Therapie in Aktion - Lothar Kuschnik - E-Book

Therapie in Aktion E-Book

Lothar Kuschnik

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Beschreibung

Das erste Werkbuch für die soziale, pädagogische und therapeutische Arbeit mit der Aktionstherapie. Ihr Begründer Joop (John) Krop erweitert damit die Verfahren der Humanistischen Psychologie zu einer praxisbezogenen Methode in Beratung und Psychotherapie.

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Seitenzahl: 411

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EHP - Edition Humanistische Psychologie

Hg. Anna und Milan Sreckovic

Die Autoren

Lothar Kuschnik, Dipl.-Sozialwissenschaftler und ev. Pfarrer, Gestalttherapeut (FPI), Hypnotherapeut und Supervisor, seit vielen Jahren beratend und seelsorgerlich tätig; Ausbildung u.a. am Center for Human Communication, Los Gatos, Cal. USA, Weiterbildung in Psychoonkologie u.a. bei Carl Simonton, langjährige Tätigkeit in der Ausbildung von GestalttherapeutInnen und PsychoonkologInnen; Leiter des Weiterbildungsinstitut Rhein-Ruhr, Meschede ([email protected]); Veröffentlichung: Lebensmut in schwerer Krankheit - spirituelle Begleitung bei Krebs.

Arno Paschmann, Gestalttherapeut (DVG) und Supervisor in freier Praxis, Ausbildung u.a. am Center for Human Communication, Los Gatos, Cal. USA, Weiterbildung in Systemischer Therapie, körperorientierten psychotherapeutischen Verfahren (Stanley Keleman, Leland Johnson u.a.) und Atemtherapie; langjährige Tätigkeit in der Ausbildung von GestalttherapeutInnen und Mitwirkung bei der Ausbildung von Meditations- und Exerzitienleitern der Bistümer Münster und Aachen; Leiter des Weiterbildungsinstitut Rhein-Ruhr, Meschede ([email protected]); lebt auf Lanzarote.

© 2013 EHP - Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbachwww.ehp-koeln.com

Vorwort von Joop Krop aus dem Amerikanischen übersetzt von den Autoren.Redaktion: Nina Zimmermann, Andreas Kohlhage

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich:

ISBN 978-3-89797-568-2 (ePub)

ISBN 978-3-89797-569-9 (PDF)

eBook-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Umschlagentwurf: Gerd Struwe, Uwe Gieseunter Verwendung eines Bildes von bruno da Todi: »Opera di Pechino 1793 Rosso Coraggio«

Gedruckt in der EU

Alle Rechte vorbehalten

All rights reserved. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording or by any information storage and retrieval system, without permission in writing from the publisher.

ISBN 978-3-89797-081-6 (Print)ISBN 978-3-89797-568-2 (ePub)ISBN 978-3-89797-569-9 (PDF)

Inhalt

Vorwort Joop Krop

Vorbemerkung

A Die Aktionstherapie I

1. Aktionstherapie - eine Handlungsmethode

2. Die Metapher als Basis der Aktionstherapie

B Biographie I

1. Einleitung

2. Joops Geburt u. Kindheit im Amsterdam der zwanziger Jahre

3. Joop ordnet seine Geburt in das Jahr 1924 ein

4. Leben im Jordaan

C Quellen der Aktionstherapie I

1. Gisela Konopka: Gruppenarbeit - eine Wurzel moderner Sozialarbeit

2. Klientenzentrierte Gesprächsführung - Carl Rogers

A Die Aktionstherapie II

Aktives Zuhören nach John Krop

Bodyarchitecture

1. Was ist Body Architecture/ Body Sculpting?

2. Warum Body Architecture?

3. Diagnostische und therapeutische Anwendung

4. Didaktische Anwendung

5. Typen von Body Architecture

6. Zusammenfassung

B Biographie II

1. Familienbilder - Tante Ka und OmeHuub

2. Kinderbilder einer versunkenen Zeit

3. „Die Essenz des Lebens ist die Suche“

C Quellen der Aktionstherapie II

Die Entstehung von Body Architecture

1. Familientherapie - Virginia Satir

2. Psychodrama - Jakob Moreno

3. Bioenergetik - Al Lowen, Stanley Keleman u.a.

4. Psychomotorische Therapie - Al Pesso

A Die Aktionstherapie III

Body Architecture in der Einzeltherapie und Einzelsupervision

1. Die Rolle des Therapeuten - ein Beispiel aus der Einzelsupervision

2. Die vier Phasen der Sitzung

Body Architecture in der Paartherapie

1. Ein Beispiel

2. Der Prozess

Initialphase

Die Skulptur ‚melken‘

Auswertung

Umsetzung

3. Schritte im Prozess

Um Erlaubnis bitten

Praktische Hinweise

4. Die Haltung des Therapeuten

Body Architecture durch den Therapeuten gestaltet

Einige Beispiele spezieller Paarprobleme und möglicher Skulpturen:

1. „Immer muss ich die Initiative übernehmen.“

2. „Du willst immer deinen Willen durchsetzen.“

3. „Ich mache dicht.“

4. „Ich bekomme keine Luft.“

5. „Wir haben uns auseinander gelebt.“

6. „Es ist für mich vorbei.“

7. „Ich bin total sauer auf dich.“

8. „Ich möchte, dass du …“

9. Geben und nehmen

10. „Wir kommen nie zusammen und haben wirklich Kontakt.“

11. Haltungen wortwörtlich genommen Phasen der Beziehung

B Biographie III

1. Schulzeit - der Horizont weitet sich

2. Jugendzeit - Ons Huis

C Quellen der Aktionstherapie III

Transaktionsanalyse - Eric Berne

A Die Aktionstherapie IV

Body Architecture mit Familien

Weitere Anwendungen von Body Architecture

1. In der Supervision von Arbeitsgruppen

2. In Selbsterfahrungs- oder Therapiegruppen

Schlussbetrachtung

B Biographie IV

1. Die (un) - wirkliche Invasion

2. Deportation: Fragen - Gedanken - Erinnerung

C Quellen der Aktionstherapie IV

1. Rage Reduction - Robert Zaslow

2. Verhaltenstherapie

A Die Aktionstherapie V

Arbeit mit Objekten

1. Der Leere Stuhl

2. „Energiekuchen“

3. Kramkiste

4. Gegenstände im Raum

5. Bilderbücher

6. Jungscher Miniatursandkasten

7. Malen

8. Weitere Objekte

BBiographie V

Ein junger Mann sucht seinen Platz in der Welt

C Quellen der Aktionstherapie V

Gestalttherapie - Fritz Perls

A Die Aktionstherapie VI

Geleitete Phantasie

1. Was sind geleitete Phantasien?

2. Kreierung einer visuellen Metapher

3. Phantasietypen

4. Wozu dienen Geleitete Phantasien?

5. Gefahren und Kontraindikationen

B Biographie VI

Ein Koffer und 50 $ - zum ersten Mal in den USA

C Quellen der Aktionstherapie VI

Psychosynthese - Roberto Assagioli

A Die Aktionstherapie VII

Verschiedene Phantasien

1. Phantasien mit vorgegebenem Szenario Beispiel: Das Kind, das du mal warst

2. Die Struktur einer Phantasie mit vorgegebenen Szenario

3. Die Guru-Phantasie

B Biographie VII

1. Eine junge Familie in den USA

2. Wieder zuhause

C Quellen der Aktionstherapie VII

1. Gruppendynamik - T-Gruppen und Sensitivitätstraining

2. Hypnotherapie - Milton Erickson

A Die Aktionstherapie VIII

1. Die Weggabelung

2. Die Phantasie einer Gefahr

3. Körperphantasie

4. Endlich zu Hause

5. Andere Themen

B Biographie VIII

Emigration in die USA

C Quellen der Aktionstherapie VIII

Rational-Emotive Therapie - Albert Ellis

A Die Aktionstherapie IX

1. Zukunftsphantasie

2. Idealphantasie

3. Schließung einer traumatischen Gestalt

4. Arbeit mit Marie - ein Lehrbeispiel

5. Phobien

B Biographie IX

1. Welfare Department

2. Center for Human Communication

3. Leben und (therapeutisch) arbeiten 1970 - 1995

4. „Es war eine erlaubende Zeit …“

C Quellen der Aktionstherapie IX

Bandler und Grinder - Neurolinguistisches Programmieren

A Die Aktionstherapie X

Arbeit mit Symbolen in der Phantasie

1. Jacks Ärger

2. Sheilas Angst

3. Probleme in der Arbeit mit Symbolen

Heilende Phantasie

1. Clarks Magen

2. Karins Kopfschmerz

3. Geleitete Phantasie in der Arbeit mit Krebspatienten

4. Frau M. - Das Geschenk der drei Sätze

5. Zusammenfassung

Arbeit mit Geleiteten Phantasien - zwei weitere Beispiele

1. Der siedende Kochtopf

2. Feuerbauch und Schutzlosigkeit

Arbeit mit allen drei Metaphern

„Mein Ende“ - eine Geleitete Phantasie mit Joop Krop

Schluss

Dank

Literaturangaben

Joop (John) P. KropLos Gatos, Cal. im April 2011

Vorwort

Als ich 1960 von Holland nach Kalifornien auswanderte, wusste ich nicht, dass ich inmitten einer Umwälzung auf dem Gebiet der Psychotherapie landen würde. Neue Theorien entstanden: Virginia Satir entwickelte am Mental Research Institut die Familientherapie, Eric Berne schied als Freund von der Psychoanalyse und entwickelte die Transaktionsanalyse. Jim und Susan Vargiu lehrten Psychosynthese. Fritz Perls lehrte am Esalen Institut Gestalttherapie wie später auch Bandler und Grinder Neurolinguistische Therapie (NLP). Therapeuten, die von außerhalb Kaliforniens kamen, fanden hier ein dankbares Publikum: Albert Ellis (Rational-Emotive Therapie - RET), Al Pesso (Psychomotorische Therapie), Moreno (Psychodrama), Al Lowen (Bioenergetik). Ich habe bei all diesen Pionieren der Humanistischen Psychologie gelernt und ihre Methoden mit meiner Art Therapie zu machen verbunden.

Ich habe auch meine Verbindung zu Holland aufrecht erhalten und dort unterrichtet. Als ich aufgefordert wurde, ein Buch über meine Methoden in Holländisch zu schreiben („Aktietherapie“), war ich gezwungen, meinen Rahmen zu entwickeln. Dabei kam folgendes heraus: Sobald ich mit meinen Klienten ein für sie wichtiges Anliegen klar benannt hatte, fragte ich sie, ob sie dieses weiter erforschen wollten. Waren sie damit einverstanden, dann entwickelte ich auf der Basis einer der drei folgenden Formen eine Metapher: Eine Körpermetapher, eine Metapher mit Gegenständen oder eine Phantasie, die das bestimmte Anliegen darstellt.

Diese Metapher warf mehr Licht auf das Anliegen des Klienten oder offenbarte einen anderen Aspekt und führte zu einem schnelleren und tieferen Verständnis des Anliegens. Dieser Ansatz bewahrte mich auch vor der Langeweile. Dieses Buch widmet sich hauptsächlich diesem Prozess.

Einer der Orte in Holland, wo ich arbeitete, war das HEEL-Institut, wo Deutsche in Gestalttherapie ausgebildet wurden. Die Autoren dieses Buches arbeiteten als Lehrtrainer für dieses Institut. Da hatten sie die Gelegenheit, meine Arbeit kennen zu lernen. In dieser Zeit erhielten sie auch das Certificate des Center for Human Communication, Los Gatos. Anscheinend gefiel ihnen mein Arbeitsansatz, sodass sie Jahre später (2011) Kontakt mit mir aufnahmen und erklärten, dass sie über meine Aktionstherapie ein Buch schreiben wollten. Ich war darüber hocherfreut! Als ich 1991 in Pension ging, hatte ich wirklich bedauert, nicht mehr über meine Methoden veröffentlicht zu haben, und dass sie daher mit mir verschwinden würden.

Lothar, Gertrud und Arno kamen für zehn Tage nach Los Gatos und interviewten mich zweimal täglich. Sie reisten mit vielen Informationen über Aktionsmethoden und über mich ab. Diese haben zu diesem Buch geführt. Ich danke Arno, Gertrud und Lothar für ihre Arbeit.

Mein Rat an den Leser ist: Lesen Sie dieses Buch zunächst, um Ihre Neugier zu befriedigen. Gehen Sie danach zurück zu Abschnitten, die Sie beeindruckt haben, und schauen Sie, ob Sie etwas davon in Ihre Arbeit integrieren können und wollen. Gute Reise!

Vorbemerkung

„Wir lernen nicht durch Einsicht, sondern wir sehen manchmal ein, was wir gelernt haben.“

Wolf Büntig

Joop (John) P. Krop ist der Begründer der Aktionstherapie, einer Therapieform, die in Deutschland bisher kaum bekannt ist. Joop hat diese Form therapeutischer Arbeit aus verschiedenen Quellen der Humanistischen Psychologie entwickelt. Ihm ist es wichtig, Menschen in Aktion zu bringen und ihnen so zu neuen Erfahrungen und Erkenntnissen zu verhelfen. Wir haben Joop im April 2011 in den USA interviewt und seine Schriften ausgewertet. So ist dieses Buch entstanden. Joop war vor 20 Jahren unser Ausbilder, später Supervisor, als Susanne (Lothars Frau), Gertrud, Arno und Lothar für ein niederländisches Gestalt-Institut als Lehrtherapeuten arbeiteten. Damals hatte er uns aus seinem Leben erzählt, und wir waren fasziniert. Da wandert ein junger Niederländer aus dem ‚Arme-Leute-Viertel’ „Jordaan“ in Amsterdam in den 50er Jahren in die USA aus und lernt „die Großen“ der Therapieszene der 70er Jahre kennen: Fritz Perls (Gestalttherapie), Eric Berne (Transaktionale Analyse) Virginia Satir (Familientherapie), J. Grinder und R. Bandler (NLP) um nur einige zu nennen. Als Arno einen Artikel von Joop aus dem Englischen übersetzte, erinnerten wir uns an ihn, und die Idee zu diesem Projekt entstand. Das Buch will drei Fäden miteinander verknüpfen: A - die Darstellung der Aktionstherapie, B - die Begegnung mit dem Menschen Joop Krop auch in seiner kreatürlichen Fragilität und C - die Quellen der Aktionstherapie. Uns hat es bewegt, diesen Mann am Ende seines Lebens so offen, lebendig und zerbrechlich zugleich zu erleben. Die Geleitete Phantasie über sein Ende (s. S. 221) zählt sicher zu den ganz besonderen Momenten unserer Begegnung und dieses Buches.

In unseren Interviews wird deutlich, wie eine therapeutische Haltung in einer bestimmten Sicht auf die Welt oder Lebenshaltung begründet ist. Wenn Joop formuliert: „Die Essenz des Lebens ist die Suche“, dann ist die Spur zu einer solchen Sicht auf das Leben vielleicht schon bei dem Vierjährigen auf den Straßen Amsterdams gelegt worden. Sein Vater ließ ihn „versteckte Hinweise“ auf Entdeckungen finden, und Joop lernte auf diese Weise, dass die Welt ein Feld für Entdecker ist. Er machte die Erfahrung, dass nichts so ist, wie es beim ersten Augenschein zu sein scheint. Wir können das akademisch als „Einführung in die Phänomenologie“ bezeichnen, die dem therapeutischen Tun der Verfahren der Humanistischen Psychologie als philosophische Grundhaltung innewohnt. Wir können es auch einfach als ein Bewahren kindlicher Entdeckerfreude beschreiben. Diese Haltung, den Phänomenen der Welt möglichst offen zu begegnen, erklärt den partnerschaftlichen Therapiestil von Joop. Er ist nicht der große Erklärer oder Besserwisser, sondern ein mit dem Klienten Suchender. Daher ist er schnell bereit, eine einmal gewonnene Erkenntnis wieder zu verwerfen, wenn sie dem Klienten nicht dient. Da ist keine Arroganz und kein Guru-Gehabe zu entdecken. Das macht die Aktionstherapie und ihren Begründer so sympathisch und ihre Anwendung so lebendig und spannend.

Während der Interviews sind wir auf ein Phänomen gestoßen. Joop ist nie einer Therapierichtung ausschließlich gefolgt. Er ist ein „Eklektiker“ oder ein „sturer Holländer“, wie er selbst sagt. Das ist deshalb erstaunlich, weil die meisten anderen Therapeuten seiner Generation zu „Schülern“ von Fritz Perls, Virginia Satir, Eric Berne, Bandler und Grinder u.a. wurden. Joop nicht. „Warum?“ - haben wir uns gefragt und folgende Erklärung gefunden, die in seiner Biographie begründet ist. Joop ist in einem besonderen Viertel in Amsterdam aufgewachsen: dem Jordaan. In seiner Nachbarschaft und Verwandtschaft sind ihm viele, zwar arme, aber sehr originelle Menschen begegnet, die alle ihre ‚eigene Art’ entwickelt hatten. Sein Vater hat schon früh in ihm die Neugier für die Welt geweckt, in der Montessori-Schule wurde dieser wache Forschergeist weiter gefördert. So hat sich Joop aus dem Arbeitermilieu empor gearbeitet und sich seine innere Unabhängigkeit bewahrt. Ganz selbstbewusst sagt er oft: „Ich habe das (gemeint ist ein Therapieverfahren) gesehen und das genommen, was zu mir passte.“ In der Darstellung der Begegnung von Joop mit den berühmten Männern und Frauen der Humanistischen Psychologie scheint dieses Selbstbewusstsein auf. Wir haben jeder Begegnung eine kurze Darstellung der betreffenden Therapierichtung angefügt. So entsteht ein Kompendium einiger Therapieverfahren der Humanistischen Psychologie. Der Leser bekommt einen Überblick über Gestalttherapie, NLP, Systemische Therapie, Transaktionsanalyse, Bioenergetik und vieles mehr. Die Darstellung der einzelnen Verfahren haben wir, ebenso wie die Biographie, als Quellen in die Beschreibung der Aktionstherapie eingearbeitet.

So entstand die Gliederung:

A - Darstellung der Aktionstherapie

B - Biographie von Joop Krop

C - Quellen der Aktionstherapie

Der Leser kann sich nun, seinem Interesse folgend, frei in diesem Buch bewegen, getreu Joops Motto: Die Essenz des Lebens ist die Suche.

Joop

Der Leser wird bei der Lektüre schnell merken, dass die wörtlichen Zitate von Joop kein wirkliches Hochdeutsch sind. Joop sprach in den Interviews mit uns Deutsch und Englisch und Niederländisch und je nach Tagesform auch alles in einem Satz. Wir haben uns nach einiger Zeit darauf eingestellt, und es macht den besonderen Charme dieser Sprache aus, dass manche Formulierung in ‚Niederländisch-Deutsch’ viel weicher klingt als in Hochdeutsch. So hoffen wir, auch in der Sprache, diese besondere Begegnung eingefangen zu haben.

Ach ja, noch eine Bemerkung zu Joops Namen. Sein Name im Niederländischen ist Joop, im Deutschen wäre es Johannes, in den USA wird er zu John. In den biographischen Darstellungen des Buches verwenden wir den niederländischen Geburtsnamen ‚Joop’. In den mehr theoretischen Teilen, wenn die ‚Einbürgerung’ in die USA ganz vollzogen ist, verwenden wir den dort gebräuchlichen Namen John.

Alle Teile der Biographie sind von Joop gelesen, und er hat dem Geschriebenen so zugestimmt. Es war für uns eine besondere Herausforderung, das Leben und Werk von Joop angesichts seiner schwindenden Kräfte in eine Form zu bringen, die Würdigung und Respekt für seine Lebensleistung ausdrücken und zugleich Joop als ‚Lehrer’ zu Wort kommen zu lassen. Das Einzige, was er bedauert, ist die Tatsache, dass er zu wenige ‚students’ in Aktionstherapie ausgebildet hat. Das wollen wir ändern, denn seine sehr bodenständige und klare Therapieform hat es verdient, den Weg in den ‚therapeutischen Handwerkskasten’ all derer zu finden, die Menschen begleiten.

Wir werden uns irgendwann von Joop verabschieden müssen. Irgendwann wird ein Anruf aus den USA kommen und dann …

Wir sind dankbar, dass er uns so offen empfangen hat und an keiner Stelle zu erkennen gab, dass ihm unser Interesse zu viel war. Im Gegenteil: Wir hatten den Eindruck, er hat seine Kräfte mobilisiert, um der Welt sein Vermächtnis mitzuteilen. Wir sind froh, dass wir dabei hilfreich sein können.

A

A

Die Aktionstherapie - Eine Handlungsmethode I

1.

Einführung in die Aktionstherapie

„Alles was ich sage, sei Gespräch, nichts sei ein Rat. Ich würde nicht so kühn reden, wenn man mir folgen müsste.“

Erasmus von Rotterdam (ca. 1465 - 1536)

Aus zwei Gründen stellen wir dieses Wort des großen Humanisten Erasmus von Rotterdam der Darstellung von John Krops Aktionstherapie voran: Einerseits bezeichnet er sich auf Fragen nach seinem weltanschaulichen Hintergrund gerne selbst als Humanisten, und andererseits haben wir ihn in seiner praktischen Arbeit auch so erlebt: von grundsätzlichem Respekt vor dem Anderssein des Anderen durchdrungen, achtsam die Grenzen der Klienten berührend, eher immer einen halben Schritt hinter dem Klienten gehend den Prozess begleitend. Das wird im Folgenden auch in einigen Verbatims aus therapeutischen Gesprächen deutlich.

John Krop geht davon aus, dass wir alle in Glaubens-, Meinungs- und Wertesystemen leben, die wir über unsere Prägung erhalten haben: „Ich glaube, dass das Eis mich trägt; ich vertraue darauf, dass das Eis mich trägt; ich weiß, dass das Eis mich trägt; und ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Eis mich trägt“ (siehe: J. Krop „My Beliefs about Therapy“). Diese führen je nach den verschiedenen Erfahrungen zu unterschiedlichen Abstraktionen, Vorstellungen, verbalen Metaphern oder körperlichen Empfindungen. Diese wiederum bilden unterschiedliche innere und äußere (körperliche) Haltungen aus, legen Neigungen, in bestimmten Situationen entsprechend zu handeln, fest. Und wir investieren in diese Glaubens- und Wertesysteme, weil wir versuchen, der Welt einen Sinn zu geben, damit uns die Welt auf diese Weise sicherer und berechenbarer erscheint. Die Erschütterung des Glaubens- und Wertesystems eines Menschen im therapeutischen Prozess (therapeutisch induzierte Krise) führt folglich zu Verunsicherung. Solche Interventionen, ohne eine ausdrückliche und im Therapieverlauf auch fortlaufend erfragte Zustimmung des Klienten, sind für Krop inhuman. Der Respekt vor dem Gewordenen ist absoluter Leitfaden in John Krops Arbeit und führt oft zu einem vorsichtigen Tasten. Das wird besonders in seinen englischsprachigen Texten deutlich: Um einen Klienten zu fragen oder ihn um etwas zu bitten, benutzt man im Englischen das gleiche Wort: to ask. Dadurch kann das Fragen/Bitten die Stimmung der ganzen Therapiesitzung prägen, was folglich die Ängste der Klienten auf diese Weise reduziert (sie behalten das Gefühl der Steuerung/Kontrolle) und man findet im Verlauf der Sitzungen kaum nennenswerte Widerstände. Den Begriff Widerstand benutzt Krop auch kaum. Er spricht eher von eventuellen Zweifeln oder Ängsten der Klienten. Auch sonst geht er mit psychologischen Fachbegriffen sparsam um.

„Wir haben bei dem, wer wir sind und was wir tun, Wahlmöglichkeiten. Und eine Herausforderung in unserem Leben und der hauptsächliche Fokus für mich als Therapeut mit meinen Klienten ist es, darauf zu vertrauen. Ich kann zu meinen eigenen Wahlmöglichkeiten und Glaubens- und Wertesystemen stehen und sie, wenn es passt, meinen Klienten gegenüber zum Ausdruck bringen. Aber ich darf ihnen diese Wertesysteme und Wahlmöglichkeiten nicht überstülpen. Ich kann sie vor ihnen ausbreiten, vorausgesetzt, ich tue das in angemessener Weise, zur angemessenen Zeit und mit angemessener Absicht. Ehrlichkeit um der Ehrlichkeit Willen kann unbarmherzig oder gnadenlos sein.“ (J. Krop in „My Beliefs about Therapy“, S. 1 - eig. Übersetzung der Verf.)

John Krop entwickelte seine Aktionstherapie, weil ihm während seiner Arbeit als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge sowohl bei seiner Tätigkeit in Amsterdam als auch später im Distrikt Santa Clara in Kalifornien zunächst das praktische Handwerkszeug fehlte. Das Studium in Amsterdam und in Minnesota war psychoanalytisch orientiert. Über die Erfahrungen, die er unter Einfluss verschiedener Vertreter der sich zur damaligen Zeit in Kalifornien entwickelnden Humanistischen Psychologie sammelte, entstand dann dieses zunächst agogische Verfahren.

„Als ich 1984 mein Buch (das niederl. „Aktietherapie“) schrieb, musste ich mich definieren, und da habe ich mich als Aktionstherapeut beschrieben. Aktion war allem gemeinsam: Gestalttherapie, Psychomotorische Therapie (Pesso), Bioenergetik, Psychodrama usw. Mein Anliegen war es immer, die Menschen vom ‚Darüber reden‘ zum Tun zu bringen. Die Aktion ist das Wichtige.“ (aus den Interviews mit J. Krop im April 2011)

Somit wurde die Aktionstherapie in erster Linie eine Handlungsmethode, die im Prinzip in allen Bereichen der Sozialarbeit/Sozialpädagogik anwendbar ist. Als therapeutisches Verfahren ist die Aktionstherapie in der ursprünglichen Bedeutung des ‚Therapierens‘ zu verstehen, nämlich als ,dienen‘ oder ,begleiten‘, nicht im engen heilkundlichen Sinne.

2.

Die Metapher als Basis der Aktionstherapie

„Der Einsatz von Symbolen und Analogien ist eine wirkungsvolle Technik, um die nichtlinearen Prozesse in der rechten Gehirnhälfte zu beeinflussen.“

Eric Marcus, „Die Logik des Unlogischen“

Was ist eine Metapher?

Ursprünglich leitet sich das Wort Metapher von dem griechischen Verb metaphorein (= übertragen, übersetzen, transportieren) ab. Eine Metapher ist zunächst eine rhetorische Figur, bei der ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht wird. Beispiele aus unseren Redewendungen verdeutlichen diesen Vorgang: Wüstenschiff - Kamel, Rabenmutter - Mutter, die ihr Kind vernachlässigt.

Joop weitet den Begriff der Metapher aus. Er benutzt ihn synonym für ein Bild. Die Metapher ist der zentrale Handlungsansatz in der Aktionstherapie. In der Metapher drücken sich Dilemma und Anliegen der Klienten bildlich oder figürlich übertragen aus. Die Metapher kommt während der Initialphase des therapeutischen Gesprächs in den Vordergrund. Was am Anfang vielleicht noch unbestimmt, undeutlich und noch unfertig wirkt, wird über die Metapher sowohl für den Klienten als auch für den Therapeuten sichtbarer und prägnanter und ist dadurch besser zu handhaben.

John Krop benutzt drei Formen von Metaphern:

Wie entsteht eine Metapher?

Die Kreierung einer Metapher verläuft etwa so: Der Therapeut hört dem Klienten zu, bis er ein mögliches Anliegen erkennt.

Dann überprüft er: „So, Sie sind nach Ihrer Scheidung so deprimiert, ist das richtig?“ - „Ja.“ -

„Wollen Sie das mal erforschen?“ (Oder: „Wollen Sie mehr darüber wissen?“

Oder: „Wollen Sie daran arbeiten?“) -

„Ja.“

„Nun, dann gehen wir damit weiter.“

Jetzt hat der Therapeut einen Kontrakt und versucht auf dieser Basis eine Metapher zu kreieren. Dabei wählt der Therapeut die Form der Metapher und auf welcher der drei Ebenen der Klient arbeiten soll.

Wenn sich der Therapeut für die Geleitete Phantasie entscheidet, sagt er etwa: „Lassen Sie mal ein inneres Bild aufkommen, das Ihre Depression repräsentiert.“

Innere Bilder entfalten ihre ganz eigene Kraft, denn ,unsere Seele denkt in Bildern’.

Sie stellen eine ganz besondere Ressource dar, und der Zugang dazu ist für viele Menschen eine große Entdeckung.

Visualisierungen und Geleitete Phantasien sind eine wunderbare Möglichkeit, Zugang zu den inneren Prozessen eines Menschen zu bekommen (diagnostischer Ansatz) und Veränderungsprozesse einzuleiten (therapeutische Umsetzung).

Entscheidet der Therapeut sich für die körperliche Ebene, sagt er: „Stellen Sie sich vor, irgendwo hier im Raum eine körperliche Haltung einzunehmen, die Ihre Depression darstellt, so etwas wie eine Skulptur.“

Ziel ist es, den Klienten über die Metapher in eine Aktion zu begleiten. Der sprachliche Ausdruck des Klienten hilft oft, eine treffende Metapher zu finden.

Hier ein paar Beispiele: „Ich fühle mich in die Ecke gedrängt“, „Ich werde auf einen Sockel gestellt“, „Ich fühle mich niedergeschlagen“, „Ich bin dann blind vor Wut“, „Ich bin erstarrt vor Angst“, „Ich ziehe mich zurück.“ Das sind Formulierungen, die alle mit der körperlichen Ebene verknüpft sind und deshalb auch körperlich umgesetzt werden können. Diese Metaphern, in welcher Form auch immer körperlich dargestellt, machen den inneren Prozess des Klienten sowohl ihm selbst als auch dem Therapeuten gegenüber deutlicher, prägnanter. Diese erhöhte Prägnanz entfaltet die Kraft, die für eine spätere Lösung notwendig ist.

Wählt der Therapeut den Zugang über die Arbeit mit Objekten, bittet er den Klienten: „Vielleicht setzen Sie Ihre Depression mal in diesen Sessel und sagen ihr, was Sie ihr jetzt sagen möchten.“ Dies ist eigentlich eine Technik aus der Gestalttherapie. Die Arbeit von Fritz Perls mit dem „leeren Stuhl“ war für ihn die Möglichkeit, alle nicht integrierten Teile einer Person real entstehen zu lassen. Durch Dialog, Identifikation im Rollentausch und Konfrontation kommt es schließlich zur Integration, dem Ziel des therapeutischen Bemühens in der Gestalttherapie. Die Arbeit mit Objekten hat auch den Vorteil, dass die inneren Prozesse des Klienten für ihn selbst und den Therapeuten in Form von Symbolen sichtbar nach außen gebracht werden: „Sie können sich weder für das Eine noch das Andere entscheiden? Dann wählen Sie doch bitte einmal einen Gegenstand als Symbol für das Eine und einen Gegenstand als Symbol für das Andere aus dieser Kramkiste (siehe S. 110 ff.).“

John Krops System kurz zusammengefasst:

1. Ich höre dem Klienten zu.

2. Wenn ich ein Anliegen erkenne, erforsche ich es weiter, bis eine genügende Prägnanz hergestellt ist.

3. Dann frage ich den Klienten, ob er mehr über sein Anliegen erfahren möchte, tiefer darauf eingehen, es besser begreifen will.

4. Wenn er zustimmt, haben wir einen Kontrakt. Der Kontrakt beinhaltet die exakte Benennung des Anliegens und ist Grundlage für die Kreierung einer Metapher. Ich lege sehr großen Wert auf den Kontrakt. Ein unklarer Kontrakt kann dazu führen, dass der Klient innerlich nicht die Verantwortung für den folgenden Prozess übernimmt, sondern sie dem Therapeuten zuschiebt.

5. Kann ich das Anliegen symbolisch ausdrücken, eine Metapher finden? Dazu haben wir ja die drei Möglichkeiten: Körper, Objekte, Geleitete Phantasie.

6. Wenn ich noch nicht weiß, welche von den drei Möglichkeiten ich wählen soll, exploriere ich weiter. Dabei arbeite ich ganz normal auf der sprachlichen Ebene: ,Erzählen Sie bitte noch etwas mehr von Ihrem Anliegen‘.

7. Wenn ich mich für eine der Möglichkeiten entschieden habe, kann ich sagen: ,Ich möchte Ihr Anliegen mal körperlich ausdrücken. Setzen Sie sich bitte hier im Raum in einer deprimierten Haltung hin. Ich übernehme dabei das, was Sie herunterzieht oder herunterdrückt. Wo soll ich Sie herunterdrücken oder herunterziehen? Hier oder hier oder wo?‘ Dabei berühre ich ihn in verschiedenen Körperbereichen, z. B. an der Schulter.

Damit ist eine Interaktion entstanden. Dann sehe ich ja, was passiert. Kollabiert er, bietet er Widerstand? Ich kann sagen: ,Was wollen Sie zu dem, was Sie deprimiert sagen?‘ Später könnten wir auch einen Rollentausch machen. Dann kann ich sagen: ,Wollen Sie nun einmal das/der Deprimierende sein?‘ Dann bin ich der Deprimierte, und er ist identifiziert mit dem Teil, dem er sich sonst ausgeliefert fühlt. Dabei geschieht einiges, was anschließend ausgetauscht werden kann.

8. Wenn ich mit Objekten arbeite, bitte ich z.B. den Klienten, seine Depression auf einen Stuhl zu setzen und mit der Depression zu sprechen. Oder ich schlage ihm vor, seine Depression im Sandkasten (siehe Jungscher Sandkasten S. 116 ff.) darzustellen, oder ich bitte ihn, ein Bild zu malen, das seine Depression ausdrückt.

9. Ich kann auch über eine Geleitete Phantasie mit ihm arbeiten. Dann bitte ich ihn, in sich ein Bild aufkommen zu lassen. ,Ich sehe einen Bunker… und da sind Schlitze, und ich kann rausschauen, aber man kann nicht an mich herankommen.’ Dann arbeite ich ganz normal mit den vier Phasen im Rahmen der Geleiteten Phantasie weiter.“

(siehe ab S. 131)

B

B

Biographie I

1.

Einleitung

Es ist Freitag, der 8. April 2011. Wir drei Freunde, Arno, Gertrud und Lothar, sitzen in einem typisch amerikanischen Frühstücksrestaurant. „Southern Kitchen“ in Los Gatos. Wir kämpfen mit der Speisekarte, dem schnellen, routinierten amerikanischen Englisch der Bedienung und den Anstrengungen der Reise. Ach ja, und ein bisschen aufgeregt sind wir auch. Um 10 Uhr sind wir mit Joop Krop verabredet. Als wir mit Joop am Telefon über dieses Projekt gesprochen hatten, erzählte er, dass er in einem Rollstuhl sitzt, kaum noch Kontrolle über seine Beine hat und seine Sprache nach einem Schlaganfall verlangsamt ist. Die Zeit drängte, wenn wir mit ihm sprechen wollten. Also Flüge gebucht, Technik klar gemacht und auf in die USA. Zehn Tage Kalifornien und die Geschichte eines ganzen Lebens erwarten uns. Deshalb sind wir aufgeregt. Wir hatten Joop schon vorab gebeten, uns sein Leben in groben Zügen zu schildern. Was wir da lesen, macht uns immer neugieriger. Wir verabreden, jeden Tag zwei Sitzungen mit ihm zu machen, wissen aber nicht, ob das überhaupt klappt, ob seine Kräfte das zulassen.

Das Frühstück, amerikanisch üppig, ist verzehrt. Jetzt geht es los. Wir suchen die Straße, in der Joop wohnt. Das ist in dem kleinen Ort Los Gatos, eine Autostunde von San Francisco entfernt, nicht sehr schwierig. Um 10 Uhr stehen wir vor einem Holzhaus in einer ruhigen Nebenstraße. Vor der Haustür steht ein älterer SUV mit dem Aufkleber „WAR is NOT the ANSWER“ vom Friends Commitee on National Legislation (FCNL). Wir ziehen am Stab, der eine Klinge betätigt. Sofort ertönt Joops Stimme: „Kommt mal rein“, ruft er auf Deutsch. Das tun wir.

Nach einer herzlichen Begrüßung mit Joop lernen wir Truus kennen, seine Frau. Hellwache Augen, gebeugte Gestalt und ein umwerfender Humor. Wir sind etwas geschockt, als sie gemeinsam mit der mexikanischen Haushaltshilfe den großen und immer noch kräftigen Joop aus seinem Rollstuhl in seinen Sessel hebt. Er hat einen breiten Riemen um seinen Bauch. An dem heben ihn die beiden Frauen hoch, so dass er mit schleifenden Beinen in seinen Sessel sinken kann. Seine Arme kann er kaum noch gebrauchen, sie zittern und sind sehr eingeschränkt in ihren Bewegungsmöglichkeiten. Lothar muss noch eine schwierige Klippe meistern. Joop hatte mit uns als Viererteam gerechnet. Lothars Frau Susanne, ebenfalls Gestalttherapeutin und seinerzeit Trainerin bei dem niederländischen Institut HEEL, ist im Oktober letzten Jahres an Bauchspeicheldrüsenkrebs verstorben. Das wollten wir Joop nicht am Telefon mitteilen. Jetzt sagt Lothar es ihm, und wir sehen, wie seine Gesichtszüge entgleisen. Das Schicksal von Susanne füllt für einige Augenblicke den Raum. Nur 14 Wochen nach der Diagnosestellung am 2. Juli stirbt sie am 17. Oktober. Hinter nüchternen Fakten scheint ein Leben auf, sie ist plötzlich ganz präsent. Wir spüren alle fünf, wie fragil menschliches Leben ist, und Joop spürt es besonders.

Dann beginnen wir mit unserer ,Sitzung‘. Das Aufnahmegerät und die Kamera laufen, und wir stellen die ersten Fragen.

2.

Joops Geburt und Kindheit im Amsterdam der zwanziger Jahre.

„Ich wurde am 5. Januar 1924 geboren, und es war kalt“, sagt Joop. „Ich hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können“, erzählt er weiter. Seine Mutter - Wilhelmina (Mien) van der Kruyf - ist erst 18 Jahre alt. Sie arbeitet in der Kantine einer Zigarettenfabrik. Sein Vater Marinus (Rinus) Krop arbeitet dort bis zu seiner Entlassung als Tischler. Die beiden jungen Leute lernen sich kennen und lieben. Als Rinus aufgrund der Wirtschaftskrise entlassen wird, bemerkt Mien, dass sie schwanger ist. Das ist ein Schock und in der damaligen Zeit eine Schande. Für die Vorhaltungen der zahlreichen Verwandtschaft hat Mien nur eine lakonische Bemerkung: „Wenn du so zusammen bist, bleibt es nicht beim Händchenhalten, und Rinus schien es zu mögen“. Ganz so leicht nehmen die beiden jungen Leute die Schwangerschaft aber nicht. Es ist Wirtschaftskrise. Mien arbeitet inzwischen als Putzfrau, um etwas Geld zu verdienen. Rinus ist arbeitslos. Mien ist verzweifelt und will das Kind abtreiben. Zunächst versucht sie es allein. „Aber schon damals war ich beharrlich und blieb drin“, sagt Joop. Dann gehen die beiden zu einem Mann, der Abtreibungen vornimmt. Doch weder der Mann noch sein schmutziges Haus flößen ihnen Vertrauen ein. Als sie wieder auf der Straße sind, sagen sie: „Nein, das nicht. Wir müssen heiraten“. So geschieht es, und das junge Paar bezieht eine Mansardenwohnung in der Simon Willem Straat 1. Die Verwandten helfen mit Möbeln. 1924 ist ein strenger Winter. Die einzige Heizmöglichkeit ist ein tragbarer Kerosinofen. Oft ist der Inhalt des Toiletteneimers morgens gefroren. Anfang Januar steht Mien auf einer Leiter, um die Fenster bei Juffrow Oud, der Besitzerin des Milchgeschäftes, zu putzen. Sie will „eben noch fertig machen“, als die Wehen einsetzen. Juffrow Oud schickt sie ins Krankenhaus. Eigentlich kommen Kinder damals meistens zu Hause mit Hilfe einer Hebamme zur Welt. Aber Mien und Rinus müssen ins Krankenhaus, weil sie kein Geld für die Hebamme haben. Doch als sie zu Fuß im Wilhelmina Ziekenhuis ankommen, schickt sie der Doktor wieder nach Hause. Joop will noch nicht das Licht der Welt erblicken. Nach zwei Tagen geht das junge Paar wieder ins Krankenhaus, weil die Wehen schlimmer werden. Der Arzt sagt: „Wir geben Ihnen eine Spritze, und wenn sie wach werden, ist das Kind da.“ So geschieht es. Joop wird mit einer Zange auf die Welt geholt. „Als Andenken habe ich einen platten Kopf“, meint er mit einem Lächeln. Jetzt lebt die junge Familie zu dritt in der Mansarde. Vater Rinus bemüht sich erfolglos um Arbeit. Rinus wird die Arbeitslosenunterstützung verweigert. Impulsiv wirft er einen Stein durch das Fenster des Arbeitsamtes. Er wird verhaftet und zu 9 Tagen Gefängnis verurteilt. Aber er bekommt seine Unterstützung und die Geschichte wird später in der Familie als kleine Heldentat erzählt, wie Joop sich erinnert.

Die Wirtschaftskrise in Europa wirft ihre Schatten voraus. In Holland gehen die Textilarbeiter in einen langen Streik. Sie wollen eine Lohnsenkung von 10 Prozent nicht kampflos hinnehmen. Es ist die zweite Kürzung in zwei Jahren. Sie sollen entweder die Kürzung akzeptieren oder anstatt 48 jetzt 53 Wochenstunden arbeiten.

Ein Textilarbeiter verdient zu der Zeit 20 Gulden pro Woche. Baron Van Heek, ein echter Baron, erklärt sein Jahreseinkommen auf 1.248.177 Gulden, so viel verdienen 1200 Arbeiter.

Die Textilarbeiter verlieren den Kampf.

Ein ähnliches Schicksal haben die Metallarbeiter. Die hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Hoffnungslosigkeit schaffen eine gedrückte Stimmung.

3.

Joop ordnet seine Geburt in das Jahr 1924 ein

Lenin stirbt und wird nicht von Trotzki beerbt, wie er es gewünscht hat, sondern von Stalin, dem Mann aus Stahl.

Hitler wird zu 5 Jahren Festungshaft wegen eines geplanten Umsturzes verurteilt. In seinen Verteidigungsreden betreibt er seine Nazi-Propaganda. Bevor das Jahr 1924 zu Ende geht, ist er wieder frei.

In Italien bekommt Mussolini 65 Prozent der Stimmen. Sein sozialistischer Gegenspieler Matteotti wird von den Faschisten ermordet.

Nach einer schweren Operation, die sein Leben bedrohte, ist Ghandi wieder frei.

Carson City in den USA erwirbt den zweifelhaften Ruf, „die humanste und schnellste Art“ der Hinrichtung eines Gefangenen zu praktizieren.

Die Olympischen Sommerspiele finden in Paris statt und der Läufer Paavo Nurmi, der fliegende Finne, gewinnt 5 Goldmedaillen. Der Schwimmer Johnny Weißmüller (später der erste Tarzan-Darsteller) ist der Liebling des Publikums und vor allem der Frauen.

Genauso geht es Rudolf Valentino und Douglas Fairbanks. Die Welt lacht über die Komiker Buster Keaton, Charlie Chaplin und Felix the Cat.

1924 werden Männer wie Jimmy Carter, George Bush sen., Marlon Brando, Sidney Poitier, Marcello Mastroianni geboren. Der Sänger Johnny Jordaan begeistert und lässt die Herzen der Amsterdamer und besonders des Wohnviertels „Jordaan“ schmelzen.

4.

Leben im Jordaan

Ein großer Teil der Familie von Joop lebt im „Jordaan“, einem Wohnviertel in Amsterdam. Er selbst lebt mit den Eltern am Rande des Jordaan. Aber er identifiziert sich in Kindheit und Jugend mit dieser eigenen Welt und spricht auch „Jordaans“. „Der Name Jordaan ist wahrscheinlich vom biblischen Fluss Jordan abgeleitet: So wie dieser die Grenze Israels markierte, bildete die Prinsengracht die Grenze zwischen dem Viertel der Reichen und der Armen. Der Jordaan wurde nicht völlig neu angelegt, vielmehr entsprach die Lage der Straßen und Grachten dem Verlauf schon bestehender Entwässerungskanäle. Die Straßen verlaufen dadurch eigenartig schräg zur Prinsengracht“. (Christoph Driessen S. 47) „Als wollten sie dadurch verdeutlichen, dass hier auch immer ein ganz besonderer Menschenschlag gelebt hat, meint der Schriftsteller Cees Nooteboom.“ (ebd.) Diese Schilderungen beziehen sich auf das 17. Jahrhundert. „In dem relativ kleinen Bezirk wohnte bald jeder vierte Amsterdamer. Auch luftverpestende Industriebetriebe wurden dort angesiedelt, zum Beispiel Brauereien, Färbereien, und Seifensiedereien, Zucker-, Salpeter- und Schwefelraffinerien.“ (ebd.) Auch ein Vergnügungspark fand dort seinen Platz. „Er ist bereits auf den ältesten Plänen des Jordaan von 1625 eingezeichnet.“ (ebd.)

Durch die Jahrhunderte hat der Jordaan seine besondere Rolle im Konzert der Amsterdamer Wohnviertel gespielt. Heute wohnen dort Künstler, Intellektuelle und andere Menschen, die das Flair im Herzen Amsterdams lieben. Zu der Zeit von Joops Geburt war es noch das Viertel der armen Leute, Paradiesvögel gab es aber auch damals schon. (s. u. „Tante Ka und Ome Huub“)

10 Blocks in der Länge und Breite bietet der Jordaan seinen Bewohnern einen Ort, ihren Zusammenhalt zu pflegen. Sie haben alle nicht viel an materiellen Möglichkeiten, aber ihre Solidarität ist groß. Man kennt sich im Jordaan. Man redet mit- und übereinander. Klatsch ist akzeptiert. „Besser eine schlechte als gar keine Geschichte“. Man spricht sogar einen eigenen Dialekt: Jordaans. Im Rest des Landes wird diese Sprache belächelt, aber wer im Viertel nicht Jordaans spricht, macht sich zum Außenseiter. Joops Mutter Mien und eine ihrer Schwestern weigern sich, Jordaans zu sprechen. Sie bezahlen den Preis, lächerlich gemacht und als Snobs bezeichnet zu werden. Manchmal schämte sich Mien für die Mitglieder ihrer Familie, die betrunken auf der Straße laut lachten und in ihrem Jordaans-Dialekt derbe Scherze machten.

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Quellen der Aktionstherapie I

1.

Gisela Konopka: Gruppenarbeit - eine Wurzel moderner Sozialarbeit

Gisela Konopka gilt als die „Mutter der Gruppenarbeit“. 1910 als Gisela Peiper geboren, verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend in Berlin. Obwohl die Eltern in bescheidenen Verhältnissen lebten und ihren Lebensunterhalt mit einem kleinen Gemüsegeschäft verdienten, durfte Gisela aufs Gymnasium gehen und ihr Abitur machen. Die Familie war jüdisch, der Vater Sozialdemokrat, und die junge Gisela hatte sich schon bald einer linken jüdischen Jugendgruppe angeschlossen. Nach dem Abitur ging sie nach Hamburg und arbeitete als Fabrikarbeiterin. Dort schloss sie sich dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund an. Von 1929 - 1933 studierte sie an der Universität Hamburg Geschichte, Psychologie, Philosophie und Pädagogik/Sozialpädagogik. In ihrer Hamburger Zeit lernte sie den Facharbeiter Paul Konopka kennen. Da sie Kontakt zu Widerstandskämpfern hatte, wurde sie 1936 verhaftet und in das Konzentrationslager Hamburg-Fuhlsbüttel gebracht. In ihrer Autobiographie „Mit Mut und Liebe“ schreibt sie: „Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, in dem abgeschlossenen Raum zu ersticken. Plötzlich wurde ich von Hass überflutet. Ich bekämpfte die Nazis aus einer heftigen Reaktion heraus, weil mir die Achtung vor dem Menschen so wichtig war. Ihre Taten hatte ich verabscheut, aber so persönlich, so tief von innen heraus und so furchtbar wie in diesem Augenblick hatte ich noch nicht gehasst… Ich hasste, ich hatte Angst, ich war voller Zweifel“. (Gisela Konopka a.a.O. S. 147).

Nach einigen Wochen wird sie entlassen. Sie flieht über die Tschechoslowakei nach Österreich. Hier wird sie noch einmal verhaftet, wird wieder entlassen und kommt über Frankreich und Portugal schließlich 1941 in die USA. Zunächst verdient sie sich in New York den Lebensunterhalt durch Putzen. Sie beginnt ein Studium in „Social Group Work“ an der School of Social Work in Pittsburgh. Sie arbeitet dann als Social Group Worker in einer Klinik in Pittsburgh und bekommt schon 1947 einen Ruf als Professorin für Social Work an die Universität von Minnesota in Saint Paul. Gisela Konopka ist beeinflusst von dem Begründer der Gruppendynamik Kurt Lewin. Sie fühlt sich, wohl aufgrund des eigenen Schicksals, sozial benachteiligten Jugendlichen verpflichtet. Ihr Anliegen ist es, die Soziale Gruppenarbeit in der Sozialarbeit bekannt zu machen, aber vor allem auch Sozialarbeitern ein gutes Handwerkszeug zu vermitteln. Sie kommt nach dem Krieg noch einige Male zurück nach Deutschland, um Vorträge zu halten. Sie spricht vor Führungskräften sozialer Einrichtungen der Heimerziehung und vor Dozenten der Sozialen Gruppenarbeit an den Fachhochschulen für Sozialarbeit/-pädagogik.

Gisela Konopka schreibt das Buch „Soziale Gruppenarbeit: Ein helfender Prozess“. Es wird in den 60er Jahren in den USA und später auch in Deutschland zu einem Standardwerk für Gruppenarbeit. Für Gisela Konopka hat die Arbeit in der Gruppe eine heilende Wirkung. Sie arbeitet nicht konfrontativ, sondern nutzt die Kräfte, die in einer Gruppe wirksam sind für intensive Sozialisationsprozesse, besonders für junge Menschen, die aufgrund ihrer sozialen Situation besondere Schwierigkeiten haben. In der Gruppe gewinnen sie Selbstvertrauen, bauen ihre Defizite ab und werden so letztlich auch zu sozialen Wesen, die einander in Liebe begegnen können. In ihrem anderen Buch „Heime - Lückenbüßer oder Lebens-Chance?“ (Hausschwalbach Wiesbaden 1971) schildert sie die Methoden der Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen im institutionellen Rahmen.

Heute sind diese Methoden aus der Sozialarbeit und Therapie nicht mehr wegzudenken. Zu ihrer Zeit war Gisela Konopka eine Pionierin.

2.

Klientenzentrierte Gesprächsführung - Carl Rogers (1902 - 1987)

Der Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers wurde mit der Entwicklung seines Klientenzentrierten Ansatzes in der Psychotherapie zu einem der Begründer der Humanistischen Psychologie, die den Menschen von seinem Potenzial her betrachtet und ihn nicht durch Diagnosen pathologisieren will. Rogers erkannte in seiner Arbeit mit sozialschwachen Kindern und Jugendlichen, dass die Lösung eines Problems immer im Klienten liegt. Zu Beginn der therapeutischen Beziehung versucht der Klient, dem Therapeuten die Lösungsverantwortung zuzuschieben. Je mehr durch die Gesprächsführung jedoch deutlich wird, dass der Klient und seine Lösungskompetenz gestärkt werden sollen, entsteht ein Klima des Vertrauens, der Sicherheit, der Geborgenheit. In diesem Klima wächst das Zutrauen des Klienten in seine eigenen Fähigkeiten. Rogers spricht von einer „Aktualisierungstendenz“, die jedem Menschen innewohnt. Er meint damit das Streben nach sinnhaftem Dasein und Selbstverwirklichung. Ziel der Klientenzentrierten Gesprächsführung ist die Unterstützung des Klienten bei der Entdeckung seiner Individualität und der Entwicklung seiner Ressourcen. Dabei sind die „Basisvariablen“ des Beraters im Beratungsprozess geprägt von Echtheit/Kongruenz, Akzeptanz und Empathie. Der Berater verzichtet auf jede Bewertung oder Interpretation des Klientenverhaltens. Er legt alle Vorstellungen vom äußeren Bezugssystem ab. Er taucht vielmehr in die Welt des Klienten ein, versucht die Welt mit den Augen des Klienten zu sehen. Dafür ist es entscheidend, das innere Bezugssystem des Klienten zu übernehmen, den Klienten so zu sehen, wie er sich selbst sieht. „Wenn wir Verständnis dafür aufbringen können, wie der Klient sich in diesem Augenblick selbst sieht, dann kann der Klient alles Übrige allein erledigen. (Carl Rogers, Die klientenzentrierte Gesprächsführung, Kindler Verlag, Regensburg 1972, S. 43) „Der Therapeut muss aufhören, sich mit der Diagnose zu beschäftigen, er muss seinen diagnostischen Scharfsinn ruhen lassen und den Wunsch aufgeben, professionelle Wertbestimmungen vorzunehmen; er muss aufhören, genaue Prognosen stellen zu wollen, und der Versuchung widerstehen, das Individuum insgeheim zu lenken.“ (ebd.) Es gibt drei Bezeichnungen für die von Rogers entwickelte Therapie. Zunächst nannte er sie „Non-direktive Gesprächsführung“. In seinen Anfängen nahm sich Rogers in der Gesprächsführung völlig zurück, wiederholte das vom Klienten Gesagte und konzentrierte sich beim „Spiegeln“ darauf, die emotionalen Anteile des Gesagten prägnant werden zu lassen. Weil viele seiner Schüler diese Methode sehr abstinent praktizierten und mit ihren eigenen Gefühlen außen vor blieben, entstand ein von Rogers gar nicht beabsichtigtes Gefälle im dialogischen Prozess. Aktives Zuhören wurde zum sog. „Rogern“. Im nächsten Schritt nannte Rogers seine Methode „Klientenzentrierte Gesprächsführung“. Der Begriff beschreibt den Fokus, der für Rogers immer beim Klienten ist (s.o.) Selbst der Begriff des „Klienten“ symbolisierte für den späten Rogers noch ein Gefälle in der Berater-Klienten Beziehung. Deshalb versuchte er den Namen „Personenzentrierte Gesprächsführung“ zu etablieren, was aber nicht gelang. Durchgesetzt hat sich die „Klientenzentrierte Gesprächsführung“ als Basis-Verfahren in der Schulung z. B. von Mitarbeitern in der Telefonseelsorge, in der Einzel- und Paarberatung sowie in der Hospizarbeit. Doch hören wir noch einmal Carl Rogers. Zur Rolle des Beraters sagt er: „Er darf sich nur auf ein Ziel konzentrieren: Zu tiefem Verstehen und zur Akzeptierung der Einstellung zu gelangen, die der Klient in dem Augenblick bewusst einnimmt, indem er Schritt für Schritt in das gefährliche Gebiet eindringt, das er bislang seinem Bewusstsein gegenüber geleugnet hat.“ (a.a.O.) In der klientbezogenen Therapie findet der Klient im Therapeuten ein echtes Alterego, das ihm hilft, das wahrzunehmen, was mit dem Selbst nicht vereinbar oder eine Bedrohung wäre. „Klientbezogene Beratung kann, wenn sie wirkungsvoll werden soll, weder ein Trick sein noch ein Werkzeug. Sie ist keine subtile Art von Leitung des Klienten, bei der vorgegeben wird, dass man den Klienten selbst die Leitung überlässt. Um wirkungsvoll zu sein, muss sie echt sein.“ (Rogers a.a.O.)

Rogers war von einer großen Liebe zu den Menschen und zur Welt geprägt. Er engagierte sich für den Frieden von Irland bis Südafrika.

Joop lernte die Methode der Klientenzentrierten Gesprächsführung durch eine Kollegin, Ella Goubitz, kennen, als er nach seiner Rückkehr aus den USA im Büro für Gruppentherapie in Holland arbeitete. Ella hatte bei Rogers selbst studiert und Rogers war Ende der 50er Jahre der Stern am Himmel der psychotherapeutischen Gesprächsführung. Hier war endlich jemand, der ihm zeigte, wie man mit Klienten in Kontakt kommen kann. „Ich sog diese Ausbildung richtig in mich auf“, schreibt Joop. „Das war’s endlich. Ich konzentrierte mich jetzt ganz auf das, was der Klient sagte und auf seine unausgedrückten Gefühle. Dabei konnte ich ganz bequem vermeiden, meine eigenen Gedanken und Gefühle zu äußern. In dieser Zeit waren wir alle nur der Resonanzboden für die Klienten. Später ging Rogers selbst zu einer Form der Begegnung über, in der der Therapeut dem Klienten seine Gefühle und Gedanken vorlegt, aber niemals überstülpt. Ich erinnere mich noch gut, wie aufregend es war, das Gespräch in dieser Weise zu öffnen. Jetzt war Gesprächsführung für mich endlich konkret. Großer Dank an Ella und an Carl Rogers. In meiner späteren therapeutischen Arbeit habe ich dieses Prinzip beibehalten. Ich lege meine Ideen dem Klienten vor, aber ich stülpe sie ihm nie über.“

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Aktionstherapie II

Aktives Zuhören nach John Krop

Hier ein Beispiel wie John Krop die Methode der Klientenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers für sich umgesetzt hat.

„Wenn ich dir zuhöre, kann ich das passiv tun, mit dem Kopf nicken und ,mmh‘ und ,aha‘ sagen. Wenigstens gebe ich damit zu erkennen, dass ich da bin. Und ich unterbreche dich nicht. Du wirst dich trotzdem fragen, ob ich wirklich höre, was du sagst, und ich werde mich gelegentlich fragen, ob ich wirklich weiß, was du meinst.

Um sicher zu gehen, dass ich dich verstehe und auch um dich wissen zu lassen, was ich verstanden habe, kann ich formulieren, was ich glaube, von dir gehört zu haben. Wenn du z.B. ein Mitglied meiner Gruppe bist und dich bei mir beklagst:

Du: ,Und das ist zum wiederholten Male geschehen. Ich bin dabei, die Gruppe zu verlassen.‘

Ich: ,Du erwägst, die Gruppe zu verlassen?‘

Du: ,Nun, ich bin nah davor. Ich möchte nicht mehr die ganze Zeit kritisiert werden.‘

Ich: ,Du hast es völlig satt, kritisiert zu werden.‘

Du: ,Ja, ich will, dass sie aufhören, mich zu kritisieren und ich werde ihnen das auch sagen. Die Menschen machen das ständig mit mir. Sie denken, ich hätte keine Gefühle und machen mich fertig.‘

Ich: ,Das passiert auch anderswo, aber dieses Mal sorgst du dafür, dass sie damit aufhören.‘

Du: ,Das werde ich ganz sicher.‘

Mein aktives Zuhören hat dich ermutigt, weiter zu machen und zu einer eigenen Schlussfolgerung zu kommen.

Beim aktiven Zuhören gibt es verschiedene Ebenen.

a. Ich kann den Inhalt genau wiedergeben (‚Du wirst kritisiert.‘).

b. Eine bessere Art, zuzuhören, ist es, wenn ich auf Tendenzen oder Muster achte (,Und das scheint dir immer so zu ergehen.‘). Eine Tendenz ist die Bereitschaft, auf bestimmte Situationen in einer bestimmten typischen Weise zu reagieren. Das basiert auf einem fast überall vorhandenen, ständigen Gefühl eines Menschen, das er überall herumträgt: ,Niemand kümmert sich darum, was ich meine. Ich mache es immer falsch. Ich verliere immer. Sie scheinen nie Notiz von mir zu nehmen.‘ Und so weiter. Diese Tendenzen bestimmen in einem hohen Grad, wie jemand in einer bestimmten Situation reagieren wird. Wenn wir diese Neigungen ansprechen können, bekommt unser Kontakt viel mehr Bedeutung. Wenn ich dir wiedergebe, was du gesagt hast und es neu formuliere, dann ist es wichtig, dieses in einem Tonfall zu tun, der zu verstehen gibt, dass ich das von dir Gesagte als für dich wahr akzeptiere. Wenn ich deine Darstellungen auf provokante Weise wiedergebe, werde ich höchst wahrscheinlich Abwehr hervorrufen und deinen Gedankenfluss stoppen.

Zum Beispiel:

Ich: „Glaubst du wirklich, dass sie dich kritisieren?“

Du: „Natürlich tun sie das. Sogar gestern …“

Und deine ganze Energie geht in die Verteidigung und Unterstützung deiner Darstellung.

Aktives Zuhören ist eine sehr wirksame Fertigkeit; besonders, wenn du über die Stufe des bloßen Nachplapperns plus der damit verbundenen Gefühle hinausgehst und stattdessen die Bedeutung des von deinem Klienten Gesagten zurück gibst.

Aktives Zuhören lernen

Am Anfang benutzt du vielleicht ein paar hilfreiche Redewendungen, um dein Feedback einzuleiten, wie: ,Moment mal, habe ich dich richtig verstanden …‘ Oder: ,Ich höre, dass du sagst …‘ Oder: ,So weit es dich betrifft …‘ Oder: ,Du verspürst …‘.

Später wirst du weniger mechanisch werden, das Wesentliche des Gesagten erfassen und dein Feedback so geben, dass der Fluss des Menschen, dem du zuhörst nur minimal unterbrochen wird. Etwa so: ,Das bestürzt dich‘, ‚Das sollten sie dir nicht angetan haben‘, ‚Im Nachhinein würdest du es lieber anders gemacht haben‘. Ein Feedback ist immer ein Versuch. Es ist immer fragend gemeint ,Geht es dir so damit?‘, anstatt zu sagen: ,So geht es dir damit!‘ Wenn du unsicher bist, kannst du fragen: ,Ist das richtig?‘ Oder: ,Ist das so stimmig für dich?‘ Wenn dein Feedback von dem Menschen, dem du zuhörst, nicht akzeptiert wird, stecke keine Energie rein, um zu beweisen, dass du Recht hast. Erkläre auch nicht, warum du gedacht hast, dass dies oder jenes so gemeint war; selbst dann nicht, wenn du glaubst, dass du Recht hast. Frage stattdessen nach, was wirklich gemeint war.

Verfeinertes Zuhören

Beim verfeinerten Zuhören richtest du deine Aufmerksamkeit auf das, was dem Gesagten zugrunde liegt, z. B. die damit verbundene Absicht.

Du: ,Das passiert mir immer.‘

Ich: ,Du würdest das gerne ändern.‘

Neuformulierung einer unangenehmen Situation in eine wünschenswertere aber noch nicht geschaffene.

Du: ,Ich kann den Kleinen nicht ausstehen.‘

Ich: ,Du würdest gerne anders für ihn empfinden.‘

Wenn du mit mir über Andere, und was sie mit dir machen, sprichst, habe ich die Wahl, ob ich die Anderen oder deinen Anteil dabei aufnehme, z.B.:

Du: ,Meine Eltern haben mich immer von vielen Sachen abgehalten. Sie hatten immer Angst, ich könnte in Schwierigkeiten kommen.“

Ich: ,Deine Eltern waren überbehütend.‘ (,Sie‘ in den Blick genommen)

Im Gegensatz dazu:

Ich: ,Du hast nie gelernt, etwas selbstständig zu machen.‘ (‚Dich‘ in den Blick genommen)

Die erste Herangehensweise könnte dich einladen, zu deinen Eltern zu gehen und daraus eine ,Ich Armer‘ - Geschichte zu machen. Das rückt deine Hilflosigkeit in den Vordergrund. Die zweite Version nimmt mehr auf, was du jetzt machst und spricht mehr deine Kraft und Stärke an.

Natürlich kann ich auch beides aufgreifen: ,Deine Eltern waren überbehütend und das führte dazu, dass du glaubst, du hättest noch nicht gelernt, genügend für dich selbst zu tun.‘ Das gibt dir dann Gelegenheit, das für dich in diesem Augenblick Wichtigste aufzugreifen und weiter zu verfolgen.“

Body Architecture (Darstellung mittels des Körpers)

„Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein Bruder, steht ein mächtiger Gebieter, ein unbekannter Weiser - der heißt Selbst. In deinem Leibe wohnt er, dein Leib ist er.“

Friedrich Nietzsche, „Also sprach Zaratustra“