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Das Tibethausjournal Chökor, das halbjährlich erscheint, kann auf eine 20-jährige Geschichte zurückblicken. Artikel rund um das Thema Tibet - Buddhismus, Gesellschaft, Kultur, Kunst, Wissenschaft, Heilkunde, Biografien und Reisen - gehören zum Themenspektrum.
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Seitenzahl: 188
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Dieses Chökor Tibethaus Journal steht ganz im Zeichen der Zusammenarbeit mit unserem spirituellen Leiter S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche, die im Sommer dreißig Jahre währen wird.
Wir haben uns in dieser Ausgabe auf die Wiederveröffentlichung von alten Artikeln unseres Journals konzentriert, die alle den besonderen Stil, den er geprägt hat, widerspiegeln.
Dabei gehen wir zunächst „historisch“ vor, in dem wir die ersten Jahre der Zusammenarbeit beleuchten, dann den Moment der Gründung des Tibethauses, Rinpoches Bezug zu unserem Schirmherrn, dem XIV. Dalai Lama. Es folgt die Abschrift einer der ersten Reden des Dalai Lama, die er in Deutschland gehalten hat, danach folgen fünf Artikel von Rinpoche, die sein Engagement als buddhistischer Meister im Westen zeigen, aber auch seine Verbundenheit mit Tibet.
Anschließend beleuchten er und einige seiner Schüler/innen thematische Schwerpunkte des Tibethauses, die geprägt sind vom West-Ost-Vergleich und dem speziellen „Rinpoche Stil“, die aber bei aller Offenheit niemals die eigenen Wurzeln verleugnen.
Es folgt ein sehr persönlicher Bericht von Namri Dagyab, der 1994 das erste Mal die Heimat seines Vaters Dagyab in Osttibet besucht hat und die Verehrung, die dieser dort erfährt, beschreibt.
Eine Reflexion Rinpoches über den buddhistisch-christlichen Dialog und die Fallen, in die wir dabei tappen können, schließt den „artikularischen Rückblick“ ab.
S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche verkörpert diese seltene Mischung aus tiefgründiger buddhistischer Kompetenz, ausgedehnte aktiver Offenheit für einen „Buddhismus im Westen“. Parallel dazu verfügt er über ein klares, wissenschaftliches Verständnis und eine phänomenale Kenntnis der tibetischen Ikonographie und Geschichte.
Zudem lebt er uns seit 30 Jahren vor, wie man Alltag, Beruf, Familie, vielfältige soziale Aktivitäten, buddhistische Lehrtätigkeit und zusätzlich eine intensive eigene spirituelle Praxis miteinander verbindet – dies scheinbar mit Leichtigkeit. Doch ist es allen klar, dass dazu auch unerschütterliche Gewissheit in die eigene besondere Verantwortung und viel Disziplin gehört.
Rinpoche hat, wie wir das immer bei seinen Kursen feststellen, eine stabile Schülerschaft. Viele sind schon von Anfang an dabei. Er ist ein großes Vorbild, und wir hoffen, dass wir noch viele Jahre seine Präsenz genießen können.
Ich wünsche Ihnen viel Inspiration und Freude beim Lesen!
Ihre Elke Hessel
TIBETHAUS DEUTSCHLAND IN FRANKFURT
Fünf Jahre Zusammenarbeit mit S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
Er ist einfach ein besonderer Mensch! | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche spricht über seine vielen Begegnungen mit dem XIV. Dalai Lama in den letzten 60 Jahren
Ein Strauß von Aktivitäte | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
Ein menschlicher Weg zum Frieden in der Welt | S. H. der XIV. Dalai Lama
BUDDHISMUS
Es liegen Welten dazwischen! | Gedanken zur Lehrer-Schüler-Beziehung | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
Hinweise zur Bodhicitta-Praxis – die radikale Version | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
Kraft aus der eigenen Erfahrung schöpfen | Warum ist es unerlässlich, Retreats zu machen? S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
Der Eintritt ins Vajrayana | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
BIOGRAPHIE
Nicht einmal um den Preis des eigenen Lebens | Die Lebensgeschichte von Akhu Losang Gyatso Tsang S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
KUNST + KULTUR
Hingabe und Segen | Zur Bedeutung der tibetisch-buddhistischen Kunst | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
HEILKUNDE
Tibetische Heilkunde – was kann sie uns heute lehren? | Klaus Jork
PERSÖNLICHKEIT + GESELLSCHAFT
Von persönlicher Freiheit und Selbstverantwortung | Cornelia Weishaar-Günter
Das Ich und das Selbst aus psychologischer Sicht | Birgit Justl
TIBET
Meine erste Begegnung mit Tibet | Namri Dagyab
DIALOG
Erfahrungen eines tibetischen Lama mit dem Christentum | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
SERVICE
Studienprogramme im Tibethaus Deutschland
Programmübersicht Mai bis Dezember 2014
Wöchentliches Programm im Tibethaus Deutschland – Mai bis Dezember 2014
Service + Kontakt
Das erste Foto der Zusammenarbeit (!) mit Rinpoche stammt schon aus dem Jahr 1983
Das Foto wurde aufgenommen im Juli 1983 von Dagyab Rinpoche selbst, das Kind auf dem Stuhl ist unser Sohn Michael. Rinpoche hatte damals sein erstes Seminar für westliche Schüler im Aryatara Institut Jägerndorf in Niederbayern gegeben. Wir waren mit unseren beiden Kindern dabei. Zum Ende des Seminars sollte ein Gruppenfoto gemacht werden, und es wurde ein Stuhl für Rinpoche bereitgestellt. Unser Sohn war jedoch schneller. Das war irgendwie lustig, und Rinpoche hat ihn anscheinend fotografiert.
Ein Jahr später war Rinpoche noch einmal in Jägerndorf; wir waren auch wieder da, denn er hatte uns im Jahr zuvor sehr beeindruckt. Damals gab Rinpoche uns das Foto.
Das war auch die Zusammenkunft, nach der Rinpoche gebeten wurde, unser Lehrer zu sein!
Charlotte und Andreas Molz
IMPRESSUM
Herausgeber:
Tibethaus Deutschland e.V.
Kaufunger Straße 4
60486 Frankfurt am Mainy
Tel. +49 (0) 69. 71913595
Fax +49 (0) 69. 71913596
www.tibethaus.com
Bankverbindung:
Tibethaus Deutschland
Frankfurter Volksbank
BLZ 501 900 00
Konto 610 001 4295
BIC: FFVBDEFF
IBAN: DE81 5019 0000 6100 0142 95
Redaktion:
Elke Hessel, Gisela Behr,
Karin Herber-Schlapp,
Nadja Michler
Kalligraphien von Puntsok
Tsering Duechung
Layout + Realisation:
cct: werbeagentur, Heidelberg
http://cct-heidelberg.com
Bildnachweis:
Copyright-Vermerke jeweils
bei den Abbildungen, bzw. den
Anmerkungen
Druck:
Druckerei Hassmüller
Frankfurt am Main
Titelfoto:
S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche beim Abschied nach dem ersten Besuch in Frauenaurach 1984
© Tibethaus Deutschland
Erscheinungsweise:
halbjährlich (Dezember und Juli)
Auflage: 1000 | ISSN 2193-8148
Einsendeschluss für Beiträge:
1. September | 1. April
Das „Chökor Tibethaus Journal“ wird an die Mitglieder des Vereins kostenlos, an alle weiteren Interessenten zum Abonnementspreis von 15 Euro pro Jahr in Deutschland und 18 Euro pro Jahr im Ausland abgegeben.
Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.
Feier zum tibetischen Neujahrsfest © Tibethaus Deutschland
Elke Hessel
Puntsok Tsering Duechung
Das Tibethaus Deutschland ist ein Kulturinstitut, ein Begegnungs- und Studienzentrum, eine Art „tibetisches Goethe-Institut“, in dem Besucher die alte und moderne Kultur Tibets kennenlernen, studieren und in einen fruchtbaren, anregenden Austausch eintreten können.
S. H. der Dalai Lama hat 2005 in Wiesbaden offiziell die Schirmherrschaft für das Tibethaus Deutschland übernommen.
Über 300 Seminare, Workshops und Vorträge im Jahr in den Bereichen Buddhismus, Persönlichkeit + Gesellschaft, Kunst + Kultur, Heilkunde und Wissenschaft bieten für alle an der buddhistisch-tibetischen Kultur Interessierte ein vielfältiges, fundiertes Angebot. Auch feiern die Tibeter aus dem Rhein-Main-Gebiet hier ihre Feste.
Das Tibethaus sieht seine Aufgabe darin, eine Brücke zwischen Tibet und dem Westen zu schlagen, aber auch zwischen dem Westen und Tibet.
Das Institut wird ausschließlich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und Kursbeiträge finanziert.
S. E. Loden Sherab Dagyab Rinpoche, der spirituelle Leiter des Tibethauses, ist einer der höchsten tibetisch-buddhistischen Würdenträger. Geboren 1940 in Osttibet, erwarb er den Abschluss des Doktors der Philosophie an der Klosteruniversität Drepung. Rinpoche kam 1966 nach Deutschland auf Einladung der Universität Bonn, wo er bis 2004 als Tibetologe arbeitete.
In seiner Funktion als buddhistischer Lehrer ist sein besonderes Anliegen sowohl die authentische Weitergabe der buddhistisch-tantrischen Überlieferung als auch ihre angemessene Vermittlung im westlichen Kontext.
Wir verstehen Kulturarbeit als Bildungsarbeit und als Erweiterung des eigenen Horizonts.
Zweimal im Jahr organisieren wir hauseigene Ausstellungen mit tibetischen und westlichen Künstlern sowie Kooperationsausstellungen mit Museen und Galerien, wie z.B. die Fotoausstellung im Museum der Weltkulturen in Frankfurt 2009, in Liechtenstein 2010 und in der Melkweg Galerie in Amsterdam 2011 und aktuell im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt.
Zusätzlich finden regelmäßig Workshops in Traditioneller Tibetischer Malerei, Veranstaltungen über modernen tibetischen Film, über Musik und zu Reisen in Tibet statt.
Das Konzept des Dialogs, des Gemeinschaftlichen und der Inspiration in Zusammenarbeit mit anderen asiatischen Künstlern, Schriftstellern und Musikern soll in Zukunft weiter ausgebaut und vertieft werden.
Der tibetische Buddhismus ist reich an Methoden, die zu mehr Klarheit, Ausgeglichenheit und Lebensqualität führen. Wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung ernst und bieten z.B. Vorträge und Seminare zu Methoden der Stressbewältigung, Sterbe- und Trauerbegleitung, Wirtschaftsethik an, um die Teilnehmer beruflich und privat zu unterstützen.
Sehr erfolgreich läuft das zweijährige Ausbildungsprogramm zum buddhistisch orientierten Sterbebegleiter, und ab Spätherbst 2014 werden wir erstmals ein Studienprogramm zur vom Dalai Lama sehr geförderten „säkularen Ethik“ beginnen.
S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche beim Dharma-Tutorentreffen © Tibethaus Deutschland
Unser Ansatz ist für Buddhisten und Nichtbuddhisten gleichermaßen konzipiert.
Wir erhalten regelmäßig Besuch von Kindergärten, Schulklassen, Studenten, die „hautnah“ etwas über Tibet und den Buddhismus erfahren wollen. Für dieses Projekt hat die Dezernentin Frau Dr. Eskandari-Grünberg des Integrationsamts der Stadt Frankfurt die Schirmherrschaft übernommen.
Die Kinder der Exiltibeter in Frankfurt gehen bei uns zur tibetischen Sonntagsschule, um Tibetisch schreiben und lesen zu lernen. Dies ist eine wichtige Aktivität, um die tibetische Identität zu stärken.
Das Tibethaus ist auch (durch seinen Ehrenpräsidenten) im Rat der Religionen der Stadt Frankfurt vertreten.
Unter der Leitung von Dagyab Rinpoche sind in mehr als 25 Jahren anerkannte westliche Lehrer, Fachleute und Übersetzer ausgebildet worden.
Das solide, breit gefächerte buddhistische Programm in Theorie und Praxis ist für interessierte Nichtbuddhisten wie für langjährig praktizierende Buddhisten ein attraktives Angebot.
Regelmäßig bieten wir das dreijährige buddhistisch-philosophische Studien-programm mit teilweise über 120 Teilnehmern an sowie Seminare durch Gastlehrer und hauseigene Lehrer und wöchentliche offene Meditationsgruppen.
Dieser Bereich ist die Schnittstelle zwischen Universitäten und Forschungsinstituten einerseits sowie an Buddhismus und Tibet Interessierten andererseits. Wir bieten in regelmäßigen Abständen wissenschaftliche Vorträge oder Themenabende zu tibetologischen religions- oder sprachwissenschaftlichen, aber auch neurowissenschaftlichen Themen an, teilweise als Kooperationsveranstaltungen mit hessischen Universitäten.
Neu sind wissenschaftliche Themenabende für Tibeter, die in tibetischer Sprache stattfinden.
In Basiskursen und Vorträgen in Zusammenarbeit mit westlichen Medizinern und tibetischen Ärzten werden die grundlegenden Zusammenhänge der tibetischen Heilkunde anschaulich erklärt. Gesundheitsvorsorge und das Erkennen der primären und sekundären Ursachen von Krankheit stehen dabei im Vordergrund. Kurse in Hatha Yoga und tibetischem Yoga sind ebenfalls Teil dieses Bereichs.
Unser Verlag hat bisher über 60 Bücher und Schriften publiziert. Wir verfügen über allgemeine Bücher zum Mahayana-Buddhismus, buddhistische Kommentare und viele, seltene Übersetzungen buddhistisch-tantrischer Originaltexte aus dem Kanon der Klosteruniversitäten.
Unsere zweimal im Jahr erscheinende Zeitschrift existiert schon seit fast 30 Jahren und berichtet über alle tibetrelevanten Themen. Hier trifft Spirituelles auf Wissenschaftliches, „Heiliges“ auf Profanes, Meditatives auf Abenteuerliches. Und sie enthält sämtliche Informationen über die Veranstaltungen des Tibethauses.
Wir sind dringend auf der Suche nach einem größeren, eigenen Haus, in dem es Platz gibt für Seminare, Ausstellungen, aber insbesondere für folgende Projekte, die wir umsetzen möchten:
S. E. Dagyab Rinpoche ist nicht nur ein hoher tibetischer Würdenträger; er ist auch ein ausgewiesener Experte der tibetischen Kunst und hat von 1966 bis zu seiner Pensionierung 2004 an der Universität Bonn über tibetische Ikonographie geforscht, publiziert und gelehrt.
Auch die beiden Geschäftsführer des Tibethauses arbeiten schon seit langem im Bereich der traditionellen und modernen tibetischen Kunst. Elke Hessel hat Kunst und Tibetologie und Düsseldorf und Bonn studiert, steht im engen Austausch mit zeitgenössischen tibetischen Künstlern. Sie hat einige moderne tibetische Kunstausstellung kuratiert, zum Thema etliche Aufsätze veröffentlicht und Vorträge gehalten. Puntsok Tsering Duechung ist selbst Kalligraph und Kurator. Er stammt aus einer alten tibetischen Gelehrtenfamilie.
All das ist auch ein Grund, weshalb wir seit einigen Jahren Nachlässe und Schenkungen mit teilweise sehr wertvollen tibetischen Kunstobjekten und Büchersammlungen erhalten. Darunter sind u.a. buddhistische Statuen, Thangkas (religiöse Rollbilder), sogenannte Tsatsas („tibetische Votiv-Tafeln“), alte Bücher aber auch kunsthandwerklich hoch qualitative Alltagsgegenstände. Diese können wir momentan aus Platzgründen nur in unserem Archiv lagern oder sehr reduziert der Öffentlichkeit präsentieren.
So begeistert uns seit einiger Zeit die Vorstellung, mittelfristig in Frankfurt ein kleines, aber feines Tibet-Museum zu gründen, in dem unsere „Schätze“, aber auch wechselnde Ausstellungen mit traditioneller und zeitgenössischer Kunst aus dem tibetischen Kulturkreis präsentiert werden können. Dies wäre definitiv das erste Tibet-Museum in Deutschland. Um diese Vision umsetzen zu können, bedarf es der Zusammenarbeit von vielen Fachleuten, Architekten, Kunstexperten, Leihgebern, aber auch von Geldgebern.
Im tibetischen Kulturkreis ist es so, dass nicht den Buddha-Statuen die größte Verehrung gezollt wird, sondern den Büchern. Diese gelten als wahre Träger der buddhistischen Kultur und der Philosophie. Die Bibliotheken bilden das „geistige Zentrum“ der Klosteruniversitäten.
Das Tibethaus hat in den letzten Jahren ganze Bestände von Bibliotheken namhafter tibetischer Würdenträger und westlicher Forscher vermacht bekommen. Unsere momentane Bibliothek umfasst nur einen Bruchteil dieses Buchbestandes. Sie wird schon jetzt von vielen Studenten, Tibetinteressierten, aber auch Tibetern genutzt. In Zukunft wünschen wir uns aber deutlich größere Bibliotheksräume, die damit auch Zentrum unseres Kulturinstituts sein würden.
Für Anregungen und Unterstützung für diese wichtigen Projekte sind wir dankbar.
Tsatsas aus der Tibethaus-Sammlung © Tibethaus Deutschland
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Kommentar von Sabine Leuschner:
Der Artikel bietet in meinen Augen nicht nur eine angemessene Zusammenfassung jener ersten Jahre von Rinpoches Dharma-Aktivität und unserer Zentrumsarbeit, er bringt auch unsere Gefühlslage zum Ausdruck: Ein Glück und eine Dankbarkeit Rinpoche gegenüber, die sich auch heute nur schwer mit Worten ausdrücken lässt. Man kann es eigentlich nur durch richtiges Handeln irgendwie versuchen.
Eine Sache möchte ich aus heutiger Sicht noch ergänzen: Ein großer Dank geht an seine Familie, die in all den Jahren ihren Familienvater mit so vielen Menschen teilen musste. Damals waren seine eigenen Kinder noch klein und haben gewiss oft damit gehadert, dass ihr Papa so häufig unterwegs war. Da hat Rinpoches Ehefrau Nor-la viel ausgleichen müssen.
Erste Begegnung mit Rinpoche in Jägerndorf, Aryatara Institut, am 26. August 1984 © Tibethaus Deutschland
Dieser Artikel stammt aus „Chödzong“(ursprünglich hieß der Chökor nämlichChödzong), Heft Nr. 7; ProgrammNovember 1989 bis April 1990.
Rinpoche im ersten Zentrum in Frauenaurach Ende 1984 © Tibethaus Deutschland
Im August 1984 trafen ein paar von uns, die sich gerade entschlossen hatten, nach vier Jahren „Wohnzimmer-Buddhismus“ mit Meditationsabenden und heißen Lamrim-Diskussionen ein richtiges Zentrum zu gründen, mit Seiner Eminenz Loden Sherab Dagyab Rinpoche, dem IX. Kyabgön von Dagyab, zusammen. Was sich aus dieser Begegnung alles entwickeln sollte, war für uns in keiner Weise absehbar, zumal wir zu der Zeit in unserem Glückseligkeitsrausch sowieso nicht ganz zurechnungsfähig waren. Dieses Glücksgefühl hat in der Tat bis heute nicht abgenommen (im Gegenteil), aber wir haben gelernt, es nach außen hin wenigstens ein bisschen zu überspielen. Sogar in unserer Zeitschrift haben wir uns mühsam zu einer gewissen Sachlichkeit durchgerungen, man kann ja schließlich nicht dauernd seine Begeisterung in alle zehn Richtungen hinausposaunen.
Aaaaber jetzt, wo wir unser erstes Jubiläum feiern, könnten wir doch endlich mal wieder so richtig … jedoch, kaum begonnen, schon gebremst: Rinpoche gestattet zwar, dass wir im Rückblick über seine Lehrtätigkeit und die Entwicklung des Zentrums berichten, ansonsten sollen wir aber unsere Gefühle einigermaßen im Zaum halten. Na, mal sehen, wie weit uns das gelingt.
Also, am Anfang war das Haus in Erlangen-Frauenaurach, dessen spirituelle Leitung Rinpoche schon bald nach unserer ersten Begegnung übernehmen musste. Rinpoche bat drei befreundete Lama-Kollegen, die er wegen ihrer hervorragenden Qualifikation besonders schätzt, mit ihm zusammen als Stammlehrer in unserem Zentrum zu fungieren. Besondere Schwierigkeiten machte dabei nur unser Vize-Lama Dr. Panglung Rinpoche aus München, ebenfalls ein hervorragender Gelehrter und Lama von außerordentlicher Qualität, allerdings auch der „Weltmeister im Tiefstapeln“. Seine extreme Zurückhaltung – oder besser schon: Tarnung – ging sogar so weit, dass schon Leute auf die Idee gekommen sind, ihn als Übersetzer für andere Lamas „einzusetzen“. Bevor er bereit war, uns Belehrungen zu geben, mussten wir ihn mit unseren inständigen Bitten neun Monate lang förmlich belagern – und glücklicherweise erfolgreich, vor allem dank der tatkräftigen Unterstützung unserer Requests durch Dagyab Kyabgön Rinpoche.
Schwerkrafttest in der Chödzong-Küche in Langenfeld © Tibethaus Dautschland
Nach zwei Jahren wurde das Haus in Langenfeld gekauft, wo Chödzong seither seinen Hauptsitz hat. Dann ging es allerdings „Schlag auf Schlag“ – im wahrsten Sinn des Wortes. In den ersten Monaten nach dem Einzug hatten die Bewohner mit einer Serie von üblen Hindernissen zu kämpfen. Das Schlimmste war der Brand: Ein Teil des Hauses wurde durch Feuer zerstört, ein Teil durch Wasser, und die restlichen Ecken waren fortan für die Bewohner da. Die anschließende Renovierung brachte die Notwendigkeit von grundlegenden Restaurierungsarbeiten an den Tag, die bis heute andauern. Aber nichts von alledem konnte das Zentrum in seinem Bestand gefährden, auch nicht die etwas unbürgerlichen Wohn- und Lebensverhältnisse der letzten Jahre, die sich erst in letzter Zeit allmählich normalisieren.
Die eigentliche Zentrumsarbeit, nämlich das Organisieren von Kursen und Vorträgen, wurde während der ganzen fünf Jahre nicht unterbrochen. Mehr als einhundert Seminare mit Belehrungen fanden statt, dazu öffentliche Veranstaltungen über buddhistische Themen oder auch über die Kultur und die politische Lage der Tibeter. Außer Dagyab Kyabgön Rinpoche, Panglung Rinpoche, Yiga Rinpoche und Gyalzur Rinpoche, unseren Stammlehrern, lehrten im Chödzong Lamas aller Traditionen, darunter einige zum ersten Mal überhaupt. Die schönste Anerkennung dafür wurde von Gonsar Rinpoche ausgesprochen, der meinte: „Ihr seid das Zentrum, das stumme Lamas zum Reden gebracht hat, und dafür danke ich euch.“ Unter den Gastlehrern befanden sich Gapa Rinpoche, Gelek Rinpoche, Gonsar Rinpoche, Sogyal Rinpoche, Thingo Ngari Rinpoche, Trogawa Rinpoche, Zatul Rinpoche und Geshe Thubten Ngawang. Als Gastreferenten sprachen über Tibet Jan Andersson, Michael Henns, Klemens Ludwig, Palden Tawo und Irmtraut Wäger, über die Psychologie des Buddhismus Martin Kalff und Leo Matos.
Die Verantwortung für das Lehrprogramm lag ausschließlich in den Händen von Dagyab Kyabgön Rinpoche, der auch einen großen Teil der Seminare durchführte, wobei er besonderes Augenmerk auf eine ausgewogene Mischung von Theorie und meditativer Praxis, von grundlegenden und weiterführenden Belehrungen wie auch von tantrischen Einweihungen, von Unterweisungen, Frage- und Antwortstunden und Diskussionen legte und sich für die persönliche Betreuung der Schüler so viel Zeit wie nur möglich nahm. Darüber hinaus lehrte er als Gastlehrer in Zentren und Organisationen verschiedener Schulrichtungen in Deutschland, Finnland, Belgien, England, Polen, Italien, Spanien und Indien. Außer den Veröffentlichungen im Rahmen seiner Arbeit als Tibetologe an der Universität Bonn, die mehr den allgemein-kulturellen Bereich abdecken, ist er mit den Jahren mehr und mehr dazu übergegangen, seine Gedanken über den „Buddhismus im Westen“ in Aufsätzen niederzulegen, die meist im „Chödzong“ veröffentlicht und in der Originalfassung oder in englischer, italienischer, spanischer, portugiesischer oder finnischer Übersetzung von verschiedenen Zeitschriften im In- und Ausland nachgedruckt wurden. Ferner hat er seinen Schülern Material und Kommentare für Textbearbeitungen (Herzsutra, Lama-Chöpa-Puja, Mandala-Opfer usw.) übergeben. Zusätzlich zu der Arbeit als buddhistischer Lehrer und Tibetologe investiert er ebenfalls Energie in sein politisches Engagement für Tibet und seine tibetischen Landsleute, beispielsweise in Form von Vorträgen und Veröffentlichungen, aber auch, wenn bei Tibet-Veranstaltungen Not am Mann ist, durch Mitarbeit in der Küche oder das Übernehmen von Fahrdiensten – getreu der Devise: Wenn die Lebewesen einen Koch oder Chauffeur brauchen, bin ich bereit, ein Koch oder Chauffeur zu sein. Wenn sie einen Lehrer brauchen, bin ich bereit, ein Lehrer zu sein (gesagt, getan).
Lhakhang im Chödzong in Langenfeld (von links nach rechts: Sabine Leuschner, Regine Leisner, Thomas Lindau und Lothar Ertl) © Tibethaus Deutschland
Brand im Chödzong 13.11.1984 © Tibethaus Deutschland
Das sind die Aktivitäten im Westen. Dazu kommen ständige Kontakte mit den neu gegründeten tibetischen Klosteruniversitäten in Indien mit dem Zweck der Veröffentlichung von Texten, der Sicherung des Fortbestands von tantrischen Überlieferungslinien – beispielsweise durch die Organisation und Finanzierung großer Einweihungsveranstaltungen für Hunderte von Mönchen –, aber auch der Betreuung der Dagyab-Mönche sowie der Überwachung ihrer Ausbildung. Und last but not least gibt es ja auch noch die Kontakte mit der Bevölkerung der Provinz Dagyab in Tibet, die er im Rahmen der politischen Möglichkeiten ebenfalls betreut.
Was seine eigene Praxis angeht, so ist es ihm keineswegs genug, sich auf seinem Rang und Namen auszuruhen, sondern es ist ihm außerordentlich wichtig, „am Ball zu bleiben“. Beispielsweise nimmt er, wenn immer möglich, selbst Unterweisungen aus den Überlieferungen verschiedener Traditionen und führt mindestens einmal jährlich einen privaten Retreat durch (um die Vollkommenheit noch vollkommener zu machen …).
Die Liste dieser Aktivitäten erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber sie vermittelt schon eine Vorstellung von dem Aktionsradius, dem Verantwortungsumfang und der Arbeitsintensität, die dahintersteckt. Und doch kommt keine Seite zu kurz.
Ist es da nicht verständlich, wenn wir nach fünf Jahren der Zusammenarbeit, in denen wir von Rinpoche eine Betreuung, Förderung und Unterstützung erfahren haben, wie sie sich perfekter nicht denken lässt, ein paar Worte des Dankes sagen? Verständlich ist es wahrscheinlich schon, aber es geht nicht. Erstens finden wir die geeigneten Worte nicht, und außerdem … Kloß im Hals …
Aber zum Glück können wir uns ja aus diesem Dilemma in die rettende coolness der englischen Sprache flüchten:
Von Jugend an ist S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche mit S. H. dem XIV. Dalai Lama immer wieder zusammengekommen. Zunächst in Tibet, später im indischen Exil und in den letzten Jahrzehnten auch im Westen.
Die Entwicklung der Qualität ihrer Begegnungen ist gleichzeitig auch charakteristisch für das Leben des tibetischen Oberhauptes allgemein. Diese lassen sich grob in drei Phasen aufteilen: In Tibet war der Dalai Lama isoliert unter der Kontrolle des Hofprotokolls, die ersten Jahre im Exil konnte er sich sehr viel freier bewegen, und spätestens seit der Verleihung des Friedensnobelpreises ist er ständig auf Reisen oder gibt Unterweisungen; alles im Dienste der anderen.
S. H. der Dalai Lama zu Besuch im Zentralasieninstitut in Bonn in den 80ern © Privatbesitz
S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche spricht über seine vielen Begegnungen mit dem XIV. Dalai Lama in den letzten 60 Jahren
Das erste Treffen zwischen dem Dalai Lama und dem Dagyab Kyabgön 1953, kurz nach dessen Eintritt ins Kloster Drepung in Zentraltibet, war sehr formell. Die beiden Lamas waren damals 19 bzw. 14 Jahre alt:
Als Hothogthu bin ich verpflichtet, einmal in meinem Leben den Dalai Lama zum Mönlam-Fest einzuladen, ob bei meinem Klostereintritt oder meiner Geshe-Prüfung, das ist egal. Für diese Einladung waren insgesamt fünf Audienzen nötig: eine Audienz, um symbolisch die Bitte auszusprechen; eine Audienz vor seiner Abreise vom Potala in Richtung Lhasa; eine Audienz bei seiner Ankunft in seinen Räumen über dem Jokhang; eine Audienz zur Danksagung nach der Versammlung; eine Audienz im Potala, nachdem ich ihn in einer langen Prozession mit vielen Reitern und Fahnenträgern vom Jokhang zum Potala begleitete hatte [Anmerkung: Der Kyabgön reitet, der Dalai Lama sitzt in einer Sänfte]. Die Audienzen fanden ohne Kommunikation statt, das war nicht nötig. Jedesmal brachte ich ihm Ritualgegenstände, Goldstücke, Silberstücke, Geld, Butter, Tee, Getreide, Fell oder ähnliches dar. Die Gaben wurden im Empfangssaal angehäuft, ich glaube, bevor der Dalai Lama kam. Oder während er schon anwesend war, das weiß ich nicht mehr genau.
Der erste „persönlich“ zu nennende Kontakt fand Ende März 1959 statt. Beide waren mit ihren jeweiligen Begleitern auf der Flucht vor den chinesischen Kommunisten: