TiHKAL - Alexander Shulgin - E-Book

TiHKAL E-Book

Alexander Shulgin

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Beschreibung

Nachdem PiHKAL von der einen großen Hemisphäre der psychedelischen Moleküle handelte, nämlich von Phenylethylaminen, komplettieren die Shulgins in TiHKAL die Kugel durch die zweite Hemisphäre, namentlich durch die der Tryptamine. Auch in TiHKAL bekommt der Leser einen tiefen Einblick in das Leben, die Forschung, die Arbeit und das Denken der beiden herausragenden Figuren in der New Science of Psychedelics, wie sie Michael Pollan in seinem viel beachteten Buch titelte.

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Aus dem Amerikanischen übersetzt von Maximilian Halder. Die Originalausgabe erschien unter dem Titel TiHKAL – The Continuation im Verlag Transform Press, Berkeley, CA © 1997, Transform Press Über alle Rechte der deutschen Übersetzung verfügt Halder Maximilian, Unterthaling 1, Kastl. Kontakt: [email protected] Fotomechanische Wiedergabe nur mit schriftlicher Genehmigung des Urhebers.

Für Wanderer Am Weltenrand

Trypt-amin \ tp-ta-min \ [Tryptophan von tryptic, von trypsin, von Griechisch tryein, mürbe machen (im Sinne des proteolytischen Enzyms aus der Bauchspeicheldrüse) + Amin von Niederländisch ammonia] 1: Eine natürliche Verbindung, die in Flora und Fauna zu finden ist. Man findet es als körpereigene Verbindung im menschlichen Gehirn. 2: Überbegriff für alle Verbindungen, die das Tryptamingerüst beinhalten.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Anmerkung

Überlegungen zum Titel

Geleitwort

Einleitung

Erstes Buch - Die Geschichte

Erster Teil - Abenteuer und Missgeschicke

Kapitel 1: Invasion

Kapitel 2: Lourdes

Kapitel 3: Dred und andere Lektionen

Kapitel 4: Die brasilianische Kapriole

Kapitel 5: Pilze

Kapitel 6: PanSoph 2

Kapitel 7: Briefmarken

Kapitel 8: Leningrader Briefe

Kapitel 9: La Ruta Del Bakalao

Zweiter Teil - Psychedelika und persönliche Transformation

Kapitel 10: Schauplätze im Geist

Kapitel 11: Sex, Drogen und die Alte Garde

Kapitel 12: Die Löwin und der geheime Ort

Kapitel 13: Flashbacks

Kapitel 14: Intensive Sitzungen

Dritter Teil - Tryptamina Botanica

Kapitel 15: DMT ist überall

Kapitel 16: Hoasca VS. Ayahuasca

Kapitel 17: MGS

Vierter Teil - Zeit und Transformation

Kapitel 18: Welcher Urknall?

Kapitel 19: Drei Fotografien

Kapitel 20: Designerdrogen

Fünfter Teil - Drogen und Politik

Kapitel 21: Können wir? Sollten wir?

Kapitel 22: Hürden in der Forschung

Kapitel 23: Wer ist Max Mustermann?

Kapitel 24: Cui Bono?

Epilog

Kapitel 25: Galileo

Nachwort des Übersetzers

Glossar

Quellen und Danksagung

Vorwort

Im Jahre 1991 begann ein ungewöhnliches Buch mit einem ungewöhnlichen Titel bei einer Gruppe von ungewöhnlichen Menschen zu kursieren: Sie waren davon überzeugt, dass man aus dem Gebrauch psychedelischer Drogen bedeutenden psychischen und spirituellen Nutzen ziehen kann. Es ist die Rede von PiHKAL: Eine molekulare Liebesgeschichte, bestehend aus zwei Teilen, von denen der erste Beiträge aus erster Hand über den Nutzen von etwa einem Dutzend unterschiedlicher Psychedelika beinhaltet, die es dem Leser erlauben einen detaillierten Einblick in Set (die Gesamtheit der eigenen Gedanken und Gefühle, man könnte sagen die Innere Welt) und Setting (die Gesamtheit der Atmosphäre; hierzu zählen beispielsweise Menschen, die Räumlichkeiten, die Musik, das Wetter, etc.) zu bekommen. Jene Beiträge werden im ersten Teil von PiHKAL mit der Entwicklung des persönlichen Verhältnisses der beiden Autoren, Ann und Alexander (Sasha) Shulgin verschränkt (im Werk agieren sie unter den Pseudonymen Alice und Shura), angefangen beim ersten Kennenlernen bis hin zur Hochzeit. Anfänglich hat sich Shura noch mit einer deutschen Frau verstrickt, doch diese Dreiecksbeziehung löst sich, wie bei jeder guten Liebesgeschichte, allmählich auf, bis dieser auf Dauer untragbare Zustand der Vergangenheit angehört. Im zweiten Teil von PiHKAL sind die Strukturformeln und »Rezepte« von annähernd 200 Verbindungen aufgeführt, auf die meistens Einschätzungen unterschiedlicher Menschen bezüglich der psychischen bzw. physischen Auswirkungen der jeweiligen Verbindungen folgen. Die darin beschriebenen Moleküle gehören allesamt den Phenylethylaminen an, was auch das Akronym im Titel erklärt: Phenethylamines I Have Known And Loved.

Das vorliegende Buch weist ebenfalls diese Struktur auf, doch die Verbindungen des zweiten Teils gehören zu den Tryptaminen, wozu auch fast alle der in PiHKAL nicht beschriebenen Psychedelika gehören. TiHKAL steht folglich für Tryptamines I Have Known And Loved. TiHKAL erzählt nicht länger die Geschichte der Dreiecksbeziehung und so findet man darin mehr ein Sammelsurium von Narrativen und Essays, die sich mit den Ursprüngen und den Gebrauchswerten der Psychedelika beschäftigen. Der Naturstoffsynthetiker kann hier einen erhellenden Streifzug durch die erstaunliche Vielfalt der Kreaturen – angefangen bei Pilzen, über Blumen bis hin zu Fröschen – genießen, die alle DMT oder dessen engere Derivate enthalten. Der Psychopharmakologe kann sich fragen, ob nicht ein Schlüssel der auditiven Halluzinationen, die so typisch bei Schizophrenie auftauchen, in der einzigartigen Wirkung des DIPT liegt. Ein Psychotherapeut in der Tradition von C.G. Jung wird Anreize in Alice‘ Geschichten über die milden Synergismen finden, die aus dem Zusammenspiel eines fähigen Therapeuten und dem Entaktogen MDMA resultieren. Und traurigerweise werden Befürworter der individuellen Handlungs- und Gedankenfreiheit unter Umständen Grund zur Sorge finden, dass etwas ähnliches wie die staatlich angeordnete Glaubensverfolgung in diesem Land Fuß fassen konnte, dessen Gründungsurkunde von Menschen verfasst wurde, die »auf den Altar Gottes und die ewige Feindseligkeit gegen jede Form der Tyrannei über den menschlichen Geist« geschworen haben.

Und während die Molekulare Liebesgeschichte stetig voranschreitet, ist Shura noch immer ein Chemiker der alten Schule, ein Chemiker, der sich mit väterlichem Hang, ja mit dem Hang und der Hingabe eines Liebenden um die Moleküle kümmert, von denen er träumt und die er erschafft. (Diejenigen, die mit Albert Hofmans Entdeckung des LSDs vertraut sind, werden an sein Gefühl erinnert werden, dass »er von Anfang an gedacht hatte, dass diese Substanz etwas Besonderes war. Es war einfach ein Gefühl, welches ich hatte, als ich mit unterschiedlichen Substanzen gearbeitet habe.«) Inzwischen ist es ein Schauplatz heimischer Zufriedenheit, eine friedvolle Ménage-à-trois geworden – schließlich hat Alice ihre eigene molekulare Affäre begonnen, die sie mit ihrer feinfühligen und wirksamen Psychotherapie zur Blüte gebracht hat.

Ich für meinen Teil habe offene Türen eingerannt – ich sinnierte mit anderen, die von dem Reifungsprozess dieses Buches gehört hatten und so sind wir nun endlich in der Lage unsere Neugier zu befriedigen. Die meisten Leser dieses Buches werden wohl zu der oben beschriebenen, ungewöhnlichen Gruppe gehören, die nicht von dem Wert der Psychedelika überzeugt werden müssen. Es wird andere geben – Menschen, deren Türen nicht offenstehen, die noch nicht einmal zu den wahrhaft Glaubenden gehören – die die Geburt von TiHKAL mit Verblüffung, Schock und sogar mit Wut begrüßen. Lasst mich als jemanden, der ich vor nicht allzu langer Zeit noch zu diesen Zweiflern gehörte, zu diesen Menschen sprechen. (Die Fürsprecher werden nichts einwenden, denn ihnen kommt es sehr entgegen der vertrauten Geschichte von Reue und Bekehrung immer und immer wieder zu hören.)

Lass mich zunächst erzählen, dass ich von meinem achtzehnten bis zu meinem fünfzigsten Lebensjahr, also ungefähr bis vor vier Jahren, Mitglied der Jesuiten war, ein römisch-katholischer Orden aus Brüdern und Pfarrern (Ich wurde 1974 zum Priester geweiht). Ich führte ein ziemlich geschütztes Leben während der revolutionsgeschwängerten Tage der 60er und 70er Jahre und ich wusste rein gar nichts über psychedelische Drogen, einmal abgesehen von dem, was die Medien mir berichteten: Diese induzieren bizarre Vorstellungen im Geist, die an Verrücktheit denken lassen; sie sorgen für schreckliche Halluzinationen; Menschen, die dumm genug wären, um mit diesen Drogen herumzuspielen, würden sich von unvorhersehbaren und handlungsunfähig machenden Episoden immer wiederkehrender Flashbacks für den Rest ihres Lebens abfinden müssen.

Vor etwa zehn Jahren schrieb ich meine Doktorarbeit in organischer Chemie an der University of Illinois in Chicago und landete so am Loyola College in Maryland. Nach ein paar Jahren dachte ich darüber nach den »Baby Chem-Kurs,« den die wissenschaftsfremden Studenten absolvieren müssen, mit einigen interessanteren Themen aufzuwerten. Drogen und Abhängigkeit schien mir cool genug zu sein, um die Aufmerksamkeit der Studenten für die wenigen Stunde pro Woche aufrecht zu erhalten. Schon bald gab es derbe Kommentare aus der Klasse und bevor ich mich richtig umsehen konnte, bekam ich von der American Chemical Society den Auftrag ein Buch zu schreiben, das die Geschichte und den menschlichen Horizont dieser faszinierenden Chemikalien ausleuchtet. Jenes Buch erschien 1996 unter dem Titel The Chemistry of Mind-Altering Drugs: History, Pharmacology, and Cultural Context. Es war allerdings dieses gesamte Projekt, insbesondere die ernsthafte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen wissenschaftlichen Ergebnissen und literarischen Bezügen zu diesen Substanzen, welches meine Meinungen über viele Dinge auf unvorhergesehene Weise veränderten. Zum Beispiel kam ich, wie viele derer, die sich mit Drogenpolitik auseinandersetzen, nach und nach zu der Überzeugung, dass ein War on Drugs im besten Fall genauso kontraproduktiv ist, wie ein Krieg gegen den Alkohol zur Zeit der Prohibition und im schlimmsten Fall der erste Schritt auf dem Weg hin zu einem Polizeistaat ist.

Meine Ansichten und Meinungen wurden allerdings in keinem Bereich härter auf den Prüfstand gestellt als in jenem der Psychedelika. Ich denke, dass ich mit Recht sagen kann, dass ich mit den westlichen Traditionen in puncto Meditation und Mystizismus ziemlich gut vertraut bin, und zwar nicht nur von einem akademischen Blickwinkel her, sondern vor allem wegen meiner langjährigen Praxis: Die Jesuiten in meiner Generation mussten täglich eine Stunde meditieren, wovon man sich erhofft hatte, dass es bei geeigneten Seelen zu solch hohen Zuständen wie dem des »Stillegebets« führen würde. Wir machten zwei oder mehrere Exerzitien über 30 Tage während unserer Ausbildung und jedes Jahr eines für acht Tage; und von uns wurde erwartet, dass wir regelmäßig mit einem »spirituellen Vater« über die Entwicklung unseres Gebetsleben redeten. Wir unterzogen uns auch einem halbwegs umfangreichen Training in Seelsorge und Psychotherapie.

Und dann kam es, dass ich die Beiträge über psychedelische Erfahrungen von Aldous Huxley, Bill Wilson, Alan Watts, Henry Osmond, Gordon Wasson, Walter Houston Clark, Huston Smith – die Liste schien endlos zu sein – zu lesen begann. Die Geschichten ähnelten einander. Skeptiker mögen zwar die Gültigkeit und Tragweite von religiösen Erfahrungen grundlegend anzweifeln, aber niemand kann anzweifeln, dass diese Menschen dem klassischen Phänomen höchstpersönlich begegneten – auf mächtige Weise katalysiert durch die Aufnahme von Meskalin, Psilocybin oder LSD – ich war erstaunt. Und noch erstaunter war ich, als ich ähnlich weitreichende und ähnlich glaubhafte Beiträge über den unterstützenden Einsatz dieser Moleküle in der Psychotherapie gefunden hatte. Glücklicherweise war ich genau in der Stadt, nämlich in Baltimore, in der sich das größte psychedelische Behandlungszentrum befand – das Spring Grove Psychiatric Center, geleitet von Dr. Albert Kurland. Nach vielen anderen ging auch ein aufschlussreiches Gespräch mit Dr. Kurland, Richards, Yensen und Dryer zu Ende und so war meine Bekehrung vollzogen.

Und nun will ich zurückkehren zu den Gesichtern, dessen Türen offenstehen. (Ich sehe sie Halleluja singen! Eine weitere Seele kommt nach Hause!) Diese Menschen bedürfen keiner Überzeugungsarbeit, dass diese Substanzklasse – oder besser: Diese Sakramente – mit der größtmöglichen Energie und Intelligenz erforscht werden muss, die die Menschheit jemals einer Unternehmung gewidmet hat, ganz egal ob diese wissenschaftlich oder religiös war. Diese Menschen bedürfen keiner Überzeugung, dass ein Tiermodell nie dafür ausreichen wird, um feststellen zu können, ob eine subtile doch tiefgreifende Änderung des Bewusstseins stattgefunden hat. Lediglich mutige und erfahrene Schamanen und Suchende wie diejenigen in Shuras Gruppe werden in der Lage sein, das echte vom gefälschten Gold zu unterscheiden. Und diese Menschen bedürfen keiner Überzeugung, dass ein Großteil der Depressionen, der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit dieser Welt – eine Welt, die sich dummerweise als ziemlich fortschrittlich versteht, aber dennoch auf so unterschiedliche Arten von ihren menschlichen Tiefen abgeschnitten ist, die die alltägliche Fülle der »primitiven« Völker ausmachten. Es ist eine Welt, die sich erschöpft in ein neues Jahrtausend stürzt, nachdem sie das blutigste und barbarischste Jahrhundert ihrer Geschichte hinter sich gebracht hat – vielleicht findet sie Trost und Frieden durch den weisen und leidenschaftlichen Einsatz dieser Entheogene.

Wir sind zwar eine kleine Gemeinde, Shura und Ann, doch in unseren Herzen hallt ein warmer Gottesdienst und ein Dankfest für euch und all eure Taten wider. Ihr werdet nie vergessen werden!

Daniel M. Perrine, M.A., M.Div., Ph.D.

Associate Professor of Chemistry

Loyola College, Baltimore, Maryland

Anmerkung

Mit TiHKAL stellen wir ein Informationsgebäude zur Verfügung, welches die Kernidee, die Synthesen, die Definitionen und den angemessenen Gebrauch bestimmter bewusstseinsverändernder Verbindungen beinhaltet. Wir sind davon überzeugt, dass jene Moleküle wertvolle Werkzeuge für die Ergründung des menschlichen Geistes und dessen Seele bzw. Psyche darstellen.

Gegenwärtig bestehen in den USA beschränkende Gesetze und so gestaltet sich die Forschung unter Einhaltung dieser Vorschriften, die die Vergabe von Lizenzen zum Arbeiten mit diesen Substanzen am Menschen regeln, als ausgesprochen schwierig. Es sollte also nicht überraschen, dass in den letzten 30 Jahren auf diesem Gebiet so gut wie keine klinische Studie durchgeführt wurde. Was dem anerkannten und qualifizierten Wissenschaftler jedoch erlaubt ist, sind Tierversuche. Ein solcher Wissenschaftler muss, einmal abgesehen von der eigenständigen Finanzierung, der zuständigen Behörde gefällig sein und seine gesamten Chemikalien über diese Behörde beziehen – die Rede ist beispielsweise vom National Institute for Drug Abuse (Ministerium für Drogenmissbrauch).

In Buch I sind rein fiktive Geschichten enthalten.

Mehr als die Hälfte der Synthesevorschriften in Buch II von TiHKAL stammen aus der chemischen Fachliteratur. Einige davon wurden von Sasha Shulgin als Haupt- oder Co-Autor veröffentlicht. Die verbleibenden Synthesen erscheinen hier erstmalig in Druckform.

Niemand sollte die in Buch II enthaltenen Synthesen ohne offizielle Erlaubnis mit der Absicht, die entstehenden Moleküle anderen Menschen auszuhändigen, durchführen. Wer dennoch darauf abzielt, riskiert vor Gericht zu landen, was wiederum ein ganzes Leben auf tragische Weise ruinieren kann. Des weiteren sollte erwähnt werden, dass jeder, der mit sich selbst oder mit anderen Menschen mit einer der hier beschriebenen Drogen experimentiert, ohne mit der Wirkung der entsprechenden Droge vertraut zu sein bzw. sich der körperlichen und/oder geistigen Unruhen oder Schäden, die man davon tragen kann, nicht bewusst ist, handelt unverantwortlich und moralisch inakzeptabel, ganz egal ob derjenige im rechtlich legalen Rahmen handelt oder nicht.

Nachdrücklich ermahnen wir diejenigen, denen die Freiheit bei Nachforschungen und die Suche nach Erkenntnis wichtig sind, ihre Bemühungen auf dem Weg hin zu einer Reform des Betäubungsmittelgesetzes fortzuführen – mit besonderem Fokus auf die USA. Unverstohlene Nachforschungen und kreative Erkundungen sollten auf diesem wichtigen Forschungszweig nicht nur erlaubt, sondern sogar ermutigt werden. Die gegenwärtig negative Propaganda bezüglich der Psychedelika durch Ehrlichkeit und wahrheitsgemäße Wirkungen jener Verbindungen – egal ob gut oder schlecht – zu ersetzen, ist von fundamentaler Bedeutung.

Was den menschlichen Geist, die Seele, oder die Psyche angeht – ganz gleich wie man es nennt – gibt es so viel, woran wir gut tun würden es zu verstehen und dieses Buch ist genau diesem Verstehen gewidmet.

Überlegungen zum Titel

Das erste Aufgebot dieser zweibändigen Auflage lautete PiHKAL, was sich in Form eines Akronyms aus dem eigentlichen Titel, Phenethylamines I Have Known and Loved (zu deutsch: Phenylethylamine, die ich kennen- und lieben gelernt habe)1, ergab. Wir sollten daraus eigentlich eine Lektion gelernt haben. Einmal abgesehen von Kommentaren und Diskussionen bezüglich der Aussprache (uns gefällt pee-cal [pi:ka:l], doch manchmal wird pickle [‘pikl] verstanden) war die häufigste und sichtlich schmerzhafte Frage, mit der Ann und ich konfrontiert wurden: »Was ist ein Phenylethylamin?« Die Antwort auf diese Frage wurde von uns ganz in Manier eines Wörterbucheintrages formuliert, aber soweit ich weiß versteht diesen Titel niemand wirklich – mit Ausnahme der Chemiker. Nun haben wir es in diesem Fall mit TiHKAL [ti:ka:l] zu tun, was für Tryptamines I Have Known And Loved steht. Die Frage »Was ist ein Tryptamin?« lässt sich nun leicht antizipieren. Wenn wir über den Plural sprechen, taucht ein noch größeres Problem auf: »Was sind Tryptamine?«

Ich will mit dem Begriff in der Einzahl beginnen. Wie erklärt man einem nicht-Chemiker ein Tryptamin? Wahrscheinlich genauso wie man es einem Chemiker erklären würde, nur mit dem Unterschied, dass man auf Fachjargon, das nur von Chemikern verstanden wird, verzichtet. Ich will es mit alltäglicher Sprache versuchen.

Tryptamin ist eine Chemikalie. Was ist eine Chemikalie? Es kann sich zum Beispiel um einen Feststoff wie einen Kristall, ein Pulver oder einen Materialklumpen handeln, der hart, weich oder spröde sein kann. Die Chemikalie kann jede erdenkliche Farbe haben. Es kann auch eine Flüssigkeit sein oder auch irgendetwas feuchtes, es kann ein Wachs oder eine Seife sein, es kann flüssig und triefend sein. Es kann sogar flüchtig sein. Es kann sich auch um ein Gas handeln, das den Raum erfüllt. Solche Gase sind normalerweise farblos, doch es gibt auch Ausnahmen, die braun, grün oder gelb sind. Es gibt geruchslose Gase, wiederum andere haben sehr intensive Gerüche. Chemikalien können zunächst in all diesen Formen auftreten. In Kürze könnte man sagen: Eine Chemikalie ist etwas Materielles und es kann fest, flüssig oder gasförmig sein.

Das wichtigste ist, dass es sich um etwas homogenes, um etwas reines handelt. Salz ist beispielsweise etwas reines, weil der entstehende Feststoff ungeachtet der Zubereitung, also egal ob es gemörsert, auseinandergerissen, gesiebt oder nach Größe sortiert wird, immer genau der gleiche ist. Es stellt sich immer als weißes, kristallines Material in Würfelform heraus, das über einen sehr hohen Schmelzpunkt und eine sehr gute Wasserlöslichkeit verfügt. Tryptamin ist ein weißer, nadelförmiger Kristall mit relativ niedrigem Schmelzpunkt und sehr schlechter Wasserlöslichkeit. Damit hätten wir zwei der heutzutage mehr als zehn Millionen bekannten Verbindungen genannt. Das Wort Tryptamine stellt eine Art Überbegriff dar, unter dessem Schirm sich neben Tryptamin viele andere Verbindungen tummeln, die ausgehend von einem gemeinsamen Strukturelement (das Tryptamin-Grundgerüst) durch Hinzufügen von Atomen bzw. Atomverbänden an bestimmten Positionen entstehen.

Einige dieser Derivate finden sich im zweiten Teil von TiHKAL, und zwar diejenigen, die sich chemisch und pharmakologisch als interessant erwiesen haben. In Anhang E finden sich noch sehr viele andere Tryptamine. Es handelt sich dabei um bekannte Verbindungen, die potentiell gesehen psychisch aktiv sind. Letztes Jahr habe ich zwei T-Shirts gesehen, auf denen jeweils eine Botschaft prangerte, die unmissverständlich dieses Interessengebiet anzeigen – das eine: »Realität ist für diejenigen, die nicht mit Drogen umgehen können«; das andere: »So viele Drogen, so wenig Zeit«. Beide kann man mit Freude tragen. Ich frage mich, ob ich alt genug bin, um diese T-Shirts tragen zu können?

1 [Anm. d. Übersetzers] Da das Akronym, abgeleitet vom Amerikanischen Titel, bereits einen großen Wiedererkennungswert hat, wurde auf eine akronymische Neuschöpfung ausgehend von der deutschen Übertragung abgesehen. Der Hinweis in Klammern sei hier lediglich als Ergänzung angefügt.

Geleitwort

Nachdem ich von einer Konferenz zum Thema Ecstasy zurückgekommen bin, saß ich neben einem angesehenen Toxikologen, der für die britische Regierung arbeitete. Irgendwann kamen wir auf die bevorstehende Veröffentlichung dieses Buches zu sprechen. »Es wird ein absolutes Desaster werden,« sagte er. »Eine unüberschaubare Menge an neuen Drogen wird publik gemacht, für die keine Evaluierungen vorliegen und Hunderte neuer Ausgangsverbindungen müssen zusätzlich überwacht werden...Die Situation wird vollkommen aus dem Ruder laufen. Die Veröffentlichung muss verhindert werden.« Aber wie? »Mir ist der 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten und alles was daran hängt bekannt, aber gerade bei solch wichtigen Sachen wie dieser hier, finden die entsprechenden Menschen immer einen Weg.« Dabei beließ er es. Ich für meinen Teil wurde von Bildern verfolgt, die von Staatsdienern und ihren inszenierten »Unfällen« zeugten, die niemand geringeren zum Opfer hatten als Sasha und Ann.

Vollkommen aus dem Ruder laufen! Ja, dieses Buch bringt nicht nur Licht in den Synthesedschungel der psychoaktiven Substanzen, sondern auch in ihre Extraktion aus ganz gewöhnlichen Pflanzen, sodass psychedelische Erkundungen selbst nie wieder unter Kontrolle gebracht werden können. Der Genius ist aus der Flasche entwichen und nicht einmal alle Pferde und Soldaten des Königs werden imstande sein, ihn erneut zu bändigen.

Wozu braucht es Kontrolle darüber? Mein Reisegefährte war aufgrund der Verschwendung von öffentlichen Geldern besorgt, insbesondere bei der Strafverfolgung, der Behinderung der Industrie durch Beschränkungen der Ausgangsverbindungen in der organischen Synthese und der Überbeanspruchung des Gesundheitswesens durch zusätzliche Probleme. Aber vielleicht gibt es einen deutlich triftigeren Grund für die Autoritäten, den Einsatz von Psychedelika zu bewerben.

Kürzlich bezog sich ein Professor für Pharmakologie aus Oxford in einem Artikel auf psychedelische Erfahrungen und sprach dabei von »verzerrten Empfindungen«. Er wirft ein, dass die tatsächliche Gefahr psychoaktiver Drogen darin bestehe, dass das Gehirn auf tiefgreifende und dauerhafte Weise verändert würde. Seine abschließende Warnung lautet: »Vielleicht ist genau das damit gemeint, wenn man davon spricht, jemanden umzuhauen.« Psychedelische Erfahrungen als »verzerrend« zu bezeichnen, stellt das Urteil eines nüchternen, logischen und materialistischen Denkers dar. Wie dem auch sei, ein Mensch unter dem Einfluss eines Psychedelikums mag sehr wohl die gewöhnliche Wahrnehmung als ernsthaft eingeschränkt und gerade deswegen als Verzerrung der Wahrheit bezeichnen. Ich glaube, dass es sich hier um ein sprachliches Problem handelt: Worte gehören zu unserer normalen Wahrnehmung; sie eignen sich folglich nicht für die Beschreibung einer anderen Wahrnehmung.

Herkömmliche Wissenschaftler können es sich nicht erlauben die Existenz anderer Realitäten als die ihrer eigenen zu akzeptieren, ohne ihre darunter liegenden Annahmen zu unterminieren. Ungeachtet der vielen Errungenschaften sind die Naturwissenschaften dabei gescheitert das Bewusstsein zu erklären. Sie können noch nicht einmal die Gültigkeit vieler wichtiger Aspekte der menschlichen Existenz akzeptieren – man denke nur an Religion, Lebenskraft oder Liebe. Die etablierte Wissenschaft kann nur dann intakt gehalten werden, wenn die »Pforten der Wahrnehmung« sicher unter Verschluss gehalten werden. Doch Naturwissenschaft meint die Erkundung der Natur und diese Erkundung sollte nicht nur beschränkt werden, um eine Aktualisierung des Status Quo zu vermeiden.

Was dieses Buch zu Wege bringt ist tiefgreifend. Die hier enthaltenen Informationen stellen ein Sprungbrett für die Entdecker der spirituellen Seite der Existenz dar. Es wird die Zeit kommen, in der sich die rechtlichen und gesellschaftlichen Vorurteile gegenüber psychedelischer Forschung aufgelöst haben. Dann werden Wissenschaftler dieses wegweisende Buch zu Hilfe nehmen, um die unbekannten Bereiche der Existenz und die gegenwärtig gesperrten Zonen des Geistes und des Lebens als solches zu erkunden.

Nicholas Saunders

14 Neal‘s Yard, London

Nicholas Saunders schreibt Bücher über Ecstasy und den spirituellen Einsatz psychoaktiver Drogen.

Einleitung

WARUM ÜBERHAUPT?

Irgendwann in den frühen 80er Jahren wurde ich an die University of California in Santa Barbara eingeladen, um auf einer Konferenz, die von einer kleinen Studentengruppe ins Leben gerufen wurde, eine Rede zu halten. Diese Angelegenheit war für mich insofern interessant, als dass die gesamte Veranstaltung den psychedelischen Drogen gewidmet war. Wie kann es einer kleinen Studentengruppe gelingen an einem der größten Standorte der University of California ein Symposium über eine derart riskante Sphäre zu finanzieren und im großen Stil zu bewerben?

Ich erinnerte mich an eine ähnliche Situation einige Jahre zuvor. Damals wurden Vorbereitungen für eine Konferenz an der University of California in Berkeley getroffen – es sollte um LSD gehen. Als der Tag immer näher rückte, hielt eine der geldgebenden Fakultäten dem gefühlten Druck allem Anschein nach nicht mehr stand. An die Organisatoren wurden einige Bedenken herangetragen. Schließlich sollten sie die Versammlung absagen und an einen anderen Ort verlegen, sie sollten auch dafür sorgen, dass dieser und jener nicht auftauchen würden, sie sollten die Werbung einschränken und den Namen der Universität entfernen. Das war eine sagenhafte Demonstration von Massenparanoia. Kleine Ereignisse wie das Beschmieren eines der Werbeplakate auf dem Campus in Berkeley mit den Worten »Jude! Jude! Jude!« (verantwortlich war angeblich ein Mitglied der Fakultät für Psychologie, der anscheinend zu weit ging) führten zur Suche nach einem alternativen Veranstaltungsort. Schließlich entschied man sich für das University Extension Building in der Laguna Street in San Francisco.

Meine Güte, das war eine denkwürdige Veranstaltung. Es waren ungefähr ein Dutzend Redner und Berühmtheiten auf der Bühne, mehrere hundert coole Studenten und Haight-Ashbury-Typen im Publikum und fünf oder sechs Anzugträger mit weißen Hemden und Krawatten, die im Randbereich fortwährend auf und ab gingen und von allem und jedem Fotos knipsten, vorzugsweise mit einem Hochgeschwindigkeitsfilm.

Ich kann meine Aufzeichnungen zu dieser Konferenz nicht mehr finden, so kann ich nur von einer oder zwei Szenen aus meinem Gedächtnis berichten. Einer der ursprünglich Eingeladenen war Allen Ginsberg. Es war nun jedoch Teil der Kompromisse, um die Konferenz überhaupt stattfinden zu lassen, Allen Ginsberg auszuladen (neben der Verlegung nach San Francisco) und stattdessen den Justizminister (ich glaube sein Name war Younger) einzuladen, damit dieser die Anwesenden hauptsächlich über die legalen Aspekte des Drogenkonsums aufklären könnte. Durch reinen Zufall beobachtete ich eine faszinierende Szene im Ostflügel des Auditoriums. Ginsberg hüpfte fortwährend, schlug seine Fäuste vor sich zusammen und brüllte dem Justizminister, der ihm direkt ins Gesicht blickte, die Worte »Eichmann, Eichmann, Eichmann!« zu. Der Gesichtsausdruck des Justizministers wies ziemlich deutlich darauf hin, dass er es wohl nicht verstanden hat. In der Eröffnungsrede wurde angesprochen, dass Ginsberg ursprünglich eingeladen war (Applaus brandete auf), dass es jedoch Anordnungen von oben gegeben habe, die es ihm untersagten als Sprecher aufzutreten (Schmährufe waren zu vernehmen). Jetzt könne er allerdings als Beobachter auftreten und jeden erdenklichen Kommentar in seiner neuen Rolle abgeben (berauschender Applaus). Das sollte die Atmosphäre dieser Zusammenkunft ausreichend beschreiben. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Justizminister eine Rede gehalten hat.

Das abendliche Musikprogramm wurde von einer damals üblichen Lichtshow mit Öl- und Farbfiltern untermalt und überall roch es nach Gras. Der gemeinsame Volksheld hieß Tim Leary und überall, wo er auftauchte, folgten ihm hingebungsvolle Groupies. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass das die letzte Konferenz dieser Art war, die mit dem Campus in Berkeley in Verbindung gebracht wurde.

Und nun hatte ich hier die Einladung zu etwas ähnlichem, jedoch auf dem etwas entspannteren Campus in Santa Barbara. Ich war neugierig, ja fasziniert und so nahm ich die Einladung an.

Mein Gastgeber war Robert Gordon-McCutcheon, ein verehrter Student im Bereich der religiösen Philosophie. Er machte deutlich, dass das Publikum aus vielen interessierten Studenten bestehen würde, und dass ich mit jedem erdenklichen Gesprächsthema auf offene Ohren stoßen würde. Das ist in jedem Fall eine sehr verführerische Einladung. Doch dann fiel mir auch die desaströse LSD-Veranstaltung in San Francisco ein, wo die eingeladenen Redner nicht wirklich von ihren akademischen Gastgebern geschätzt wurden und so kam ich mit einigen psychischen Narben Nachhause. Also dachte ich mir, dass ein etwas seriöseres akademisches Image die geeignete Rückversicherung für eine solche Herausforderung wäre! Ich würde es mit diesem Gedanken in der Hinterhand angehen.

Ich habe ein paar lebhafte Erinnerungen von einigen Vorbereitungen zu dieser Konferenz.

Es gab ein Treffen vieler eingeladener Würdenträger in einem Haus in den Bergen bei Santa Barbara. Alice und ich fuhren dort hin und so kam es, dass wir durch einen weitläufigen Innenhof spazierten und uns in einem ebenso weitläufigen Wohnzimmer vorfanden, in dem etwa 40 Menschen in einem dreireihigen Kreis auf dem Boden saßen. Wir waren die Unbekannten, also kuschelten wir uns hinter einer Reihe gleichgesinnter Seelen an die Wand. Zuerst wurde diese und jene bekannte Person vorgestellt. Einige Namen kamen uns bekannt vor, doch es ergab sich keine Gelegenheit auch nur einen von ihnen näher kennenzulernen. Einigen Hoffnungen wurde Ausdruck verliehen, nämlich dass dieses Treffen die Keimzelle für ein erneutes Aufleben der psychdelischen Bewegung sein könnte. Der Gentleman dort drüben würde eine klar umrissene Abhandlung darüber verfassen. Und diese Dame dort würde ihren Verleger kontaktieren, damit dieses Treffen auch tatsächlich in die Geschichte eingehen würde. Darüber hinaus würde eine andere Person als Pressesprecher dienen, um – vermittels eines Radiointerviews am morgigen Tag – den unsagbaren Einfluss dieser Zusammenkunft der Eliten zu dokumentieren. Alice und ich verließen die Veranstaltung nach kurzer Zeit.

Tatsächlich fand dieses Radiointerview am nächsten Tag statt. Ich saß in einem kleinen Büro mit etwa einem halben Dutzend bekannter Persönlichkeiten, von denen mir lediglich Tim Leary im Kopf geblieben ist. Er war tatsächlich alles, was man benötigte, um diesem Treffen die öffentliche Aufmerksamkeit zu geben und so war ich, was das Beantworten von Fragen anging, befreit. Ich musste noch nicht einmal mit irgendjemandem Reden. Ohne großes Aufsehen zu erregen, verließ ich das Büro, denn ich hatte zu einem separaten, öffentlichen Treffen, nämlich zu einem Seminar an der Fakultät für Chemie der University of California in Santa Barbara, zugesagt. Das war eines der akademischen Herzstücke, welches es den Organisatoren erlaubte, der Konferenz das Wörtchen »wissenschaftlich« beizufügen. Die Verwaltung der Universität konnte sich auf die Tatsache berufen, dass im Graduiertenkolleg der Fakultät für Chemie ein Forschungsseminar im Anschluss zu diesem »psychedelischen Treffen« stattfand. Sehen Sie! Die ganze Angelegenheit war ordentlich und legitim!

Doch in der Fakultät für Chemie liefen die Dinge nicht ganz so reibungslos ab. Der einladende Professor kannte weder mich noch meine Arbeit und nahm also an, dass er der Gastgeber eines unberechenbaren Spinners war, der Ge- und Missbrauch von Drogen unterstützen würde. Mit einigen Bedenken gestattete er das Seminar und war umso erleichterter, als er feststellte, dass eine bisher unerreicht große Zahl von Studierenden und Absolventen erschienen waren. Ich gab mir die größte Mühe. Ich hielt eine manische, aber wissenschaftlich einwandfreie Vorlesung über die Ursprünge, die Synthese und die möglichen Wirkungsmechanismen verschiedener Verbindungen, die den Neurotransmitterrezeptoragonisten zuzuordnen waren. Der Vortrag war absolut seriös. Er war gespickt mit Mechanismen von SN2-Reaktionen und vorbildlich gezeichneten Molekülen, die ich selbst als »dreckige Bilder« bezeichne. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg und vielleicht verlieh es den Organisatoren der eigentlichen Konferenz etwas mehr Ansehen.

Alles woran ich mich bezüglich der Zusammenstellung der Rede für diese Konferenz erinnern kann ist, dass ich im Labor des Life Science Building auf dem Campus der University of California saß, und zwar in der Fakultät für Kriminologie, und auf einer alten Schreibmaschine in die Tasten hämmerte – das war meine Art die gewünschten Dinge für den Vortrag zu ordnen. Ich schrieb mit einzeiligem Abstand auf gelbem Papier. Ich erinnere mich, dass ich mir nicht ganz sicher war, warum ich das mache, aber es war zumindest das, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Wenn ich einige Stunden alleine gelassen würde, würde ich vielleicht die Antwort finden. Obwohl ich nicht wirklich wusste, was ich sagen wollte, formte es sich automatisch beim Schreiben und am Ende kam dabei ein Gefüge heraus, von dem ich wusste, dass es in Ordnung war. Der Vortrag wird für denjenigen, der sich bisher bedeckt gehalten hat, nur ein wenig Erhellung bringen, aber ich war zumindest dafür gerüstet, um die Neugier einiger Neulinge zu wecken. Es folgt nun das, was ich vor etwa zwanzig Jahren dort erzählt habe - selbst aus meinem jetzigen Blickwinkel trifft es im Übrigen noch immer zu.

DROGEN UND WAHRNEHMUNG

Als ich das erste Mal von Robert Gordon-McCutcheon gefragt wurde, ob ich an jenem Abend kommen und über ein beliebiges Thema im Spannungsfeld der psychedelischen Drogen sprechen wollen würde, wollte ich zunächst ablehnen.

Schließlich bin ich Student der Chemie und Pharmakologie und nicht einer der Philosophie und Religion. Außerdem dachte ich, dass ich beim Treffen im letzten Jahr alles mir Mögliche beigesteuert hätte, insbesondere gab ich einen Überblick über den Zusammenhang von chemischen Strukturformeln und ihrer psychoaktiven Wirkung.

Doch meine Frau machte mir einen Strich durch die Rechnung: »Warum erzählst du ihnen nicht einfach, warum du machst, was du machst?«

Das brachte mich auf eine interessante Frage: Warum habe ich die letzten circa 25 Jahre damit zugebracht, mir über das Design, die Darstellung und über die Einordnung neuer, psychotroper Drogen Gedanken zu machen, seien sie nun halluzinogen, psychedelisch, dissoziativ oder einfach toxisch?

Die leichtfertige Antwort hatte ich schnell zur Hand: Man macht es, weil man es kann. Es verhält sich ähnlich wie mit der Frage: »Warum besteigst du den Mount Everest?« »Weil er da ist.« Aber das ist nicht die Erklärung dafür, warum ich ausgerechnet diese Forschungen betreibe.

Sobald diese Frage während eines Seminars oder einer Posterpräsentation im akademischen Rahmen aufkam, versuchte ich besonders den Begriff psychotomimetisch zu betonen – in wissenschaftlichen Kreisen ist davon häufig die Rede, wenn es um psychedelische Drogen geht. Der Ursprung des Wortes liegt einerseits in psychoto, in Anlehnung an Psychose, und andererseits in Mimesis, was so viel wie Imitieren bedeutet. Folglich kann man sagen, dass damit eine diesen Substanzen am frühesten zugewiesene Eigenschaft beschrieben wurde – diese können bis zu einem gewissen Grad die Symptome psychischer Krankheiten hervorrufen und so womöglich als experimentelle Werkzeuge bei der Erforschung verschiedener Formen von Psychosen und Wahrnehmungsstörungen dienen.

Als Erklärung für das Warum, war ich damit auf der methodischen und sicheren Seite.

Methodisch deshalb, weil die meisten bekannten Psychedelika (etwa 200) anhand ihrer Struktur in zwei Gruppen eingeteilt werden können – entweder in die Gruppe der Phenylethylamine oder in die der Tryptamine. Unter den Phenylethylaminen sind etwa 50 Verwandte des Meskalins und genauso viele Abkömmlinge des Amphetamins zu finden. Zu den Tryptaminen gehören wiederum um die 50 Moleküle, von denen einige ziemlich einfach gebaut sind – die Ring- und Kettenstrukturen variieren dabei, wie auch die Substitutionsmuster am Stickstoffatom. Andere hingegen weisen komplexere Strukturen auf, wie zum Beispiel die β-Carboline (z.B. Harmalin) oder die Ergoline (z.B. LSD).

Die beiden hauptsächlichen Neurotransmitter im Gehirn gehören nun auch einmal zu den Phenylethylaminen (Dopamin) und Tryptaminen (Serotonin). Folglich gibt es auch unter den Neurowissenschaftlern Hoffnung, Ungleichgewichte im Neurotransmitterhaushalt mithilfe psychdelischer Dorgen zu ergründen, quasi als chemisch verwandte Sonden.

Die Erklärung ist zudem sicher, weil sie ungefährlich und annehmbar für die akademische Welt und für die für Subventionen zuständigen Ämter ist.

Dennoch entspricht es nicht der Wahrheit. Meine Arbeit ist tatsächlich der Entwicklung von Werkzeugen gewidmet, doch dienen sie in erster Linie einem anderen Zweck.

Ich will zunächst das Fundament legen, um auf diesem die Tragweite dieser Werkzeuge verständlich zu machen – zum einen, um sie zu definieren und zum anderen um die Dringlichkeit herauszustellen, die mit ihnen meiner Meinung nach verbunden ist.

Ich bin fest davon überzeugt, dass zwischen allen Belangen der Menschlichen Komödie ein äußerst beachtliches Gleichgewicht herrscht. Sobald sich eine Entwicklung in die eine Richtung abzeichnet, entsteht ein kompensatorisches, ausgleichendes Streben, welches der ersten Entwicklung entgegen wirkt. Wenn man es in der Dichotomie der Konzepte von Gut und Böse ausdrücken mag, dann wird das Gleichgewicht im Konzept des Guten durch einen kleinen, aber realen Teil unausgedrücktem Bösen hergestellt. Im selben Sinne enthält das Böse ein korrespondierendes Gutes. Innerhalb des menschlichen Geistes muss neben Eros, der lebensbejahenden und selbstbewahrenden Kraft, ein Thanatos existieren, der als Todesinstinkt definiert ist, welcher sich »besonders in handgreiflicher Aggression« zeigt. Beide Seiten sind Teil von uns, doch normalerweise sind sie durch die schwer zu penetrierende Mauer unseres Unbewussten von unserem Bewusstsein getrennt.

Eine Definition, um die ich bemüht bin, ist, dass diese Werkzeuge Begriffe eines Vokabulars sein sollten, eines Vokabulars, welches jedem Menschen erlauben könnte, mit dem Innenleben seines Geistes bzw. seiner Seele bewusster und deutlich klarer in Kontakt zu treten. Man könnte das als Vokabular der Bewusstheit bezeichnen. Ein Mensch, der sich darüber immer klarer wird und folglich damit beginnt die Existenz der beiden gegenläufigen Beiträge zu seinen Motiven und Entscheidungen anzuerkennen, beginnt vielleicht damit eine kluge Auswahl zu treffen. Der sich daraus ergebende Bildungsweg ist der Weg zur Weisheit.

Genau wie im Geist des einzelnen ein Bedürfnis nach Ausgleich besteht, lässt sich eine interessante Parallele in Gesellschaften ziehen. Man muss sich lediglich einige Minuten lang den Verlauf und die Zufälle der Geschichte ansehen, die die menschliche Spezies in bedenklichem Gleichgewicht gehalten haben.

In den frühen Jahrhunderten des gegenwärtigen Jahrtausends wurden die bösartigsten, ja unmenschlichsten Kriege geführt, die uns bekannt sind, und zwar im Namen der Religion. Die Schrecken der Inquisition mit all ihrer tödlichen Intoleranz von Meinungsverschiedenheiten (Häresie genannt) sind bestens dokumentiert. Gerade während dieser dunklen Jahre wurde die Struktur der Alchemie etabliert, damit durch Untersuchungen der Materie Erkenntnisse entstehen konnten. Das häufig zitierte Ziel der Umwandlung von Blei in Gold war nicht das, worum es ging. Der eigentliche Sinn dieses Bemühens lag in der fortwährenden Durchführung, lag in den immer wieder aufs Neue durchgeführten Destillationen und Sublimationen und in einem genaueren Verständnis dieser Prozesse, sodass daraus vielleicht eine Synthese, eine Vereinigung zwischen der materiellen und der spirituellen Welt erwachsen möge.

In der Reproduzierbarkeit des Gemachten allein steckte die Belohnung. Das Erlernen dieser Disziplin sorgte für das gesunde Gleichgewicht eines jeden Alchemisten.

In den letzten circa 100 Jahren entwickelte sich dieser Bildungsweg in das, was wir heute unter Naturwissenschaft verstehen. Im gleichen Maße wie diese Entwicklung voranschritt, vollzog sich ein sukzessiver Perspektivenwechsel von dem Prozess an sich bis hin zum Produkt jenes Prozesses. In der heutigen Wissenschaft ist es nur das Endprodukt, das Gold, welches wirklich zählt. Es ist nicht mehr die Suche bzw. die Bildung an sich, die einem die Anerkennung von Kollegen und damit die Wahrnehmung in der Außenwelt, den Reichtum, den Einfluss und das Vermögen einbringt, sondern das schlussendliche Ergebnis. Doch diese Leistungen, diese Endresultate weisen dieselbe Yin-Yang Struktur von Gut und Böse auf, wobei das Gute ein Quäntchen Böses enthält und vice versa. Das ist unsere Geschichte der letzten Jahrhunderte. Uns wurde eingebläut zu erzählen, dass die Früchte der Wissenschaft frei von Ethik und Moral seien und dass es in der objektiven Welt der akademischen, wissenschaftlichen Untersuchungen kein per se Gutes oder Böses gebe. Und natürlich wäre die Idee eines Strebens nach einer Art Gleichgewicht bedeutungsleer. Aber dennoch würde ich gerne einige fast unglaubliche Geschehnisse in puncto Timing herausstellen.

Zum Beispiel beobachtete Wilhelm Röntgen im Jahre 1895, dass ein Teller, welches mit einem ungewöhnlichen, organischen Film überzogen war, einen sichtbaren Schein aussandte, wenn man eine elektrische Spannung an einer mit bestimmten Gasen gefüllten Röhre anlegte. Im nächsten Jahr, 1896, entdeckte Antoine Henri Becqueril, dass diese metalldurchdringenden Strahlen, die den mit Platincyanid-Ionen beschichteten Teller zum Leuchten brachten, auch von Uran ausgingen.

Die Radioaktivität war entdeckt.

Doch bereits im darauffolgenden Jahr in Leipzig in Deutschland, genauer gesagt war es am 23. November 1897 um 11:45 Uhr, als Arthur Heffter ein Alkaloid einnahm, welches er aus dem »knödeligen Kaktus,« der von dem nicht unterzukriegenden Pharmakologen Louis Lewin eingeführt worden war, isoliert hatte. Es folgen die Aufzeichnungen Heffters nach Einnahme von 150 mg jenes Alkaloids:

»Von Zeit zu Zeit flogen Punkte mit den brillantesten Farben durch mein Sichtfeld. Später dann erschienen auch Landschaften, Säle, und architektonische Szenerien...«

Meskalin war entdeckt.

Während der 1920er und 1930er Jahren entwickelten sich beide Welten – die der materiellen Wissenschaft, wozu die Strahlungsphänomene gehören und die der Psychopharmakologie mit ihren psychotropen Substanzen – nebeneinander, und zwar ohne eine sich abzeichnende Polarität, ohne eine meins-ist-gut-und-deins-ist-schlecht-Dualität, die jedoch bald beschwört werden sollte.

Radioaktivität und Strahlung wurden zu integralen Bestandteilen der Medizin. Die Röntgenfotografie leistete unschätzbare Dienste in der Diagnosestellung und die Radiumtherapie wurde in großem Maßstab in der Behandlung eingesetzt – kontrollierte und lokalisierte Strahlung konnte bösartiges Gewebe abtöten, während das gesunde Gewebe verschont blieb.

Im Bereich der Psychologie wurden vergleichbare Fortschritte erzielt. Die Theorien von Freud und Jung flossen in zunehmend nützlicherem Maße in das klinische Vorgehen bei psychischen Erkrankungen ein und die Grundlage der experimentellen Psychologie wurde in den Pionierarbeiten von Pavlov gelegt.

Es ergab sich ein weiterer Zufall im zeitlichen Verlauf, der sich im Rückblick als der Anfang von der Spaltung der Wissenschaft in zwei eigenständige Zweige entpuppte. Es trug sich während des 2. Weltkrieges gegen Ende des Jahres 1942 zu, als Enrico Fermi neben vielen anderen Wissenschaftler an der University of Chicago zum ersten Mal zeigten, dass wir in der Lage waren Kernspaltungen zu induzieren und zu kontrollieren. Das Zeitalter »der unbegrenzten Energie, der Unabhängigkeit von den siegenden fossilen Resourcen« war angebrochen.

Im darauffolgenden Jahr, es war der 16. April 1943, wurde Albert Hofmann im Schweizer Forschungslabor von Sandoz von einer unbekannten Menge einer Chemikalie überrascht, die er erstmals vor etwa fünf Jahren hergestellt und an besagtem Tag erneut synthetisiert hatte. Ruhelosigkeit und Schwindel waren ihm bewusst, die ihn mehrere Stunden lang aufwühlten. Drei Tage später – wir schreiben den 19. April; es war 16:20 Uhr – wog er 250 μg ab, nahm es ein und machte im Anschluss folgende Aufzeichnungen:

»...(nach der Verwirrungs- und Verzweiflungskrise) … begann ich langsam die beispiellosen Farben, sowie die fortwährenden Spielereien unterschiedlicher Formen zu genießen. Ich wurde von kaleidoskopischen, fantastischen Bildern überflutet, die sich abwechselten und kleine Variationen auf sich selbst erzeugten, die sich in Kreisen und Spiralen öffneten und wieder schlossen ...« Auch LSD war entdeckt.

Aber noch immer, selbst noch in den letzten zehn Jahren, war es das schwere Versprechen des nuklearen Zeitalters, welches die Hoffnung der Menschheit geschultert hatte, zuerst mit der Entdeckung der Kernspaltung, später dann mit dem nahezu grenzenlosen Potential der Kernfusion. Der Bereich der Halluzinogene wurde als psychotomimetisch (Psychosen nachahmend) und grundlegend negativ kategorisiert. Erst in den 1960er Jahren begann diese seltsame und faszinierende Umkehr der Ansichten.

Das Wissen um Kernspaltung und Kernfusion nahm todeshungrige Dimensionen in den Köpfen der Massen an. Staat für Staat schloss sich einer Bruderschaft an, die in der Lage war, die menschliche Spezies auszurotten. Doch wie ich bereits sagte, scheint sich ein kompensatorisches Gegengewicht herauszubilden, wenn sich ein Ungleichgewicht beginnt zu entwickeln. In diesem Fall schied sich das Gegengewicht an vielen Fronten und in vielen Formen ab, doch all diese Einzelbeiträge kann man im Kern auf einen gemeinsamen Charakter reduzieren: Es ging um das wachsende Interesse am spirituellen Aspekt des Menschen und um das Bedürfnis nach einem besseren Verständnis der menschlichen Seele bzw. Psyche. Was man als Werkzeuge für die Erforschung von Psychosen (im besten Fall) oder als selbstgefällige Flucht (im schlimmsten Fall) gesehen hatte – nämlich die Psychedelika – wurden nun zunehmend von jungen Erwachsenen in der westlichen Welt als Werkzeuge der Erleuchtung und spirituellen Transformation verstanden.

Jetzt, da der Thanatos der Menschheit mit dem in alle Ewigkeit reichenden Wissen über die totale Vernichtung unserer Selbst und des außergewöhnlichen Lebens- und Liebesexperiment geimpft wurde, musste sich auf der Seite des Eros unserer Seele eine Entwicklung bemerkbar machen, die das Lernen von Strategien, die ein Leben mit diesem Wissen ermöglichen, befeuert. Die Kommunikation dieser beiden Seiten des menschlichen Geistes ist es, was ein neuartiges Vokabular erfordert, was ein Vokabular der Einsicht und Bewusstheit erfordert.

Wir benötigen Ausdrucksformen für die tiefer liegenden Schichten unseres Selbst, wir brauchen einen Weg, um Wissen zu kommunizieren, welches traditionell gesehen als okkult und geheim bezeichnet wird. Bis in unsere Zeit hinein wurde diese Ebene des Wissens als das private Reservoir der Schamanen, Lehrer oder spirituellen Führer verstanden, die sich darin verdient gemacht haben. In deren Händen lag die Verantwortung begabte und intuitive Menschen zu erwählen, die ihre Schüler und Anhänger wurden. Diese einzigartigen Individuen wurden in Tempel des Wissens, in Pyramiden, in geheime Gemächer, Monasterien oder heilige Kivas mitgenommen, damit diese sukzessive in die Erkundung der spirituellen Welt und in ein tieferes Verständnis ihrer eigenen, unbewussten Landschaften eingeführt würden. Man ging damals davon aus, dass diese Art des Lernens Heiler und außergewöhnlich weise Anführer hervorbringen würde.

Wenn wir die Zeit hätten, die unsere Vorfahren hatten, könnten wir in der Erwartung leben, einen stetigen Zuwachs derer zu sehen, die sich über das Innenleben, die Energien, das komplexe Wetteifern von Antrieben, von Ängsten, Instinkten und erlernten Mustern bewusst sind, die das Universum in uns konstituieren. Dann hätten wir Grund zu der Annahme, dass das Verständnis von der Natur des Bewussten und Unbewussten schließlich doch einem Wachstumsprozess unterliegt. Wie dem auch sei, in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Fortschritte in Physik, Chemie, Biologie, Elektronik, in der Mathematik und in der Informationsverarbeitung in bisher ungesehener Weise überschlagen. Die Wissensexplosionen auf dem Gebiet der materiellen Welt hatten nicht ihre notwendige, ja lebenswichtige Entsprechung im Sinne eins wachsenden Verständnisses der menschlichen Psyche. Es liegen viele neue Erkenntnisse über das Gehirn vor, über den Geist lässt sich das allerdings nicht sagen. Was das Verständnis dieser unbewussten Archetypen, der Gefühle und Energien, die entscheidend für die schlussendliche Verwendung dieser neuen Erkenntnisse sein werden, angeht, blieben diese Sprünge nach vorne aus. Da nahezu alle materiellen Entdeckungen für gute, wie auch für schlechte Zwecke eingesetzt werden können, ist es von großer Wichtigkeit, dass wir allmählich Strategien zur Erkundung und zum Verständnis dieser unbewussten Kräfte, die zwangsläufig bei Entscheidungen die tragende Rolle spielen, entwickeln.

Das, wovor wir uns abschotten, das, was wir nicht bewusst anerkennen, könnte nicht nur eine Rasse oder eine Kultur töten, sondern unsere gesamte Spezies.

Wir dürfen nicht vergessen, dass psychedelische Drogen nicht die einzigen Schlüssel zu unserem Unbewussten sind; nicht jeder wird dadurch Lernen und daran Wachsen. Es gibt nicht eine einzelne Substanz, es gibt auch keine genaue Dosis, von der jeder Interessent gleichermaßen profitiert. Im Übrigen kann nicht oft genug betont werden, dass die Erfahrungen, die mit einem Psychedelikum bzw. einer visionären Pflanze einhergehen, nicht von den eingenommenen Komponenten herrühren, sondern von dem Geist und der Seele des Konsumenten. Jede dieser Drogen öffnet ein Tor im Inneren des Konsumenten und unterschiedliche Drogen öffnen unterschiedliche Tore. Das bedeutet, dass der Interessierte lernen muss, wie er sich am sichersten und erfolgreichsten einen Weg durch seine inneren Landschaften bahnt. Dieses Unterfangen nimmt einige Zeit in Anspruch und sollte nur unter der Führung eines erfahrenen Anleiters geschehen, genau wie es auch – im Idealfall – mit allen tiefen emotionalen und spirituellen Erkundungen ist.

Einmal abgesehen von den eben genannten Vorsichtsmaßnahmen, stellen diese Werkzeuge – die psychedelischen Drogen und Pflanzen – eine sehr viel schneller zum Ziel führende Methode dar, als es die meisten, klassischen Alternativen tun. Das gesuchte Ziel lautet: Bewusste Reflektion unseres Innenlebens und größere Klarheit über unsere Verantwortungen im Hinblick auf unsere Spezies und aller anderen Arten, mit denen wir uns den Planet teilen.

Ich denke, dass mein Talent in der Herstellung dieser grundlegenden Werkzeuge liegt, und genau deswegen leiste ich diese Arbeit.

Seit ich meine Rede in Santa Barbara gehalten habe, haben wir uns noch nicht komplett aufgegeben, auch haben wir unsere Spezies noch nicht mit biologischen Waffen vernichtet, doch die Gefahr besteht noch immer. Uns ist es bisher nicht gelungen einen offenen, auf gegenseitigem Respekt beruhenden Dialog zwischen den Anführern der Länder dieser Welt zu erwirken, doch auch hier ist der Zug noch nicht abgefahren.

Wir haben es in der Vergangenheit immer wieder gesehen und sehen es auch heute noch, dass die Spitzen der Gesellschaft vom Archetyp der Macht angetrieben werden, also von dem Teil der menschlichen Psyche, der für Struktur, Kontrolle und das Aufstellen neuer Regeln und Systeme verantwortlich ist. Das Streben nach Macht formt unsere Welt und ohne dieses Streben wäre die Menschheit schon längst umgekommen. Wenn es im Gleichgewicht mit seinen vielen komplementierenden Energien gehalten wird, kann daraus etwas Stabiles wie eine Zivilisation erwachsen. Wenn dieses sensible Gleichgewicht jedoch gestört wird und der Beitrag jenes Archetypen zu groß wird, verwandelt sich Struktur in Beengung, Kontrolle in Diktatur, die Lehre verkommt zu bloßer Ermahnung und Bedrohung, aus Vorstellung und Intuition entsteht ein Dogma und Vorsicht entwickelt sich zu Paranoia. Der Austausch mit der liebenden und lebenserhaltenden Energie in uns geht verloren und damit auch die Fähigkeit weise Entscheidungen zu treffen – sowohl für uns als Individuen, als auch für die gesamte Spezies.

Priester und Könige, Eroberer und Präsidenten und alle anderen, die in den von den Mächtigen erhaltenen Strukturen Komfort und Sicherheit finden, neigen dazu durch Einzelne, die darauf bestehen einen neuen Weg einzuschlagen und die Führung der ernannten Anführer außer Acht zu lassen, in Unruhe und Wut versetzt zu werden. Für diejenigen, die das Sagen haben, droht das Chaos im Unbewussten, die Erschütterung des Bekannten, Vertrauten und Sicherem. Die Reaktion auf diese Bedrohung kann viele Gesichter haben, angefangen bei der noch harmlosen Warnung sein Wissen und seine Meinungen für sich zu behalten (z.B. Galileo) bis hin zur Verfolgung der Verursacher (Hexenverbrennungen). Ziel und Zweck dieser Reaktionen liegt darin, die auf Selbstschutz basierende Wut des Establishments und der Nutznießer dieser Ordnung gering zu halten.

So sah die Geschichte des menschlichen Fortschritts auf dieser Erde aus. Zwischen notwendiger Kontrolle und dem Bedürfnis nach Veränderung und Wachstum wurde immer wieder ein Gleichgewicht hergestellt – normalerweise unter erheblichen Aufwand und oft mit Gewalt. Und genau so sollte diese Geschichte fortgesetzt werden, doch der rasende technologische Fortschritt der letzten 50 Jahre hat die Menschheit mit einem Wissenstempel ausgerüstet, der die Gleichung verändert hat. Wie dem auch sei, genau wie die nuklearen und chemischen Kriegsgeister aus der Flasche entwichen sind, wird auch der psychedelische Flaschengeist immer unter uns sein.

Mensch zu sein bedeutet eine Seele zu sein, die entscheidet – bewusst oder unbewusst – was sie machen und was sie werden wird. Ich für meinen Teil ziehe es vor, mir so viel wie nur möglich in diesem Leben bewusst zu machen, damit ich meine Entscheidungen möglichst weise treffen kann.

Mir fällt gerade ein düsteres und humorvolles Zitat ein. Es stammt von einem meiner Helden: Woody Allen. Er wandte sich einem Jahrgang an einer Universität zu und dies waren seine ersten Worte auf deren Verabschiedungsveranstaltung:

»Mehr als jemals zuvor in der Geschichte, steht die Menschheit an einer Gabelung. Ein Weg führt in Verzweiflung und unerträgliche Hoffnungslosigkeit. Der andere zu völliger Auslöschung. Lasst uns gemeinsam beten, dass wir weise genug sind, um die richtige Entscheidung zu treffen.«

Ich bin optimistischer. Wir haben bereits einige Jahrzehnte trotz der technologischen Bedrohungen überlebt. Vielleicht gelingt es der entscheidenden Hälfte der menschlichen Tiere, im Dienste der Vernunft und Liebe zu handeln. Das hoffe ich. Eher vermute ich das sogar.

In der Zwischenzeit widme ich mein Leben weiterhin der Entdeckung neuer Schlüssel zum Verständnis des menschlichen Geistes und zur größtmöglichen Verbreitung alles erdenklichen Wissens und aller Informationen, die ich im Stande war zusammenzutragen. Alles was mir nicht gelingen wird, wird von vielen anderen auf dieser Welt gemacht, die nach denselben Zielen streben.

Alexander T. Shulgin, Ph.D.

»Von den Wählern in diesem Land sollten wir nicht die Entscheidung über die sicheren und wirksamen Heilmittel erwarten.«

Gen. Barry McCaffrey, Drug Czar, 1996

»Wenn wir Politiker entscheiden lassen, welche Nahrungsmittel wir essen und welche Heilmittel wir einnehmen, werden unsere Leiber schon bald in einem bedauerlichen Zustand sein, ähnlich wie die Seelen derer, die in einer Tyrannei leben.«

Thomas Jefferson, Dritter Präsident der USA

Erstes Buch

Die Geschichte geht weiter

Erster Teil

Abenteuer und Missgeschicke

Kapitel 1: Invasion

(Alice Stimme)

Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hatte Shura von der Drug Enforcement Administration eine offizielle Lizenz, die es ihm erlaubte, die auf den fünf Listen aufgeführten Drogen zu besitzen, zu identifizieren und zu analysieren. Er musste dafür gelegentliche (alle paar Jahre einmal) Inspektionen seines Labors durch Agenten in Kauf nehmen, die darauf spezialisiert sind die kleinsten Anzeichen illegaler Machenschaften und/oder Verletzungen der Auflagen aufzudecken. Währende der fünfzehn Jahre, die ich ihn nun kenne, geschah das zweimal – die Untersuchungen führten zu keinen Anstößen, es musste nichts geändert werden und auch die jährlichen Aktualisierungen seiner Lizenzen verliefen problemlos.

Shura machte einen Fehler. Als ihm zu Beginn die Lizenz ausgestellt wurde, gab es ein Handbuch aller Vorschriften und über die Jahre ging er seiner Arbeit wie gewohnt nach, ohne darauf zu achten, ob neue Vorschriften hinzugekommen waren.Weil seine Lizenz jedes Jahr erneuert wurde, nahm er an, dass die DEA ihn darüber in Kenntnis setzen würde, wenn es irgendwelche Änderungen geben würde, über die er sich bewusst hätte sein sollen. Im Rückblick gesehen, war das naiv. Wie wir später erfuhren, erwartete die DEA von dem Verantwortlichen eines jeden Labors sie danach zu fragen, sich aktiv danach zu erkundigen, ob neue Vorschriften in Kraft getreten sind.

Aber dennoch würde man denken, dass die ausführenden Agenten sich bestimmt über die neuen Regeln und Vorschriften bewusst sein würden und folglich Shura über deren Existenz hinweisen würden. Das würde sich auch im Angesicht der Überprüfung dieser neuen Vorschriften ganz natürlich ergeben. Dennoch taten sie es nicht.

Es gab einen weiteren Grund für Shuras fehlende Neugier bezüglich der möglichen, neuen Vorschriften, die sich auf seine Lizenz auswirken. 30 Jahre lang war der Verwalter der DEA Western Laboratories, Paul Freye, einer der besten und engsten Freunde von Shura. Paul kam gelegentlich gerne am Sonntag bei ihm vorbei, um in Shuras Labor herumzublödeln. Er war von der Chemie der Psychedelika fasziniert; er war auch, laut eigener Angaben, »ein Hosenscheißer, wenn es darum geht eine dieser Substanzen meinem Körper zuzuführen; mir fehlt dazu einfach der Mut.« Wir kamen nie auf die Idee, es ihm dennoch vorzuschlagen, weil alle wussten, dass es Pauls Position bei der DEA unmöglich für ihn machte, irgendetwas zu schlucken, das auch nur im Ansatz etwas mit psychedelischen Drogen zu tun hatte, ganz egal ob das legal war oder nicht.

Über die Zeit ihrer Freundschaft, war Paul unzählige Male in unserem Haus und in Shuras Labor. Er bekam die anonymen Drogenproben zu Gesicht, die via Post zur Analyse ins Haus kamen. Shura nahm die meisten davon nicht einmal in die Hand, da er eine solche Arbeit nicht für jemanden, den er nicht kannte, machen wollte. Die Briefumschläge mit den Proben waren auf Haufen gestapelt und setzten Staub an. Mehrere Stapel türmten sich in Shuras Büro und weitere befanden sich in einem ehemaligen Schlafzimmer, welches inzwischen zum Labor umfunktioniert war, in dem sich Shuras IR (Infrarot) und NMR (nuklear-magnetische Resonanz) Maschinen sowie Regale mit Aufnahmen – geschäftliche und musikalische – befanden.

Unter den Proben, die er zu Analysezwecken erhalten hatte (um ein Beispiel zu geben), war eine kleine Menge einer Droge, die ein Forscher auf einer Rave-Party gefunden hat. Dieser Forscher führte eine von der Regierung beauftragte Studie zum Thema Rave Dances durch. Einem solchen Forscher wäre dann berichtet worden, dass es sich dabei um XTC oder eine andere illegale Droge handeln würde. Er wüsste dann, dass er diese Probe an Shura schicken könnte, um auf Nummer sicher zu gehen. Indem Shura seine Forschung so betrieb, konnte er seine Daten anhäufen und seine Manuskripte schreiben, ohne Schwierigkeiten mit der DEA zu bekommen – er sparte sich somit die Meldung, all der Namen der jungen Menschen, die sich auf solchen Veranstaltungen herumtreiben und ihm Proben geben würden (unnötig zu erwähnen, aber das hätte seine eigene Forschung begraben, ganz zu schweigen von dem Ärger, den die jungen Raver erfahren hätten müssen). Shura schätzte die Analyse einer solchen Probe wahrscheinlich deswegen als lohnend ein, weil er dadurch Informationen aus dieser Szene bekommen konnte.

Shura hatte immer geglaubt, dass seine Lizenzen ihm erlaubten Analysen zu machen und darunter fallen dann Analysen anonymer Proben und Proben zu Forschungszwecken. Vielleicht hat unser DEA Freund Paul das auch geglaubt. Doch einmal kam er an dem kleinen, staubigen Haufen in dem ehemaligen Schlafzimmer vorbei und merkte an: »Weißt du, diese Schätzchen könnten dir mehr Ärger einbringen, als sie wert sind; es würde nicht schaden sie alle zu vernichten.« Shura hatte die Worte nicht wirklich gehört, seine Konzentration war auf eine spannende Entwicklung im Labor gerichtet, die er seinem Freund zeigen wollte und so war die höfliche Warnung bald vergessen.

Shura ist ein großartiger Wissenschaftler, nicht aber ein großartiger Haushälter. Ein paar kleine Gläschen mit fragwürdigem Material – welches auf eine Analyse oder den Rauswurf wartete – könnten sich auf dem Aktenschrank hinter den gestapelten Kopien verstecken, oder vielleicht hatte er ein paar Proben in einem Schuhkarton verstaut, den er wiederum in den Raum mit dem Infrarot-Gerät, genannt Basement Four, gestellt hatte. In unserem Haus lebten keine Kinder und das Arbeitszimmer und Basement Four waren während jeder Party, die auch Kinder ins Haus bringen konnten, abgesperrt und somit Tabuzone. Die einzigen Menschen, die ab und an bei uns waren (abgeshen von uns selbst), waren Freunde und verlässliche Bekannte und keiner unter ihnen würde ohne Shuras Wissen ins Labor gehen oder staubige, kleine Umschläge mit Fragezeichen in Shuras Büro aufheben oder auch nur in einem anderen Zimmer irgendein Gefäß mit chemischen Symbolen darauf berühren. Unsere Freunde sind weder Schnüffler noch Idioten.

Als Shura, noch lange bevor ich ihn kannte, ein Paket mit drei Peyote Kakteen von einem Priester der Native American Church erhalten hatte (quasi als Geschenk von Schamanen zu Schamane), zeigte sich Paul erfreut. Er wusste, dass Shura den Göttlichen Kaktus aufgrund seiner Lizenzen besitzen durfte. Ihm war auch bekannt, dass Shura davon träumte, den Peyote eines Tages zu zerlegen, um schließlich die unzähligen Alkaloide dieser Pflanze ausfindig zu machen, die noch nicht – bis zum heutigen Tag – identifiziert waren. Shura drückte sich in einem Brief an einen Freund wie folgt aus:

»Der Großteil der Alkaloide wurde tatsächlich ausgiebig analysiert. Meine Hoffnung bestand vielmehr darin, ob eines meiner synthetischen Meskalinanalogen, wie beispielsweise ein Methoxy-Methylendioxy-Phenylethylamin oder der logische, biosynthetische Vorläufer der bekannten, aktiven Komponenten wie Hordenin, Lophophorin und Peyophorin, ebenfalls in diesem Kaktus enthalten waren. Im Grunde habe ich es eher aufgrund einer Vermutung Lophophorin genannt, denn ich bin davon ausgegangen, dass es in geringen Mengen darin enthalten sei. Zusammen mit der Probenreferenz und einem verlässlichen Extrakt aus dem Kaktus, wäre die Entdeckung dieses Umstands ein Leckerbissen.«

Bis es so weit war, standen die schönen, hellgrünen Kakteen in roten Planzkübeln an der Hauswand auf der Veranda und bekamen über die Jahre, neben Wasser, gelegentlich ein paar nette Worte zu hören.

Paul lud Shura mehrere Male nach San Francisco ein, um mit den Chemikern der DEA über psychedelische Drogen zu sprechen. In Shuras Arbeitszimmer hing an der Wand ein Foto, auf dem er zu sehen war, wie er die Hand von Paul schüttelte, während er eine Gedenktafel in der Hand hielt, die »Dr. Alexander Borodin, in Gedenken an Ihren beträchtlichen, persönlichen Einsatz im Kampf gegen den Drogenmissbrauch« gewidmet war. Die bronzene Auszeichnung, datiert auf das Jahr 1973, war mit zwei Gravuren versehen; oben stand Department of Justice (Justizministerium) und unten Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs (zu deutsch etwa: Behörde für Betäubungsmittel und Gefährliche Drogen)2, aus der die jetzige DEA entstand. Auf dem Foto trugen sie beide Vollbart und einen dunklen Anzug samt Krawatte und schauten in angemessener Strenge drein.

Neben jener Auszeichnung hing eine zweite, die er fast zehn Jahre später von Paul, der kurz darauf in Rente ging, im Auftrag der DEA verliehen bekam: »In Anerkennung der wertvollen Beiträge von Dr. Alexander Borodin für die Western Laboratories«. Shura gab mir gegenüber zu, dass er sich alles andere als sicher darüber war, warum man ihm diese Auszeichnungen verliehen hatte, aber ich denke, dass es sich dabei um Danksagungen handelt, die sich auf seine wissenschaftliche Rechtschaffenheit beziehen und auf seinen beständigen Einsatz auf dem Gebiet der psychedelischen Drogen für Erhellung zu sorgen, ganz gleich ob es um deren Chemie oder um deren Effekte ging, ganz gleich ob es sich bei den Interessenten um die Regierung oder um einen beliebig anderen Menschen handelte.

Paul trat als Pfarrer im Amt der Universal Life Church an unserer Hochzeit auf, die im Garten hinter unserem Haus stattfand. Ein Jahr später heiratete er eine kleine, blonde DEA-Agentin. Elena war süß, abgeklärt und von Grund auf ehrlich. Ihre Zeremonie fand ebenfalls in unserem Garten statt. Die Farm – so nannten wir das Anwesen – war überflutet mit Chemikern und Agenten der DEA und so führte Shura sie allesamt durch unser altes Haus und anschließend durch das legendenumwobene Labor, mit all den delikaten, langbeinigen Spinnen und den getrockneten Blättern, die über viele Winter hinweg durch unzählige Windböen im Labor gelandet waren. Neben anderen Eindrücken bekamen die Besucher wenige Meter entfernt vom Labor die Sickergrube zu sehen. Dabei handelt es sich um ein vor Jahrzehnten von Shura ausgehobenes Loch, welches mit Ziegelsteinen ausgekleidet war. Inzwischen ist es fast bis oben hin mit Erde gefüllt. Einst entsorgte er dort die gelegentlichen Topfrückstände (so nannte er das) und verunreinigte Lösemittel – also all die Dinge, die nicht ohne weiteres im offenen Kamin des Labors verbrannt werden konnten.

Etwa zwei Jahre nach Pauls Renteneintritt, wurde unser Buch PiHKAL publiziert. Die erste Hälfte des Buchs handelt von Shuras und meinen Geschichten, insbesondere die unserer früheren Jahre und unserer schwierigen Beziehung. Dabei schrieben wir jeweils aus unserer eigenen Warte, jeder für sich. Es ging uns um einen möglichst authentischen, dem Geschehen nahekommenden Gesamteindruck. Einige der psychedelischen Passagen waren fiktiv, doch basierten sie alle auf unseren Erfahrungen, die wir in den 1960er Jahren gemacht hatten und auf unsere Forschung, die wir vor der Verabschiedung der Gesetzesänderung über Analoge Drogen im Jahre 1986 gemacht hatten. Diese Änderung legte derartige Erforschungen in diesem Land ziemlich effektiv auf Eis.

Dieser Teil des Buchs war ohnehin schon kontrovers genug, denn es ist darin die Rede von Verletzungen der persönlichen Freiheitsrechte durch den sogenannten War on Drugs. Die Argumentationslinie verläuft entlang dem individuellen Recht des Einzelnen, Geist und Seele auf jede beliebige Art und Weise zu erkunden – vorausgesetzt, dass man dabei nicht die Rechte eines anderen Menschen einschränkt.

Dennoch war es der zweite Teil des Buches, der an gewissen Orten zu schockartigen Reaktionen führte. Es war für eine Epoche in der Zukunft geschrieben, in der die Vernunft (so hoffen wir inbrünstig) die ekelhafte Mentalität eines Polizeistaates ersetzt hat, die sich in diesem Land mit rasanter Geschwindigkeit ausbreitet. Dieser zweite Teil bestand aus 179 Syntheserouten, mit denen man psychedelische Drogen herstellen kann. Stilistisch gesehen waren diese Routen an das ehrwürdige Journal of Medicinal Chemistry angelehnt und so würden diese überwiegend von professionellen Chemikern verstanden werden. Darüber hinaus finden sich darin Kommentare unbekannter Personen, die über die Wirkungen jeder dieser Drogen bei unterschiedlichen Dosierungen schreiben.

Als uns das fertiggestellte und publizierte Buch vorlag, verteilte Shura kostenlose Ausgaben an alle Chemiker der DEA, die er aus unterschiedlichen Laboren im ganzen Land kannte. Er erklärte ihnen, dass jenes Buch eine wertvolle Referenz für sie sein könnte. Sofort wurde es genauso verwendet und es ist wahrscheinlich, dass viele dieser Chemiker nie dazu gekommen sind die erste Hälfte zu lesen. Folglich ist ihnen auch die Begeisterung des ersten Teils entgangen, auf welche sie im zweiten, technischen Teil nur schwer hoffen konnten.