Tod auf der Stallgasse - Pfridolin Pferd - E-Book

Tod auf der Stallgasse E-Book

Pfridolin Pferd

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Beschreibung

Was haben ein toter Nikolaus, der Vorsitzende des Kaninchenzüchtervereins und ein lispelndes spanisches Mähnenwunder gemeinsam? Ganz zu schweigen von einer geheimnisvollen Spionin und einem Seriendieb, der sich bevorzugt auf dem Meisenwalder Weihnachtsmarkt betätigt. Diese Frage stellen sich nicht nur Dana und Guntram, während sie sich auf die jährliche Weihnachtsquadrille vorbereiten - die eine praktisch, der andere mental. Denn die eigentlichen Ermittlungen führt Pfridolin, Danas Pferd, das ihr nach eigener Ansicht intellektuell haushoch überlegen ist. Unterstützt wird der bescheidene Fast-Hengst von Tinker Faxe und einem spanischen Mähnenwunder, mit dessen Erziehung sich Pfridolin zusätzlich herumplagen muss. Ein neuer Meisenwaldkrimi aus der Feder von Hobby-Ermittler und -Literat Pfridolin Pferd. Mit dabei: die kleinkriminellen Minishetties und Pfridolins On-Off-Freundin Else.

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Was haben ein toter Nikolaus, der Vorsitzende des Kaninchenzüchtervereins und ein lispelndes spanisches Mähnenwunder gemeinsam? Ganz zu schweigen von einer geheimnisvollen Spionin und einem Seriendieb, der sich bevorzugt auf dem Meisenwalder Weihnachtsmarkt betätigt.

Diese Frage stellen sich nicht nur Dana und Guntram, während sie sich auf die jährliche Weihnachtsquadrille vorbereiten – die eine praktisch, der andere mental. Denn die eigentlichen Ermittlungen führt Pfridolin, Danas Pferd, das ihr nach eigener Ansicht intellektuell haushoch überlegen ist. Unterstützt wird der bescheidene Fast-Hengst von Tinker Faxe und einem spanischen Mähnenwunder, mit dessen Erziehung sich Pfridolin zusätzlich herumplagen muss. Ein neuer Meisenwaldkrimi aus der Feder von Hobby-Ermittler und -Literat Pfridolin Pferd. Mit dabei: die kleinkriminellen Minishetties und Pfridolins On-Off-Freundin Else.

Der Autor

Pfridolin Pferd ist ein Freizeitpferd, mit Betonung auf Freizeit. Wenn er nicht gerade schreibt oder ermittelt, schleppt er seine Besitzerin herum und bemüht sich um ein Liebesleben.

Weitere Bücher von Pfridolin Pferd:

Meisenwald-Krimis: Tod im Misthaufen ∙ Tödlicher Tierarzttermin ∙ Tödliche Traversale

Geschichten vom Pferd: … und ich dachte, Reiten kann man lernen ∙ Immer noch keine Piaffe

Für die Pferde und für die, die sie lieben! Und für das beste Pony von allen.

Anmerkung: Dieses Buch ist ein Roman, und möglicherweise neigt Pfridolin darin zu Übertreibungen. Auch wenn es hie und da so scheinen mag, als wären Minishetties unkaputtbar und könnten alles essen – der Eindruck trügt. Minishetties können, genau wie alle anderen Ponies, Koliken und Hufrehe bekommen und sind beim Futter genauso empfindlich wie jedes größere Pferd, wenn nicht sogar noch empfindlicher. Was aber stimmt: Minishetties sind wahre Entfesselungskünstler, brauchen sehr spezielle Zäune und können ganz wunderbar abhauen. Also Obacht!

Die Hauptdarsteller:

Pfridolin

Der Star. Mit anderen Worten: ich. Von Beruf bin ich Freizeitpferd, mit Betonung auf Freizeit.

Faxe

Ein Tinker. Mein bester Freund, außer, wenn er andere Ideen hat als ich.

Else

Eine große, starke Stute, mit der mich eine dynamische On-Off-Beziehung verbindet. Oder eben nicht.

Lucero, genannt Lutschi

Das minderjährige spanische Mähnenwunder, das uns zugelaufen ist.

Companero

Das andere spanische Mähnenwunder, das schon länger hier wohnt. Gebürtig aus Wanne-Eickel.

Konrad

Sportskanone. Unser Totilas für Arme.

Blacky

Ein weißes Mini-Shetty mit kriminellen Neigungen.

Bella

Seine Freundin. Mit ähnlichen Interessen. Ebenfalls ein Mini-Shetty.

Blondie

Ein Schwarzwälder Fuchs. Das ist so ähnlich wie Haflinger, nur doppelt so viel.

Donnyboy

Deutsches Reitpony. Lieb und sportlich.

John-Boy

Der Senior. Stark an den Meedchen interessiert.

Stuti

Möglicherweise meine Ex-Freundin. Aus den Frauen wird man ja nie so richtig schlau.

Peppy

Rasant schicke Quarter-Horse-Stute mit schlechtem Geschmack, denn sie ist lieber mit Faxe zusammen als mit mir.

Ginger

Noch eine Quarter-Horse-Stute, die eine führende Rolle in der Weihnachtsquadrille spielt.

Auch wichtig:

Dana

Die Frau. Meine sogenannte Besitzerin.

Melanie

Faxes Besitzerin. Danas Freundin.

Felix

Melanies Freund. Ihm gehört die schöne Peppy.

Björn

Elses Besitzer. Von Haus aus Bestatter.

Erwin

Blondies Besitzer. Handwerker und besonders tierlieb.

Fenja

Sechzehn und mit einer rabenschwarzen Seele ausgestattet. Donnyboys Besitzerin.

Lissy Langhoff

Die sportliche Besitzerin vom Sportskanone Konrad.

Mike Kampmann

Hufschmied

Marie

Companeros Besitzerin

Ursel

Wirtin. Betreibt die Gaststätte „Bei Ursel“. Ihr Hinterzimmer ist der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Meisenwald.

Erika

Erika gehört der Meisenwalder Supermarkt.

Und die Polizei:

Polizeioberkommissar Guntram Fritz

Der Mann. Ist uns vor einiger Zeit zugelaufen und fühlt sich da anscheinend ganz wohl.

Polizeiobermeister Siggi Wollmeier

Rumpelstilzchen und er haben viel gemeinsam. Kann seinen Chef nicht leiden.

Polizeikommissarin Susanne Bremer

Guntrams Ex-Freundin. Kann ihren Chef nicht leiden, siehe oben.

Polizeikommissaranwärter Jonas Schöller

Der ewige Azubi.

Inhaltsverzeichnis

Die Leiche Freitag, der 6.12.

Was davor passierte: Mittwoch, der 27.11.

Donnerstag, der 28.11.

Freitag, der 29.11.

1.12. Sonntag, erster Advent. Im Adventskalender: Ein Tannenbaum.

Montag, 2.12. Im Adventskalender: Ein Stern.

Dienstag, der 3.12. Im Adventskalender: Ein undefinierbarer Kringel. Eine Metapher auf mein Leben, befürchtet Dana.

Mittwoch, der 4.12. Im Adventskalender: Ein Schaf.

Freitag, 6.12. Im Adventskalender: Ein Stiefel.

Samstag, 7.12. Im Adventskalender: Ein Schlitten.

Sonntag, 8.12. Zweiter Advent. Im Adventskalender: Ein Schaukelpferd.

Dienstag, der 10.12. Im Adventskalender: ein Rentier.

11.12. Mittwoch. Im Adventskalender: Eine Trompete.

Dienstag, der 17.12. Im Adventskalender: Eine Lokomotive.

Freitag 20.12. Im Adventskalender: Ein Pilz.

22.12. Sonntag, 4. Advent. Im Adventskalender: Ein Haus.

23.12. Montag. Im Adventskalender: Ein Eichhörnchen.

Dienstag, 24.12. Im Adventskalender: Ein Weihnachtsmann

Mittwoch, der 25.12.

Die Leiche Freitag, der 6.12.

„Wo ist eigentlich meine Mistgabel hin?“, fragte Dana und sah sich suchend auf der Stallgasse um. An allen Boxentüren hingen kleine rote Filzbeutel, die mit Plätzchen und Pferdeleckerli gefüllt waren, denn es war Nikolaus.

„Wieso deine?“, erkundigte sich Melanie, die gerade Faxes Box ausmistete.

„Na die, die ich immer benutze. Bei den normalen sind die Abstände zwischen den Zinken so groß, da fällt alles durch. Meine hat sechs Zinken, die eng beieinanderstehen. Das ist viel praktischer. Und die steht sonst immer hier.“

„Ah, die Silogabel. Keine Ahnung, wo die ist“, kommentierte Melanie, aber Dana hörte sie nicht mehr. Sie war mit dem Freudenschrei „HIER steckst du also!“ hinter einen großen Strohballen gesprungen, der beim Einstreuen übriggeblieben war und nun den Putzplatz blockierte.

Dort steckte tatsächlich ihre Mistgabel. Beziehungsweise Silogabel.

Und zwar im Bauch einer Leiche, die mit einem Nikolauskostüm bekleidet war.

Dana wechselte die Gesichtsfarbe und wurde ohnmächtig.

Melanie wunderte sich über die plötzliche Stille und das dumpf polternde Geräusch. „Alles ok bei dir?“ Als sie keine Antwort erhielt, ging sie nachsehen. Ihre Freundin lag bewusstlos auf dem Nikolaus, der schon deshalb nicht mehr am Leben sein konnte, weil ihm eine Mistgabel im Bauch stak. Aus der Nikolauskutte ragten Männerbeine in Jeans hervor. Das beruhigte Melanie etwas. Wenigstens ist es nicht der richtige Nikolaus, sondern nur ein verkleideter Mensch, dachte sie. Dann atmete sie kurz durch, sammelte sich und stellte bei der Gelegenheit fest, dass sie a) einen robusten Magen und b) bessere Nerven als Dana hatte. Vorsichtig bewegte sie die Ohnmächtige von der Leiche herunter, zog den weißen Rauschebart zur Seite, musterte kurz das Gesicht des Toten („Hubert. War ja klar, dass das mit dir mal so enden würde.“) und bettete Dana in eine stabile Seitenlage, bevor sie ihr Handy aus der Tasche zog und 112 wählte. „Und bitte zum Krankenwagen auch die Polizei, hier liegt nämlich eine Leiche!“

„Für Leichen sind wir nicht zuständig“, quäkte es aus dem Handy.

„Sie lebt schon noch“, erklärte Melanie, die Danas Atmung kontrolliert hatte.

„Gerade war’s aber eine Leiche“, war die misstrauische Antwort.

„Ja, schon auch.“

„Wie auch? Man ist entweder tot oder nicht.“

„Ich hab hier aber beides!“

„Sagen Sie mal, wollen Sie mich veraschen? Beides geht nicht. Ent-we-der tot o-der le-ben-dig“, erklärte der Mann in der Leitstelle in seiner So-spreche-ich-mit-den-Dummen-Tonlage.

„Ich ha-be hier eine Lei-che und au-ßer-dem ei-ne bewusst-lo-se Per-son“, giftete Melanie ins Telefon.

„Ach so. Entschuldigung. Ogottogott, wie peinlich. Wo müssen wir denn hin?“

Melanie gab die Adresse des Petershofs durch und sah sich erst einmal gründlich um.

Was davor passierte: Mittwoch, der 27.11.

Im Polizeirevier

„Männer, wir haben etwas Wichtiges zu besprechen!“ Polizeioberkommissar Guntram Fritz sah sein Team mit festem Blick an.

„Wie wir endlich den Taschendieb fangen, der unser schönes Meisenwald seit Wochen terrorisiert?“ Polizeiobermeister Siegfried Wollmeier guckte aufmüpfig zurück. „Wenn wir uns an meine ausgeklügelte Ermittlungs- und Überwachungsstrategie gehalten hätten, hätten wir den längst festgenommen.“ Was Wollmeier so erzürnte, war die Tatsache, dass in Meisenwald seit Wochen ein Taschendieb umging, der die Bevölkerung höchst erfolgreich um diverse Kleingegenstände erleichterte. Angefangen mit Portemonnaies und Handys, schreckte er auch vor Butterbroten und anderen Nahrungsmitteln nicht zurück und hatte Wollmeier sogar einen Frühstücksapfel gestohlen.

„Wollmeier, ihr Ehrgeiz in allen Ehren, aber den Einsatz der GSG 9 und der Anti-Terror-Einheiten hätte uns niemand genehmigt. Nein, ich spreche von unserer diesjährigen Weihnachtsfeier. Dafür habe ich mir etwas ganz Besonderes ausgedacht. Jonas, du brauchst gar nicht so zu gucken.“ Letzteres war an Jonas Schöller, den ewigen Azubi, gerichtet. Nach gefühlt endlosen Jahren auf der Polizeischule stand er nun kurz vor der Prüfung.

„Wir werden nämlich“, fuhr Guntram Fritz fort, „gemeinsam mit der Meisenwalder Stadtverwaltung im Rathauskeller feiern.“

„Nicht hier im Präsidium? Die Weihnachtsparties sind legendär!“ Jonas war enttäuscht. Auch bei POM Wollmeier regte sich Unmut. „Im Meisenwalder Rathaus? Ausgerechnet!“

„Ich habe das im Interesse des verkehrssicheren Heimwegs so eingefädelt. Das Präsidium ist, wie wir alle wissen, in Hahnefeld – also zehn Kilometer von Meisenwald entfernt, wo, wie wir ebenfalls wissen, wir alle wohnen.“

„So, Sie halten uns also für Alkoholiker, die ihr Verhalten nicht unter Kontrolle haben? Sauber. Ich mache jetzt einen Eintrag in mein Mobbing-Tagebuch“, informierte Wollmeier seinen Vorgesetzten.

„Wenn es Ihnen Freude macht“, erwiderte Guntram müde. Das schon immer schwierige Verhältnis zwischen ihm und Wollmeier hatte sich in der letzten Zeit nicht gerade verbessert. Wollmeier hatte seine sensible Seite entdeckt und fühlte sich immer dann gemobbt, wenn Guntram eine Entscheidung traf, die nicht in Wollmeiers Sinn war, angefangen vom falschen Einsatzort („Zu weit weg“) über den falschen Zeitpunkt zum Zugriff („Jetzt grad nicht, ich wollte Pause machen“) bis hin zur falschen Ermittlungstaktik („Gerade keine Lust auf Observieren“).

Guntram räusperte sich. „Ach, noch was. Hätte ich fast vergessen. Wir ziehen um. Dienstlich. Und zwar“ – er machte eine Pause, um die Spannung zu erhöhen – „nach Meisenwald. Weil die Kriminalität in Meisenwald so zugenommen hat, bekommen wir dort unsere eigene Polizeiwache. Die Räumlichkeiten befinden sich im Neubauviertel an der Meise und sind so gut wie bezugsfertig. Es müssen nur noch die Elektro-Installationen gemacht werden.“ Er sah in die langen Gesichter seiner beiden Zuhörer. Begeisterung sah anders aus.

„Ausgerechnet im Neubauviertel“, meckerte Wollmeier. „Das liegt total ungünstig für mich! Und Geschäfte gibt’s da auch keine!“

„Die brauchen Sie auch nicht, weil Sie da arbeiten und nicht einkaufen sollen.“

„Und in der Mittagspause? Na? Was ist mit der Mittagspause? Und nach Feierabend? Sollen wir da an Unterernährung zugrunde gehen? Sie, ich sag Ihnen was: Der Dienstherr hat eine Fürsorgepflicht. Der muss sich darum kümmern, dass die Beamten vernünftig versorgt sind!“

Guntram wies darauf hin, dass Wollmeier wahrscheinlich nicht an Auszehrung zugrunde gehen würde und wandte sich Jonas zu, solange der untersetzte Polizeibeamte noch wütend schnaufte und nach weiteren Argumenten suchte.

Jonas vermeldete traurig: „Hier ist es doch viel schöner. Und die Kantine ist super.“

„Und ordentliches Klopapier gibt es auch!“, warf Wollmeier ein, der sich nach Dienstschluss gern mal eine Rolle davon mit nach Hause nahm - mit der Begründung „Ein Beamter ist immer im Dienst“.

„Wir bekommen einen Sozialraum und können uns da selbst was kochen. Und Toiletten gibt’s auch. Und Klopapier sowieso“, erwiderte Guntram aufmunternd. Jonas und Wollmeier schienen nicht überzeugt, beließen es aber dabei.

Es klopfte. Guntram zuckte schuldbewusst zusammen. Noch etwas, das er „vergessen“ hatte. „Komm rein, Susanne!“

Eine große, blonde Frau betrat den Raum. Als ihr Blick auf Guntram fiel, verzog sie das Gesicht.

„Darf ich vorstellen – Susanne Bremer, unsere neue Kollegin. Die Personalverwaltung hat uns Verstärkung bewilligt. Frau Bremer wird sich vorerst das Büro mit mir teilen, bis unsere neuen Räume in Meisenwald bezugsfertig sind. Leider“, fügte er hinzu.

„Ich habe es mir auch nicht so ausgesucht“, erwiderte Susanne schlechtgelaunt. „Das war aber leider Gottes die einzige freie und noch dazu halbwegs gut bezahlte Stelle, die in Frage kam. Du könntest doch zu deinen Männern ziehen und ich nehme dein Büro, bis ich dich endgültig ablöse. Nur Spaß“, erklärte sie wenig überzeugend.

„Meine Liebe, natürlich freue ich mich sehr, dass du uns unterstützen wirst. Auch wenn in der Vergangenheit zwischen uns nicht immer alles ideal gelaufen ist, bin ich davon überzeugt, dass wir gut zusammenarbeiten werden.“

„Nicht immer alles ideal – so kann man es natürlich auch nennen, wenn einen der eigene Freund komplett aus seinem Leben streicht und vom Erdboden verschwindet.“ Susanne Bremer zog die Augenbrauen hoch. „Dein Optimismus in allen Ehren.“ Sie setzte sich an den freien Schreibtisch und zog alle Schubladen auf, um ihren Inhalt zu prüfen.

Jonas, der das Geschehen gebannt verfolgt hatte, flüsterte Guntram ins Ohr: „Das ist doch ihre Ex, oder, Chef?“

„Ja, zum Glück“, flüsterte Guntram zurück.

„Ich kann dich hören, mein Schatz“, kommentierte Susanne. Und ich weiß auch, dass meine Nachfolgerin nichts von mir weiß, denn der gegenüber hast du behauptet, ich wäre „eine Freundin und gute Kollegin“, und da hatten wir schon drei Jahre Beziehung hinter uns. Bis zu diesem finalen Telefongespräch, bei dem du mal wieder „rein zufällig“ in diesem Reitstall aufgeschlagen bist. Die Welt ist sehr, sehr klein, und man begegnet sich immer zweimal. Mindestens. Also zieh dich schon mal warm an. Und deinen Job kannst du vergessen, das ist ab sofort meiner. Kein Scherz.

„Jetzt, wo wir alles geklärt haben, können wir uns ja um unseren eigentlichen Job kümmern – Verbrecher fangen.“ Guntram rieb sich voller Vorfreude die Hände. „Komm, Jonas, wir fahren nach Meisenwald und kümmern uns um den Taschendieb. Wollmeier, Sie haben Telefondienst und kümmern sich um Susanne.“ Motivieren kann ich, dachte Guntram. Und jetzt nix wie weg hier.

***

Später auf dem Petershof

Die Spiegel in der Reithalle waren beschlagen. Acht Pferde trabten zum Klang von Jingle Bells paarweise nebeneinanderher. Die Reiter bemühten sich, die Pferde auf gleicher Höhe zu halten, ohne dass die sich angifteten oder sonst was anstellten. Es war ungewöhnlich kalt für November. Die Atemluft kondensierte zu kleinen oder größeren Wölkchen. Kiki Peters, die Reitlehrerin, stand warm eingepackt in der Bahnmitte und versuchte, aus dem Gewusel eine Weihnachtsquadrille zu formen. Ihren Eltern gehörte der Petershof. Sie nickte zufrieden. Bis jetzt waren noch alle am Leben, also insoweit Ziel erreicht.

Die Reiter guckten nicht ganz so entspannt, denn die Kälte und der Glöckchenklang, der aus den Lautsprechern drang, übten eine sonderbar belebende Wirkung auf die Pferde aus. Pferd Nummer Neun, ein Tinker, der allein den Abschluss der Abteilung bildete, hatte eine spontane Galoppeinlage eingelegt und setzte gerade zu einem Bocksprung an. Seine Reiterin verfiel in gotteslästerliches Fluchen, das man problemlos hinter der Glasscheibe des Reiterstübchens und wahrscheinlich auch noch in der nächsten Ortschaft hören konnte. Wer hätte gedacht, dass mein Kumpel Faxe solche Energiereserven hat. Es musste die Glöckchen-Musik sein, die ihn – und mich – langsam in den Wahnsinn trieb.

Bei mir kam allerdings noch mein unsäglicher Quadrillenpartner dazu. Von allen Nervensägen auf der Welt musste es ausgerechnet Konrad sein, der neben mir her trabte und mir meinen ohnehin schon ziemlich ausgefransten Geduldsfaden abknipste. Konrad, der Sport-Crack und mein aktueller Lieblingsfeind. Kiki hatte uns zwangsverpartnert und jetzt nutzte er jede Gelegenheit, mir auf den Senkel zu gehen. Weshalb ich alles daran setzte, dass es nicht so blieb und aktiv unsere baldige Trennung betrieb.

„Und dann hab ich ihr vom letzten Turnier erzählt. Das war was anderes als das Dicke-Männer-Ballett hier“, schwafelte die sportliche Hohlfritte gerade.

Ich schnaufte verärgert und versuchte, ihn zu beißen. Mist, daneben.

„Da sind wir nämlich nur so geschwebt. Wir alle. Ich konnte es natürlich am besten. Und dann hab ich ihr noch was vom letzten Turnier erzählt. Und dann hab ich ihr von den Pokalen erzählt, die ich schon gewonnen habe. Erst den einen, dann den anderen. Und dann noch ganz viele“, machte er weiter und ich hasste ihn dafür, dass er gleichzeitig laufen und sprechen konnte. Aber er war noch nicht fertig: „Und dann hat sie mich angeguckt. Und dann hab ich ihr meine Muskeln gezeigt.“

„Hast du ihr auch erzählt, dass die Stallkatze in deine Pokale gekotzt hat?“, warf ich ein.

Konrad guckte konsterniert und blieb stehen. Ätsch.

„Weiterreiten, weiterreiten!“, rief Kiki. „Immer schön gleichmäßig neben eurem Partner bleiben. Los, Konrad!“ Der setzte sich widerstrebend in Bewegung. In der nächsten Ecke schnappte ich gleich noch mal nach ihm. Konrad quiekte empört und beschleunigte.

„Nein, nein, nein, nein, nein“, rief Kiki. „In den Ecken geht das innere Pferd ein bisschen langsamer und das äußere Pferd ein bisschen schneller, so dass ihr immer Steigbügel an Steigbügel bleibt.“

„Von wegen Steigbügel. Eher Knie an Knie. Aua“, meckerte meine Reiterin. „Muss das so kuschelig eng sein, Lissy?“

„Wegen mir nicht. Ich weiß auch nicht, was die Pferde heute haben“, ächzte Elisabeth Langhof alias Lissy, Konrads Reiterin.

„Dann halt doch einfach mehr Abstand. Ich kann ja nicht ausweichen, weil neben mir die Bande ist.“

Mit Bande ist übrigens die Holzumrandung innerhalb der Reithalle gemeint und keine kriminelle Vereinigung.

„Stimmt“, stellte Lissy fest und lenkte Konrad etwas weiter ins Bahninnere.

Ich schloss mich versuchsweise an. Zum einen wollte ich Konrad in meiner Reichweite haben, falls weitere Züchtigungen erforderlich waren, zum anderen langweile ich mich schnell und bin immer für Abwechslung. Konrad wich immer weiter in Richtung des Bahninneren aus, aber mir konnte er nicht entkommen. „Schätzelein, wir bleiben schön zusammen. Heute ist Männerballett, ob du willst oder nicht.“ Herrlich, dieses kultivierte Reiten. Genau mein Ding.

***

Währenddessen in Meisenwald

Jonas Schöller traute seinen Augen nicht. „Gucken Sie mal, Chef! Da hinten!“

„Was? Wo?“ Guntram drehte sich um und spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Richtung, in die sein Azubi wies.

Sie waren auf der Parkstraße, dem Meisenwalder Hotspot für Dinge und Dienstleistungen, die käuflich zu erwerben waren, und standen zwischen Erikas Supermarkt und Wolles Getränkehandel. Erika hatte ihnen gerade einen Kaffee („Koffeinfrei, wegen der Gesundheit!“) und ein Gespräch aufgenötigt, in dem sie beiden mitteilte, wie sicher sie sich dank der Polizeipräsenz fühle. „Und ganz ehrlich, bei mir im Laden ist noch nie was weggekommen. Aber auf dem Parkplatz hat der Taschendieb schon zugeschlagen!“

Guntram und Jonas hatten überlegt, woran das wohl liegen könnte. „Vielleicht hält sich der Taschendieb nicht gern in geschlossenen Räumen auf? Das kann sogar krankhaft sein. Wie heißt das noch – Platzangst?“

„Mein Onkel Karl hatte das auch mal“, überlegte Erika. „Immer vor Familienfeiern. Sonst nie.“

„Komisch“, meinte Guntram. „Aber vielleicht ist das ein Ermittlungsansatz. Wenn wir ein Persönlichkeitsprofil des Täters erstellen, kommt das auf jeden Fall mit rein.“

„Ist das dieses Profeiling? Das ist ja wie im Fernsehen“, freute sich Erika und sprach das neudeutsche Wort gekonnt aus. „Noch einen Kaffee?“

„Ja, unser Azubi hier“ - Jonas reckte sich stolz – „lernt sowas an der Polizeischule.“

Jonas, der selten im Mittelpunkt stand, fühlte sich verpflichtet, etwas klarzustellen: „Polizeischule heißt es eigentlich auch nicht mehr, sondern Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung. Und da bin ich kein Azubi, sondern Student. Und gleichzeitig Kommissar-Anwärter. Und Profiler heißt es auch nicht, sondern Fallanalytiker.“ Er beeilte sich hinzuzufügen: „Obwohl der Chef sonst natürlich mit allem recht hat!“

„Ja genau“, bestätigte Guntram, an dem diese linguistischen Informationen weitgehend abprallten. „Also der Jonas studiert das sehr erfolgreich und lernt eben auch Profeiler, was uns allen noch sehr nutzen wird. Vor allem bei einem Serientäter wie dem hier.“

Und genau in diesem Augenblick hatte Jonas das rätselhafte Objekt erspäht, auf das er seinen Chef hinwies. „Da, sehen Sie? Gleich neben dem Schuhgeschäft! Sieht aus wie ein kleiner Yeti!“

„Vielleicht ein verkleidetes Kind?“, überlegte Guntram. Das Objekt bewegte sich. Sein kriminalistischer Instinkt wies ihn darauf hin, dass das Objekt auf vier Beinen lief. Aber so große Hunde gibt’s doch gar nicht, oder?

Mittlerweile knabberte das Objekt an einem Deko-Weihnachtsbaum.

„Jonas, wir müssen jetzt sehr stark sein. Ich glaube, das ist ein Pony.“

„Mein Onkel Karl hat auch manchmal Tiere gesehen. Bei dem waren das aber mehr so rosa Elefanten“, erinnerte sich Erika, die die Kaffeebecher wieder einsammelte.

Guntram wischte diese Unterstellung mit einer Handbewegung beiseite. „Guck mal, Erika, das da links ist der Kopf.“

Die Supermarktbesitzerin blinzelte. „Seh ich nicht.“

Auch Jonas konnte seinem Chef nicht folgen. „Sie haben ja Adleraugen! Ich kann da nur einen Mini-Yeti erkennen. Oder einen sehr, sehr großen Hund.“ Wer Profiler werden will, muss sich auch eingestehen, dass es keine Yetis gibt. Da war Jonas ganz Profi.

Der sehr, sehr große Hund naschte weiter Tannenzweige und sah nachdenklich in Jonas‘ Richtung.

Jonas guckte mindestens genauso nachdenklich zurück. „Fressen Hunde eigentlich Tannenzweige?“

„Eher nicht, Jonas“, meinte Guntram und zog sich den Gürtel aus, nicht ohne Erika und Jonas vorher über seine Absichten aufgeklärt zu haben. Prompt kam seine Hose ins Rutschen. Er hielt den Hosenbund mit einer Hand fest und dozierte: „Mit Handschellen kann man so ein Pony nicht dingfest machen, wisst ihr? Kommst du mit, Jonas? Deine Aufgabe ist es, ihm den Fluchtweg zu versperren.“

Blacky sah auf. Immer wird man beim Essen gestört! Das weiße Minishetty rupfte noch ein paar Tannenzweige ab, für unterwegs. Ansonsten war es zufrieden mit sich und dem Tag. Da Blacky ein freier Geist war, hielt er nicht viel von Boxentüren, Weidezäunen oder ähnlichen Hindernissen und wusste sie geschickt zu überwinden. Sein eigentliches Zuhause war der neben dem Petershof gelegene Bauernhof, auf dem ihn allerdings nicht viel hielt. Viel lieber war er auf dem Petershof, wo seine Freundin Bella wohnte und – ein nicht zu unterschätzender Vorteil – die Tür zur Futterkammer leichtgängig war. Und genau dorthin machte er sich nun auf den Weg. Für die beiden Polizisten, die ihn einfangen wollten, hatte er nur einen mitleidigen Blick übrig.

„Jonas, pass auf! Du musst mehr nach rechts…. Nee, nach links.“ Guntram hatte schnell festgestellt, dass mit rutschender Hose keine schnellere Gangart möglich war und sich zünftig auf die Nase gelegt, wobei ihm die Hose bis zu den Knöcheln gerutscht war. Erika bestaunte seine Boxershorts, fand sie modern und aufregend und half ihm hoch. „Alles in Ordnung?“, fragte sie. Die Kaffeebecher hatte sie in den Taschen ihres geblümten Kittels verstaut.

„Ja danke. Ich muss irgendwo ausgerutscht sein. Auf Kopfsteinpflaster passiert das schnell“, wehrte Guntram ihre Fürsorge ab und zog sich schnell die Hose wieder hoch. Danach hatte er sich darauf verlegt, Jonas herumzuscheuchen. Der Junge muss ja schließlich was lernen. „Nun lauf doch schneller! Schade. Fast hättest du ihn gehabt.“

„Das ist ja wie beim Dienstsport“, keuchte Jonas. „Ich krieg ihn einfach nicht, er ist zu fix!“

„Wobei mir das Gesicht des Verdächtigen bekannt vorkommt. Schätze, den sehe ich heute Abend noch mal“, orakelte Guntram. „Lass uns weitergehen, Meisenwald braucht unseren Schutz.“

Blacky sah sich zufrieden um. War gar nicht so anstrengend gewesen. Zufrieden schlenderte er zum Petershof.

***

Wenig später auf dem Petershof

„Hömma, Perle! Du biss ja n doller Brummer. So rund, wiede biss, bisse zum Anbeißen! Somma ma auf Trallafitti, wir zwei Hübschen?“1 Companero, der spanische Schimmel mit der Wallemähne, hatte beschlossen, nicht mehr zu lispeln und statt des falschen spanischen Akzents auf den Slang seiner Heimatstadt Wanne-Eickel zurückzugreifen. Seit der Lutschi, das minderjährige spanische Mähnenwunder, das sich die Frau, meine sogenannte Besitzerin, in einem Anfall geistiger Umnachtung zugelegt hatte, mit seinem echten spanischen Akzent auffiel und somit Companeros exotisches Alleinstellungmerkmal weggefallen war, sah er seine Felle davonschwimmen und beschloss, die holde Weiblichkeit fürderhin mit der kernigen Arbeitersprache des Ruhrgebiets zu beeindrucken. Dann, so sein Gedanke, würden ihm die Frauenherzen nur zu zufliegen. Oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: Bisken wat Dolles musse draufhaben, woll.

Seine Quadrillenpartnerin Else sah das anders und schnaubte indigniert. „Frechheit! Ich bin nicht dick!“

Björn und Marie, die auf Else beziehungsweise Companero saßen, zuckten mit den Schultern. Keine Ahnung, was die Pferde wieder haben, sollte das wohl heißen.

Währenddessen waren Konrad und ich immer noch auf Abwegen und fast bei Kiki in der Bahnmitte angekommen. Ich lächelte sie freundlich an.

Unsere Reitlehrerin wusste das allerdings nicht zu würdigen, sondern schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Dana, Lissy – was soll das denn werden?“

Unsere Reiterinnen holten tief Luft und schüttelten die Köpfe, als ich wieder versuchte, Konrad zu zwicken. Der Kerl ging mir sowas von auf den Geist. Nicht nur, dass er mir die Mädels abspenstig machte, wo er nur konnte. Nein, er hatte auch so eine dummdreiste Art an sich, dass ich fast augenblicklich Plack bekam, wenn ich nur seine blöde Angeberstimme hörte. Tja, was sollte das werden? Wenn es nach mir ging, Körperverletzung mit Todesfolge. Oder meinetwegen nur Körperverletzung.

Dana und Lissy konnten Kikis Frage jedenfalls nicht zufriedenstellend beantworten. Wir bekamen alle einen Abriss, der sich gewaschen hatte, und begaben uns mit hängenden Köpfen wieder auf unsere Ausgangsposition. Zum Glück teilten wir uns jetzt in zwei Abteilungen auf und gingen auf zwei Zirkel – Konrad auf den einen, ich auf den anderen. Bei X begegneten wir uns regelmäßig und es gelang mir mehrmals, ihn harmlos-ungeschickt von seiner Zirkellinie zu schubsen. Natürlich gab Dana Lissy die Schuld an unseren merkwürdigen Reitmanövern, was von meiner Seite aus durchaus akzeptabel war. Noch lieber wäre es mir gewesen, wenn einzig und allein Konrad schuld an allem gewesen wäre. Einschließlich des Ozonlochs und der Erderwärmung. Aber man kann eben nicht alles haben. Jetzt wechselte Konrads Abteilung die Hand, so dass Konrad wieder neben mir her trabte. Zu ewiger Zwangszweisamkeit verdammt, gingen wir auf die Mittellinie, wo wir neckische Volten nach rechts und links drehten. Bis von hinten eine große, starke und extrem schlecht gelaunte Stute angewalzt kam, die wild bockend alle Lücken zwischen uns ausnutzte und ihren Reiter um ein Haar in den Hallensand setzte. Else. Meine Boxennachbarin, mit der mich eine dynamische On-Off-Beziehung verbindet. Im Moment allerdings mit mehr Off als On. Ihre Augen rollten böse und ich bedauerte es, dass unsere Reithalle nur zwanzig mal vierzig Meter maß. Ich hätte gern mehr Abstand zwischen uns gebracht.

„Wie kannst du nur?“, schnaubte sie wütend.

„Iiiiiich?“ antworteten Konrad und ich wie aus einem Mund.

Wie eine große, dicke Rachegöttin sah sie mich an. „Ich spreche mit IHM“, erwiderte sie verächtlich.

Konrad sah nicht so aus, als würde er sich darüber freuen.

„Ah, gut. Das ist wahrscheinlich gut“, antwortete ich, bevor meine Beine eigendynamisch den Rückwärtsgang einlegten. Von weitem hörte ich, wie Else sich bei Konrad darüber beschwerte, dass er sie mit „diesem unverschämten spanischen Vollpfosten“ alleine gelassen hätte. Meine Reiterin hatte sich mittlerweile von ihrem Schreck erholt und versuchte, Einfluss auf meine Bewegungsrichtung zu nehmen, aber dafür war ich noch nicht bereit. Erst, als ich noch ein ganzes Stück weiter gegangen war, nahm ich wieder Kontakt zur sogenannten Besitzerin auf.

Die nuschelte irgendwas von „zu Tode blamiert“ und „immer diese Eigendynamik“. Ihre Aufzählung gipfelte in einem untypisch leisen „Mistvieh, elendiges“. Das mochte aber auch damit etwas zu tun haben, dass Kiki neben uns stand und mit einem weißen Tuch wedelte. „Tut mir nichts!“, rief sie. „Wir wollten eine Weihnachtsquadrille einstudieren und keinen Psycho-Thriller! Alle gehen jetzt WIEDER MAL zurück auf ihre Position und dann hören wir uns Jingle Bells zum fünfundzwanzigsten Mal an! Während wir in zwei Abteilungen ganze Bahn gehen und durch die ganze Bahn wechseln!! Mit Kreuzen!!!“

Diese Ankündigung trug wenig zur allgemeinen Beruhigung bei. Kiki musste den besorgten Reiterinnen und Reitern ganz genau erklären, wer sich wann wo aufzuhalten hätte, damit es zu keinen weiteren Zwischenfällen käme. Mit diesem ominösen „Kreuzen“ ist nämlich gemeint, dass man versetzt durcheinander durchreitet. Also quasi. „Wenn es klappt, sieht es sehr schön aus“, sagte Kiki. Bei uns hat es aber noch nicht geklappt.

Im Hintergrund hörte ich Else mit Konrad diskutieren. Ach nein, diskutieren ist das, wo der andere auch mal was sagen darf. Das durfte Konrad nicht.

„Und wehe, sowas passiert noch mal!“

Konrad schüttelte den Kopf.

„Dann ist aber was los! Und glaub mir, das willst du nicht erleben!“

Konrad schüttelte wieder den Kopf.

„Weil dann nämlich … was will Blacky schon wieder hier?“

Konrad schüttelte den Kopf.

„Jetzt guck doch, Blödmann. Was will Blacky hier?“

In der Bahnmitte wälzte sich ein weißes Minishetty. Blacky hatte sich in der Futterkammer gestärkt, seine Freundin Bella besucht und zur Abrundung des Tages die Reithalle aufgesucht.

„Sich wälzen, glaube ich“, stotterte Konrad.

„Wenn du erlaubst, meine liebe Else“, übernahm ich Konrads Gesprächspart. „Unser Freund Blacky hat offensichtlich den Wunsch nach einem erquickenden Bad im Hallensand und unserer Gesellschaft. Und wer will es ihm verdenken?“

Blacky schielte mich verärgert an und brachte sich mit seinem rätselhaften Slang ins Gespräch ein. Nur wenige Vokabeln waren verständlich. Darunter „wälzen“, „Blödmann“ und „Riesenhirsch“.

„Man versteht ihn nicht, aber niedlich ist er schon“, konstatierte Else.

„Ich glaube, er mag die Musik nicht“, riet Konrad.

„Willkommen im Club“, antwortete ich.

Kiki hatte es aufgegeben, für Ordnung sorgen zu wollen. Sie schnappte sich Blacky und drückte ihn einem der Zuschauer in die Hand, verbunden mit dem Auftrag, Blacky wieder zuhause auf dem Nachbarhof abzuliefern.

Bei uns anderen war währenddessen Ruhe eingekehrt, weil wir Blacky und seine neuesten Aktivitäten beobachten wollten. Blacky war sowas wie der Evil Genius des Petershofs. Gemeinsam mit Bella, einem hellbraunen Minishetty mit trügerischem Bambi-Blick, war er für alle Arten von Kleinkriminalität zuständig. Wobei die ehrgeizigen Zwerge nach Höherem strebten und sich dem organisierten Verbrechen anschließen wollten. Bisher hatte es allerdings nur für das unorganisierte Verbrechen gereicht und der große Coup, der alles ändern sollte, ließ auf sich warten.

Der Einzige, der sich bisher nicht gerührt hatte, war Blondie, der Schwarzwälder Fuchs. Blondie hatte für gewöhnlich die Ruhe weg. Das Einzige, was den stämmigen Wallach auf Touren brachte, war ein zünftiger Galopp im Gelände (immer) und die Stimme seines Besitzers Erwin (manchmal). Ebendieser Erwin forderte Blondie nun auf, doch mal in die Gänge zu kommen, schließlich hätte er heute Abend noch was vor. Blondie schnaubte unmotiviert und sah fragend zu Faxe, der ebenfalls nicht zu Energieverschwendung neigte und dessen Lieblingsbeschäftigung sich am besten mit „motiviert rumstehen“ umschreiben lässt. Faxe schnaubte nachdenklich. Aber vielleicht war er auch nur neidisch auf Blacky.