielen, um eine Gemeinschaft von Mitarbeiterinnen oder im dritten Fall Studierenden zu bilden und auch zu verändern. Eine heterogene Struktur aus Anordnungen, Dienstleistungen, Wissensgenerierung, Ratgebern, Architektur, Psychologen und Firmenphilosophien richtet sich auf einen theatralen Subjektivierungsprozess aus. Auch hier scheint die Verwandtschaft zum Applied Theatre durch. Dieser Dispositivcharakter8 hinter den eingangs beschriebenen Theaterformen verlangt nach einer eigenen Form der Aufführungsanalyse, die die scheinbar freien und spontanen Emergenzen dieser improvisierten Spiele vor dem Hintergrund der unsichtbaren, reglementierenden Machtgeflechte analysiert, in die sie eingebunden sind.

2 Theater der Selektion

Assessment Center und Theater

Die vorliegende Studie, Theater der Selektion – Personalauswahl im Unternehmen als ernstes Spiel, stellt zunächst eine simple These auf: Einige – nicht alle – Module von erweiterten Personalauswahlverfahren können als Theater bezeichnet werden. Geschenkt, mag die Wissenschaftlerin mit einem Wissen um Theatralitätsphänomene und das Konzept der cultural performance antworten. Wenn Festkultur, Marktschreier oder Aktionärsversammlungen unter einem erweiterten Begriff von Theater, einer anthropologisch-soziologisch eingefärbten Theatermetapher oder zumindest unter dem Aufführungsbegriff ihren Platz im Diskurs der Disziplin der Theaterwissenschaft finden, so wird kaum ein Innovationsgrad darin liegen, nun auch die Rollenspiele innerhalb erweiterter Personalauswahlverfahren hier zu verorten. Doch der Teufel steckt im Detail. Aktuelle Assessment-Center-Verfahren sowie speziell das Seminarschauspiel in diesen Kontexten werden in dieser Studie erstmals ausführlich im theaterwissenschaftlichen Diskurs verortet und als Applied Theatre ausgewiesen. Aus der zunächst einfach und schnell zu belegenden Ausgangshypothese, Assessment Center seien eben auch theatrale Veranstaltungen, ergibt sich somit bei genauerer Betrachtung eine wesentlich komplexere These: Die Rollenspielmodule dieser Personalauswahlverfahren sind dem Korpus des Applied Theatre, genauer gesagt dem Applied-Theatre-Sektor des Unternehmenstheaters, zuzurechnen. Diese Perspektive erlaubt es nicht nur, theatrale Assessment- und Development-Center-Prozesse erstmalig unter Fragestellungen von Ästhetik zu betrachten, sondern zugleich auch, den Diskurs um Ethik und Politiken des Applied Theatre zu erweitern. Applied Theatre – in erster Linie ein Theater, das sich Menschen zuwendet, um zu helfen, ein therapeutisches, pädagogisches, liberalisierendes Theater – steht als Dispositiv an einer funktionalen Scharnierstelle zwischen Theatralität und Theater in einem System neoliberaler „Selbsttechnologien“ und „Herrschaftstechniken“9: Theater hat demzufolge offenbar einen Anteil daran, in Gesellschaften privilegierte Teilhabe von prekärer zu scheiden. Unter dieser These fragt die vorliegende Arbeit nach der Ethik, Ästhetik und Politik eines Theaters der Selektion.

Neben der Einordnung des Assessment Centers in den Korpus von Applied Theatre stellt insbesondere die Methode zur Untersuchung dieses systemischen Geflechts aus Ästhetik, Ethik und Politik einen zusätzlichen Innovationsgrad dieser Studie dar. Die Untersuchungsmethode, deren Entwicklung sich über drei Kapitel dieses Buchs erstreckt, verbindet dabei Diskursanalyse, theaterhistoriographisches Arbeiten und eine empirische Methode, die über verschiedene Ansätze theaterwissenschaftlicher Aufführungsanalyse hinausgeht und eine gewisse Verwandtschaft zur ethnologischen Feldforschung wie zum ethnographischen Schreiben birgt: Aufführungsanalyse wird hier mit der empirischen Analyse der Prozessbegleitung, mit qualitativen Interviews, aber auch mit Diskursanalyse der Ratgeberliteratur und der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit erweiterten Personalauswahlverfahren ins Verhältnis gesetzt und mit Fragen nach Macht in Subjektivierungsprozessen verbunden. Die hier vorgeschlagene und im Verlauf dieser Studie dargelegte Methode ist eine Dispositivanalyse unter theaterwissenschaftlichen Vorzeichen. Selbstverständlich kontextualisiert theaterhistoriographisches Arbeiten seinen Gegenstand immer auch in einem gesellschaftlichen wie politischen Umfeld und natürlich bleiben verschiedenste Methoden aufführungsanalytischer Beobachtung nicht nur einfach dabei stehen zu beschreiben, was sich, kurz gefasst, zwischen dem Öffnen und dem Schließen eines Vorhangs abspielt. Die hier entwickelte Methode jedoch ist explizit ein neuartiger analytischer Versuch, eine Form von Theater in ihrer Wirkmacht von der Selbsttechnologie bis zur Herrschaftstechnik zu konturieren.

Selektion

Der titelstiftende Begriff des ‚Theaters der Selektion‘ rahmt keinesfalls leichtfertig diese Arbeit mit einem so ambivalenten und je nach Kontextualisierung in seiner Tragweite durchaus heiklen Terminus. Er ließe sich zunächst recht profan aus dem Werktitel der allerersten Publikation über moderne Assessment-Center-Verfahren im Kontext des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes Assessment of Men – Selection of Personnel for the Office of Strategic Services herleiten.10 Der Terminus ,selection‘, der zunächst einfach mit dem Wort ‚Auswahl‘ ins Deutsche zu übertragen wäre, zieht sich in Umschreibungen als „selection procedure“11, „selection tool“12, „selection device“13 oder „selection technique“14 durch die angloamerikanische Fachliteratur zum Assessment Center.15 Im Deutschen dagegen findet der Begriff der Selektion zunächst im Kontext der Biologie, vornehmlich in evolutionstheoretischen Zusammenhängen, Verwendung,16 während man vom Assessment-Center-Prozess als ,Personalauswahlverfahren‘ spricht. Der Begriff der Selektion, gedacht als eine Auswahl der Kompetentesten aus einem Bewerber- oder Mitarbeiterpool, ist jedoch auch dem deutschen Diskurs innerhalb der Fach- und Ratgeberliteratur um Personalauswahlverfahren keinesfalls fremd und findet sich somit als Terminus biologistischer Prägung durch eine Kontextübertragung dominant in sozioökonomischen Zusammenhängen wieder:

Mit diesem intensiven Testprogramm werden nicht nur Stellenbewerber genauestens unter die Lupe genommen, zunehmend müssen sich auch langjährige Mitarbeiter bei Potenzialanalysen und Selektionen beweisen.17

So kann man es etwa in einem Artikel zu Assessment-Center-Prozessen im Internetauftritt der im deutschsprachigen Raum verbreiteten Hesse/Schrader-Bewerbungsratgeberreihe lesen. Auch andere Ratgeberseiten übersetzen und verwenden den Terminus ,selection‘ nicht mit ,Auswahl‘, sondern mit ,Selektion‘ und legen in den diskursiven Feldern, die sie aufbauen, bisweilen selbst die assoziative Nähe zur biologistischen Verwendung offen:

Durch den Online-Test wird eine Negativselektion der Bewerber vorgenommen, das heißt, es sollen diejenigen Bewerber identifiziert werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nachfolgende Auswahlstufen nicht ,überstehen‘ würden.18

Die ,feinste Selektion‘, das kann im Deutschen assoziativ durchaus positiv mit erlesener Küche, mit der Auswahl des besten Produkts durch kulinarische Experten einhergehen, nichtsdestoweniger greift etwa ein Schweizer Schokoladenhersteller bei einer seiner Produktreihen für Pralinen auf das englische Wort ,selection‘ zurück, um diese Süßwaren im deutschsprachigen Raum zu bewerben: Die ,Selektion‘ als Produktname für eine Pralinenschachtel, die vielleicht mit Liebe verschenkt werden soll, erscheint ebenso befremdlich wie es der Ausdruck ,Mitarbeiterselektion‘ anstatt von Personalauswahl wäre. Das Wort ist im Deutschen eben nicht unbelastet durch seine Verwendung im Kontext der Verbrechen des Dritten Reichs. Fällt der Begriff ,Selektion‘, so eröffnet er auch einen konnotativen Raum zur Rampe von Auschwitz, zur mörderischen Unterteilung von Opfern des deutschen Faschismus in noch Arbeitsfähige und sofort zum Tode Verurteilte.

Es soll deutlich betont werden, dass die Argumentation dieser Arbeit in keiner Weise neoliberale Härte mit einer derartigen Mordmaschinerie auch nur lose verknüpfen möchte. Wohl verweist der Titel und das Schreiben um ein Theater der Selektion aber auf den makabren Umstand, dass der Diskurs der Ratgeber- und Fachliteratur offenbar ohne ein Problembewusstsein auf dieses semantische Feld der natürlichen Auslese und evolutionären Zuchtwahl im Kontext der Personalauswahl zurückkommt. Obschon ,Selektion‘ auch einfach die gehobene Ausdrucksweise für die ,Auswahl‘ darstellt, erscheint der Begriff in sozioökonomischen Zusammenhängen doch auf gewisse Weise belastet und unangebracht, wenn es um die neutrale oder affirmative Beschreibung der Auswahl und Aufteilung der Mitarbeiterinnen in die Kompetenten und die Ungeeigneten geht.

Ohne diese Ambivalenzen in der semantischen Übertragung unbedacht fortschreiben zu wollen, rekurriert der Titel wie der im Folgenden verwendete Begriff des Theaters der Selektion weiterhin auf einen neoliberalismuskritischen Diskurs der Soziologie. Hier kann also die Argumentation der vorliegenden Studie in Bezugnahme auf eine kritische Kultursoziologie einen assoziativen Zwischenschritt zwischen neutraler und pejorativer Verwendung des Terminus aufzeigen. Den theoretischen Überbau für die menschenverachtenden Konnotationen des Selektionsbegriffs lieferten der Sozialdarwinismus und die Eugenik, in deren Diskursen ebenfalls der Selektion eine zentrale Stellung zukommt. Anhand des Beitrags „Menschenökonomie, Humankapital. Eine Kritik der biopolitischen Ökonomie“ von Ulrich Bröckling wird dabei deutlich, dass zum einen aus historischer Perspektive Eugenik und Sozialdarwinismus durchaus in einem gedanklichen Austausch mit Wirtschaftstheoretikern ihrer Zeit standen und Paradigmen um das erhaltenswerte und das überflüssige Leben auch in der Ökonomik ihren Platz hatten.19 Zum anderen zeichnet der Politologe Wolfgang Fach in seiner Diskursanalyse „Staatskörperkultur – ein Traktat über den ‚schlanken Staat‘“ nach, dass solche Paradigmen des Denkens um die Selektion auch wie gespenstische Wiedergänger im rezenten neoliberalen Diskurs als Sprachbilder nachzuweisen sind.20 Der Titel dieser Arbeit verweist somit in kritischer Absicht auf ebendiese Realität konstituierenden Sprachbilder.

Nicht zuletzt führt aber auch der Soziologe Luc Boltanski in seiner neoliberalismuskritischen Schrift Die Vorhölle den Begriff der Selektion an zentraler Stelle ins Feld, wenn er die Scheidung der privilegierten von der prekären Teilhabe in unseren westlichen Gesellschaften als makabre Kantate vorlegt.21

Was diese Auswahlprozesse, die ambivalente Rede von der Selektion und das säkulare ,Gleichnis‘ der Vorhölle mit dem Theater, mit dem Agonalen, dem Wettbewerb im Spiel um das Existenzielle22 verbindet, soll im Folgenden in dieser Studie dargelegt werden.

Assessment Center und Applied Theatre

Der theaterwissenschaftliche Forschungsstand zu aktuellen Praktiken von erweiterten Personalauswahlverfahren ist schnell dargelegt: Die Theaterwissenschaft hat sich dem Assessment Center in seinen gegenwärtigen Formen bisher nicht angenommen. Ausnahmen bilden nur die vor dem Hintergrund der hier vorliegenden Forschungsarbeit verfassten Beiträge zum Seminarschauspiel „Personalauswahlverfahren als intervenierendes Spiel“23 aus dem Jahr 2015 und der 2016 erschienene Beitrag „Forced Participation – Seminarschauspiel in der Personalentwicklung“24, ebenfalls vom Autor dieser Studie in Ko-Autorschaft mit dem Theaterwissenschaftler Fabian Lempa. Aus theaterhistorischer Perspektive jedoch fußt die Auseinandersetzung der hier vorliegenden Arbeit mit modernen Personalauswahlverfahren auf lediglich einem weiteren theaterwissenschaftlichen Beitrag, der Assessment Center unter dem Vorzeichen des Theaters betrachtet: Der Artikel „Spekulative Praktiken. Zur Vorgeschichte des Assessment Centers“25 der Theaterwissenschaftlerin Katja Rothe stellt den einzigen Beitrag der Disziplin dar, der Theater und Personalauswahlverfahren zusammenzudenken sucht. Rothe fokussiert sich dabei auf die Frühgeschichte und Entstehung des Assessment-Center-Verfahrens im Kontext des deutschen und US-amerikanischen Militärs in seinen Wechselbeziehungen zur Persönlichkeitspsychologie und Ökonomik von den 1910er bis in die -50er Jahre. Sie schreibt von den Verfahren als „Theater der Selbstaufführung“26 und fasst ihre theatrale Dimension vornehmlich in Goffman’scher Terminologie einer soziologischen Theatermetapher.

Im Rahmen der theaterwissenschaftlichen Beschäftigung mit Assessment Centern soll hier auch Michael Hüttlers umfassende Studie Unternehmenstheater – Vom Theater der Unterdrückten zum Theater der Unternehmer27 genannt sein. Hüttler widmet sich keinesfalls Assessment-Center-Prozessen, dennoch, so soll im Verlauf der Argumentation des ersten Kapitels gezeigt werden, können die in der hier vorliegenden Studie fokussierten Theaterformen unter dem von ihm ausführlich untersuchten Dachbegriff des Unternehmenstheaters eingeordnet werden. Umgekehrt ließen sich viele der Beispiele Hüttlers für Personalentwicklung durch partizipatorisches Theater als Assessment-Center-Prozesse lesen, wenn man sie um die agonale Dimension eines Spiels gegen Mitbewerberinnen um eine neue Position im Unternehmen erweiterte.

Angrenzend an die theaterwissenschaftliche Disziplin liefern weiterhin die Arbeiten der Persönlichkeitspsychologen Lothar Laux, Karl-Heinz Renner und Astrid Schütz im Rahmen des interdisziplinären DFG-Schwerpunktprogramms Theatralität einen wesentlichen Beitrag dazu, in dieser Studie das Schauspiel des sogenannten Persönlichkeitsdarstellers28 im Assessment-Center-Prozess mit dem Theatralitätsbegriff zu koppeln.29

Nicht zuletzt verweist Rothes theaterhistorische Forschung zur Vorgeschichte des Assessment-Center-Verfahrens zudem auf einen Beitrag aus dem Diskurs um die Anthropologie der Arbeit, der die Begriffe Assessment Center und Theater in einer angrenzenden Disziplin zusammendenkt: In „Test und Theater. Zur Anthropologie der Eignung im 20. Jahrhundert“30 verortet die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Eva Horn Assessment-Center-Verfahren zunächst wie Rothe in historischer Perspektive im Kontext von Psychologie und Militär. Auch eine der Ausgangsformen des Applied Theatre, Jacob L. Morenos Psychodrama, wird dabei, rein formal und ohne historische Bewegungslinien nachzuzeichnen, von ihr mit diesen Verfahren ins Verhältnis gesetzt.31 Horn bezeichnet in ihrem Essay das Theater zur Eignungsprüfung als Machttechnologie der Spätmoderne, die Menschen in ihrem Selbstverhältnis formen soll32 – eine Perspektive, die zahlreiche Anknüpfungspunkte zur Applied-Theatre-Debatte anbietet.

Hier wird mehr als deutlich, dass die Theaterwissenschaft aufgerufen ist, an diesen Diskurs anzudocken: Der theaterhistoriographischen Forschungsleistung Rothes soll mit der vorliegenden Arbeit eine Studie zu den aktuellen Formen folgen, während zugleich das Spiel des Persönlichkeitsdarstellers nach Laux, Renner und Schütz analytisch in einem Theatersetting verortet werden soll. Hüttlers Studie zum Unternehmenstheater kann um Assessment-Center-Verfahren erweitert sowie an den Diskurs des angewandten Theaters angebunden werden und Horns kulturhistorischsoziologische Analyse eines Theaters zur Menschenformung soll mit theaterwissenschaftlichen Methoden zur Aufführungsanalyse kombiniert und mit der Applied-Theatre-Debatte verknüpft werden.

Im Rahmen dieser Studie wird also, wie dargelegt, davon ausgegangen, dass es sich bei den theatralen Modulen von Assessment-Center-Verfahren sowie verwandten Potentialanalyseverfahren und Prüfungen um Formen des Applied Theatre handelt. Diese Perspektive kann sich für die Betrachtung beider Gegenstände, der Assessment-Center-Verfahren wie des Applied Theatre, als fruchtbar erweisen. Gibt es auf der einen Seite zwar eine Fülle von wirtschaftswissenschaftlichen, soziologischen sowie arbeits-, betriebs- und organisationspsychologischen Zugängen zum Assessment-Center-Verfahren, die Verbreitung, Standards, Effizienz, Aufbau, Implementierung und Auswertung betrachten,33 so stellt doch die theaterwissenschaftliche Annäherung an das Thema mit ihrem eigenen methodologischen Werkzeug bis auf wenige Ausnahmen34 ein Novum dar, das Erkenntnisse über die politischen, ethischen und ästhetischen Dimensionen dieses Personalauswahlverfahrens verspricht. Im ersten Kapitel dieser Studie – Assessment Center und Applied Theatre – soll daher zunächst aufgezeigt werden, welche Aspekte und Module des breiten Spektrums an Methoden erweiterter Personalauswahlverfahren theatral, welche gar Theater zu nennen wären. Zum einen wird dabei im Verlauf dieses Kapitels auf Erkenntnisse von prozessbegleitender Beobachtung in Unternehmen zurückgegriffen, zum anderen dienen zur Diskursanalyse wie zur grundlegenden Definition verschiedener, dem Simulationsprinzip folgender Assessment-Center-Module Standardwerke der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie zu solchen Personalauswahlverfahren. Valide quantitative Erhebungen über Verbreitung und Ausformung von Assessment Centern im deutschsprachigen Raum selbst durchzuführen, liefen dem Forschungsansatz dieser Studie wie ihrer Disziplin zuwider. Aussagekräftige Statistiken zum Assessment Center werden an anderer Stelle mit entsprechender Methodik im regelmäßigen Turnus erstellt. Wo immer in der hier vorliegenden Arbeit also Aussagen über statistische Häufungen, Ausformungen und Verbreitung in Anwendungskontexten fallen, wird auf die Umfragen des Arbeitskreises Assessment Center e. V. aus den Jahren 2012 und 201635 sowie auf dessen Publikation AC-Standards – Standards der Assessment Center Methode36 zurückgegriffen, die hier mit freundlicher, schriftlicher Genehmigung der Autoren vom 7. Juli 2017 zitiert werden. In einer Doppelfunktion zwischen theaterhistorischer Quelle zur Diskursanalyse und Forschungsliteratur werden im ersten Kapitel weiterhin Standardwerke der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie aus dem angloamerikanischen Raum, wie William Thorntons Assessment Centers in Human Resource Management37 sowie Frederick C. Wendels und Ward Sybouts Assessment Center Methods in Educational Administration: Past, Present, and Future38 im Hinblick auf den Einsatz von Rollenspielen und Simulationsübungen im Kontext von Personalauswahl herangezogen. Vor allem hervorzuheben ist hier der gesamte Sammelband Applying the Assessment Center Method39 von Joseph L. Moses und William C. Byham sowie speziell noch einmal der darin enthaltene Beitrag From Selecting Spies to Selecting Managers – The OSS Assessment Program40 von Donald W. MacKinnon. Die Organisationspsychologen Moses und Byham sind zentrale Figuren sowohl in der Forschung über als auch der Umsetzung und Verbreitung von Assessment-Center-Verfahren in den USA. Moses arbeitete dabei selbst als Personalmanager für das amerikanische Telekommunikationsunternehmen AT&T, für das Unternehmen also, in dem das Assessment Center erstmals in einer Studie privatwirtschaftlich zur Anwendung kam und sich als Methode von dort aus zuerst in anderen amerikanischen Konzernen etablierte und schließlich global ausbreitete. MacKinnon wiederum schildert in seiner Funktion als Direktor der Station S des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes OSS die hier zur Anwendung gekommenen Rollenspielverfahren und kann somit im Kontext dieser Studie auch zugleich als eine theaterhistorische Quelle bezeichnet werden.

Nachdem also der Gegenstand dieser Studie grundlegend vorgestellt wurde, werden die historischen Wurzeln von Assessment-Center-Verfahren – jene Eignungsprüfungen von Militär und Geheimdiensten – sowie die Entwicklung des Applied-Theatre-Sektors der Theaterarbeit in Unternehmen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet werden, um theatrale Personalauswahlverfahren als Unternehmenstheater ausweisen zu können. Hierbei wird der eingangs vorgestellte Beitrag Rothes mit den Texten von Moses, Byham und vor allem MacKinnon sowie mit der Studie Hüttlers zum Unternehmenstheater in den Dialog gebracht werden.

Nach dem historischen Abriss der Entwicklung der erweiterten Personalauswahlverfahren und ihrer Einordnung in den Sektor des Unternehmenstheaters soll im ersten Kapitel dargelegt werden, dass es sich bei Assessment-Center-Verfahren um Applied Theatre handelt. Daher wird zunächst der Diskurs um den Begriff Applied Theatre anhand einschlägiger Beiträge von James Thompson41, Christopher Balme42, Monica Prendergast und Juliana Saxton43, Judith Ackroyd44 sowie dem Forschungsprojekt The Aesthetics of Applied Theatre45 vorgestellt werden, um dann maßgeblich angeregt durch die kritischen Reflexionen Ackroyds aufzuzeigen, dass die Betrachtung erweiterter Personalauswahlverfahren als angewandtes Theater dazu beitragen kann, einen toten Winkel in den Debatten über diese Theaterformen zu beleuchten: Innerhalb des Diskurses um Applied Theatre spielt, so soll im weiteren Verlauf des Kapitels nachgezeichnet werden, der gesamte Bereich der Theaterarbeit in Unternehmen eine untergeordnete Rolle, was bei genauerer Betrachtung weniger der Logik einer Gattungstrennung oder einer ästhetischen Differenz gehorcht denn derjenigen von politischer Antipathie. Unter diesem Gesichtspunkt wäre Theater in Unternehmen lediglich das ‚schwarze Schaf‘ der Familie Applied Theatre, oft unerwähnt oder nur mit einer Randnotiz bedacht, da der Applied-Theatre-Diskurs von einem Theater sprechen möchte, das sich den Menschen in einem „Gestus“46 der Fürsorge zuwendet, sei es zur Therapie, zur Erziehung, zur Resozialisierung oder zur sogenannten Entwicklungshilfe. Der Diskurs wurde dabei nicht zuletzt auch von Personen geprägt, die in einer Doppelfunktion als Durchführende und Theoretikerinnen dieser Felder des Applied Theatre fungieren. Ein Theater, das dieselben Methoden, die zur HIV-Aufklärung oder zur Friedensarbeit verwendet werden, für die Effizienz des Marktes oder die Kommunikation von Vorgaben des Managements an die Mitarbeiterinnen nutzt, wird hierbei, Ackroyd folgend, im Diskurs nicht als dieselbe Form von Theater mit anderem politischen Impetus, sondern – zugespitzt – als eine Art Perversion der Inhalte, Ausrichtung und Werte betrachtet. Somit soll im weiteren Verlauf des ersten Kapitels ausführlich anhand von Beiträgen von Jonothan Neelands47, Thompson48, Ackroyd49, Victor Ukaegbu50, Michael Etherton gemeinsam mit Tim Prentki51, Julius Heinicke52, Ananda Breed53, Hüttler54 und anderen diskutiert werden, dass es neue Perspektiven auf den inhärenten ethischen Diskurs um Applied Theatre eröffnet, Unternehmenstheater, und damit auch das Assessment Center, mit all seinen ethischen Ambivalenzen seinem Korpus zuzurechnen, denn hier müssen immer auch Fragen von Manipulation, ungewollten Emergenzen, Machtasymmetrien, neokolonialem Sendungsbewusstsein55 und unfreiwilligen Spielen gestellt werden.56

Ein Theater, das so verflochten mit rahmengebenden politischen, ethischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Faktoren ist, verlangt, wie eingangs dargelegt, nach einer eigenen Form der Analyse. Im Verlauf der gesamten Studie wird daher der Versuch erfolgen, eine theaterwissenschaftliche Methodik der Aufführungsanalyse mit einer hier zu entwickelnden, von poststrukturalistischer Theoriebildung inspirierten „Dispositivanalyse“57 zu verbinden, die die rahmengebenden Machtstrukturen in den Blick nimmt, in denen sich die Aufführungen des Assessment Centers entfalten. Dabei wird davon ausgegangen werden, dass das Theater der Selektion sich parallel in den heterogenen Ensembles von Dispositiven sehr verschiedener Größenordnungen, die hier heuristisch in der Betrachtung in ein Mikro-, ein Meso- und ein Makrodispositiv aufgeteilt werden sollen, situiert. Am Ende des ersten Kapitels wird dabei eine erste Mikrodispositivanalyse als Aufführungsanalyse vorgestellt werden, die im konkreten Aufführungskontext eines Development-Center-Verfahrens bei einem Automobilhersteller in den Niederlanden die Blick- und Machtstrukturen analysiert, unter denen sich ein Spiel entfaltet, das auf ökonomische Realität – auf Habitus und berufliche Zukunft eines Mitarbeiters und auf die Effizienz einer Serviceabteilung – einwirken soll.

Ernste Spiele

Ernste Spiele, das zweite Kapitel dieser Studie, widmet sich der Frage nach der Ästhetik des Assessment Centers. Dem ästhetischen Begriff des Spiels wird in diesem Kapitel eine zentrale Rolle zukommen, denn er legt eine Klammer um die äußerst heterogenen Theaterformen des Applied Theatre. Der Terminus erhält zunächst sehr pragmatisch über die Sprache Einzug in die Betrachtung, denn im Allgemeinen spricht man nicht davon, dass im Assessment-Center-Prozess ‚Theater‘ gespielt würde, wohl aber wären sich Laie, Praktikerin und Theoretikerin darüber einig, dass hier ‚Rollenspiele‘ gespielt werden. Eine komplette Diskursgeschichte des Spielbegriffs auch nur im Ansatz nachzeichnen zu wollen, würde den Rahmen eines Buchs, das sich nicht ausschließlich auf Spielbegriffe fokussiert, zwangsläufig sprengen und so wird in einer notwendigen Begrenzung zunächst einleitend anhand von Arbeiten von Erika Fischer-Lichte58, Helmar Schramm59, Andreas Kotte60 und Christopher Balme61 das Wechselverhältnis von Theater und Spielbegriffen dargelegt.

Warum nun spielt man innerhalb einer so reglementierten Sphäre wie der der Arbeit, wenn Spiel doch durchaus mit Freizeit, Kindheitsaktivität, Zweckfreiheit und Spaß assoziiert erscheint und im Alltagsverständnis die Arbeit eher eines der zahlreichen Antonyme des Spiels darstellt?

Die Spiele des Applied Theatre nun aber scheinen brüchige Rahmen zu haben, wenn sie produktiv als Instrumente der Menschenformung, der Außenpolitik oder der Produktivität des Marktes eingesetzt werden können. Der Applied-Theatre-Experte Kennedy C. Chinyowa inspiriert hier den auch im Untertitel dieser Arbeit wiederzufindenden Begriff des Ernsten Spiels, wenn er, auf Victor Turner rekurrierend, auf den maskierten Ernst im Spiel (play) des Applied Theatre hinweist.62 Ernstes Spiel, in dieser Arbeit konsequent groß geschrieben, avanciert hier dennoch nicht zu einem Konzept oder einer eigenständigen Unterkategorie von Spiel, sondern soll als heuristischer Arbeitsbegriff betrachtet werden. Neben der prägnanten Beobachtung Chinyowas zum Applied Theatre als ,serious play‘ kann als Inspirationsquelle für diesen Arbeitsbegriff weiterhin die Computerspielgattung der „serious games“63 gelten. Dieser Name wird im medienwissenschaftlichen Diskurs um gamification auf das 1970 veröffentlichte Buch Serious Games des Pädagogen und frühen Game Designers Clark C. Abt zurückgebunden, das unter dem Titel Ernste Spiele in Deutschland erschien.64 Ebendiese speziellen Ernsten Spiele sind – entsprechend der angloamerikanischen Trennung von game und play, Computerspiele, die, wie die Spiele des Applied Theatre, eingesetzt werden, um mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit politisch zu bilden, pädagogisch oder militärisch zu erziehen, therapeutische Abläufe zu begleiten oder auch den Alltag von Mitarbeitern zu strukturieren und Arbeitsleistung zu steigern. Denkt man, Joost Raessens folgend, zu diesen gamification-Prozessen auch die zweckorientierten Spiele jenseits des Mediums Computerspiel hinzu, so erweitert sich die Perspektive zur „Ludifizierung“65 als Praxis in Gesellschaft, Politik und Ökonomie. So zeugen die Ernsten Spiele in den Bereichen der erweiterten Personalauswahl- und Potentialanalyseverfahren von einem Spielbegriff, der im Wechselverhältnis zu sich wandelnden Arbeitsfeldern steht.

Im Verlauf des zweiten Kapitels werden Spielbegriffe der klassischen Ludologie vornehmlich von Johan Huizinga66, Roger Caillois67 und Gregory Bateson68 vorgestellt und vor dem Hintergrund des Ernstes im Spiel und der Ästhetik des Theaters der Selektion mit aktuelleren Spielbegriffen und Analysen aus anderen Disziplinen befragt werden. Gerade Spielbegriffe beinhalten dabei auch das agonale Prinzip der theatralen Personalauswahl- und -entwicklungsverfahren – ein kompetitives Moment, das zunächst nicht zwangsläufig der Theateraufführung per se zugesprochen wird und in dem das Theater als Mess- und Bewertungsinstrument und die Schauspielerin in der Gesellschaft nicht länger als Expertin für den unterhaltenden, spielerischen Schein, sondern für die ernste Sphäre der Ökonomie in Erscheinung tritt.

Zugleich bergen Spielbegriffe aber auch das Potential, Fragen nach einem Theater zu beantworten, das – ähnlich wie das immersive Theater und andere partizipatorische Formen – dazu herausfordert, grundlegende Begriffe der Theatersituation wie Aufführung, Schauspielerin und Zuschauerin erneut zu diskutieren. Die Wirkungsversprechen des Assessment-Center-Verfahrens, wie auch anderer Formen des Applied Theatre, richten sich weniger an eine Position, die man mit dem Wort ,Zuschauerin‘ beschreiben könnte denn an Partizipierende, die auf unterschiedliche Weisen aktiv gestalterisch handelnd in ein Spiel involviert sind.69

Weiterhin bietet der Spielbegriff die Möglichkeit, Machtrelationen zu beschreiben, die wiederum in partizipatorischen Formen des Theaters, dem immersiven Theater, Applied-Theatre-Formen, aber auch verwandten populärkulturellen theatralen Veranstaltungen, wie Live action role-playing games oder historical reenactments, Fragen der Suggestion von Handlungsmacht und Realitätskonstruktion durch das Mitspielen in einer Diegese aufwerfen, deren Spielrahmen verunklart ist und die, so soll anhand der Arbeiten von Jen Harvie70, Gerke Schlickmann71, Claire Bishop72, Nicolas Bourriaud73 und Rebecca Schneider74 nachgezeichnet werden, zwischen konsequenzhaft und konsequenzgemindert sowie zwischen fiktiv und real oszilliert.

Allerdings wird im Verlauf des zweiten Kapitels anhand des Beitrags „Das Spiel und die Arbeitsgesellschaft. Über den Wandel des Verhältnisses von Arbeit und Spiel“75 von Gunter Gebauer auch darauf eingegangen werden, dass Spielbegriffe der klassischen Ludologie nach Huizinga oder Caillois, die mit Zweckfreiheit und Unproduktivität einhergehen, eine Nuancierung erfahren müssen, wenn man sie im Verhältnis zu den hier fokussierten Phänomenen der Ludifizierung der Arbeitswelt betrachtet.

Nicht zuletzt erscheint ein Begriff von Spiel als verbindende ästhetische Kategorie des Applied Theatre attraktiv, da einige Formen des angewandten Theaters und insbesondere die theatralen Module von Personalauswahlverfahren den Kunstrahmen gänzlich verlassen. Das Ernste Spiel liefert dabei als heuristische Analysekategorie Antworten auf die Frage, wie sich Theater, Spiel und Arbeit ins Verhältnis setzen, wenn ein Unternehmen, das auf Effizienz und Kompetitivität ausgerichtet ist, in Prozessen der Personalentscheidung, Schulung und Potentialanalyse auf das Theater zurückgreift.

Den Abschluss des zweiten Kapitels bildet die Analyse eines Assessment-Center-Prozesses mit verschachtelten und gleichzeitig brüchigen Spielrahmen.

Theatrale Dispositive

Am Ende des ersten Kapitels wird der Versuch unternommen, anhand der Aufführung der Persönlichkeitsdarstellung innerhalb eines Development-Center-Prozesses eine neuartige Analyseform zu entwickeln. Der hier vorgeschlagenen Aufführungsanalyse sind dabei experimentell Perspektiven hinzufügt worden, um das heterogene Ensemble eines Mikrodispositivs zu beschreiben. Im dritten Kapitel dieser Studie – Theatrale Dispositive – nun treten die machtdynamischen Rahmungen der Aufführung und die determinierenden Handlungsspielräume des Subjekts auch jenseits dieser theatralen Settings in den Vordergrund. Reglementierte Als-ob-Haltungen und Aufführungen der Persönlichkeit finden sich im Arbeitsalltag auch jenseits der Theatersituationen von Assessment Centern. Die erweiterten Personalauswahlverfahren können somit letztendlich auch als Praktiken zur Auswahl und Formung von Menschen für einen von Theatralität durchwebten Alltag beschrieben werden.

Zunächst soll mit einer intensiveren Diskussion des Foucault’schen Dispositivbegriffs76 und seinen Bezügen zum Theater dargelegt werden, dass das Mikrodispositiv der Aufführung sich, Gilles Deleuze folgend,77 in Immanenz mit einem Dispositiv der Meso- wie einem der Makroebene befindet. Denn die Assessment-Center- und Potentialanalyseverfahren sind eingebettet in Strukturen nächsthöherer Ordnung, die sich ebenfalls als Geflechte beschreiben lassen, in denen sich durch die Relation von Hierarchie, Architektur, Anordnungen, Wissensgenerierung, Diskurs und Persönlichkeitsdarstellung machtvolle Mechanismen auf die Formung von Subjektivität ausrichten. So wird auch der von Judith Butler geprägte Begriff der „Subjektivation“78 im Kontext dieser theatralen Dispositive verortet werden.

Die einzelne Aufführung in diesen Bereichen gewinnt weiterhin erst Relevanz durch den Vergleich zu anderen Aufführungen, seien es diejenigen der Mitbewerberinnen, seien es die der Persönlichkeitsdarstellung der Kandidatin im von Theatralität geprägten Arbeitsalltag im Unternehmen jenseits der Prüfungssituation. Diese Immanenz zwischen ästhetischem Mikrodispositiv und Dispositiven nächsthöherer Ordnung wird im dritten Kapitel exemplarisch anhand eines medienwissenschaftlichen Beitrags zum Diskurs ausgeführt: Entgegen des Kanons seiner Disziplin betrachtet der Medienwissenschaftler Markus Stauff nicht das Einzelmedium als dispositive Anordnung, sondern legt anhand der filmwissenschaftlichen Apparatustheorie und dem Fernsehen als dispositiver Struktur dar, wie ein ästhetisches Mikrodispositiv in Immanenz zu einem gesellschaftlichen Dispositiv analysiert werden kann.79

Anschließend daran wird der Gebrauch des Dispositivkonzepts in der Theaterwissenschaft nachgezeichnet. Vor allem eine Passage Matthias Warstats zu Blickregime und Machtrelationen im Hinblick auf sowohl explizite Theatersettings als auch Theatralitätsphänomene kann dabei als ein Ausgangspunkt der Beschäftigung mit theatralen Dispositiven in dieser Studie angeführt werden.80 Hervorzuheben sind im Bereich der theaterwissenschaftlichen Forschung zum Dispositiv zudem die Arbeit des DFG-Projekts Theater als Dispositiv und im Kontext dieses Forschungsprojekts speziell die Publikationen Theater als Dispositiv von Gerald Siegmund, Lorenz Aggermann und Georg Döcker81 sowie die Online-Publikation „Theater als ästhetisches Dispositiv“ von Siegmund82. Hier wird, analog zu der vorliegenden Studie, im Hinblick auf das Kunsttheater als dispositives Gefüge postuliert, dass in dieser Form theaterwissenschaftlicher Analyse die zentrale Stellung der Aufführung eine Nuancierung erfahren muss.83

Eine Dispositivanalyse, wie sie hier als theaterwissenschaftliche Methode vorgeschlagen wird, kann demzufolge nicht lediglich auf der Mikroebene der Aufführung stehenbleiben, sondern muss die Immanenz mit den Dispositiven nächsthöherer Ordnung in den Fokus nehmen: Auf der Ebene der Institutionen soll hier ein von Theatralität geprägtes Arbeitsumfeld betrachtet werden, das dem Mikrodispositiv der Aufführung ein inszenatorisches Mesodispositiv überordnet. So wird das dritte Kapitel im weiteren Verlauf eine Lesart von Erving Goffmans Selbstdarstellung im Alltag84 unter den Vorzeichen des Dispositivbegriffs vorstellen, um dann analytische Beobachtungen aus der Feldforschung mit der Betrachtung des Mesodispositivs der Theatralität in Unternehmen zu verbinden.

Den Ausklang des dritten Kapitels wie der Studie insgesamt bildet ein Versuch der Betrachtung der Immanenz mit den Makrodispositiven des Neoliberalismus anhand der Arbeiten von Deleuze85, Boltanski86, Ève Chiapello87, Giorgio Agamben88, Andreas Reckwitz89 und Ullrich Bröckling90. Hier erscheint das Assessment Center als ein gesellschaftlich wirksames Scharnier zwischen Theater und Theatralität: Ein möglicher Zugang zur privilegierten Teilhabe am Gesellschaftssystem des Neoliberalismus, wie er sich in den westlichen Industrienationen herausgebildet hat, ist nicht zuletzt offenbar ein Theater der Selektion.

3 Forschungsrahmen

Das vorliegende Buch ist das Resultat einer der zwei Forschungsschwerpunkte des Teilprojekts Corporate Theatre des European-Research-Council-Projekts The Aesthetics of Applied Theatre. Im Rahmen des an der Freien Universität Berlin ansässigen Drittmittelprojekts wurden die ethischen, politischen und ästhetischen Dimensionen des angewandten Theaters untersucht.

Die Studie basiert zum einen auf der vorangehend dargelegten theoretischen Einbettung des Gegenstandes in den Korpus des Applied Theatre wie Diskursen aus der Theaterwissenschaft, der Ludologie und des Poststrukturalismus. Zum anderen wurden über den Verlauf des Teilprojekts in Kooperation mit Unternehmen, Anbietern für Unternehmenstheater und freiberuflichen Seminarschauspielerinnen in Deutschland und den Niederlanden unter Wahrung strenger Datenschutzauflagen entsprechende Prozesse begleitet und Interviews geführt. Die aus dieser Feldforschung entstandene Materialsammlung bildet das Kernstück der hier theoretisch eingebetteten Beobachtungen. Zur Wahrung des Schutzes von Daten und Persönlichkeitsrechten erfolgt eine konsequente Anonymisierung und Pseudonymisierung aller in der Studie erwähnten Interviewpartner, anderweitig an Prozessen teilhabenden Personen sowie Unternehmen, deren Nennung Rückschlüsse über entsprechende Interviewpartner zulassen würde.

Zur Durchführung der prozessbegleitenden Beobachtung war zu Beginn der Studie ein Akquiseprozess von Kooperationspartnern aus den Bereichen von Großunternehmen wie Unternehmenstheateranbietern notwendig. Ziel der Feldforschung war es dabei nicht, eine statistische Breite abzudecken,91 sondern verschiedene Formen des Gegenstandes dieser Studie beobachtend zu begleiten und qualitativ zu analysieren. Sorgsam wurde mit Informationsschreiben und Einverständniserklärungen sichergestellt, dass alle Beteiligten über Art und Ziel der Beobachtungen transparent informiert wurden und ihr Einverständnis gaben. Auch wurden Unternehmen darüber aufgeklärt, dass es nicht Ziel der Prozessbegleitung wie der daran anschließenden Publikation ist, die entsprechenden Personalauswahlverfahren in ihren Firmen effizienter zu gestalten, sondern dass vielmehr die Studie einen kritischen Blick auf den Einsatz von Theater in Unternehmen werfen werde. Diese Transparenz gegenüber den Unternehmen führte in vielen Fällen zu einer Absage, in einigen aber auch zu einer bemerkenswerten Offenheit gegenüber Kritik sowie für in ihrem Kontext unkonventionelle Perspektiven.

In den Analysen der begleiteten Prozesse wird der Studienleiter selbst in der dritten Person beschrieben. Dieser unübliche Gestus der Analysemethode wurde gewählt, da sich anders als in einem klassischen Kunsttheatersetting der den Prozess beobachtende Forscher in einer vollkommen anderen Situation als in anderen Aufführungskontexten situiert sieht.92 Er ist weder Teil des Publikums, auf den dieses Theater ausgerichtet ist, noch ist er Anleiter, involvierter Mitspieler oder Schauspieler. Als Fremdkörper und stiller Beobachter könnte daraus die Entscheidung resultieren, seine Anwesenheit aus den Beschreibungen zu tilgen. In dem Versuch einer Verschränkung aus Aufführungs- und Dispositivanalyse, die zugleich die Blick- und Machtkonstellationen während des Prozesses mitbedenken möchte, käme dies jedoch einer Unterschlagung gleich, da der Forscher am Prozess beteiligt ist, sich selbst vom Wohlwollen der Initiatoren abhängig sieht und zugleich die Aufführung in seiner Anwesenheit minimal stört und nuanciert. Für eine Verflechtung der Methoden der Dispositiv- und Aufführungsanalyse, wie sie hier entwickelt werden soll, darf seine Anwesenheit also nicht ignoriert werden, da er Teil des heterogenen Netzes ist, das es zu beschreiben gilt. Die Ich-Perspektive wurde als Stilentscheidung abgelehnt, obgleich man hier den Vorwurf einbringen könnte, dass sich damit eine Pseudo-Objektivierung einer subjektiven Sicht auf den Prozess im Stil manifestiert. Da aber alle Aufführungsanalysen zugleich objektiv von allen Zuschauerinnen geteilte Aspekte mit subjektiven Assoziationen, Konnotationen und möglichen, nachvollziehbar gemachten, zwar nicht beliebigen, aber auch nicht ausnahmslos verbindlichen Vergleichsmomenten amalgamieren, ist dies von jeher eine Problematik der Methoden verschiedener Aufführungsanalysen.93

1Evers, Florian: „Personalauswahlverfahren als intervenierendes Spiel“, in: Warstat, Matthias u. a.: Theater als Intervention – Politiken ästhetischer Praxis (= Recherchen 121), Berlin 2015, S. 87–91, hier S. 87 (im Folgenden zitiert als: Evers: „Personalauswahlverfahren als intervenierendes Spiel“). O. L., Personalmanager, Pharma-AG, zuständig für die Neuimplementierung eines Assessment-Center-Verfahrens in einem multinationalen Konzern, im Interview mit dem Autor am 29. Oktober 2013.

2S. C., Seminarschauspieler, Freiberufler, Coach und Spielpartner in Assessment-Center- und Potentialanalyseverfahren, Rhetoriktrainer, Synchronsprecher, im Interview mit dem Autor am 25. Juni 2014.

3Dr. med. S. H., Facharzt für Allgemeinmedizin, zuständig für Prüfungen im Rahmen der objective structured clinical examination für Studierende der Medizin des zweiten Studienabschnitts der UKSH-Kiel, im Interview mit dem Autor am 8. Mai 2015.

4Die aufmerksame Zuschauerin konnte noch während des Spiels einen Verweis darauf finden: Während einer power-napping-Übung richteten sich alle Teilnehmerinnen auf der Bühne in einer Rahmung, die man in ihrer Hervorhebung durch Musik, Beleuchtung und Handlungsablauf als eine Art Traumsequenz identifizieren konnte, in ihren Liegestühlen auf und blickten minutenlang verschiedene Zuschauerinnen mit prüfender Miene an, um dann anscheinend ihrerseits Notizen auf einem Bewertungsbogen zu verfassen.

5Caillois, Roger: Die Spiele und die Menschen – Maske und Rausch, Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1982, S. 21f. (im Folgenden zitiert als: Caillois).

6Zum Konzept der Konsequenzverminderung im Spiel und Theater, wie es im Folgenden in dieser Studie verwendet werden wird, vgl. Kotte, Andreas: Theaterwissenschaft. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien 2005, S. 41f. (im Folgenden zitiert als: Kotte).

7Butler, Judith: Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung, Frankfurt a. M. 2001, S. 8 (im Folgenden zitiert als: Butler: Psyche der Macht).

8Vgl. Evers, Florian/Lempa, Fabian: „Forced Participation – Seminarschauspiel in der Personalentwicklung“, in: Warstat, Matthias u. a. (Hg.): Applied Theatre – Rahmen und Positionen (= Recherchen 129), Berlin 2017, S. 236–250, hier S. 239 (im Folgenden zitiert als: Evers, Lempa).

9Zur Relevanz der Foucault’schen Begrifflichkeiten der „Selbsttechnologien“ und „Herrschaftstechniken“ im Kontext neoliberaler Gouvernementalität vgl. Lemke, Thomas/Krasmann, Susanne/Bröckling, Ulrich: „Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnologie“, in: dies. (Hg): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, Frankfurt a. M. 2000, S. 7–40, hier S. 29ff. (im Folgenden zitiert als: Lemke, Krasmann, Bröckling).

10OSS Assessment Staff, The: Assessment of Men – Selection of Personnel for the Office of Strategic Services, New York 1948.

11Thornton, George C.: Assessment Centers in Human Resource Management, Colorado State University 1992, S. 202 (im Folgenden zitiert als: Thornton).

12Boche, Alan: „Management Concerns About Assessment Centers“, in: Moses, Joseph L./Byham, William C. (Hg.): Applying the Assessment Center Method, New York 1977, S. 243–262, hier S. 246.

13Ebd.

14Ebd.

15Um den selbstverständlichen Gebrauch des Begriffs ,selection‘ im Zusammenhang mit Personalauswahl im angloamerikanischen Raum nachzuzeichnen, kann das gesamte Standardwerk Applying the Assessment Center Method von Joseph L. Moses und William C. Byham angeführt werden, in dem der Begriff von verschiedenen führenden Experten für Personalauswahl ihrer Zeit bedient wird. Vgl. Moses, Joseph L./Byham, William C. (Hg.): Applying the Assessment Center Method, New York 1977 (im Folgenden zitiert als: Moses, Byham). Hierin soll speziell auf den Titel des Beitrags von Donald W. MacKinnon zu den ersten Assessment-Center-Verfahren im Kontext des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes verwiesen werden: MacKinnon, Donald W.: „From Selecting Spies to Selecting Managers – The OSS Assessment Program“, in: Moses, Byham: S. 13–30, hier S. 13 (im Folgenden zitiert als: MacKinnon).

16www.duden.de/rechtschreibung/Selektion (zuletzt aufgerufen am 23. Januar 2018).

17„Assessment Center. Persönlichkeit gewinnt“, in: www.berufsstrategie.de/bewerbung-karriere-soft-skills/assessment-center-auswahlverfahren.php (zuletzt aufgerufen am 23. Januar 2018).

18„Online-Assessment: Das musst Du wissen“, in: https://www.trainee-gefluester.de/tipps/vorstellungsgespraech/online-assessment (zuletzt aufgerufen 23. Januar 2018). Auch in der Publikation um qualitative und ethische Standards des Assessment-Center-Verfahrens durch den Arbeitskreis Assessment Center e. V. fällt der Begriff in Form des Fachterminus der sogenannten Selbstselektion. Arbeitskreis Assessment Center e. V.: AC-Standards. Standards der Assessment Center Methode, 3. vollständig überarbeitete Fassung 2016, S. 1–15, hier S. 8 (Verwendung des Textes mit Genehmigung des AKAC vom 7. Juli 2017) (im Folgenden zitiert als: Arbeitskreis Assessment Center e. V.: AC-Standards).

19Vgl. Bröckling, Ulrich: „Menschenökonomie, Humankapital. Eine Kritik der biopolitischen Ökonomie“, in: ders./Bühler, Benjamin/Hahn, Markus u. a. (Hg.): Disziplinen des Lebens. Zwischen Anthropologie, Literatur und Politik, Tübingen 2004, S. 275–296, hier S. 280ff. (im Folgenden zitiert als: Bröckling: „Menschenökonomie, Humankapital“).

20Vgl. Fach, Wolfgang: „Staatskörperkultur – ein Traktat über den ‚schlanken Staat‘“ in: Lemke, Krasmann, Bröckling: S. 110–131, hier S. 117ff (im Folgenden zitiert als: Fach) sowie in diesem Zusammenhang auch Lemke, Thomas: „Die Regierung der Risiken. Von der Eugenik zur genetischen Gouvernementalität“, in: Lemke, Krasmann, Bröckling: S. 227–264, hier S. 240 u. 256 (im Folgenden zitiert als: Lemke).

21Vgl. Boltanski, Luc: Die Vorhölle, Berlin 2011, S. 60 (im Folgenden zitiert als: Boltanski: Die Vorhölle).

22Vgl. Lorber, Michael: „Visio Thurkilli – Theater als Höllenstrafe“ in: Warstat, Matthias u. a. (Hg.): Applied Theatre – Rahmen und Positionen, Berlin 2017, S. 31–58, hier S. 52 (im Folgenden zitiert als: Lorber).

23Evers: „Personalauswahlverfahren als intervenierendes Spiel“.

24Evers, Lempa.

25Rothe, Katja: „Spekulative Praktiken. Zur Vorgeschichte des Assessment Centers“, in: ILINX – Berliner Beiträge zur Kulturwissenschaft: Ökonomische Praktiken, 3, 2003, S. 57–73 (im Folgenden zitiert als: Rothe).

26Ebd., S. 64.

27Hüttler, Michael: Unternehmenstheater – Vom Theater der Unterdrückten zum Theater der Unternehmer, Stuttgart 2005 (im Folgenden zitiert als: Hüttler).

28Laux, Lothar/Renner, Karl-Heinz/Schütz, Astrid u. a.: „Theatralität, Körpersprache und Persönlichkeit – Von Self-Monitoring zur Persönlichkeitsdarstellung“, in: Fischer-Lichte, Erika/Horn, Christian/Warstat, Matthias (Hg.): Verkörperung, Tübingen, Basel 2001, S. 239–255, hier S. 254 (im Folgenden zitiert als: Laux, Renner, Schütz: „Theatralität, Körpersprache und Persönlichkeit“).

29Laux, Lothar/Renner, Karl-Heinz: „Theater als Modell für die Persönlichkeitspsychologie“, in: Fischer-Lichte, Erika u. a. (Hg.): Theatralität als Modell in den Kulturwissenschaften, Tübingen, Basel 2004, S. 83–110 (im Folgenden zitiert als: Laux, Renner: „Theater als Modell für die Persönlichkeitspsychologie“) sowie Laux, Renner, Schütz: „Theatralität, Körpersprache und Persönlichkeit“.

30Horn, Eva: „Test und Theater. Zur Anthropologie der Eignung im 20. Jahrhundert“, in: Bröckling, Ulrich/dies. (Hg.): Anthropologie der Arbeit, Tübingen 2002, S. 109–125 (im Folgenden zitiert als: Horn).

31Vgl. ebd., S. 120.

32Vgl. ebd., S. 124f.

33Vgl. Moses, Byham; Wendel, Frederick C./Sybouts, Ward: Assessment Center Methods in Educational Administration: Past, Present, and Future, Lincoln, Nebraska 1988 (im Folgenden zitiert als: Wendel, Sybouts); Thornton sowie Arbeitskreis Assessment Center e.V.: AC-Standards.

34Bei den Ausnahmen handelt es sich um den eingangs vorgestellten Beitrag der Theaterwissenschaftlerin Katja Rothe zur Vorgeschichte des Assessment Centers, vgl. Rothe, sowie um die theaterwissenschaftliche Beschäftigung mit Unternehmenstheaterformen, die in Anteilen auch unter die Definition von Potentialanalyseverfahren und Development Center fallen würden, durch Michael Hüttler, vgl. Hüttler.

35Obermann, Christof/Höft, Stefan/Becker, Jan-Niklas: Assessment Center-Praxis 2016: Vorläufiger deskriptiver Ergebnisbericht zur AkAC-AC-Studie 2016, Arbeitskreis Assessment Center e. V., 2016 (im Folgenden zitiert als: Obermann, Höft, Becker: Assessment Center-Praxis 2016). Verwendung der Studie mit Genehmigung der Autoren vom 7. Juli 2017. Obermann, Christof/Höft, Stefan/Becker, Jan-Niklas: Die Anwendung von Assessment Centern im deutschsprachigen Raum: Vorläufiger deskriptiver Ergebnisbericht zur AkAC-AC-Studie 2012, Arbeitskreis Assessment Center e. V., 2012, (im Folgenden zitiert als Obermann, Höft, Becker: Die Anwendung von Assessment Centern im deutschsprachigen Raum: Vorläufiger deskriptiver Ergebnisbericht zur AkAC-AC-Studie 2012). Verwendung der Studie mit Genehmigung der Autoren vom 7. Juli 2017.

36Arbeitskreis Assessment Center e. V.: AC-Standards.

37Thornton.

38Moses, Byham.

39Wendel, Sybouts.

40MacKinnon.

41Thompson, James: Applied Theatre – Bewilderment and Beyond, Oxford 2003 (im Folgenden zitiert als: Thompson: Applied Theatre).

42Balme, Christopher: „Applied Theatre“, in: ders.: The Cambridge Introduction to Theatre Studies, Cambridge 2008, S. 179–194 (im Folgenden zitiert als: Balme: „Applied Theatre“).

43Prendergast, Monica/Saxton, Juliana: Applied Theatre: International Case Studies and Challenges for Practice, Bristol, Chicago 2009 (im Folgenden zitiert als: Prendergast, Saxton).

44Ackroyd, Judith: „Applied Theatre: Problems and Possibilities“, in: Applied Theatre Researcher, Number 1, 2000 (im Folgenden zitiert als: Ackroyd: „Applied Theatre: Problems and Possibilities“) und Ackroyd, Judith: „Applied Theatre – an Exclusionary Discourse?“, in: Applied Theatre Researcher, Number 8, 2007 (im Folgenden zitiert als: Ackroyd: „Applied Theatre – an Exclusionary Discourse?“).

45Warstat, Matthias u. a.: Theater als Intervention – Politiken ästhetischer Praxis, Berlin 2015 (im Folgenden zitiert als: Warstat u. a.: Theater als Intervention) und Warstat, Matthias u. a. (Hg.): Applied Theatre – Rahmen und Positionen, Berlin 2017 (im Folgenden zitiert als Warstat u. a.: Applied Theatre – Rahmen und Positionen).

46Zum Begriff des „Gestus“ im Applied Theatre vgl. Warstat u. a.: Theater als Intervention, S. 23f. und insbesondere S. 45–48.

47Neelands, Jonothan: „Taming the political: the struggle over recognition in the politics of applied theatre“, in: Research in Drama Education: The Journal of Applied Theatre and Performance, 12:3, 2007, S. 305–317 (im Folgenden zitiert als: Neelands).

48Thompson, James: „Ein Hacken und Stechen“, in: Warstat u. a.: Applied Theatre – Rahmen und Positionen, S. 154–181 (im Folgenden zitiert als: Thompson: „Ein Hacken und Stechen“).

49Ackroyd: „Applied Theatre: Problems and Possibilities“ und Ackroyd: „Applied Theatre – an Exclusionary Discourse?“.

50Ukaegbu, Victor: „The Problem with Definitions“, in: Ackroyd, Judith/Neelands, Jonothan (Hg.): Drama Research, Bd. 3: National drama 2004, S. 45–54 (im Folgenden zitiert als: Ukaegbu).

51Etherton, Michael/Prentki, Tim: „Drama for change? Prove it! Impact assessment in applied theatre“, in: Research in Drama Education: The Journal of Applied Theatre and Performance, Vol. 11, No. 2 (Juni 2006), S. 139–155 (im Folgenden zitiert als: Etherton, Prentki).

52Heinicke, Julius: „Zwischen Narrenfreiheit und neokolonialem Protektorat“, in: Warstat u. a.: Theater als Intervention, S. 60–66 (im Folgenden zitiert als: Heinicke: „Zwischen Narrenfreiheit und neokolonialem Protektorat“) sowie Heinicke, Julius: „Koloniale Fallstricke erkennen und meiden – Perspektiven für die interkulturelle Theaterarbeit von der Finanzierung über die Ästhetik bis zur Evaluation“, in: Warstat u. a.: Applied Theatre – Rahmen und Positionen, S. 111–136 (im Folgenden zitiert als: Heinicke: „Koloniale Fallstricke erkennen und meiden“).

53Breed, Ananda: „Environmental aesthetics, social engagement and aesthetic experiences in Central Asia“, in: Research in Drama Education: The Journal of Applied Theatre and Performance, 20:1, 2015, S. 87–99 (im Folgenden zitiert als: Breed: „Environmental aesthetics, social engagement and aesthetic experiences in Central Asia“).

54Hüttler.

55Vgl. Heinicke: „Zwischen Narrenfreiheit und neokolonialem Protektorat“, S. 61f. sowie Heinicke: „Koloniale Fallstricke erkennen und meiden“, S. 111–136, zur Verwendung des ästhetischen Begriffs „Gestus“ in diesem Kontext hier insbesondere S. 111.

56Zu den ethischen Ambivalenzen des Applied Theatre vgl. Warstat, Matthias u. a. (Hg.): „Einleitung“, in: dies. (Hg.): Applied Theatre – Rahmen und Positionen, Berlin 2017, S. 7–28, hier S. 10f. (im Folgenden zitiert als: Warstat u. a.: „Einleitung“).

57Die hier zu entwickelnde Dispositivanalyse als Aufführungsanalyse zieht ihre Inspiration maßgeblich aus der filmwissenschaftlichen Apparatustheorie. Aktuell erhält der Foucault’sche Begriff aber auch in der Soziologie und an anderer Stelle in der Theaterwissenschaft eine Renaissance, vgl. Bührmann, Andrea/Schneider, Werner: Vom Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispositivanalyse, Bielefeld 2008 (im Folgenden zitiert als: Bührmann, Schneider). Vgl. auch Siegmund, Gerald: „Theater als ästhetisches Dispositiv“. www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=9800:leipziger-thesen-zur-theaterwissenschaft-xii&catid=101&Itemid=84 (zuletzt aufgerufen am 12.Oktober 2017) (im Folgenden zitiert als: Siegmund: „Theater als ästhetisches Dispositiv“).

58Vgl. Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen, Frankfurt a. M. 2004, S. 47f. (im Folgenden zitiert als: Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen).

59Vgl. Schramm, Helmar: „Spiel“, in: Fischer-Lichte, Erika/Kolesch, Doris/Warstat, Matthias (Hg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart, Weimar 2005, S. 307–314 (im Folgenden zitiert als: Schramm).

60Vgl. Kotte: S. 31–41.

61Vgl. Balme, Christopher: Einführung in die Theaterwissenschaft, Berlin 2003, S. 57.

62Chinyowa, Kennedy C.: „Revisiting monitoring and evaluation strategies for applied drama and theatre practice in African contexts“, in: Research in Drama Education: The Journal of Applied Theatre and Performance, 16:3, 2011, S. 337–356, hier S. 345 (im Folgenden zitiert als: Chinyowa).

63Vgl. Ganguin, Sonja/Hoblitz, Anna: „Serious Games – Ernstes Spielen? Über das Problem von Spielen, Lernen und Wissenstransfer“, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.): Serious Games. Exergames. Exerlearning – Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, Bielefeld 2013, S. 165–184.

64Ebd., S. 165f. sowie Abt, Clark C.: Ernste Spiele. Lernen durch gespielte Wirklichkeit, Köln 1971.

65Mit dem Begriff der „Ludifizierung“ wird sich diese Studie der These von Joost Raessens anschließen, dass die sogenannte gamification – also die Übernahme von Aspekten und Mechanismen des Computerspiels in Arbeits-, Lern- und Therapiekontexte – nur eine Manifestation einer Ludifizierung verschiedenster Lebensbereiche darstellt, die vormals nicht vom Spiel durchdrungen erschienen: Die gamification gehört ebenso zur Ludifizierung, wie die Ästhetik des Drohnenkriegs auf der Seite der Piloten, das Unternehmenstheater oder Spielaspekte in politischen Prozessen, auf die Raessens sich fokussiert, vgl. Raessens, Joost: „The ludification of culture“, in: Fuchs, Matthias u. a.: Rethinking Gamification, Lüneburg 2014, S. 91–114, hier S. 94 (im Folgenden zitiert als: Raessens).

66Huizinga, Johan: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Reinbek 2013, S. 22 (im Folgenden zitiert als: Huizinga).

67Caillois.

68Bateson, Gregory: „Eine Theorie des Spiels und der Phantasie“, in: ders.: Ökologie des Geistes, Frankfurt a. M. 1985, S. 241–251 (im Folgenden zitiert als: Bateson).

69Vgl. Warstat u. a.: Theater als Intervention, S. 8.

70Harvie, Jen: Fair Play – Art, Performance and Neoliberalism, Basingstoke, New York 2013 (im Folgenden zitiert als: Harvie).

71Schlickmann, Gerke: „Wir müssen über SIGNA reden – Larp und Performance-Installationen“, in: Bienia, Rafael/dies. (Hg.): LARP und die (anderen) Künste, Braunschweig 2016, S. 55–78 (im Folgenden zitiert als: Schlickmann: „Wir müssen über SIGNA reden“) und dies.: Adventure and Meeting. Eine Einführung in Live-Rollenspiel aus theaterwissenschaftlicher Perspektive, Braunschweig 2015 (im Folgenden zitiert als: Schlickmann: Adventure and Meeting).

72Bishop, Claire: Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship, London, New York 2012 (im Folgenden zitiert als: Bishop).

73Bourriaud, Nicolas: Relational Aesthetics, Dijon 2002 (im Folgenden zitiert als: Bourriaud).

74Schneider, Rebecca: Performing Remains. Art and War in Times of Theatrical Reenactment, New York 2011, (im Folgenden zitiert als: Schneider).

75Gebauer, Gunter: „Das Spiel und die Arbeitsgesellschaft. Über den Wandel des Verhältnisses von Arbeit und Spiel“, in: Paragrana 5, 1996, S. 23–39 (im Folgenden zitiert als: Gebauer).

76Vgl. etwa Foucault, Michel: Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit, Berlin 1978 (im Folgenden zitiert als: Foucault: Dispositive der Macht) und ders.: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1994 (im Folgenden zitiert als: Foucault: Überwachen und Strafen).

77Deleuze, Gilles: Lust und Begehren, Berlin 1996, S. 18f. (im Folgenden zitiert als: Deleuze: Lust und Begehren), vgl. auch ders.: Foucault, Frankfurt a. M. 2013, S. 60f. (im Folgenden zitiert als: Deleuze: Foucault).

78Butler: Psyche der Macht, S. 8.

79Vgl. Stauff, Markus: Das neue Fernsehen: Machtanalyse, Gouvernementalität und digitale Medien, Münster 2005. Hier zitiert wird die der Publikation zugrundeliegende, ungekürzte Dissertationsschrift: Stauff, Markus: Das neue Fernsehen. Machteffekte einer heterogenen Kulturtechnik, Dissertationsschrift, eingereicht an der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum 2004 (im Folgenden zitiert als: Stauff).

80Vgl. Warstat, Matthias: „Theatralität“, in: Fischer-Lichte, Erika/Kolesch, Doris/ders. (Hg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart, Weimar 2005, S. 358–364, hier S. 363f. (im Folgenden zitiert als: Warstat: „Theatralität“).

81Aggermann, Lorenz/Döcker, Georg/Siegmund, Gerald (Hg.): Theater als Dispositiv. Dysfunktion, Fiktion und Wissen in der Ordnung der Aufführung, Frankfurt a. M. 2017 (im Folgenden zitiert als: Aggermann, Döcker, Siegmund).

82Siegmund: „Theater als ästhetisches Dispositiv“.

83Vgl. Aggermann, Lorenz: „Die Ordnung der darstellenden Kunst und ihre Materialisationen. Eine methodische Skizze zum Forschungsprojekt Theater als Dispositiv“, in: Aggermann, Döcker, Siegmund: S. 7–32, hier S. 10f. (im Folgenden zitiert als: Aggermann).

84Goffman, Erving: The Presentation Of Self In Everyday Life, Edinburgh 1956. In dieser Studie wird im Folgenden die aus der Perspektive der Theatralitätsforschung z. T. leider freier übersetzte, aber in dieser Form nicht zuletzt in der Praxis des Unternehmenstheaters so in den Diskurs eingeflossene, deutsche Ausgabe verwendet werden, vgl. Goffman, Erving: Wir alle spielen Theater. Selbstdarstellung im Alltag, München, Zürich 2013 (im Folgenden zitiert als: Goffman).

85Deleuze, Gilles: „Postskriptum über die Kontrollgesellschaften“, in: ders.: Unterhandlungen 1972–1990, Frankfurt a. M. 1993, S. 254–262 (im Folgenden zitiert als: Deleuze: „Postskriptum über die Kontrollgesellschaften“).

86Boltanski: Die Vorhölle und ders./Chiapello, Ève: „Die Arbeit der Kritik und der normative Wandel“, in: Menke, Christoph/Rebentisch, Juliane (Hg): Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus, Berlin 2012, S. 18–37 (im Folgenden zitiert als: Boltanski, Chiapello).

87Chiapello, Ève: „Evolution und Kooption. Die ‚Künstlerkritik‘ und der normative Wandel“, in: Menke, Christoph/Rebentisch, Juliane (Hg): Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus, Berlin 2012, S. 38–51 (im Folgenden zitiert als: Chiapello).

88Agamben, Giorgio: Was ist ein Dispositiv?, Zürich, Berlin 2008 (im Folgenden zitiert als: Agamben).

89Reckwitz, Andreas: Die Erfindung der Kreativität, Frankfurt a. M. 2012 (im Folgenden zitiert als: Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität).

90Bröckling, Ulrich: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt a. M. 2016 (im Folgenden zitiert als: Bröckling: Das unternehmerische Selbst) und ders.: „Totale Mobilmachung. Menschenführung im Qualitäts- und Selbstmanagement“, in: Lemke, Krasmann, Bröckling: S. 131–167 (im Folgenden zitiert als: Bröckling: „Totale Mobilmachung“) sowie ders: „Menschenökonomie, Humankapital“.

91