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Das Tibethausjournal Chökor, das halbjährlich erscheint, kann auf eine 20-jährige Geschichte zurückblicken. Artikel rund um das Thema Tibet - Buddhismus, Gesellschaft, Kultur, Kunst, Wissenschaft, Heilkunde, Biografien und Reisen - gehören zum Themenspektrum.
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Seitenzahl: 178
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Unser Schirmherr, S. H. der XIV. Dalai Lama, ist am 6. Juli 80 Jahre alt geworden.
Wir gratulieren ihm herzlich! Möge er noch viele Jahre so kraftvoll und inspirierend agieren wie bisher!
Die aktuelle Ausgabe des Tibethaus Journals legt natürlich einen Schwerpunkt auf Artikel, die das Leben und die Aktivitäten Seiner Heiligkeit beschreiben.
Ein langjähriger Weggenosse, Dr. Alex Berzin, umreißt aus westlicher Sicht „Die Bedeutung des Dalai Lama in der modernen Welt“.
Anschließend veröffentlichen wir einen Auszug aus der in der tibetischen Welt sehr gelobten Mandala-Ansprache von S. E. Dagyab Rinpoche, die er Ende 2014 in Südindien im Rahmen einer Langlebenszeremonie für den Dalai Lama dargebracht hat.
Des Weiteren das Transkript der Rede Seiner Heiligkeit, die er im Mai 2014 vor 800 Schülern zum Thema „Ethik in unserer gemeinsamen Welt“ in der Frankfurter Paulskirche gehalten hat.
Es folgen zwei Artikel von S. E. Dagyab Rinpoche: zunächst über ein rein buddhistisches Thema zur „Natur des Geistes“ und anschließend Rinpoches Gedanken zum großen V. Dalai Lama, dessen Leben und Wirken. Wie immer ergänzt er die Beschreibungen durch persönliche Anekdoten und nimmt auch kein Blatt vor den Mund, wenn er die kriegerischen Auseinandersetzungen in Tibet zu der Zeit beschreibt.
Als Nachklang zur äußert erfolgreichen Ausstellung „BUDDHA. 108 Begegnungen“, die im Museum Angewandte Kunst in Zusammenarbeit mit dem Tibethaus Deutschland stattgefunden hat, veröffentlichen wir einen Artikel aus dem Ausstellungskatalog „Buddhistische Kunst im Himalaya und in Tibet“, verfasst von der bekannten Tibetologin Amy Heller.
In der Rubrik Gesellschaft finden Sie u.a. einen Ausschnitt aus dem neuen Buch von Michaela Haas über posttraumatisches Wachstum.
Zusätzlich zu unserem umfangreichen Service-Teil mit Programmankündigungen, Kontaktadressen und Buchrezensionen weise ich noch auf ein sehr offenes und spannendes Interview mit Bhikshu Tenzin Peljor hin, der aus eigener Erfahrung den Unterschied zwischen sektenhaften und heilsamen Strukturen in buddhistischen Gemeinschaften beschreibt.
Wie immer wünsche ich Ihnen viel Inspiration und Freude beim Lesen!
Ihre Elke Hessel
TIBETHAUS DEUTSCHLAND
Das Tibethaus Deutschland in Frankfurt | Elke Hessel und Puntsok Tsering Duechung
Die Bedeutung des Dalai Lama in der modernen Welt | Alexander Berzin
Das Mitgefühl des Siegreichen in Bewegung setzen: „Die Melodie von Vertrauen, Verehrung und Wahrheit“ Die Mandala-Ansprache von S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
Ethik in unserer gemeinsamen Welt
BUDDHISMUS
Die Natur des Geistes. Ein schwieriges Thema | S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
BIOGRAPHIE
Alles, was er gemacht hat, war gigantisch | Bemerkenswertes über das Leben und Werk des V. Dalai Lama S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche
KUNST + KULTUR
Buddhistische Kunst im Himalaya und in Tibet | Amy Heller
Kalachakra | Ein Nachklang zur Frankfurter BUDDHA-Ausstellung | Elke Hessel
PERSÖNLICHKEIT + GESELLSCHAFT
Die revolutionäre Wissenschaft des posttraumatischen Wachstums | Michaela Haas
Religionen und Naturschutz – Gemeinsam für biologische Vielfalt | Mark Wehrmann
SÄLRIG – Begleitung am Lebensende | Ein Gespräch mit Véronique Ohlmann und Cordula Ernst über die im letzten Jahr abgeschlossene SÄLRIG-Ausbildung im Tibethaus Deutschland.
SÄLRIG: Klarheit und Weite im Umgang mit dem Tod. Der neue Aus- und Weiterbildungskurs für buddhistisch orientierte Begleitung am Lebensende | Wir bieten im Tibethaus Deutschland ab Anfang 2016 wieder einen SÄLRIG-Aus- bzw. Weiterbildungskurs an
WISSENSCHAFT
Faszination Buddhismus | Beweggründe für die Hinwendung der Deutschen zum Buddhismus | Yukio Matsudo
DISKURS
Ich musste lernen loszulassen | Heilsame und unheilsame Strukturen im tibetischen Buddhismus
TIBET
Die Arbeit des Dagyab e.V.
SERVICE
Buchbesprechungen
Aus dem Herzen gesprochen | Eine Reise in die Welt der Meister Tibets Ein neues Buch von S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche im Tibethaus Verlag
Neue Studienprogramme im Tibethaus
Programmübersicht Juli bis Dezember 2015
Wöchentliches Programm im Tibethaus Deutschland
Service + Kontakt
Tibetische Feiertage und Tsog-Tage 2. Halbjahr 2015
Herausgeber:
Tibethaus Deutschland e.V.
Kaufunger Straße 4
60486 Frankfurt am Main
Tel. +49 (0) 69. 71913595
Fax +49 (0) 69. 71913596
www.tibethaus.com
Bankverbindung:
Tibethaus Deutschland
Frankfurter Volksbank
BLZ 501 900 00
Konto 610 001 4295
BIC: FFVBDEFF
IBAN: DE81 5019 0000 6100 0142 95
Redaktion:
Elke Hessel, Gisela Behr,
Karin Herber-Schlapp,
Kalligraphien von Puntsok
Tsering Duechung
Layout + Realisation:
Bea Gschwend
cct: werbeagentur, Heidelberg
www.cct-heidelberg.com
Bild- und Textnachweis:
Copyright-Vermerke jeweils
bei den Abbildungen bzw. den
Anmerkungen
Druck:
Druckerei Zabock
Frankfurt am Main
Titelfoto:
S. H. der IVX. Dalai Lama
in der Paulskirche
© Philipp Trocha
Erscheinungsweise:
halbjährlich (Dezember und Juli)
Auflage: 1000 | ISSN 2193-8148
Einsendeschluss für Beiträge:
1. September | 1. April
Das „Chökor Tibethaus Journal“ wird an die Mitglieder des Vereins kostenlos, an alle weiteren Interessenten zum Abonnementspreis von 15 Euro pro Jahr in Deutschland und 18 Euro pro Jahr im Ausland abgegeben.
Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.
Elke Hessel
Puntsok Tsering Duechung
Schüler bereiten sich auf den Besuch des Dalai Lama vor © Stefanie Kösling
Das Tibethaus Deutschland ist ein Kulturinstitut, ein Begegnungs- und Studienzentrum, eine Art „tibetisches Goethe-Institut“, in dem Besucher die alte und moderne Kultur Tibets kennenlernen, studieren und in einen fruchtbaren, anregenden Austausch eintreten können.
S. H. der Dalai Lama hat 2005 in Wiesbaden offiziell die Schirmherrschaft für das Tibethaus Deutschland übernommen. Über 300 Seminare, Workshops und Vorträge im Jahr in den Bereichen Buddhismus, Persönlichkeit + Gesellschaft, Kunst + Kultur, Heilkunde und Wissenschaft bieten für alle an der buddhistisch-tibetischen Kultur Interessierte ein vielfältiges, fundiertes Angebot. Auch feiern die Tibeter aus dem Rhein-Main-Gebiet hier ihre Feste. Das Tibethaus sieht seine Aufgabe darin, eine Brücke zwischen Tibet und dem Westen zu schlagen, aber auch zwischen dem Westen und Tibet.
Das Institut wird ausschließlich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und Kursbeiträge finanziert.
S. E. Loden Sherab Dagyab Rinpoche, der spirituelle Leiter des Tibethauses, ist einer der höchsten tibetisch-buddhistischen Würdenträger. Geboren 1940 in Osttibet, erwarb er den Abschluss des Doktors der Philosophie an der Klosteruniversität Drepung. Rinpoche kam 1966 nach Deutschland auf Einladung der Universität Bonn, wo er bis 2004 als Tibetologe arbeitete. In seiner Funktion als buddhistischer Lehrer ist sein besonderes Anliegen sowohl die authentische Weitergabe der buddhistisch-tantrischen Überlieferung als auch ihre angemessene Vermittlung im westlichen Kontext.
Wir verstehen Kulturarbeit als Bildungsarbeit und als Erweiterung des eigenen Horizonts.
Zweimal im Jahr organisieren wir hauseigene Ausstellungen mit tibetischen und westlichen Künstlern sowie Kooperationsausstellungen mit Museen und Galerien, wie z.B. die Fotoausstellung im Museum der Weltkulturen in Frankfurt 2009, in Liechtenstein 2010 und in der Melkweg Galerie in Amsterdam 2011 und aktuell die BUDDHA-Ausstellung im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt.
Regelmäßig finden Workshops in traditioneller tibetischer Malerei sowie Veranstaltungen über modernen tibetischen Film, über Musik und zu Reisen in Tibet statt. Das Konzept des Dialogs, des Gemeinschaftlichen und der Inspiration in Zusammenarbeit mit anderen asiatischen Künstlern, Schriftstellern und Musikern soll in Zukunft weiter ausgebaut und vertieft werden.
Der tibetische Buddhismus ist reich an Methoden, die zu mehr Klarheit, Ausgeglichenheit und Lebensqualität führen. Wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung ernst und bieten z.B. Vorträge und Seminare zu Methoden der Stressbewältigung, Sterbe- und Trauerbegleitung, Wirtschaftsethik an, um die Teilnehmer beruflich und privat zu unterstützen.
Sehr erfolgreich ist das erste zweijährige Ausbildungsprogramm zum buddhistisch orientierten Begleiter im letzten Lebensabschnitt abgeschlossen worden, das nächste wird Anfang 2016 beginnen.
Seit Spätherbst 2014 bieten wir erstmals ein Studienprogramm zur vom Dalai Lama sehr geförderten „säkularen Ethik“ an unter der Leitung von Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck und anderen namhaften Referenten.
Unser Ansatz ist in allen Themenbereichen gleichermaßen für Buddhisten wie auch für Nichtbuddhisten konzipiert.
Wir erhalten regelmäßig Besuch von Kindergärten, Schulklassen, Studenten, die „hautnah“ etwas über Tibet und den Buddhismus erfahren wollen. Für dieses Projekt hat die Dezernentin Frau Dr. Eskandari-Grünberg des Integrationsamts der Stadt Frankfurt die Schirmherrschaft übernommen.
Die Kinder der Exiltibeter in Frankfurt gehen bei uns zur tibetischen Sonntagsschule, um Tibetisch schreiben und lesen zu lernen. Dies ist eine wichtige Aktivität, um die tibetische Identität zu stärken.
Das Tibethaus ist auch (durch seinen Ehrenpräsidenten) im Rat der Religionen der Stadt Frankfurt vertreten.
Unter der Leitung von Dagyab Rinpoche sind in mehr als 25 Jahren anerkannte westliche Lehrer, Fachleute und Übersetzer ausgebildet worden.
Das solide, breit gefächerte buddhistische Programm in Theorie und Praxis ist für interessierte Nichtbuddhisten wie für langjährig praktizierende Buddhisten ein attraktives Angebot.
Regelmäßig bieten wir das dreijährige buddhistisch-philosophische Studienprogramm mit teilweise über 120 Teilnehmern an sowie Seminare durch Gastlehrer und hauseigene Lehrer und wöchentliche offene Meditationsgruppen.
In Basiskursen und Vorträgen in Zusammenarbeit mit westlichen Medizinern und tibetischen Ärzten werden die grundlegenden Zusammenhänge der tibetischen Heilkunde anschaulich erklärt. Gesundheitsvorsorge und das Erkennen der primären und sekundären Ursachen von Krankheit stehen dabei im Vordergrund. Kurse in Hatha Yoga und tibetischem Yoga sind ebenfalls Teil dieses Bereichs.
Wissenschaft und interdisziplinärer Dialog
Dieser Bereich ist die Schnittstelle zwischen Universitäten und Forschungsinstituten einerseits sowie an Buddhismus und Tibet Interessierten andererseits. Wir bieten in regelmäßigen Abständen wissenschaftliche Vorträge oder Themenabende zu tibetologischen religions- oder sprachwissenschaftlichen, aber auch neurowissenschaftlichen Themen an, teilweise als Kooperationsveranstaltungen mit hessischen Universitäten.
„Sherab-Ling“ ist der Name für den Tibetischunterricht, der seit einigen Jahren im Tibethaus unter der Leitung von Puntsok Tsering Duechung stattfindet. Zurzeit sind es 8 tibetische Kinder, die am Unterricht teilnehmen.
„Lingmoel“ heißt unsere tibetischsprachige Sendung auf Youtube, die seit 2012 existiert. Zur Sendung werden tibetische Gelehrte oder Fachleute eingeladen, z.B. Prof. Samdhong Rinpoche, S. H. Dagyab Rinpoche, Dr. Palden Tawo, Prof. Dr. Dorji Wangshuk. Die Themen werden ausschließlich auf Tibetisch diskutiert und sind auf die tibetische Gesellschaft ausgerichtet, z.B.: „Westliche Naturwissenschaft und Buddhismus im Vergleich“ oder „Wie sieht es aus mit dem Tulku-System, bedarf es einer Reform?“ Das einstündige Interview mit Dagyab Rinpoche über das Tulku-System wurde innerhalb einer Woche etwa 3.000 Mal angeklickt. Auch wurde das Interview in Tibet über soziale Netzwerke stark verbreitet.
Schüler/innen, Mitarbeiter vom Museum Angewandte Kunst und vom Tibethaus freuen sich auf das Treffen mit dem Dalai Lama im Juli © Stefanie Kösling
Unser Verlag hat bisher über 60 Bücher und Schriften publiziert. Wir verfügen über allgemeine Bücher zum Mahayana-Buddhismus, buddhistische Kommentare und viele, seltene Übersetzungen buddhistisch-tantrischer Originaltexte aus dem Kanon der Klosteruniversitäten.
Unsere zweimal im Jahr erscheinende Zeitschrift existiert schon seit 30 Jahren und berichtet über alle tibetrelevanten Themen. Hier trifft Spirituelles auf Wissenschaftliches, „Heiliges“ auf Profanes, Meditatives auf Abenteuerliches. Und sie enthält sämtliche Informationen über die Veranstaltungen des Tibethauses.
Wir sind dringend auf der Suche nach einem größeren, eigenen Haus, in dem es Platz gibt für Seminare, Ausstellungen, aber insbesondere für folgende Projekte, die wir umsetzen möchten:
Das Museumsprojekt
S. E. Dagyab Rinpoche ist nicht nur ein hoher tibetischer Würdenträger; er ist auch ein ausgewiesener Experte der tibetischen Kunst und hat von 1966 bis zu seiner Pensionierung 2004 an der Universität Bonn über tibetische Ikonographie geforscht, publiziert und gelehrt.
Auch die beiden Geschäftsführer des Tibethauses arbeiten schon seit langem im Bereich der traditionellen und modernen tibetischen Kunst. Elke Hessel hat Kunst und Tibetologie und Düsseldorf und Bonn studiert, steht im engen Austausch mit zeitgenössischen tibetischen Künstlern. Sie hat einige moderne tibetische Kunstausstellung kuratiert, zum Thema etliche Aufsätze veröffentlicht und Vorträge gehalten.
Puntsok Tsering Duechung ist selbst Kalligraph und Kurator. Er stammt aus einer alten tibetischen Gelehrtenfamilie.
Der Generalsekretär der CDU in Wiesbaden, Herr Pentz, im Tibethaus © Tibethaus
All das ist auch ein Grund, weshalb wir seit einigen Jahren Nachlässe und Schenkungen mit teilweise sehr wertvollen tibetischen Kunstobjekten und Büchersammlungen erhalten. Darunter sind u.a. buddhistische Statuen, Thangkas (religiöse Rollbilder), sogenannte Tsatsas („tibetische Votiv-Tafeln“), alte Bücher, aber auch kunsthandwerklich hoch qualitative Alltagsgegenstände.
Diese können wir momentan aus Platzgründen nur in unserem Archiv lagern oder sehr reduziert der Öffentlichkeit präsentieren.
Tibetische Neujahrsfeier im Tibethaus © Elke Hessel
Tibethaus-Führung in der BUDDHA-Ausstellung im Museum Angewandte Kunst © Elke Hessel
So begeistert uns seit einiger Zeit die Vorstellung, mittelfristig in Frankfurt ein kleines, aber feines Tibet-Museum zu gründen, in dem unsere „Schätze“, aber auch wechselnde Ausstellungen mit traditioneller und zeitgenössischer Kunst aus dem tibetischen Kulturkreis präsentiert werden können. Dies wäre definitiv das erste Tibet-Museum in Deutschland.
Um diese Vision umsetzen zu können, bedarf es der Zusammenarbeit von vielen Fachleuten, Architekten, Kunstexperten, Leihgebern, aber auch von Geldgebern.
Im tibetischen Kulturkreis ist es so, dass nicht den Buddha-Statuen die größte Verehrung gezollt wird, sondern den Büchern. Diese gelten als wahre Träger der buddhistischen Kultur und der Philosophie.
Die Bibliotheken bilden das „geistige Zentrum“ der Klosteruniversitäten.
Das Tibethaus hat in den letzten Jahren ganze Bestände von Bibliotheken namhafter tibetischer Würdenträger und westlicher Forscher vermacht bekommen. Unsere momentane Bibliothek umfasst nur einen Bruchteil dieses Buchbestandes. Sie wird schon jetzt von vielen Studenten, Tibetinteressierten, aber auch Tibetern genutzt. In Zukunft wünschen wir uns aber deutlich größere Bibliotheksräume, die damit auch Zentrum unseres Kulturinstituts sein würden.
Für Anregungen und Unterstützung für diese wichtigen Projekte sind wir dankbar.
Wir sind froh, dass unser Beiratsmitglied Dr. Alexander Berzin uns die Erlaubnis erteilt hat, die Abschrift seines Vortrags von 2013 über Leben, Person und Aktivitäten des Dalai Lama im Tibethaus Journal zu veröffentlichen. Alex ist – wie kaum ein anderer westlicher Schüler – seit vielen Jahren eng mit Seiner Heiligkeit verbunden und das, was er über ihn äußert, ist auch am 80. Geburtstag immer noch frisch und aktuell.
Alexander Berzin
Der Dalai Lama in der Paulskirche © Manuel Bauer
Heute Abend möchte ich gern über die Bedeutung des Dalai Lama in der modernen Welt sprechen. Denn wenn der Dalai Lama in der heutigen Welt irgendeine Rolle spielen kann, sollte es eine relevante Rolle sein, die für möglichst viele Menschen von Bedeutung und Nutzen ist, und sie sollte nicht bloß der Unterhaltung oder Befriedigung unserer Neugier dienen, weil wir ihn als etwas wie einen Superstar betrachten. Darum geht es dem Dalai Lama nicht! Der einzige Zweck im Leben des Dalai Lama besteht darin, anderen nützlich zu sein.
Obwohl es eine Reihe von anderen Menschen in der Welt geben mag, die von sich behaupten, sich völlig dem Wohl der anderen verschrieben zu haben, finde ich bei Seiner Heiligkeit – wir nennen ihn normalerweise „Seine Heiligkeit“ – wirklich großartig, dass er vollkommen aufrichtig ist. Diese Ehrlichkeit ist etwas, das andere spüren und erfahren können, wenn sie sich in seiner Gegenwart befinden, ihm zuhören und erkennen, was er tatsächlich macht. Er spricht immer darüber, dass er drei wichtige Aufgaben in seinem Leben hat: die Förderung der säkularen Ethik, die Förderung der religiösen Harmonie, und seine dritte Aufgabe besteht darin, sich um das Wohl Tibets und der tibetischen Bevölkerung zu kümmern, da dies die Rolle ist, die ihm auferlegt wurde.
Die säkulare Ethik und die religiöse Harmonie sind Themen, über die er oft redet. Der Grund dafür liegt darin, dass es in der Welt einen großen Bedarf an Ethik gibt. Durch diesen Mangel an Ethik gibt es so viel Korruption, so viel Unehrlichkeit und einen so großen Mangel an Einvernehmen zwischen den Menschen. Der Dalai Lama hat einen sehr umfassenden, offenen Geist, und er spricht und denkt immer im Sinne dessen, was für die sieben Milliarden Menschen auf dieser Erde von Nutzen ist. Unter diesen sieben Milliarden Menschen gibt es einige, die Gläubige einer bestimmten Religion sind und andere, die Nichtgläubige sind, und wir benötigen ein gewisses ethisches System – eine ethische Grundlage –, die von allen akzeptiert werden kann. Das nennt er „säkulare Ethik“, was nicht bedeutet, gegen eine Religion oder gegen ein System zu sein, sondern Respekt gegenüber allen Glaubenssystemen zu haben. Das basiert auf etwas, was er „grundlegende menschliche Werte“ nennt. Manchmal bezeichnet er dies nicht als säkulare Ethik, sondern als Förderung grundlegender menschlicher Werte, welche auf einfacher Biologie beruhen. Die Zuneigung und Sorge einer Mutter zu ihrem Neugeborenen, das ist etwas, das nicht nur für Menschen ganz grundlegend und ursprünglich ist, sondern auch für Tiere: sich um andere zu kümmern. Wir sehen das auch im Leben des Dalai Lama selbst, und das ist es, was die Botschaft des Dalai Lama so bewegend macht.
Seine Heiligkeit reist mit einem Zeitplan um die Welt, der absolut unglaublich ist. Er ist 78 Jahre alt [2013] und kommt auf seinen Weltreisen an viele verschiedene Orte, wobei er oft nur einen Tag an einem Ort verbringt, wie hier in Lettland. Sein Zeitplan ist brutal, wenn man wirklich darüber nachdenkt. Ich bin mit Seiner Heiligkeit zusammen als Vermittler, als Übersetzer usw. gereist und weiß, wie dieser Zeitplan aussieht. Es ist unglaublich: Er hält mehrere Vorlesungen an einem Tag, es gibt Pressekonferenzen und persönliche private Treffen – er hat kaum Zeit zu essen. Dann kommt noch dazu, dass er jeden Morgen um 3.30 Uhr aufsteht, unabhängig von Änderungen der Zeitzone oder ähnlichem, und jeden Morgen etwa vier Stunden tiefe Meditation praktiziert. Er hat so viel Energie, und er ist immer voller Humor und interessiert sich für jeden, den er trifft. Es ist wirklich erstaunlich, wenn man ihn sieht und beobachtet, denn wen er auch trifft, er ist immer hocherfreut, diese Person zu treffen: „Hier ist noch ein menschliches Wesen, wie wunderbar!“
Im Buddhismus sprechen wir von dieser herzerwärmenden Liebe, die das Herz mit Wärme erfüllt, wenn man jemanden trifft. Man ist einfach so glücklich, andere zu treffen, und man ist wirklich an ihrem Wohlergehen interessiert. Das kann man im Austausch des Dalai Lama mit allen anderen sehen, wenn er einfach nur durch die Menge geht, wie er die Menschen ansieht, und in welcher Weise er jedem, den er sieht, seine volle Aufmerksamkeit widmet. Das macht deutlich, dass er tatsächlich an ihrem Wohl und am Wohl aller anderen gleichermaßen interessiert ist. Deshalb betrachtet er die Förderung menschlicher Werte, säkularer Ethik usw. als bestmöglichen Nutzen für alle. Er denkt nicht einfach nur in einem beschränkten Rahmen, in „rein buddhistischer“ Weise. Es liegt ihm sehr am Herzen, eine Form der Ausbildung auf säkularer Ebene in die Bildungssysteme der ganzen Welt einzuführen, in der man Kindern die Vorteile von Ehrlichkeit, Freundlichkeit und einfach grundlegende menschliche Werte vermittelt, die weltweit von sehr großem Nutzen sein können.
Seine Heiligkeit sieht, dass weltweit so viele Schwierigkeiten durch Auseinandersetzungen verschiedener religiöser Gruppen entstehen. Es gibt Misstrauen, es gibt Angst – all die verschiedenen Faktoren, die zu Problemen führen können. Er sagt: Was wir wirklich brauchen ist Bildung – wieder dieser Schwerpunkt auf Bildung –, nicht nur in säkularer Ethik, sondern auch, dass wir voneinander lernen. Eigentlich ist es das Unbekannte, vor dem wir uns wirklich fürchten, und dann kommen unsere Projektionen hinzu, unsere Phantasien, über diese anderen Gruppen, diese anderen Religionen. Und weiter: Bei diesen Treffen von religiösen Anführern, an denen er teilnimmt, kommen die Menschen zusammen, und dann lächelt man einfach und ist wirklich sehr nett zueinander, man betet oder macht eine stille Meditation zusammen usw. Nun, das ist sehr schön, aber es ist nicht sehr produktiv. Einfach zu sagen: „Nun, wir reden alle über die gleichen Dinge. Wir sind alle gleich“ und immer nur auf die Gemeinsamkeiten hinzuweisen, führt auch nicht dazu, dass wir etwas voneinander lernen.
Im Juni dieses Jahres hat sich Seine Heiligkeit mit einigen Sufi-Meistern aus der muslimischen Tradition des Sufismus getroffen, und er betonte, er wolle dort etwas über die Unterschiede, nicht nur über die Gemeinsamkeiten lernen. Er meinte, wir sollten uns nicht wegen unserer Unterschiede schämen, denn durch die Unterschiede können wir etwas voneinander lernen, was uns vielleicht bei unseren eigenen Bemühungen der Weiterentwicklung nützen könnte. Er sagt, dass alle Religionen das gleiche Ziel haben, das darin besteht, den Anhängern der jeweiligen Religion ein glücklicheres Leben zu gewährleisten. Dieses Ziel wird zweifellos von allen geteilt, aber die Methoden sind verschieden, und das ist unumgänglich, denn die Menschen sind verschieden.
Seine Heiligkeit weist darauf hin: „Wenn wir alle versuchen, unseren Anhängern das Entwickeln von Liebe und Güte usw. zu vermitteln, welche Methoden benutzen sie dafür? Welche Methoden benutzen wir? Das ist etwas, was wir voneinander lernen können. Schauen Sie sich die Unterschiede an, und schätzen Sie diese Unterschiede als Gelegenheiten, etwas zu lernen. Veranstalten Sie Treffen mit ernsthaft Praktizierenden jeder der Religionen, lassen Sie sie zusammenkommen und ihre Erfahrungen miteinander teilen, nicht in einem großen Rahmen vor vielen Menschen, sondern untereinander, so dass wir wirklich auf der Ebene ernsthaft Praktizierender reden können. Das würde von großem Nutzen sein.“
Der Dalai Lama in der Paulskirche © Manuel Bauer
Wie Sie sehen, besteht seine vorrangige Verpflichtung darin, allen von Nutzen zu sein. Natürlich hat er gegenüber den tibetischen Menschen eine besondere Verantwortung, eine besondere Verantwortung innerhalb der tibetischen Traditionen des Buddhismus, aber es geht ihm nicht ausschließlich darum. Das kann man sehr deutlich an seiner Einstellung gegenüber der Wissenschaft erkennen. Seine Heiligkeit hat seit seiner Kindheit ein wirklich sehr großes Interesse an der Wissenschaft, an mechanischen Dingen und wie sie funktionieren. Er hat sich mit Wissenschaftlern getroffen seit … ich weiß nicht seit wie vielen Jahren, aber es geht wahrscheinlich zurück bis in die frühen 80er Jahre. Er möchte von den Wissenschaftlern etwas lernen.
Der Dalai Lama begrüßt ein Tibethaus-Mitglied © Manuel Bauer
Eines der grundlegenden Prinzipien im Buddhismus besagt, dass die Ursache unserer Probleme darin liegt, dass wir nicht realistisch sind, dass wir nicht verstehen, dass wir die Realität nicht erkennen, und so entwerfen wir alle möglichen Phantasiebilder. Das grundlegende Ziel besteht darin, realistisch zu sein, was natürlich Mitgefühl mit ins Spiel bringt. Denn wir müssen alle miteinander leben, und wenn man miteinander leben muss – und das gilt für jeden auf dieser Erde –, muss man miteinander auskommen. Das ist einfach nur grundlegender Realismus.
Der Dalai Lama spricht mit einem alten Freund © Manuel Bauer