Tödliche Traversale - Pfridolin Pferd - E-Book

Tödliche Traversale E-Book

Pfridolin Pferd

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Beschreibung

Für die schöne Sara läuft alles glatt. Sie ist reich, beliebt, hat einen tollen Mann und noch tollere Pferde. Und zu allem Überfluss kann sie reiten - bis jemand ihren Sattelgurt durchschneidet. Zeitgleich planen die Minishettys Bella und Blacky den sozialen Aufstieg vom kleinkriminellen zum organisierten Verbrechen. Gottseidank gibt es Pfridolin und seinen Freund, den Tinker Faxe, die der oft überforderten Polizei hilfreich zur Seite stehen. Auch wenn die das nicht immer merkt oder gar zu schätzen weiß.

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Für die schöne Sara läuft alles glatt. Sie ist reich, beliebt, hat einen tollen Mann und noch tollere Pferde. Und zu allem Überfluss kann sie reiten. Bis jemand ihren Sattelgurt durchschneidet. Zeitgleich planen die Minishettys Bella und Blacky den sozialen Aufstieg vom kleinkriminellen zum organisierten Verbrechen.

Gottseidank gibt es Pfridolin und seinen Freund, den Tinker Faxe, die der oft überforderten Polizei hilfreich zur Seite stehen - auch wenn die das nicht immer merkt oder gar zu schätzen weiß.

Der Autor:

Pfridolin Pferd ist ein Freizeitpferd mit Betonung auf Freizeit. Wenn ihn seine sogenannte Besitzerin gerade nicht mit ihren Dressur-Ambitionen belästigt, schreibt er Bücher und bloggt auf pfridolinpferd.com

Danke!

Inhaltsverzeichnis

Die Leiche

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Die Leiche

„Und dabei war sie immer so nett“, sagte Dana und sah auf die Leiche herab. Reglos lag der Körper der blonden Frau im Sand des Reitplatzes. Direkt daneben ein eleganter Dressursattel mit offenem Gurt.

„Der Sattelgurt muss gerissen sein“, vermutete einer der Sanitäter und nieste. „Pferdeallergie“, erklärte er. Und: „Genickbruch.“

„Macht ja nix“, erwiderte Dana automatisch und nahm ihm das Pferd ab, das er eingefangen hatte. „Und Sie jetzt so?“

Der Sanitäter schnäuzte sich geräuschvoll in sein Taschentuch. Dana wartete geduldig. Hinter ihr ertönte ein Räuspern. Sie drehte sich um.

„Wir übergeben an die Polizei, die praktischerweise schon da ist“, erklärte ein gutgelaunter Polizist, mit dem Dana auch privat verbandelt war. Guntram Fritz, seines Zeichens Kriminaloberkommissar, war gerade angekommen und aus dem Streifenwagen gestiegen. Er begrüßte Dana und nahm ihr das große braune Pferd ab, um es an seinen Mitarbeiter Siggi Wollmeier weiterzureichen. Verbunden mit der launigen Aufforderung, Beweisstück A mal kurz zu sichern. Wollmeier guckte giftig. Beweisstück A bleckte sein gelbes Gebiss und trat ihm zielsicher auf den Fuß.

Guntram trat neben Dana und betrachtete die Leiche.

„Sie war immer so nett“, wiederholte Dana.

„Das hilft ihr aber jetzt auch nicht mehr weiter. Ist sie eigentlich immer ohne Kappe geritten?“

„Ja, weil sonst die Frisur leidet.“

Beide betrachteten die kunstvolle Flechtfrisur der Toten.

„Die Kappe hätte aber auch keinen Unterschied gemacht, oder?“, fragte Dana.

Guntram schüttelte den Kopf. „Wenn einem jemand den Sattelgurt durchschneidet, nicht. Noch dazu ist … war sie eine zierliche Person und das Pferd – es ist Romeo, nicht? – ein ziemlicher Riese.“

„Bei einem Sturz sind die ersten zwei Meter die schlimmsten“, erklärte der Sanitäter. „Weil man sich da einmal gedreht hat. Sie muss annähernd senkrecht mit dem Genick aufgekommen sein und sich selbiges gebrochen haben.“ Jetzt, wo kein Pferd mehr in der Nähe war, konnte er wieder in ganzen Sätzen sprechen.

1

Ausritt mit angesägtem Hochsitz – Bodenarbeit ist wichtig – Familie Reich und Schön wohnt gleich nebenan – Dackel Dieter auch

Dabei war noch vor einer Woche alles auf dem Petershof seinen mehr oder weniger unschuldigen Gang gegangen.

„Schon wieder ein angesägter Hochsitz! Faxe, hör sofort auf zu fressen, das ist uncool.“ Mit sowas kenne ich mich nämlich aus. Gestatten: Pfridolin Pferd, Fast-Hengst, Meisterdetektiv und ansonsten Freizeitpferd mit Betonung auf Freizeit.

„Zuhause krieg ich ja nichts“, behauptete mein haariger Freund und rupfte ungerührt die letzten Grashalme.

„Wieso interessiert mich das, würdest du sicher fragen, wenn du dir nicht gerade das letzte Herbstgras in den Bauch hauen würdest.“

„Den ausgehungerten Bauch“, korrigierte Faxe. „Schließlich bin ich auf Dauerdiät, da muss ich gegensteuern. Und der Mann hat es noch nicht gemerkt, weil er mit Dana rumschäkert.“

Faxe hatte recht: Unsere Reiter waren mehr an sich als an ihren Pferden interessiert. Selbst schuld. Versuchsweise rupfte ich ein Hälmchen, das Faxe stehen gelassen hatte. Bäh, eklig. Merke: Wenn ein Tinker Nahrung verweigert, hat er seine Gründe.

Wir waren auf einem Ausritt und nun schon am zweiten Hochsitz vorbeigekommen, bei dem ein Stützpfeiler angesägt worden war. Und ich wette, außer mir war das keinem aufgefallen. Menschen kriegen ja eh nix mit, von daher waren unsere Reiter sowieso raus. Und mein Kumpel Faxe, der Tinker, war aufgrund rassespezifischer Gegebenheiten ebenfalls nicht in der Lage, seine Umgebung wahrzunehmen. Zumindest die nicht essbaren Teile davon.

„Ist das mit Dana und Guntram nicht toll?“, fragte er. „Wir können machen, was wir wollen, und die beiden haben nur Herzchen in der Pupille. Oh guck mal, ein Haselnussstrauch.“ Rupf.

Für mich heißen die beiden „der Mann“ und „die Frau“. Erstens war die Frau immer schon die Frau, und wo uns jetzt der Mann zugelaufen ist, sehe ich es nicht ein, vom bewährten Schema abzuweichen. Schließlich sind wir Pferde Gewohnheitstiere.

Von Ferne hörte man das Rattern eines Traktors. Die Frau erbleichte und fasste die Zügel nach - für den Fall, dass das landwirtschaftliche Ungetüm in unsere Richtung fuhr. Mit großen Fahrzeugen haben wir es nämlich beide nicht so. Ich, weil ich weiß, dass die gefährlich sind, und die Frau, weil sie weiß, dass ICH weiß, dass die gefährlich sind. Allerdings weigert sie sich hartnäckig, sich von mir retten zu lassen, was ich auf ihre Sturheit und mangelnde Lebenserfahrung zurückführe.

Das Rattern wurde leiser und meine Reiterin entspannte sich wieder.

Währenddessen machte sich Faxe weiter über die essbaren Teile der Natur her. Ich sah mich um. Es war ein schöner Herbsttag. Der Himmel war knallblau und das Laub der Blätter bunt gefärbt. Das war wohl auch der Frau aufgefallen, die manchmal einen überraschenden Sinn für Ästhetik an den Tag legt. Seit der Mann für sie das Ausmisten und Abäppeln übernommen hat, ist sie oft erstaunlich gut gelaunt und legt wundersame Talente an den Tag.

Also nicht etwa, dass sie mit einem Mal reiten kann, Gott bewahre – davon ist sie immer noch meilenweit entfernt. Aber sie fühlt sich nach eigener Aussage künstlerisch. Und nun hatte ihr künstlerisches Auge anscheinend etwas erspäht, dass sie mit Hilfe ihrer Handykamera für die Ewigkeit bewahren wollte. Faxe vermeldete unterdessen seinen aktuellen Speiseplan: „Brombeerblätter! Lecker!“

Während sie ihr Telefon hervorkramte, fiel ihr – natürlich – die Gerte runter.

„Guntram, würdest du bitte…?“

Natürlich würde Guntram. So, wie er es heute schon fünfmal gemacht hatte. Zweimal, um unsere pferdigen Hinterlassenschaften an den Straßenrand zu schieben, und dreimal, um meiner verpeilten Besitzerin die Gerte aufzuheben. Sie nennt den doofen Stock „Meinungsverstärker“ und findet das sagenhaft komisch, steht aber mit dieser Meinung ziemlich allein da.

Schlauerweise war ihr die Gerte in das Brombeerdickicht gefallen, an dem sich Faxe gerade gütlich tat. Tapfer kraxelte der Mann hinein. Klar, für ihn ging es jetzt um alles. Nichts vermasselt der Frau so sehr die Laune, wie unnötig absitzen zu müssen.

„Schließlich bin ich Reiterin und keine Fußgängerin“, betont sie immer.

Ah, da! Vorsichtig hob er das rosaglitzernde Stöckchen auf und überreichte es seiner Angebeteten, ohne dass es ihn zerriss. Respekt. Ich weiß ja nicht, wie das bei euch so ist, aber ich krieg von Rosa Augenkrebs. Oder zumindest Ausschlag.

„Hast du dich sehr zerkratzt?“, heuchelte Dana Anteilnahme.

„Ach nein“, log er tapfer.

Im Zweifel hatte sie sowieso nicht zugehört, weil sie gerade künstlerische Fotos machte, auf denen man hinterher nichts erkennt.

„Ach guck mal“, sagte der Mann da erstaunt. „Was ist denn das?“

„Was?“

„Ich weiß noch nicht so genau, was ich davon halten soll“, sagte er mit gedehnter Stimme.

Das weckte die Neugier meiner sogenannten Besitzerin. Immerhin ist der Mann Polizist, wird also von ihren Steuergeldern bezahlt. Und da muss sie ihm noch seinen Job erklären? Na warte!

Unelegant landete sie neben ihm. „Was denn nun?“

„Guck mal. Der Hochsitz ist angesägt worden!“

Endlich merkt es noch jemand außer mir. Das Leben als Meisterdetektiv und unverstandenes Genie ist wirklich hart.

„Ja und?“ Und dafür war sie nun abgesessen und musste sich also auch wieder beschwerlich in den Sattel hieven. Sie verdrehte die Augen.

„Ist sowas schon öfter vorgekommen? Wer ist denn hier eigentlich der Jagdpächter?“

„Keine Ahnung“, schmollte die Frau, die etwas Sensationelleres als ein angesägtes Stück Holz erwartet hatte. „Jäger sind eh doof, die erschießen Rehe. Und wenn sie genug getankt haben, sich auch gegenseitig. Außerdem sieht dieser ganze Hochsitz komplett abgewrackt aus. Vielleicht soll der abgebaut werden und der Jäger hatte das falsche Werkzeug dabei.“

Mit dieser Erklärung gab sich der Mann zufrieden, der mittlerweile festgestellt hatte, dass Faxe dabei war, seinen Nahrungsbedarf im Wald zu decken, und ihn mühsam davon abzuhalten versuchte. Locker schwang er sich wieder in den Sattel.

Die Frau beäugte ihn neidisch. Ist halt praktisch, wenn das Pferd zur Körpergröße des Reiters (oder der Reiterin) passt und wenn der Reiter (oder die Reiterin) halbwegs gelenkig und in einem Schwung oben ist. Blöderweise trifft das auf den Mann zu, die Frau aber nicht. Und jetzt? Eine Bank oder eine sonstige Bodenerhöhung suchen, von der aus frau sich in den Sattel hieven kann. Während wir den Reitweg entlangwanderten, vertrieb sie sich die Zeit damit, dem Mann zu erzählen, wie ungesund und schlecht dieses Vom-Boden-Aufsitzen für so einen Pferderücken ist. Der lauschte gebannt. Schließlich reitet er noch nicht lange und hat das, wenn er ganz ehrlich ist, auch nur wegen der Frau angefangen. Also Tiere und Natur mag er schon, klar, aber der reiterliche Ehrgeiz ist bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei der Frau, die wahlweise Dressurqueen sein will oder – ganz bescheiden – so reiten will wie „die in der Wiener Hofreitschule“. Oder Ingrid Klimke.

Nein, so irreale Vorstellungen hat Guntram Fritz alias „der Mann“ nicht. Kann er ja eigentlich auch nicht, als Polizeioberkommissar. Auf den „Oberkommissar“ ist er sehr stolz, denn früher, als er noch Polizeiobermeister war, hat er doch ein bisschen unter seinem Namen gelitten. POM Fritz, wie hört sich das denn an. Aber gerade ist er nicht im Dienst, sondern mit der Frau seiner Träume im Wald unterwegs. Die ihm leider keine romantischen Vorschläge macht, sondern Pferdeanatomie zitiert. „… und dabei wird der Sattel einmal quer über die Wirbelsäule des Pferdes gezogen. Mit dem gesamten Gewicht des Reiters. Was bestimmt weh tut. Hörst du mir überhaupt zu?“

„Klar“, behauptete Guntram. „Guck mal, da vorn liegt ein abgesägter Baumstamm.“

Behende wie ein Kartoffelsack hüpfte die Frau auf den Baumstamm und peilte von dort aus meinen Rücken an.

Woraufhin ich einen eleganten Sidestep machte und sie eine Grätsche, bei der sie laut zeternd zu Boden plumpste. Ich sah auf sie herab. Bodenarbeit ist auch wichtig, die darf man nicht vernachlässigen. Ich war sehr zufrieden mit diesem kleinen Wortspiel und stupste sie lieb mit der Nase an. Ich kann nämlich ausgesprochen niedlich gucken.

Aber ach, vergeudete Liebesmüh. Sie funkelte mich böse an und drohte mit Leckerli-Entzug, „falls du dich nicht endlich zusammenreißt, du flauschiger Scherzkeks“.

Was man sich als Freizeitpferd so alles bieten lassen muss! Ich tat so, als hätte ich nichts gehört, stand aber trotzdem mustergültig da, so dass sie beim nächsten Versuch ordnungsgemäß auf meinem Rücken landete. Merke: Beiße nicht die Hand, die den Futtereimer hält, wenn du weiterhin fünf Zwischenmahlzeiten pro Tag bekommen willst.

Trotzdem fand ich den Spruch mit der Bodenarbeit lustig, auch wenn außer mir keiner darüber gelacht hat.

„Bodenarbeit. Haha“, sagte ich und stupste Faxe an.

„Buchenblätter“, teilte er mir den aktuellen Stand seines Speiseplans mit. Manchmal fühle ich mich so verdammt unverstanden.

Der weitere Ausritt verlief ereignislos. Am Stall angekommen, wurden wir schon von Frau Reitlehrerin begrüßt. Frau Reitlehrerin heißt eigentlich Kiki, aber ich nenne sie Frau Reitlehrerin, damit gleich klar ist, dass sie diejenige ist, die Ahnung hat. Die Frau nennt sie auch so, aber mit einem komischen Unterton. Ich glaube, sie ist neidisch.

„Und? Wie war dein erster Ausritt mit Faxe?“, erkundigte sich Kiki bei Guntram. „Wie man sieht, haben Dana und Pfridolin gut auf dich aufgepasst!“

Worauf die Frau vor Stolz fast geplatzt und von mir runtergefallen wäre.

„Aber der Pfridolin war wieder frech, da hatte ich alle Hände voll zu tun“, setzte sie nach, damit auch ja jeder mitkriegt, was für ein Ausreitcrack sie ist. Böse Zungen behaupten ja, sie wäre nicht ganz so mutig, wie sie immer tut.

„Danach wollte ich dich gerade fragen. Du hast da Tannennadeln auf der Jacke. Bist du etwa runtergefallen?“

Pause. Die Frau guckte säuerlich.

Frau Reitlehrerin sieht einfach alles. Ist sie nicht toll?

Die Frau suchte immer noch nach einer Antwort, die nicht zu weiteren peinlichen Nachfragen führen konnte. Leider fiel ihr auf die Schnelle nichts ein. „Ich musste absitzen, weil mir Guntram etwas an einem Hochsitz zeigen wollte. Und beim Aufsitzen ist der Pfridolin dann nicht an dem abgesägten Baumstamm stehengeblieben, so dass ich danebengesprungen bin.“

„Auf dynamische Art und Weise“, ergänzte der Mann.

„Ja genau“, fand auch die Frau und bekam langsam Herzchen in den Pupillen. Die hatte der Mann übrigens schon seit Stunden.

„Ja, Bodenarbeit ist wichtig“, erwiderte Frau Reitlehrerin mit einem feinen Lächeln.

„Birkenzweige! Die sind gesund!“, sagte Faxe, bevor Frau Reitlehrerin ihm selbige aus dem Maul ziehen und sich nach seiner Erziehung erkundigen konnte.

„Damit hab ich nichts zu tun“, erklärte sich Guntram für unschuldig. „Ich bin seit genau einer Woche seine Reitbeteiligung. Seit Melanie so viele Überstunden machen muss, weil ihre Bücherei umorganisiert wird. Für Erziehung bin ich nicht zuständig! Aber mal was ganz anderes: Wir haben unterwegs einen angesägten Hochsitz gesehen. Gibt es hier militante Jagdgegner? Oder besonders aktive Tierschützer? “

Kiki kam jedoch nicht dazu, die Frage zu beantworten, weil sich in diesem Moment eine überirdisch schöne, silbrig-blonde Erscheinung näherte und sie zur Begrüßung auf beide Wangen küsste. „Na, wie geht es meiner Püppi?“, säuselte sie.

Gemeint war aber nicht Kiki, sondern das Pferd der blonden Elfe. Die Elfe selbst hieß Sara Silberblad, war steinreich und residierte seit Kurzem auf einem Anwesen nahe des Petershofs. Wenn Sara gerade nicht shoppen war oder sich die langen Haare kunstvoll stylen ließ, ritt sie beziehungsweise ließ reiten. Kiki nämlich. Auf ihrer zuckersüßen, hochbegabten Stute, die sie Kiki vor geraumer Zeit zur Ausbildung anvertraut hatte.

An dieser Stelle muss ich kurz etwas erklären. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Fast-Hengst mit einem Frisurenproblem und daraus resultierendem Freundinnenmangel bin. Nun haben sich aber gewisse romantische Umstände ergeben, die dazu führten, dass ich momentan gleich zwei Freundinnen habe – die voluminöse Else mit dem schnellen Hinterbein und eben die zarte, elegante Stuti, deren Besitzerin uns nun störte. Stuti heißt eigentlich Hohenstein’s Shiny Diamond und wird von ihrer Besitzerin Püppi genannt. Ich und alle anderen bevorzugen die etwas direktere Anrede Stuti. Ich glaube, deshalb liebt mich Stuti auch so sehr. Wegen des männlichkernigen. Hehe.

Und nun lungerte besagte Sara ständig bei uns rum, um sich um ihr (und mein) Schätzchen zu kümmern. Außer Stuti gehörte ihr noch ein gewisser Romeo, der nach Ärger aussah. Groß, sportlich, gutaussehend – DIE Sorte Pferd.

Ich ließ meinen Blick in die Runde schweifen. Neben der schönen Sara stand der schöne Constantin, Saras Mann, ein Unternehmensberater im edlen Zwirn. Er hatte es offenbar kaum erwarten können, seine Frau zu begrüßen, denn sein BMW stand mit offener Fahrertür da, so dass die Ledersitze prächtig zur Geltung kamen. Und auch Felix war da. Melanies Freund. Groß, sportlich, gutaussehend – DIE Sorte Mensch. Zu seinem Glück hatte sich herausgestellt, dass er Persönlichkeit und einige brauchbare Charakterzüge hat. Ich schubste Faxe an, der seine Nase kurz vom Boden hob.

„Der Freund deiner Chefin ist da“, zischelte ich ihm zu. Natürlich wollte auch Felix wissen, wie Faxes und Guntrams erster gemeinsamer Ausritt verlaufen war.

„Gut natürlich. Faxe und ich sind ein gutes Team“, grinste Guntram. Er ist immer so unfassbar entspannt – wie macht er das nur? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihn die Frau unendlich darum beneidet. Wenn sie sich unbeobachtet fühlt, isst sie Entspannungskräuter. Wirklich wahr.

„Ihr passt echt gut zusammen.“ Er machte eine Kunstpause, in der die Frau ihren romantischen Blick aufsetzte. „Faxe und du.“

„Blödmann“, zischte die Frau. „Pass nur auf, dass ich dir nicht eines Tages den Hals umdrehe!“

„Danas Sinn für Humor lässt sich entschuldigen. Sie hatte heute einen harten Tag“, erklärte Guntram. „Vor allem in der letzten halben Stunde.“

Dana streckte ihm die Zunge heraus. Wir gingen langsam Richtung Stallgasse. Felix kam mit.

„Nicht so hart wie Melanie, die macht schon wieder Überstunden. Sie ist in einer Projektsitzung wegen dieser beknackten Re-Organisation. Du weißt schon, ihre Bücherei soll umorganisiert oder vielleicht sogar komplett geschlossen werden.“

Guntram drehte sich zu ihm um. „Ich weiß. Constantins Unternehmensberatung kümmert sich darum. Wegen ihm drehen im Moment alle am Rad. Aber gut für mich – so komme ich öfter zum Reiten.“

Vom Springplatz drang das laute Jubeln mehrerer Männerstimmen, durch das man die sonoren Kommandos von Sven, Kikis Bruder, hören konnte. Anscheinend war gerade Springstunde.

„Reiten ist sowieso ein Männersport“, grinste Felix. Von Haus aus war er Westernreiter, aber wie viele Westernreiter hatte auch in andere Reitweisen hineingeschnuppert. „Weiß gar nicht, wie die Frauen darauf gekommen sind, dass Reiten ein Frauensport ist und Pferde pinke Schabracken brauchen!“

„Weil‘s schön ist, deshalb!“ teilte die Frau mit. „Können wir uns jetzt um die Pferde kümmern? Ihr könnt eure Männerfreundschaft sicherlich auch noch später pflegen.“

Da hatte sie ausnahmsweise mal recht. Erst das Pferd und dann der Reiter, das hatte Kiki ihren Reitschülern so eingebläut. Und zu was? Zu Recht natürlich. Und kann mir bitte fix jemand die pinke Schabracke abmachen? Ich krieg sonst Ausschlag.

Wenig später inhalierte ich mein mageres Abendessen. Gefühlte drei Körner Hafer. Und das nennen sie Kraftfutter. Ha! Wenn ich nicht so ein ausgesprochen liebenswertes und bescheidenes Naturell hätte, würde ich mich jetzt ärgern. Oder futterneidisch werden. Zum Beispiel auf Faxe, aus dessen Box nebenan gleichmäßige Kaugeräusche drangen. Wie macht der das nur, dass der überall was zu essen findet?

„Tinker halt“, lästerte Else, meine Boxennachbarin zur Linken. „Ein anderes Wort für Müllschlucker“.

„Ich bevorzuge den Ausdruck Selbstversorger“, lächelte Faxe, dessen Gemütsruhe offenbar unerschütterlich ist.

„Dicker Selbstversorger“, berichtigte Else. „Aber die Herren hier neigen ja generell zur Fettleibigkeit.“ Sie zwinkerte mir zu. Auf eine Art, die ich nur „plump vertraulich“ nennen kann.

„Frechheit. Was soll das denn heißen? Else, wer im Glashaus sitzt und so… du weißt schon, was ich meine!“

„Du bist so süß, wenn du dich ärgerst, mein kleines Dickerchen!“

„Selber Dickerchen!“ Ich streckte ihr die Zunge raus. Leider bekam sie das nicht mit, weil sie gerade mit Stuti, die gegenüber wohnt, die körperlichen Vorzüge des abscheulichen Romeo diskutierte.

„Und jünger als Konrad ist er auch“, fiel ihr gerade ein. Konrad ist das andere verabscheuungswürdige Individuum in unserem Stall. Eine muskelbepackte Hohlfritte, die ständig auf Turnieren startet und hässliche Schleifen und Pokale sammelt. „Aber die Mähne!“

„Ganz schön kurz, gell? So eine Sportpferdemähne wird ja auch ständig eingeflochten, das sieht albern aus“, meldete ich mich zu Wort.

Beide Stuten starrten mich und meine zipfelige Mähne wortlos an. Zu meiner Rechtfertigung muss ich sagen, dass meine Besitzerin, die ansonsten dauernd mit der Schere über mein sogenanntes Langhaar herfällt, ihre Scherenhände schon seit Wochen im Zaum gehalten hatte, so dass die schlimmsten Zacken schon gut herausgewachsen waren. Ich fand mich also extrem männlich und verwegen.

„Sicher ist dein Fünf-Stufen-Schnitt viel ---- ähm --- interessanter als so eine akkurat geschnittene Mähne.“ Das war schon wieder Else. Zum Dank warf ich ihr einen besonders männlichen und verwegenen Blick zu. Stuti und Else brachen in albernes Gelächter aus. Süß, die beiden können ihre Leidenschaft für mich nicht beherrschen!

„Aber Companeros Wallemähne toppt doch wohl alles“, teilte Else Stuti in vertraulichem Ton mit. Und seine wannenförmige Plautze auch, denke ich. Companero ist eines von diesen barocken Mähnenwundern, die anscheinend immer beliebter werden. „Er ist ja überhaupt sehr schick.“

Bevor Stuti sich jetzt rhetorisch auch noch aus dem Fenster hängen konnte, erschien ihre Besitzerin mit „Ich-bin-hier-die-Schönste“-Blick und Reitzubehör. Ihr Mann hatte inzwischen den dunkelgrauen BMW mit der modischen Mattlackierung neben den klapprigen Schrottlauben der anderen Pferdebesitzer geparkt. Die Seitentüren zierte ein überaus geschmackvolles silbernes Blatt mit dem dezenten Schriftzug Silberblad Consulting. Das ganze Auto stank nach professionellem gutem Geschmack und ein wenig nach Abgasen.

Nun folgte er seiner Gemahlin und schleppte einen überdimensionalen, aber ungemein stylishen Putzkoffer, während die beiden verliebt miteinander turtelten. Bis sich Sara bei ihrem Mann dafür entschuldigte, dass sie sich jetzt erst einmal um ihre talentierte Trakehnerstute kümmern müsse. Gemeint war Stuti, die von Haus aus ein hochkarätiger Dressurnachwuchs ist, aber auch springen kann.

Constantin trug es mit Fassung und „seiner Königin“, wie er Sara immer nannte, den Sattel hinterher.

„Danke, mein Prinzgemahl“, lächelte die.

Else spitzte die großen Ohren. Ich konnte förmlich sehen, wie es in ihr arbeitete und wie sie über unsere On-Off-Beziehung nachdachte, die im Moment mehr Off als On war. „Königin ist eigentlich eine angemessene Anrede für eine Dame wie mich“, äußerte sie.

„Ich bleib lieber bei Else“, antwortete ich und brachte mich schnell vor ihren gelben Zähnen in Sicherheit. Von wegen Dame.

Bei Sara und Stuti war es in der Zwischenzeit adrett und elegant weitergegangen, denn natürlich bedeckte Sara Silberblad ihre exklusiven Reitklamotten vor dem schnöden Putzen und Satteln mit einem schicken Überzieher, sprich einem maßgefertigtem Kittelchen mit zirka fünftausend Taschen für Putzzeug. Stuti wurde wie ein vom Diebstahl bedrohtes Fahrrad festgebunden und in etwa genauso liebevoll behandelt. War ihr aber egal. Sie hatte nur Augen für ihr neues Glitzerstirnband.

„Mit echten Swarowski-Kristallen!“, hauchte Else.

„Für mich sieht das aus wie Strass“, bemerkte ich, aber sie hörte gar nicht zu.

„Schönen Gruß an Romeo!“, rief sie Stuti nach, als sie und Sara die Stallgasse in Richtung Reithalle verließen, und pfiff sich ihr Futter rein, als gäbe es kein Morgen.

„Romeo mag bestimmt keine dicken Mädchen“, lästerte ich.

„Das sind angenehm weibliche Formen“, beschied mich Else und mampfte weiter.