Thüringen - 1898 - illustrierte Ausgabe - Albert Scobel - E-Book

Thüringen - 1898 - illustrierte Ausgabe E-Book

Albert Scobel

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Beschreibung

Wie heller Glockenton am stillen Sonntagsmorgen klingt es über die duftigen Gefilde. Goldener Sonnenschein lacht vom blauen Himmel, und aus den Höhen tönt jubelnder Lerchengesang herab. Da weitet sich das Herz, und Lust und Licht und Duft locken hinaus zur Wanderung durchs thüringische Land! Die leicht eingesenkten Mulden, in deren Grunde die klaren Bäche murmeln, sind von frischen Wiesen bedeckt, aus deren Grün die blaßroten Blüten des Schaumkrauts und das bescheidene Vergißmeinnicht, die gelben Dotterblumen, Hahnenfuß und der zart gefiederte Löwenzahn leuchten. Die lilafarbenen Blüten des Salbei, die blauen des Kreuzblümchens und des Ehrenpreis sind mit dem dreifarbigen wilden Stiefmütterchen vereint zum Schmucke des Frühlings. In den lichtblätterigen Hainen prangen heller Weißdorn, die bescheidene Blüte der Erdbeere und Brombeere, das blau schimmernde Sinngrün, und wie helle Teppiche weithin ausgebreitet auf dem dunklen Waldboden die weißrötlichen Sterne des Windröschens. Die Waldränder sind geschmückt mit den verrankten Hecken der wilden Rose, von deren dunkelgrünen Blättern sich hell die zierlichen Blüten abheben.

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Thüringen

Von

A. Scobel

Mit 145 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen und Kartenskizzen

1898

© 2022 Librorium Editions

ISBN : 9782383835615

Inhalt.

 

 

Seite

I.

Einleitung

3

II.

Geographische Übersicht

7

III.

Geschichtliche Übersicht

9

IV.

Saalthal und Saalplatte

12

V.

Osterländisches Stufenland

34

VI.

Frankenwald

42

VII.

Südöstlicher Thüringerwald

50

VIII.

Mittlerer und nordwestlicher Thüringerwald

64

IX.

Rennsteig

88

X.

Klima und Pflanzenwelt

91

XI.

Bevölkerung

96

XII.

Nordvorland, Ilmplatte und Thüringisches Becken

110

XIII.

Nördliche Grenzhöhen

129

XIV.

Südvorland

140

 

Statistische Übersicht

155

 

Übersicht der geologischen Formationen

155

 

Litteratur

156

 

Abb. 1. Schwarzburg, vom Trippstein aus gesehen. (Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

Abb. 2. Arnstadt um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stiche von Merian).

Thüringen.

I.

ie heller Glockenton am stillen Sonntagsmorgen klingt es über die duftigen Gefilde. Goldener Sonnenschein lacht vom blauen Himmel, und aus den Höhen tönt jubelnder Lerchengesang herab. Da weitet sich das Herz, und Lust und Licht und Duft locken hinaus zur Wanderung durchs thüringische Land! Die leicht eingesenkten Mulden, in deren Grunde die klaren Bäche murmeln, sind von frischen Wiesen bedeckt, aus deren Grün die blaßroten Blüten des Schaumkrauts und das bescheidene Vergißmeinnicht, die gelben Dotterblumen, Hahnenfuß und der zart gefiederte Löwenzahn leuchten. Die lilafarbenen Blüten des Salbei, die blauen des Kreuzblümchens und des Ehrenpreis sind mit dem dreifarbigen wilden Stiefmütterchen vereint zum Schmucke des Frühlings. In den lichtblätterigen Hainen prangen heller Weißdorn, die bescheidene Blüte der Erdbeere und Brombeere, das blau schimmernde Sinngrün, und wie helle Teppiche weithin ausgebreitet auf dem dunklen Waldboden die weißrötlichen Sterne des Windröschens. Die Waldränder sind geschmückt mit den verrankten Hecken der wilden Rose, von deren dunkelgrünen Blättern sich hell die zierlichen Blüten abheben.

In üppigem Grün stehen die Felder, die sorgsam abgegrenzt von der Menschen Fleiß Zeugnis geben, in langen Streifen sich hinziehend, selten von Hecken, Buschwerk oder Baumgruppen unterbrochen, als ob die Wärme des Himmelslichts mit ganzer Fülle hereinströmen möge zur Förderung des Wachstums und des Blühens. In sanften Wellen wölbt sich die Landschaft; hier sind die Fluren eingeschlossen von rundlichen Hügeln oder lang gestreckten niedrigen Bodenkämmen, dort weitet sich der Raum, und das Auge schweift in unübersehbare Fernen. Wo der Boden seine größte Fruchtbarkeit zeigt, drängen sich die menschlichen Wohnstätten enger zusammen. Die Erde vermag hier viele ihrer Kinder zu ernähren. Aus dem hellen Grün der Obstbäume, im Mai fast verdeckt vom weißen Blütenschnee, schimmern die roten Ziegeldächer der Dorfhäuser, die sich gesellig um die turmgekrönte Kirche schmiegen. Da und dort grüßt ein stilles träumendes Landstädtchen, das wie vergessen von der lärmenden Straße des Weltverkehrs fern abliegt, deshalb vielleicht um so trauter und getreu die Gewohnheiten und Überlieferungen einer längst entschwundenen Vergangenheit pflegend. Aber in der Nähe des eisernen Schienenweges, vielleicht in der Richtung eines alten Handelszuges oder einer Thalsenke, welche durch ihre Form die Verkehrsrichtung vorschrieb, häufen sich die Häusermassen immer mehr zusammen, und hoch ragende Schornsteine deuten auf die geräuschvollen Arbeitsstätten der Industrie. Weichen die Getreidefelder zurück vor Gemüsepflanzungen und weiten Blumengärten, die in gewaltigem Kreise die werdende Großstadt umgeben, so gelangen wir in den Mittelpunkt der großen Landschaft, wo die Bevölkerung sich in größerer Zahl verdichtet und wo ein reges Leben flutet. Hier erheben sich die mächtigen Steinbogen und Mauern eines Domes, Zeugen der mittelalterlichen Baukunst, mit zahlreichen Türmen zur Höhe weisend und weit hinausgrüßend in die Lande.

Abb. 3. Thüringen nach Mercators Darstellung vom Jahre 1628.

Städte.

Manch andere Stadt entstand unter dem Schutze trotziger Burgmauern, wo Landgrafen und Fürsten saßen und mit gepanzerter Faust Wacht hielten, stets bereit zum blutigen Streit. Blühten doch auch unter ihrem eisernen Schirm und Schutz die Künste und Wissenschaften, so daß durch die Vielheit der Residenzen und durch das Bestehen einer weit verzweigten Kleinstaaterei Bildung in weitere Volksmassen gelangte, wie es in solcher Weise sonst nicht möglich gewesen wäre. Wo aber der Wald am schönsten wuchs, reich belebt von Wild, und wo klare Wässer rannen, da erhoben sich die Klöster mit ihren weithalligen Kirchen. Die Klosterbrüder brachten nicht nur das Christentum, sondern vielfach überhaupt die Anfänge der Kultur, denn sie rodeten den Wald und legten Pflanzungen an, sie bauten Wein, errichteten an den wasserreichen Bächen Mühlen, in denen der Felder Frucht gemahlen wurde, sie legten Teiche an zur Förderung des Fischreichtums, sie entwässerten Sümpfe und machten unbrauchbares Land urbar. Seitdem freilich die Verheerungen kriegerischer Jahre über diese Stätten hinwegbrausten, sind schon seit Jahrhunderten die Klosterbewohner und die Pilger zerstreut in alle Weiten, die Baulichkeiten sind meist verfallen, in ihrem epheuumrankten Resten noch Zeugnis gebend von alter Zeit, als deren letzte Erinnerungen die bildreichen Grabsteine eine stumme Sprache reden.

Abb. 4. Geologische Skizze von Thüringen.

Klöster und Burgen.

Weit im Westen erhebt sich eine Bergmasse als ein kleines Tafelland, wegen seiner alten Eichen schon frühe das Eichsfeld geheißen. In riesigem Kranze erstrecken sich gen Mitternacht bis nach der Morgenseite hinüber eine Reihe von Bergwällen, einsam und still, bewachsen von herrlichen Buchen, aus deren grünen Wölbungen hier und da eine Burgruine emporlugt. Mitten in diesem Kranze erhebt sich der Kyffhäuser, um dessen geborstenes Gemäuer Sagen und Lieder klangen in Sehnsucht nach der deutschen Einheit. Aus dem Herzen des Landes rauschen die Wässer der Unstrut, die den Bergkranz durchbricht und dann durch ein Thal fließt, über dessen Fluren und Burgen die Geschichte mit ehernem Fuß hinwegschritt. Jetzt grüßen aber freundliche Städtchen und helle Schlösser herunter ins Thal, und an den sonnigen Hängen, wo sich die Unstrut mit der Saale eint, grünen Rebenhügel in üppiger Fülle.

Saale und Rennsteig.

In großen Schlangenwindungen zieht die Saale ihren Weg durch ein breites schönheitgesegnetes Thal. Schiller widmete ihr die Verse:

»Kurz ist mein Lauf und begrüßt der Fürsten, der Völker so viele;

Aber die Fürsten sind gut, aber die Völker sind frei.«

Abb. 5. Merseburger Schloß, von der Saale gesehen. (Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

Ihre Wellen ziehen vorüber an manch alter Stadt, an Weinbergen und alten Trutzburgen und tragen zu Flößen verbunden zahllose Stämme des Gebirgswaldes. In ihrem Oberlaufe rücken die Thalränder enger zusammen, bis zuletzt selbst für eine menschliche Ansiedelung kein Raum übrigbleibt und der Fels in glatten Wänden bis ins Wasser heruntersteigt. Zahlreiche Bäche rauschen von den Höhen herab aus dem Schatten dunkler Tannen und Fichten, die den mächtigen Gebirgsbuckel mit grünem Mantel umhüllen. In den Seitenthälern weiten sich da und dort kleine Wiesenmulden und tragen betriebsame Ortschaften, die mit dem Fels ihrer Nachbarschaft bekleidet sind: vom Dachfirst bis zur Sohle sind die Häuser mit Schieferplatten bedeckt und bringen in das Tannendunkel eine noch ernstere Färbung.

Droben aber auf dem Gebirge läuft ein geheimnisvoller verschwiegener Bergpfad durch die Waldeinsamkeit, der alte Rennsteig auf der Scheidelinie, von der die Gewässer nach beiden Seiten abrinnen. Durch vieler Herren Länder, von denen uns alte Wappensteine Kunde geben, zieht der Pfad, teils im dichten rauschenden Hochwald, zwischen dessen silbergrauen Stämmen zierliche hellgrüne Farne emporwachsen, teils Ausblicke gewährend nach fernen duftumflossenen Höhenzügen und in grüne Thäler, in denen friedliche Ortschaften eingebettet sind. Nicht ein Laut dringt herauf von den belebten Arbeitsstätten, wo die Säge kreischt und die Drehbank klappert oder wo Schmiedefeuer glühen und die Hämmer den Takt schlagen. Außer dem Schrei des Wildvogels oder dem Gesang der Waldvögel schallt nur der Axtschlag durch den Wald, der manchen jahrhundertealten Baum trifft, um ihn dem heimatlichen Boden zu entreißen; oder es tönt ein metallischer Klang herauf, der von Männern herrührt, die das Schiefergestein absprengen und es zu Tafeln oder Griffeln verarbeiten.

Wo aber der Bergpfad dem Kamme folgt, der immer schmaler wird und von dessen Flanken sich tiefe Thäler einschluchten, deren obere Mulden fast bis zum Rennsteig selbst reichen, da nimmt der Wald eine freundlichere Färbung an, Tannen und Fichten bleiben zurück, und über dem Dickicht der Beerensträucher streben leuchtende Buchen empor. Ihre Baumkronen wölben sich wie gotische Dome, durch deren Maßwerk die Sonne goldene Lichter sendet, und aus dem grünen Laube singt und jubelt es in vielstimmigem Gesange. Malerischer und bewegter sind hier die Formen des Gebirges, und es erschließt sich hier der anmutigste und gepriesenste Teil des Thüringerwalds: in den Waldthälern trauliche Ortschaften, auf den Höhen so manche zerborstene Burg. Am herrlichsten von allen aber grüßt die Wartburg herab, von deren wunderbarer Vergangenheit Sagen und Lieder erzählen. In dichterischem Glanze erscheinen Ritter und Edelfrauen, die Säle hallen von Waffenklang und Sängerstreit wieder, es erklingen Eisenspeere und Minnelieder, und wenn der Abendsonne Gold hinter den Höhen des Ringgaus verglüht, des Mondes Silberstrahlen über die rauschenden Buchenwipfel fluten, dann singt und klingt es dem kundigen Wanderer wie Erinnerung aus blühendem Mittelalter.

Wo die Gewässer des Gebirges südwärts fließen, breitet sich in hellem Duft das Werrathal aus, geziert von mancher lebensfrohen Stadt. Auch hier grüßen von den Vorbergen altersgraue Rittersitze, und am glänzenden Flusse ragen verlassene Klosterhallen empor, bekränzt vom dunklen Epheu oder vom wilden Wein, aber vom verfallenen Turme läutet frommen Wallfahrern keine Glocke mehr. Dort dehnen sich die geschichtsreichen und doch heute so stillen Gelände des alten Grabfeldgaues. Im Südosten aber ragt die schöne kleine Hauptstadt aus üppigen Gärten mit ihrem Kranze von Bergen und Burgen, die hinüberschauen in die blühenden Gefilde des Mainthals.

Abb. 6. Dom zu Merseburg. (Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

II.

Das westliche Gebirge. Ausdehnung Thüringens.

Im Herzen Deutschlands erhebt sich das Gebirge des Thüringerwaldes, ausgezeichnet durch die Schönheit seiner Umrißlinien, bedeckt von üppigen Wäldern, gegliedert durch anmutige Thäler, in denen eine arbeitsame und sangesfrohe Bevölkerung wohnt. Schon auf alten Karten war unter dem Namen Thüringerwald das ganze Gebirge zwischen Werra und Fichtelgebirge verstanden worden, wenn auch über seine einzelnen Gebiete noch etwas verworrene Anschauungen herrschten, wie unsere Abb. 3 zeigt, die besonders im Flußnetz die kühnsten Linien aufweist. Jedenfalls wurde schon in alter Zeit der Frankenwald miteingeschlossen, eine Auffassung, die heute noch gilt und die einzig volkstümliche ist. Weit aber über den Thüringerwald hinaus dehnen sich die Grenzen der Landschaft Thüringen, vom Werradurchbruch im Nordwesten bis über die Saale hinaus im Südosten — wo Altenburg politisch noch zu Thüringen zählt — von dem Ufergelände der Werra im Süden bis an den Erhebungskranz im Norden, wo von den Höhen des Kyffhäusers das mächtige Kaiserdenkmal hinunterschaut in die fruchtbaren Gefilde der Goldenen Aue.

Abb. 7. Kreuzgang im Merseburger Dom. (Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

Alte Schilderung Thüringens.

Im ältesten Mittelalter wurde das Gebirge wohl als Loiba oder Leube bezeichnet, d. h. waldige Höhe; noch heute nennt man in Thüringen das Obergestock im Hause oder den Galeriegang in der Kirche Leibe oder Leim. Nur in einigen Teilen des Gebirges hat sich dieser älteste Name noch bis heute erhalten, so in der Struther Leube, in der Zeller und Suhler Leube, letztere das Waldgebiet zwischen Suhl und dem Gebirgskamm umfassend. Jetzt redet das Volk schlechthin vom »Wald«, im Gegensatz zum flachen Lande. In den 1651 erschienenen deutschen Erläuterungen (die übrigens mit dem Text des in Amsterdam 1635 von Blaeuw herausgegebenen Atlas wörtlich übereinstimmen) zu der erwähnten Karte (Abb. 3) ist Thüringen in wenigen Sätzen gekennzeichnet: »Ist ein vberauß Fruchtbar Land vnd sonderlich an der Mänge vnd fürtrefflichkeit deß Getreyds allen andern in gantz Teutschland vberlegen, derowegen es denn Georgius Agricola nicht vnbillich deß Teutschlands Sumen oder Schmaltz zu nennen pflegt ... Also hat es auch an Obs vnd andern dergleichen Früchten fast durchauß keinen Mangel, jedoch gar nichts von Wein, als was man auß dem Land zu Francken, von dem Rheinstrom vnd von andern Orten dahin bringt: macht aber an statt desselbigen ein sehr gut vnd wolgeschmackt Bier, mit welchem der Durst nach lust und notturfft auch gelöschet werden kan. Der reichen Bergwercke von Gold vnd Silber vnd grossen vorraths von Saltz zu geschweigen ... mit Wäldern ist es an vielen Orten fast gantz vberdeckt, welche allesampt allerley Wildbret in grosser menge von sich geben. Endlich hat es in diesem Land auch viel Kirchen vnd Clöster ... Die Inwohner aber deß Thüringerlands sind grimmige vnd harte Leute, so den Feind auch mit ihrem blossen Ansehen erschrecken, einer grossen länge, vnd stärcke, schwartzbraunen Farb vnd guten gestalt.«

Geologische Verhältnisse.

Wollen wir die Formen Thüringens ganz verstehen, so müssen wir sein erdgeschichtliches Werden verfolgen und die ganze Landschaft nur als ein Glied in der Gruppe der mitteldeutschen Gebirge betrachten. Der Untergrund besteht zunächst aus den Resten uralter Gebirge, deren Bildung zur Steinkohlenperiode vollendet war. Durch einen gewaltigen Druck aus Südost war ein großes von Südwest nach Nordost streichendes Faltengebirge entstanden, dessen Achsen noch im Frankenwalde und Erzgebirge sichtbar sind; man nennt dieses nordöstliche Streichen auch erzgebirgisches Streichen. Die Sättel dieses alten Gebirges wurden in der Zeit des Rotliegenden*) besonders im Nordwesten teils abgetragen und eingeebnet, die Thäler des untergetauchten Gebirges mit den Geröllen des Rotliegenden zugeschüttet. Zu gleicher Zeit erfolgten zahlreiche Eruptionen, die namentlich Porphyre und Melaphyre empordringen ließen. Das Gebirge sank unter den Meeresspiegel und wurde durch Brandung stark zerstört (abradiert). Diese Umwälzungen dauerten von der Triasperiode bis zur Jura- und Kreidezeit, bis endlich in der Tertiärzeit das Gebirge in erneuter Form wieder erstand. Vielfach kamen jetzt auch von Südwest wirkende Druckkräfte in Thätigkeit, die ein von Südost nach Nordwest gerichtetes Streichen, nach dem Böhmer Wald hercynisches Streichen genannt, veranlaßten. Hierdurch entstanden große Brüche und das Gebiet wurde in eine Anzahl einzelner Schollen zerteilt, die sich unabhängig voneinander bewegten, so daß sich entweder das Gebirge hob oder das Vorland senkte. Auf der fränkischen Seite trennen die Brüche das paläozoische Gebirge von der Trias, auf der Nordostseite verlaufen die Brüche in der Triaszone. In bedeutenden Schichtenbiegungen fallen Zechstein, Buntsandstein und Muschelkalk vom Gebirge ab und gehen in die flache Lagerung des thüringischen Vorlandes über. In der neueren Zeit sind dann Zechstein und Trias von den Höhen des Gebirges abgeschwemmt und dieses um etwa 1200 m erniedrigt worden. Trotzdem überragen dort noch zwei große Landschollen horstartig das gesunkene Land, die beiden Horste des Thüringerwaldes und des Harzes, die im Südwesten und Nordosten das Thüringische Becken begrenzen (Abb. 4). Im Südosten des Thüringerwaldes und des Frankenwaldes wurde die Brandungsfläche entblößt, so daß hier die alten Schiefer sichtbar sind. Im nordwestlichen Thüringerwald sind vielfach die weicheren Gesteine der Verwitterung anheimgefallen, der die Porphyre und Granite aber erfolgreich widerstanden. Der Wechsel von härteren und weicheren Gesteinen, aufgeschlossen durch die einschneidenden Thäler, bedingt hier die Mannigfaltigkeit der Landschaftsformen.

*) Am Schlusse des Buches ist eine Übersicht der wichtigsten geologischen Abteilungen gegeben.

Abb. 8. Schloßhof zu Merseburg. (Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

III.

Thüringen bis zum X. Jahrhundert.

Noch wechselreicher als seine Oberfläche ist die Geschichte Thüringens. Die Thüringer gelten als Nachkommen der alten Hermunduren und treten zuerst im V. Jahrhundert in die Geschichte. An der Unstrut brach das Königreich Thüringen zusammen, die Thüringer erlagen den fränkischen Eroberern, und die alte Königsburg Scidingi (Burgscheidungen) fiel 531 in die Hände der Franken. Die nordwärts der unteren Unstrut und Helme gelegenen Gebiete wurden gegen Zahlung eines Jahreszinses den Sachsen überlassen, das übrige Thüringen wurde den Franken botmäßig. Im VII. Jahrhundert erstarkte Thüringen durch die Kämpfe seiner Bewohner gegen die westwärts vorrückenden Slaven. Irische Mönche bereiteten das Volk zur Annahme des Christentums vor, und 719 kam Winfried (Bonifatius) nach Thüringen, um für die Ausbreitung der christlichen Lehre zu arbeiten. Unter Karl dem Großen wurde Thüringen immer enger mit dem Frankenreiche verknüpft, um mit ihm gemeinsam das Vordringen der Slaven zu bekämpfen. Im VIII. Jahrhundert galt die Saale als ethnographische und politische Grenze, und das Grenzgebiet an Saale, Unstrut und Gera wurde zur Thüringischen Mark; bis hierher durften die deutschen Kaufleute mit den Slaven Handel treiben. Von hier aus suchten im IX. Jahrhundert die Markgrafen eine Vorherrschaft für ganz Thüringen zu begründen. Durch den lang ausgedehnten Befestigungskranz der Burgen an den Uferhöhen der Saale wurden aber die Slaven in Schach gehalten.

Abb. 9. Die Lauchstädter Bühne mit den aus dem Jahre 1803 erhaltenen Dekorationen. (Nach einer Photographie im Besitz des Herrn Franz Peschel in Straßburg.)

Im X. Jahrhundert übernahm das sächsische Geschlecht die Führung in den östlichen Grenzmarken. Die 965 erfolgte Dreiteilung der Thüringischen Mark in eine Merseburger, Zeitzer und Meißnische Mark wurde zur Grundlage der Bistumsgründung für die drei genannten Gebiete. Bis zum Anfange des X. Jahrhunderts wohnte das Volk in offenen Dörfern, und erst dann begann man, die Wohnplätze gegen feindliche Einfälle mit Mauern, Gräben und Bollwerken zu schützen. Aus diesen Plätzen erblühten dann die Städte, die zu Haupthaltestellen für die Richtungen des damaligen Handelsverkehrs wurden. Neben der Gemeindeverfassung kam für die Ausbildung des Städtewesens erst in zweiter Linie das Gedrängtsein der Wohnungen hinter schirmenden Mauern und der dadurch gewährleisteten Blüte von Handel und Gewerbe. Um die Ausdehnung des Binnenverkehrs war auch die Geistlichkeit in den größeren Bischofssitzen, Klöstern und Stiftern bemüht, und sie richtete bei Gelegenheit großer Feste ihrer Schutzheiligen einen Markt ein, zu dem Zoll- und Münzrechte leicht zu erlangen waren. So ward Hochmesse und Markt gleichbedeutend als »Messe«, eine Vereinigung von geistlichen und weltlichen Geschäften, die in katholischen Gegenden heute noch häufig besteht.

Thüringen vom XI. bis XV. Jahrhundert.

Im XI. Jahrhundert kam in Thüringen das Geschlecht des Grafen Ludwig des Bärtigen zu Macht und Ansehen, besonders unter seinem Sohne Ludwig dem Springer, dem Erbauer der Wartburg und der Neuenburg bei Freyburg an der Unstrut. Im Jahre 1130 wurde Thüringen zur Landgrafschaft und gelangte dadurch zur Einheit und gedeihlichen Entwickelung. Unter Hermann I. soll 1207 der durch Dichtung und Sage verherrlichte Sängerkrieg auf der Wartburg stattgefunden haben. Nach dem Thüringischen Erbfolgekrieg (1247–1263) kam Thüringen an Heinrich den Erlauchten, den Wettiner, dessen Sohn Albrecht der Unartige mit seinem Vater und Brüdern, später mit seinen eigenen Söhnen in unaufhörlicher Fehde lag. Friedrich der Streitbare erwarb 1423 das Herzogtum Sachsen und die Kurwürde, wodurch der Name Sachsen auch auf die thüringischen Besitzungen der Wettiner übertragen wurde. Von den vielen Hunderten von Grafen und Herren, die in den übrigen Teilen Thüringens die Territorialgewalt ausübten, waren die wichtigsten die Grafen von Henneberg, die Grafen von Schwarzburg, die Vögte von Weida, Gera und Plauen, die Ahnherren der Fürsten von Reuß.

Abb. 10. Weißenfels um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stiche von Merian).

Thüringen vom XV. bis XIX. Jahrhundert.

Nach der Erbteilung von 1445 erhielt Wilhelm, Herzog von Sachsen, die Landgrafschaft Thüringen, die fränkischen Besitzungen sowie einige Ämter des Osterlandes. Nach Beendigung eines Bruderkrieges zwischen Wilhelm und Friedrich II., dem Sanftmütigen, raubte 1455 Kunz von Kaufungen aus dem Altenburger Schlosse die beiden Söhne Friedrichs II., Ernst und Albrecht, die späteren Stifter der beiden sächsischen Hauptlinien. 1485 erfolgte die Leipziger Teilung, wodurch Ernst Thüringen und die Kurwürde erhielt, Albrecht erhielt Meißen; in das Oster- und Pleißenland teilten sich beide. Seitdem blieb das sächsische Haus in die zwei Linien, die Ernestinische und Albertinische, getrennt. In die Regierungszeit Friedrich des Weisen (1486–1525) fällt das Wirken Luthers. Auf Friedrich folgte sein Bruder Johann der Beständige, als in die Gefilde Thüringens der Bauernkrieg Blut und Verderben brachte. Johann starb schon 1532, und nach seinem Tode führte Johann Friedrich mit seinem minderjährigen Bruder Johann Ernst anfangs gemeinsam die Regierung, entschädigte ihn aber im Torgauer Vertrage 1541 mit Geld und der Pflege Coburg. Nach dem für die Evangelischen unheilvollen Schmalkaldischen Kriege kam 1547 die Wittenberger Kapitulation zustande, worin Johann Friedrich seiner Herrscherwürde entsagte, 1552 aber wieder eingesetzt wurde und 1554 in der Naumburger Kapitulation einen großen Teil der früher an die Albertiner verlorenen Gebiete wieder zurückerhielt. Unter seinen drei Söhnen gingen die Wogen wieder hoch; Johann Friedrich der Mittlere kam mit dem wegen seiner Händel berüchtigten fränkischen Ritter Grumbach in unliebsame Freundschaft, weswegen er in die Reichsacht gethan wurde. Nach 28jähriger Gefangenschaft starb er. Immer wieder gab es Verzichtleistungen, Verpfändungen und Teilungen. Eine der wichtigsten Teilungen war die von 1572, in der die Grundgebiete der heutigen Herzogtümer Gotha und Weimar festgelegt wurden; auch bei den reußischen und schwarzburgischen Gebieten wurde damals der Grund zu den heutigen Besitzverhältnissen gelegt. Im Jahre 1638 wurde eine weimarische, eine eisenachische (die aber 1645 an Weimar kam) und eine gothaische Linie gegründet. Die Greuel des dreißigjährigen Krieges sind über Thüringen schwer dahingebraust und haben in vielen Orten neun Zehntel der Bevölkerung dahingerafft.

Als Glieder des 1805 gestifteten Rheinbundes nahmen die Herzogtümer die in ihren Landen gelegenen reichsritterschaftlichen Gebiete in Besitz. Als 1825 mit dem Tode Friedrichs III. die Linie Gotha-Altenburg ausstarb, gab es wieder Erbstreitigkeiten, die aber durch den Erbteilungsvertrag von 1826 geschlichtet wurden. Der Herzog von Hildburghausen überließ sein ganzes Land seinen Mitbewerbern, empfing aber dafür das Herzogtum Altenburg. Gotha wurde mit Coburg, Hildburghausen und Saalfeld mit Meiningen vereinigt, von kleineren Gebietstauschen abgesehen. Damit entstanden die drei noch heute blühenden Linien des sächsisch-Ernestinischen Hauses: Meiningen-Hildburghausen, Coburg-Gotha und Altenburg. Auch die schwarzburgischen Linien Rudolstadt und Sondershausen erlangten 1825 völlige Selbständigkeit.

Schon während der Landgrafenzeit hatte die Kirche in den thüringischen Landen ihre Besitzungen weiter ausgedehnt und befestigt. Im südlichen Teile griffen die Besitzungen der Abtei Hersfeld bis gegen Salzungen auf thüringisches Gebiet über. Das Erzbistum Mainz hatte Erfurt und das Eichsfeld im Besitz, an der Saale blühten die Bistümer Merseburg und Naumburg-Zeitz. Vom XII. bis XV. Jahrhundert waren eine große Zahl Stifter, Klöster und Ordenshäuser entstanden. Im Jahre 1803 kam Erfurt sowie das Eichsfeld an Preußen, ebenso die nördlichen thüringischen Besitzungen des Kurhauses Sachsen.

IV.

Merseburg.

Wir beginnen unsere Wanderung am Nordostpfeiler Thüringens, bei der alten auf hohem Uferrande gelegenen preußischen Kreisstadt Merseburg (18800 Einw.). Die Stadt lag dicht am slavischen Wohngebiete, erhob sich im X. Jahrhundert unter König Heinrichs, des »Städtegründers« Regierung hinter neuen Mauern und umschloß den Dom, der später Sitz des Bistums wurde, sowie die Pfalz den Hof zu vereinigen pflegte. Als Stifter Merseburgs kann Heinrich der Finkler angesehen werden, der als Markengründer so segensreich im Osten unseres Vaterlandes waltete. Otto I. gründete infolge eines Gelübdes das Domstift, das für Kultur und Verbreitung des Christentums im deutschen Osten von hoher Bedeutung war. Der alte Dom und das Schloß sind die Charaktergebäude Merseburgs, die flußwärts das Landschaftsbild beherrschen (Abb. 5). Die Turmbauten des Domes stammen noch aus dem XI. Jahrhundert, die anderen Bauteile meist aus dem XIII. Jahrhundert, das spätgotische Schiff aus dem Ende des XV. Jahrhunderts. Der Dom (Abb. 6) strebt nicht sehr in die Höhe, macht aber trotz seiner 1886 vollendeten Erneuerung einen altertümlichen Eindruck und besitzt einen außerordentlich stimmungsvollen Kreuzgang (Abb. 7). Im Chor befindet sich eine Metallplatte als Denkmal für den 1080 im Kampfe gegen Heinrich IV. gefallenen Gegenkönig Rudolf von Schwaben. Das Schloß umfaßt mit seinen drei Flügeln einen weiten viereckigen Hof von sehr malerischer Wirkung (Abb. 8). Der turmreiche Bau wurde 1483 bis 1561 errichtet, Ende des XVII. Jahrhunderts zum Teil erneuert und ist jetzt Regierungsgebäude. Im Schloßhofe stehen ein figurengeschmückter dreiseitiger Ziehbrunnen und der alte schwarze Käfig, worin der historische Merseburger Rabe gefüttert wird. Die Sage erzählt von einem dem Bischof Thilo von Throta gestohlenen Ringe, den ein Rabe bei geöffnetem Fenster aus des Bischofs Gemach getragen; von dem Verdacht, der auf einen der bischöflichen Diener gelenkt wurde, der unter der Folter ein Geständnis machte und darauf hingerichtet wurde; und wie dessen Unschuld an den Tag kam, als ein Schieferdecker bei Ausbesserung des Turmes den Ring im Rabenneste auffand. Die Stadt entwickelt sich neuerdings zu einem lebhaften Industrieplatze.