Theorie des Partisanen. - Carl Schmitt - E-Book

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Carl Schmitt

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Beschreibung

»Die Ausgangslage für unsere Überlegungen zum Problem des Partisanen ist der Guerrilla-Krieg, den das spanische Volk in den Jahren 1808 bis 1813 gegen das Heer eines fremden Eroberers geführt hat. In diesem Kriege stieß zum ersten Male Volk (...) mit einer modernen, aus den Erfahrungen der französischen Revolution hervorgegangenen, gut organisierten, regulären Armee zusammen. Dadurch öffneten sich neue Räume des Krieges, entwickelten sich neue Begriffe der Kriegführung und entstand eine neue Lehre von Krieg und Politik. Der Partisan kämpft irregulär. (...) Zu allen Zeiten der Menschheit und ihrer vielen Kriege und Kämpfe hat es Kriegs- und Kampfregeln gegeben, und infolgedessen auch Übertretung und Mißachtung der Regeln. (...) Nur ist dabei zu beachten, daß, für eine Theorie des Partisanen im ganzen, die Kraft und Bedeutung seiner Irregularität von der Kraft und Bedeutung des von ihm in Frage gestellten Regulären bestimmt wird. (...)« Aus der Einleitung

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CARL SCHMITT

Theorie des Partisanen Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen

CARL SCHMITT

Theorie des Partisanen

Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen

Achte, korrigierte Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 1963 2. unveränderte Auflage 1975 3. unveränderte Auflage 1992 4. unveränderte Auflage 1995 5. unveränderte Auflage 2002 6. unveränderte Auflage 2006 7. unveränderte Auflage 2010 8., korrigierte und um ein Personenverzeichnis erweiterte Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten © 2017 Duncker & Humblot GmbH Druck: Druckteam, Berlin Printed in Germany

ISBN 978-3-428-15278-0 (Print)ISBN 978-3-428-55278-8 (E-Book)ISBN 978-3-428-85278-9 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papierentsprechend ISO 9706 ♾

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Ernst Forsthoff zum 60. Geburtstag gewidmet 13. September 1962

Vorwort

Die vorliegende Abhandlung zur Theorie des Partisanen ist aus zwei Vorträgen entstanden, die ich im Frühjahr 1962 gehalten habe, nämlich am 15. März in Pamplona, auf Einladung des Estudio General de Navarra, und am 17. März in der Universität Saragossa, im Rahmen der Veranstaltungen der Cátedra Palafox, auf Einladung ihres Direktors, Professor Luis García Arias. Der Vortrag ist in den Publikationen der Cátedra Ende 1962 gedruckt erschienen.

Der Untertitel Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen erklärt sich aus dem konkreten Augenblick der Veröffentlichung. Der Verlag macht zur Zeit den Text meiner Schrift aus dem Jahre 1932 wieder zugänglich. In den letzten Jahrzehnten haben sich mehrere Corollarien zum Thema ergeben. Die vorliegende Abhandlung ist kein solches Corollarium, sondern eine, wenn auch nur skizzenhafte, selbständige Arbeit, deren Thema unvermeidlich in das Problem der Unterscheidung von Freund und Feind einmündet. So möchte ich denn diese Ausarbeitung meiner Vorträge vom Frühjahr 1962 in der anspruchslosen Form einer Zwischenbemerkung vorbringen und auf diese Weise allen denen zugänglich machen, die der schwierigen Diskussion des Begriffs des Politischen bisher mit Aufmerksamkeit gefolgt sind.

Februar 1963

Carl Schmitt

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Blick auf die Ausgangslage 1808/13

Horizont unserer Betrachtung

Wort und Begriff Partisan

Blick auf die völkerrechtliche Lage

Entwicklung der Theorie

Preußisches Mißverhältnis zum Partisanentum

Der Partisan als preußisches Ideal 1813 und die Wendung zur Theorie

Von Clausewitz zu Lenin

Von Lenin zu Mao Tse-tung

Von Mao Tse-tung zu Raoul Salan

Aspekte und Begriffe des letzten Stadiums

Raumaspekt

Zertrümmerung sozialer Strukturen

Der weltpolitische Zusammenhang

Technischer Aspekt

Legalität und Legitimität

Der wirkliche Feind

Vom wirklichen zum absoluten Feind

Personenverzeichnis

Einleitung

Blick auf die Ausgangslage 1808/13

Die Ausgangslage für unsere Überlegungen zum Problem des Partisanen ist der Guerrilla-Krieg, den das spanische Volk in den Jahren 1808 bis 1813 gegen das Heer eines fremden Eroberers geführt hat. In diesem Kriege stieß zum ersten Male Volk — vorbürgerliches, vorindustrielles, vorkonventionelles Volk — mit einer modernen, aus den Erfahrungen der französischen Revolution hervorgegangenen, gut organisierten, regulären Armee zusammen. Dadurch öffneten sich neue Räume des Krieges, entwickelten sich neue Begriffe der Kriegführung und entstand eine neue Lehre von Krieg und Politik.

Der Partisan kämpft irregulär. Aber der Unterschied von regulärem und irregulärem Kampf hängt von der Präzision des Regulären ab und findet erst in modernen Organisationsformen, die aus den Kriegen der französischen Revolution entstehen, seinen konkreten Gegensatz und damit auch seinen Begriff. Zu allen Zeiten der Menschheit und ihrer vielen Kriege und Kämpfe hat es Kriegs- und Kampfregeln gegeben, und infolgedessen auch Übertretung und Mißachtung der Regeln. Insbesondere haben sich in allen Zeiten der Auflösung, z. B. während des 30jährigen Krieges auf deutschem Boden (1618—48), ferner in allen Bürgerkriegen und allen Kolonialkriegen der Weltgeschichte immer wieder Erscheinungen gezeigt, die man partisanisch nennen kann. Nur ist dabei zu beachten, daß, für eine Theorie des Partisanen im ganzen, die Kraft und Bedeutung seiner Irregularität von der Kraft und Bedeutung des von ihm in Frage gestellten Regulären bestimmt wird. Eben dieses Reguläre des Staates wie der Armee erhält sowohl im französischen Staat wie in der französischen Armee durch Napoleon eine neue, exakte Bestimmtheit. Die zahllosen Indianerkriege der weißen Eroberer gegen die amerikanischen Rothäute vom 17. bis zum 19. Jahr[12]hundert, aber auch die Methoden der Riflemen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die reguläre englische Armee (1774—83) und der Bürgerkrieg in der Vendée zwischen Chouans und Jakobinern (1793—96) gehören sämtlich noch in das vor-napoleonische Stadium. Die neue Kriegskunst der regulären Armeen Napoleons war aus der neuen, revolutionären Kampfesweise entstanden. Einem preußischen Offizier von damals kam der ganze Feldzug Napoleons gegen Preußen 1806 nur wie eine „Parteigängerei im Großen" vor1.

Der Partisan des spanischen Guerrilla-Krieges von 1808 war der erste, der es wagte, irregulär gegen die ersten modernen regulären Armeen zu kämpfen. Napoleon hatte im Herbst 1808 die reguläre spanische Armee geschlagen; der eigentliche spanische Guerillakrieg begann erst nach dieser Niederlage der regulären Armee. Es gibt noch keine vollständige, dokumentierte Geschichte des spanischen Partisanenkrieges2. Sie ist, wie Fernando Solano Costa (in seinem in der An[13]merkung zitierten Aufsatz Los Guerrilleros) sagt, notwendig, aber auch sehr schwierig, weil der gesamte spanische Guerrilla-Krieg sich aus annährend 200 regionalen Kleinkriegen in Asturien, Aragonien, Katalanien, Navarra, Kastilien usw. zusammensetzte, unter der Führung von zahlreichen Kämpfern, deren Namen von vielen Mythen und Legenden umwoben ist, unter ihnen Juan Martin Diez, der als der Empecinado ein Schrecken der Franzosen wurde und die Straße von Madrid nach Saragossa unsicher machte3. Dieser Partisanenkrieg wurde auf beiden Seiten mit schauerlichster Grausamkeit geführt, und es ist kein Wunder, daß mehr zeitgeschichtliches Material von den gebildeten, Bücher und Memoiren schreibenden Afrancesados, den Franzosenfreunden, als von den Guerrilleros gedruckt worden ist. Wie nun aber auch immer Mythos und Legende auf der einen, dokumentierte Historie auf der anderen Seite sich hier verhalten mögen, die Linien unserer Ausgangslage sind jedenfalls klar. Nach Clausewitz stand oft die Hälfte der gesamten französischen Streitmacht in Spanien und war die Hälfte davon, nämlich 250-260 000 Mann, durch Guerrilleros gebunden, deren Zahl von Gomez de Arteche auf 50 000, von andern weit niedriger geschätzt wird.

[14] Zur Situation des spanischen Partisanen von 1808 gehört vor allem, daß er den Kampf auf seinem engeren Heimatboden riskierte, während sein König und dessen Familie noch nicht genau wußten, wer der wirkliche Feind war. In dieser Hinsicht verhielt sich die legitime Obrigkeit damals in Spanien nicht anders wie in Deutschland. Außerdem gehört es zur -spanischen Situation, daß die gebildeten Schichten des Adels, des hohen Klerus und des Bürgertums weithin afrancesados waren, also mit dem fremden Eroberer sympathisierten. Auch in dieser Hinsicht ergeben sich Parallelen mit Deutschland, wo der große deutsche Diditer Goethe Hymnen zum Ruhme Napoleons dichtete und die deutsche Bildung sich niemals endgültig darüber klar wurde, wohin sie nun eigentlich gehörte. In Spanien wagte der Guerrillero den aussichtslosen Kampf, ein armer Teufel, ein erster typischer Fall des irregulären Kanonenfutters weltpolitischer Auseinandersetzungen. Das alles gehört als Ouvertüre zu einer Theorie des Partisanen.

Ein Funke sprang damals von Spanien zum Norden. Er hat dort nicht denselben Brand entfacht, der dem spanischen Guerrilla-Krieg seine weltgeschichtliche Bedeutung gab. Aber er löste dort eine Wirkung aus, deren Weiterführung heute, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das Antlitz der Erde und ihrer Menschheit verändert. Er bewirkte eine Theorie des Krieges und der Feindschaft, die folgerichtig in der Theorie des Partisanen gipfelt.