Tödlicher Tierarzttermin - Pfridolin Pferd - E-Book

Tödlicher Tierarzttermin E-Book

Pfridolin Pferd

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Beschreibung

Es ist Hochsommer. Ganz Meisenwald ächzt unter der Hitze. Auch Pfridolin, bekennendes Freizeitpferd und Hobbydetektiv, und sein Kumpel Faxe leiden darunter. Noch mehr aber unter den Fliegen, die in der Sommerzeit die ständigen Begleiter von Ross und Reiter sind. Da kommt ihnen ein zünftiger Mord ganz gelegen, lenkt er sie doch von den Unannehmlichkeiten der warmen Witterung ab. Dr. Stephan Schönholz, der gutaussehende Tierarzt und Frauenheld, wird nämlich tot auf dem Parkplatz des Petershofs gefunden. Während Pfridolins sogenannte Besitzerin von ihrem Chef dazu vergattert wird, das alljährliche Feuerwehrfest zu organisieren, stellen er und Freund Faxe auf die ihnen eigene Art Ermittlungen an. Da man bekanntlich den Pferden das Denken überlassen soll, weil die den größeren Kopf haben, wundert es schließlich niemanden, dass sie den Mord aufklären und so ganz nebenbei für ein bisschen mehr Romantik in (fast) jedem Leben sorgen.

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Es ist Hochsommer. Ganz Meisenwald ächzt unter der Hitze. Auch Pfridolin, bekennendes Freizeitpferd und Hobbydetektiv, und sein Kumpel Faxe leiden darunter. Noch mehr aber unter den Fliegen, die in der Sommerzeit die ständigen Begleiter von Ross und Reiter sind. Da kommt ihnen ein zünftiger Mord ganz gelegen, lenkt er sie doch von den Unannehmlichkeiten der warmen Witterung ab. Dr. Stephan Schönholz, der gutaussehende Tierarzt und Frauenheld, wird nämlich tot auf dem Parkplatz des Petershofs gefunden.

Während Pfridolins sogenannte Besitzerin von ihrem Chef dazu vergattert wird, das alljährliche Feuerwehrfest zu organisieren, stellen er und Freund Faxe auf die ihnen eigene Art Ermittlungen an. Da man bekanntlich den Pferden das Denken überlassen soll, weil die den größeren Kopf haben, wundert es schließlich niemanden, dass sie den Mord aufklären und so ganz nebenbei für ein bisschen mehr Romantik in (fast) jedem Leben sorgen.

„Dieses Buch hat mein Leben verändert.“

Faxe

„Meisterdetektiv Pfridolin hat alles im Griff. Der Fast-Hengst mit dem Körper eines Sherlock Holmes und dem messerscharfen Intellekt von James Bond. Oder umgekehrt.“

Pfridolin

Für alle, die immer gefragt haben: „Wann kommt denn das nächste Buch?“

Alle Rezepte in diesem Buch werden auf eigene Gefahr angerührt und verwendet. Bitte prüft die Verträglichkeit von Fliegensprays zuerst an einer kleinen unempfindlichen Stelle. Manche Pferde reagieren allergisch oder empfindlich auf die verwendeten Zutaten, so dass das Fliegenspray nicht angewendet werden kann. Mischungen mit ätherischen Ölen können durch Reibung Hitze erzeugen, also bitte nicht vor dem Reiten auf Sattel- und Gurtlage verwenden! Auch die anderen Rezepte sind mit Vorsicht zu genießen - für Gelingen, Geschmack und so weiter wird keine Haftung übernommen!

Inhaltsverzeichnis

Kapitel, in dem eine schreiende Frau, Martinshörner, ein lispelnder Spanier, Fliegen und ein Feuerwehrfest vorkommen

Kapitel, in dem die Leiche nun aber wirklich gefunden wird

Hackbraten à la Dorothee (für 4 Personen)

Labskaus á la Seemannswitwe (für 4 Personen)

Kapitel, in dem ich mich zum Chefermittler erkläre und die Frau Kuchen isst

Elfriedes Pflaumenkuchen (1 Blech)

Kapitel, in dem sich Dana und Melanie über den toten Tierarzt unterhalten und Oberkommissar Fritz seinerseits die Ermittlungen aufnimmt

Fliegenspray à la Felix

Kapitel, in dem es um gefälschte Ankaufsuntersuchungen und Möbeltischlerei geht

Kapitel, in dem ein Minishetty mit engelsgleichem Augenaufschlag und ein Dackelwelpe namens Dieter auftauchen. Außerdem wird kräftig ermittelt

Kapitel, in dem ich unerwartete Unterstützung finde und die Frau ein aufschlussreiches Gespräch führt

Kapitel, in dem ich trotz vierbeiniger Widrigkeiten aufopferungsvoll weiterermittele und Guntram viele Fragen hat

Kapitel, in dem es um Pferdekäufe und die Feinheiten des Westernreitens geht. Außerdem stehe ich kurz vor der Lösung des Falles

Kapitel, in dem Dana erklärt, warum sie nicht auf Weltreise gehen kann und der Schmied überraschende Informationen hat. Außerdem kommen Spatzen darin vor

Schwarzwälder Kirschtorte à la Brösmann

Kapitel, in dem Stuti verschwindet und die Frau von einem neuen Mordmotiv berichtet

Kapitel, in dem Faxe und ich die Ermittlungen intensivieren und Zeugen befragen

Kapitel, in dem Guntram ein Selbstgespräch führt und ich bis zur Erschöpfung weiterermittele. Außer mir kann es ja keiner

Kapitel, in dem Dana eine neue Verdächtige entdeckt und ich ein romantisches Wiedersehen feiere. Außerdem findet die Polizei geheimnisvolle Gegenstände

Kapitel, in dem das Feuerwehrfest stattfindet und große Ereignisse ihren Lauf nehmen

Der Fette Meisenwalder (für 4 Personen)

Kapitel, in dem es ein noch überraschenderes Wiedersehen gibt und ich den Mörder entlarve

Kapitel, in dem Guntram noch ein Selbstgespräch führt und ich ein wachsames Auge auf die Frau habe

1. Kapitel, in dem eine schreiende Frau, Martinshörner, ein lispelnder Spanier, Fliegen und ein Feuerwehrfest vorkommen

Die fremde Frau schrie und schrie. Sie war gar nicht mehr zu beruhigen.

„Das nennt man Schreikrampf“, erklärte mein Boxennachbar Faxe. „Und das Weinkrampf“, als sich die Tonlage änderte. Dann gingen die Martinshörner von Polizei und Krankenwagen los. Eine Menge Leute rannte in unsere Stallgasse. Alle redeten durcheinander.

Dabei hatte der Tag so harmlos begonnen. Mit dem morgendlichen Gang zur Waldweide nämlich. Leider führt der Weg am Misthaufen vorbei, zu dem ich ein ganz besonderes Verhältnis habe.

„Guck mal da. Ist das etwa Blut?“ Argwöhnisch starrte ich den Misthaufen an. „Uäh, ich glaube, ich muss kotzen.“

„Stell dich nicht so an. Pferde können nicht kotzen“, muffelte Faxe und schubste mich mit der Schulter. „Das ist nur der Rest von John-Boys Rote-Bete-Pampe, der da drin entsorgt wurde.“

Sergej, der neue Stallhelfer, hatte uns beide am Strick. Faxe war so ausgehungert, wie es nur ein Tinker sein kann, der sich schon die halbe Nacht auf frisches Gras freut, und zerrte Sergej voll freudiger Erwartung hinter sich her. Ich warf zeitgleich den Erdanker, weil der Misthaufen ausgesprochen unheimlich aussah. In der Mitte Sergej, dessen Arme immer länger wurden.

Skeptisch beäugte ich das Corpus Delicti. Seit unserem letzten Erlebnis mit dem Misthaufen1 habe ich immer ein wachsames Ermittlerauge auf ihn. Nicht auf Sergej. Nein, auf den Misthaufen natürlich. Faxes und meine Detektivkarriere hatte dort begonnen, und ich fühlte mich ganz wohl in meiner Rolle als gutaussehender Actionheld mit literarischer Ader. Ein wenig Berechnung ist natürlich auch dabei, denn wie sich herausgestellt hat, mögen Frauen diese Kombi.

Ich bin übrigens Pfridolin. Neben meiner kriminalistischen Tätigkeit bin ich Freizeitpferd, aber mit Betonung auf Freizeit. Außerdem auch noch Frauchenretter, das aber meist gegen den Willen meiner Besitzerin. Die heißt Dana, aber ich nenne sie die Frau, weil sie mir meist eh nicht zuhört und mich außerdem oft an der freien Entfaltung meiner Persönlichkeit hindert, und da ist es dann auch egal.

Faxe und Sergej drängten zum Aufbruch. (Faxe: „Gras! Gras!“) Faxe, der fast schwarze Tinker, ist mein bester Kumpel und darf mir bei meinen Ermittlungen assistieren, auch wenn er das bisweilen eigenwillig interpretiert. Es war Hochsommer und sowas von heiß, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich guckte trotzdem den roten Fleck im Mist an. Einmal Ermittler, immer Ermittler. Ich hatte das schon ganz gut drauf.

„Guck mal, auf dem Parkplatz steht das Auto vom Tierarzt. Lass uns lieber schnell weitergehen!“, schlug Faxe nun vor.

Huch. Ich änderte spontan meine Ansichten übers Stehenbleiben und Ermitteln, vor allem, weil der Tierarzt gerade ausstieg. Seine Tasche stand schon auf dem Kiesboden des Parkplatzes. Sergej nahm meinen merklich flotteren Schritt überrascht, aber dankbar zur Kenntnis. Seine hängenden Schultern und der gottergebene Blick sagten mir, dass er es schon lange aufgegeben hatte, sich über irgendwas zu wundern. Ich fand das sehr philosophisch.

Links ging es zu den Stallweiden, wir aber wollten geradeaus in den Wald. Im Sommer sind wir nämlich immer auf den Waldweiden, weil es da schön schattig ist und kaum Insekten gibt. Für Oleg und Sergej ist das schade, weil sie so viel laufen müssen, aber hey, Bewegung ist gesund. Das behaupten Faxes und meine Besitzerin jedenfalls immer, wenn sie aus ihren Autos aussteigen.

„Krrrriegst du jetßt eigentlißß einen Weßterrrrnßattel?“ Wir fingen gerade mit dem zweiten Frühstück an, als auch schon Companero und Konrad eintrudelten und quasi zeitgleich damit anfingen, uns auf den Geist zu gehen. Nerven und lispeln kann Companero gut. Konrad kann nur nerven, aber das hervorragend.

Companero ist ein Spanier mit Wallemähne, der sich unwiderstehlich fühlt und gern einen auf dicke Hose macht. Außerdem ist er mein ehemaliger Boxennachbar. Seit er seine Box mit Else getauscht hat, wohnt er neben Blacky, dem weißen Minishetty, und pflegt dort seinen Größenwahn sowie den pseudospanischen Akzent. In Wirklichkeit kommt er nämlich aus Gelsenkirchen. Faxe nennt das Gelsenkirchener Barock, aber ich glaube, er denkt sich solche Ausdrücke nur aus.

„So ein Quatsch, wie kommst du denn darauf?“

„Konrrrad hat eß geßagt.“ Companero wies mit dem Kopf auf seinen muskulösen Kumpel, der uns dümmlich anlächelte. In seinen Augen glomm ein Funke des Wiedererkennens.

„Konrad.“ Ich schnob verächtlich. Als ob unser selbsternannter Dressurcrack irgendeine Ahnung von irgendwas hätte. Als Sportpferd ist er viel auf Turnieren unterwegs und gibt danach immer an wie ein Sack voll Flöhe. Ich glaube ja, dass seine monumentale Verpeiltheit der Grund für seine Turniererfolge ist. Wer so wenig wie er von seiner Umwelt mitkriegt, kann ungestört die Turnübungen im Dressurviereck absolvieren. Man darf ihn aber um Himmels willen nicht darauf ansprechen, dann erzählt er einem nämlich so haarsträubende Lügengeschichten, dass Totilas und Valegro neben ihm wie Waisenknaben aussehen.

„Fury!“, begrüßte mich der Angeber, der anscheinend in Gedanken die Dressuraufgabe des nächsten Turniers noch einmal durchging. Trippel, trippel. „Mein Freund, das Westernpferd!“

Ssiehßt du, sagte Companeros Blick.

„So ein Blödsinn. Wieso soll ich denn ein Westernpferd werden? Oder einen Westernsattel bekommen?“

„Weil ßich Dana neuerrrdingß ßo ßehrrr fürrrß Weßterrrrrnrrreiten interrrreßßierrt.“

„Die Frau interessiert sich für viel. Meistens lässt das nach einer Viertelstunde nach. Du hast da übrigens ‘ne Bremse auf dem Rücken.“

„Vielleißt.“ Das bezog sich anscheinend auf die Bremse. „Iß weiß nißt. Sssie guckt immerrr beim Rrrreitunterrrricht von Felikß zu. Bei derrrr Westerrrntrrrainerrrin.“

„Ach Gottchen. Das ist doch nur, weil sie Felix toll findet und sich von ihm den Widerrist beknabbern lassen will.“ Ich kenn mich mit sowas aus, wir Pferde machen das nämlich so, wenn wir uns mögen. „In Wirklichkeit träumt sie von Piaffe und Passage. Glaub‘ mir, ich kenne sie. Nicht vom Westernreiten. Das ist nämlich total schwierig, weil man da ganz viel aus dem Sitz heraus machen muss. Schließlich hängen die Zügel immer durch. Dafür ist sie viel zu ungeschickt. Nachher tut sie sich noch weh.“

Mit dem Reiten kenne ich mich übrigens auch aus.

„Sssie hat ßich eingehend errrrkundigt. Daß ßah mirrr nißt nach vorrrüberrrgehendem Interrrrreßße auß.“

Soviel Mähne und so wenige Gehirnzellen. Ich vermute da einen Zusammenhang. Außerdem hat Companero ein erstaunliches Talent dafür, die Wörter mit den meisten Rs und Ss zu finden. Ich putzte mir das Gesicht im Gras ab.

„Ich glaube das trotzdem nicht. Faxe sagt, die Sättel sind zentnerschwer. Dafür ist die Frau viel zu bequem“, erwiderte ich, Faxe gegen seinen Willen ins Gespräch mit einbeziehend. Während der Mahlzeiten angesprochen zu werden ist so ziemlich das Schlimmste, was einem Tinker passieren kann.

„Peppy wird es sicherlich gefallen, wenn du Westernpferd wirst. Dann fühlt sie sich nicht mehr so unverstanden.“ Konrad nun wieder.

„Finger weg von Peppy. Die hat alles, was sie braucht – nämlich mich!“ Faxe legte die Ohren an. Wenn es um seine Freundin geht, versteht er keinen Spaß.

„Mir hat sie neulich was anderes gesagt“, äußerte Konrad.

Konrads Glück ist es, so groß und stark zu sein. Und mein Pech ist es, dass ich nicht in die Zukunft gucken kann. Wenn ich nämlich gewusst hätte, zu was für Verwicklungen es kommen würde, wäre ich auf Faxes Vorschlag eingegangen „den Vollpfosten, der so über mich und meine Freundin spricht, fertigzumachen“, anstelle mich mit einem bangen „Mimimi“ davon zu distanzieren. Aber es kam so, wie es kommen musste. Ich hatte keine Lust auf Klopperei und das Verhängnis nahm seinen Lauf.

In Form von Peppy’s Little Love nämlich, Faxes Freundin, die eine wahre Augenweide ist, wenn auch mit Temperament und Zickigkeit für drei ausgestattet.

„Wer fühlt sich hier unverstanden?“, rief sie von der Stutenweide herüber. Praktischerweise grasen nämlich nicht nur wir Fast-Hengste, sondern auch die Stuten und die Schulpferde im Sommer auf den schattigen Waldweiden, so dass wir nicht auf die gewohnten Gespräche über den Koppelzaun hinweg verzichten müssen. Da ich nach einer endlosen frisurbedingten Durststrecke mit einem Mal anscheinend gleich zwei Freundinnen hatte, nämlich die gewaltige Else und die sanfte, zierliche Stuti, war das zwar einerseits ganz schön, aber manchmal auch ganz schön anstrengend.

Und da stand sie nun am Weidezaun – Peppy’s Little Love, kurz Peppy genannt, die kurvenreiche Quarter Horse-Stute. Wir alle waren in sie verliebt, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte sich ausgerechnet für Faxe entschieden.

„Wer fühlt sich hier unverstanden?“, fragte Peppy noch einmal.

„Häääää?“, machten wir alle. Man kann ja von uns Fast-Hengsten sagen, was man will, aber wir haben einen großartigen Sinn für Humor. Nicht wie die Stuten, die immer so langweilig ernsthaft sind.

„Armseliger Wallachhumor“, befand Lisette, die Leitstute, die uns kritisch musterte, um herauszufinden, wer heute den größten Clown gefrühstückt hatte und somit die meiste Überwachung benötigte.

Peppy guckte irritiert und wiederholte ihre Frage, diesmal etwas lauter. Das brachte sie aber auch nicht weiter, denn jetzt polterte Else heran: „Was ist denn hier los? Dauernd wird man beim Essen gestört. Das ist doch kein Benehmen einer Dame gegenüber.“

Soso, eine Dame ist sie. Beim Essen haut sie trotzdem rein wie ein Schaufelbagger. Und wenn sie sich bewegt, bebt die Erde. Wenn ich es mir recht überlege, haben sie und Faxe vieles gemeinsam. Aber jemand mit meinem Frisurenproblem kann es sich nicht leisten, wählerisch zu sein, und deshalb war ich froh, dass mich die große, kräftige Stute in ihr Herz geschlossen hatte. Ich verkniff mir auch fast alle Anspielungen auf ihre umfangreiche Figur oder ihre Verfressenheit, und das hatte nur zum Teil damit zu tun, dass Else verdammt schnell war und viele Zähne hatte.

„Die Wallache reden wieder dummes Zeug“, erklärte Peppy, zu Else gewandt.

„Aber sie sehen niedlich aus dabei“, fand Else, deren Gedankengänge ich meist nicht nachvollziehen konnte.

„Besonders der kleine Dicke mit der schiefen Mähne“, kicherte Peppy.

Moment mal – sie meinte mich! Die schärfste Schnecke im Stall stand auf mich! Wow. Sicherlich durfte man ihre Worte nicht auf die Goldwaage legen und musste sie manchmal auch einfach ignorieren, aber dafür sah sie einfach bombastisch gut aus. Und sie hatte mich gemeint. MICH!

Else guckte kritisch: „Die Frisur ist tatsächlich ganz schön furchtbar, aber das rosa Halfter reißt das wieder raus.“

„Aber die Fliegenmaske mit den aufgemalten Augen ist jetzt nicht so der Burner, oder?“

„Ich finde die irgendwie niedlich.“

Elses Zuneigung zu mir war anscheinend unzerstörbar, obwohl irgendwie immer der mütterliche Aspekt im Vordergrund stand. Ich hätte mir ja in unserer Beziehung etwas mehr Romantik gewünscht, aber aus den bereits bekannten Gründen hielt ich den Ball flach.

Die Frau hatte es mal wieder gut mit mir gemeint und mich mit einer neuen Fliegenmaske ausstaffiert. Fliegen sind ganz grässliche Tiere, die nur auf der Welt sind, um Pferde zu belästigen und in Schwärmen um ihre Augen herum zu krabbeln. Das Einzige, was dagegen hilft, ist eine Ganzkörperschlammmaske und ein guter Kumpel, der einem die Viecher mit dem Schweif aus dem Gesicht wedelt.

Da die Frau auch in dieser Hinsicht Defizite aufweist, hatte sie stattdessen tief in die Trickkiste gegriffen und mir eine extrem unattraktive bauschige Fliegenmaske mit aufgemalten Augen gekauft. Die anderen trugen verschiedene Variationen von Fransenstirnbändern und Fliegenmasken mit und ohne Ohrenteil, manche auch mit einem Extralappen unten dran als Nüsternschutz. Als ich das das erste Mal gesehen habe, habe ich mich schon ein bisschen erschrocken. Bis ich schließlich Konrad erkannte, der sehr froh über das Aufsehen war, das er mit seinem uneleganten Outfit erzielte.

„Fast wie bei der Siegerehrung“, nuschelte er, als wir im wilden Galopp über die Weide fegten. Alle außer Faxe, der sich darüber beschwerte, dass wir ihm durchs Essen laufen.

Kurz gesagt: Dieses ganze Fliegenmasken-Ding ist eine zutiefst unwürdige Veranstaltung. Der einzige Grund, warum ich diese scheußlich uncoole Fliegenmaske mit den aufgemalten Glotzaugen noch trug, war der, dass ich sie einfach nicht ausziehen und zerstören konnte.

Und glaubt mir, ich habe es versucht. Zuerst hat mir die Frau ja nur Fliegenfransen ans Halfter gehängt, farblich fein auf den jeweiligen Rosaton meines Halfters abgestimmt. Weil ich ja bekanntlich gegen Rosa allergisch bin und sowieso gegen alles, was mir vor den Augen rumbaumelt, hab ich mir immer fix Halfter samt Fransen ausgezogen, was die Frau irgendwann spitzgekriegt hat. Ich frage mich allerdings, wie sie das herausgefunden hat. Schließlich ist sie nicht die Allerhellste.

Tja, und dann kamen Fliegenmasken, die man sich nicht einfach so über die bezaubernden Puschelöhrchen streifen konnte, sondern wo man schon seinen Namen tanzen musste, um sie loszuwerden. Aber ich habe auch das geschafft, worauf die Frau weder rastete noch ruhte, bis sie mir die ultimative Glotzaugen-Fliegenmaske verpasst hatte. Sie machte beim Anprobieren einen ziemlich humorlosen Eindruck und ich glaube, sie war kurz davor, das Ding mit Sekundenkleber an mir festzupappen.

Frauen, ne. Bezaubernde, wenn auch neurotische Blumen im Garten der Natur. So nennt sie jedenfalls Faxe, wenn er seine philosophischen fünf Minuten hat, und wer will ihm da widersprechen.

Peppy und Else standen übrigens immer noch am Zaun und unterhielten sich über mich.

„Ihr wisst aber schon, dass ich euch hören kann, oder?“, fragte ich.

„Huch – es spricht!“, kreischte Peppy albern.

„Schätzelein, ich bin ein Fast-Hengst. Willst du mal meine Muckis fühlen?“, erwiderte ich und machte einen dicken Hals, was ich mit männlichem Quieken und Nach-vorn-heraus-treten begleitete.

„Ist er nicht süß?“, meinte Else.

„Ich mag ja lieber richtige Männer mit langer Mähne“, zierte sich Peppy, die sich sicher nur interessant machen wollte.

„Ich kann euch immer noch hören. Peppylein, du weißt ja gar nicht, was dir bisher entgangen ist. Guck mal, hier. Und hier!“, tänzelte ich herum.

„Mit der lustig kurzen Mähne sieht man die Halsmuskulatur besser. Die nicht vorhandenen Bauchmuskeln übrigens auch “, urteilte Peppy.

Geplänkel, weiter nichts. Sie war meinem persönlichen Magnetismus längst erlegen und konnte den Blick nicht mehr von mir wenden. Ich konnte sie verstehen: Wenn man mit einem Tinker zusammen ist, ist man nicht verwöhnt, und Faxe kann mir weder intellektuell noch optisch das Wasser reichen.

Er ist zwar mein bester Freund, aber das hat auch damit zu tun, dass ich einen guten Mitarbeiter für meine Privatdetektei brauchte. Da sind andere Qualitäten vonnöten, über die Faxe zwar auch nicht verfügt, aber heutzutage ist es eben schwer, geeignetes Personal zu finden.

Also Schwamm drüber. Nichtsdestotrotz wollte ich Faxe Gelegenheit geben, seinen Horizont zu erweitern.

„Guck mal, Faxe, so geht das!“, trompetete ich zu meinem dicklichen Mitbewerber hinüber. „So macht man das mit den Mädels!“

Faxe sah vom Gras auf, Mordlust im Blick. „Finger weg von Peppy!“

„Und wer soll mich daran hindern? Du etwa, Fusselhirn?“ Ich gebe zu, das war unbedacht. Ich hätte mich in diesem Moment umdrehen sollen. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.

***

„Und Sie meinen wirklich, ich soll das Feuerwehrfest organisieren? Und bis Sonntag damit fertig sein?“ Dana sah ihren Chef zweifelnd an.

„Frau Dirksen, das ist ihre große Chance! Herr Dinkelfuss meint auch, dass er Ihnen das durchaus zutraut. Er hat ja leider im Moment so viel um die Ohren, dass er dafür keine Kapazität frei hat, aber er hat Sie mir sehr empfohlen.“

Dana nickte und unterdrückte den Wunsch, in die Schreibtischkante ihres Vorgesetzten zu beißen. Stattdessen hielt sie sich daran fest.

„Das ist aber nett von Herrn Dinkelfuss. Ich werde mich bei Gelegenheit bei ihm dafür bedanken“, log sie. Oder ihn umbringen. Vielleicht stirbt er auch eines Tages freiwillig an seiner Faulheit. „Wir haben ja alle in letzter Zeit wenig zu tun, seit der Bürgermeister zurückgetreten ist. Und bis zur Neuwahl ist es noch einige Zeit hin, wegen der Sommerpause.“

Klaus-Werner Hartmann ignorierte den Wink mit dem Zaunpfahl souverän und lächelte nachsichtig. „Manchmal frage ich mich wirklich, wie der Herbert das alles schafft. Der tanzt ja auf allen Hochzeiten gleichzeitig. Ein richtiger Teufelskerl.“

Seit wann duzen sich die beiden? Bisher war Herbert zwar Chefs Liebling, aber wenigstens waren die beiden keine Blutsbrüder. Was erzählt der ihm eigentlich noch so alles? Dass er Workaholic ist und in seiner Freizeit bei mittellosen älteren Damen die Wohnung tapeziert? Sie musste kurz einen Kicheranfall unterdrücken. „Der arme Herr Dinkelfuss. Ich weiß gar nicht, warum er so viel Stress hat. Im Moment ist es echt ruhig.“

Im Hochsommer passierte in Meisenwald, der selbsternannten Perle des Oberbergischen Landes, ohnehin wenig bis nichts. Wer konnte, ging ins Freibad oder bewegte sich möglichst wenig. Für anstrengende Aktivitäten hob man sich die kühleren Jahreszeiten auf. Bürgermeister Klingebiel war nach den Unruhen um ein geplantes Einkaufszentrum zurückgetreten, und Peter Rosenbaum, sein Stellvertreter, hielt die Füße ruhig und führte die Geschäfte unauffällig weiter.

Das hatte zur Folge, dass bei Dana und ihrem Büromitbewohner Herbert Dinkelfuss so gut wie keine Beschwerden mehr eingingen. Sogar Friedhelm Brösmann, der streitbare Rentner mit den selbstgebastelten Knöllchen, verhielt sich ungewöhnlich ruhig.

Sogar der verdammten alten Nervensäge ist es zu warm, dachte Dana. An einem durchschnittlichen Werktag war Brösmann für zehn bis zwanzig Beschwerden gut, weil er seine Knöllchen nicht mehr nur an falsch geparkte Autos hing, sondern auch an solche, deren Farbe ihm nicht gefiel. Zuletzt hatte er ein Faible für Blau entwickelt. Aber im Moment passierte rein gar nichts. Mit anderen Worten: Dana war langweilig, und sie wehrte sich eigentlich nur aus Reflex.

„Natürlich gibt es ein Festkomitee und so weiter. Frau Dirksen, sie kennen sich ja mit so etwas aus. “

Kannte Dana zwar nicht, war ihr aber auch egal. Sie hatte außerdem auch keinen blassen Dunst davon, was die Feuerwehr so trieb, wenn es gerade nicht brannte; da sie aber an chronischer Selbstüberschätzung litt, war sie sicher, dass sie alles hinkriegen würde, was zu tun sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Und mit dem sogenannten Festkomitee würde sie schon fertig werden. Das sind im Zweifel ein paar Schnarchnasen, die alles so wie immer machen wollen. Bisschen kurzfristig zwar, aber ich krieg das schon hin.

Das Feuerwehrfest fand immer am letzten Sonntag im August statt und war das sommerliche Highlight der Meisenwalder. Der Meisenwalder an sich ist ein Feierbiest und benötigt nicht viel, um in Partylaune zu kommen. Gesellschaft, Getränke und ein Anlass, mehr braucht es nicht, um die ganze Kleinstadt glücklich zu machen. Musik und ein Imbisswagen werden gern gesehen, sind aber nicht essentiell. Wichtiger ist der Zweck des Ganzen – ein guter Zweck ist prima, aber noch besser ist Brauchtumspflege oder gar beides, denn dann ist man ja moralisch verpflichtet, mitzufeiern, bis die Leber brummt.

Das Feuerwehrfest erfüllte all diese Kriterien und bot darüber hinaus die einmalige Gelegenheit, die großen roten Autos einmal von ganz nahem zu sehen, ohne einen Brand legen zu müssen. Aber der Pyromane aus dem Nachbardorf war längst in Haft.

Die kleinen Meisenwalder durften in den Feuerwehrautos sitzen oder mit der Drehleiter in schwindelerregende Höhen hinauffahren. Wenn es besonders heiß war, ließ es die Feuerwehr zur großen Gaudi der kleinen Gäste aus den C-Rohren regnen. Die großen Meisenwalder dagegen ließen es sich am Grill und im Festzelt gut gehen. In den letzten Jahren war das Fest immer von Heinrich Korte organisiert worden, der aber nun aufgrund einer heftigen Sommergrippe ausgefallen war.

Männerschnupfen. Typisch. Dana war zuversichtlich, dass sie das mindestens genauso gut wie er hinkriegen würde. Die Planung ist eh schon so gut wie abgeschlossen, und wenn das Wetter mitspielt, kann ich sogar noch einen kleinen Umzug veranstalten. Aber nix mit Pferden, dachte sie in Erinnerung an den letzten Schützenzug, der ein wenig aus dem Ruder gelaufen war, und das war noch untertrieben. Vielleicht hatte die Feuerwehr ja Oldtimer, die man zeigen konnte? Sie erinnerte sich an die alte Feuerspritze, die kunstvoll restauriert worden war. Da gab es doch sicherlich noch mehr. Dazu noch eine Hüpfburg und fertig. Geht doch! Und macht gar keine Arbeit. Dana war zufrieden mit sich.

„Die nächste Sitzung des Festkomitees ist heute um 14 Uhr, ich hoffe, das passt Ihnen“, drang Hartmanns Stimme in ihre Gedanken ein.

Dana bejahte. Bei dem schönen Wetter sind wir sicher schnell fertig mit der Besprechung. Wollen doch alle schnell Feierabend machen. Wobei – so langsam geht mir die Hitze auf den Keks. Als Reiter hat man’s ja nicht so sehr mit dem Hochsommer.

„Herrn Brösmann kennen Sie ja schon. Als ehemaliger Leiter der Freiwilligen Feuerwehr wird er Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

„Wie schön“, erwiderte Dana schwach.

1 Pfridolin Pferd, Tod im Misthaufen

2. Kapitel, in dem die Leiche nun aber wirklich gefunden wird

Faxe kam mit wehender Mähne und wogenden Fettpölsterchen auf mich zu, so schnell er konnte. Also in Zeitlupe. Ich gähnte. Als ob so ein Flauschetinker mir supermännlichem Supersportler etwas anhaben könnte!

„Pass auf, Pfridolin! Du bist doch immer so ungeschickt. Nicht, dass du dir noch wehtust!“

Das war Else. Wie peinlich. Und die schöne Peppy hatte es gehört. Manchmal glaube ich, Else will nicht, dass ich einen Harem bekomme. Immer mischt sie sich in mein Privatleben ein. Gut, wir haben eine Beziehung, aber doch nicht die ganze Zeit über! Ich beschloss also, ihren Einwand zu ignorieren, vor allem, weil Peppy mit einem Mal großes Interesse an mir zeigte. Faxe war schon fast bei mir.

„Ja, da guckst du, nicht wahr? So sieht ein Fast-Hengst aus, der fast einen Harem hat!“ begrüßte ich Faxe, der das sehr humorlos aufnahm. Konrad und Companero kamen auch angerannt, weil sie gucken wollten, was los war – Companero aus nerviger Gewohnheit, Konrad wie immer auf der Suche nach Publikum und einer Ehrenrunde.

„Wo sind denn hier die Zuschauertribünen?“

„Kon-rad, du bist nicht auf einem Tur-nier. Das hier ist die Wei-de“, erklärte ich ihm extra langsam.

Faxe stieß währenddessen wüste Beschimpfungen aus und drängte sich zwischen Peppy und mich.

„Wa-rum spricht Fa-xe so schnell?“, erkundigte sich Konrad. Ich hatte ihn währenddessen in Faxes Richtung dirigiert und Peppy von ihm weggelockt.

„Weil er sehr, sehr bö-se ist“, knurrte Faxe und stampfte mit dem Vorderhuf auf.

Das konnte ich mir natürlich nicht gefallen lassen uns stampfte meinerseits auf.

Er stampfte nochmal.

Ich stampfte nochmal, natürlich viel besser und eindrucksvoller als er.

Faxe schnaufte und warf sich herum. Ungefähr so dynamisch wie die Frau beim Rückwärtseinparken – nach dem fünften unsicheren Versuch passt es.

Ich tat dasselbe, nur spontaner, und stolperte über Blacky, das Minishetty. Das kleine weiße Mistvieh hatte seine lästige Gewohnheit, mit großer Geschwindigkeit unter allen Zäunen durchzuflutschen, beibehalten und wählte ausgerechnet diesen Moment, um mir in die Quere zu kommen. Ich war gerade im schönsten Schwung, als ich hinten wegrutschte. Blöd. Noch blöder war allerdings, dass Peppy laut loslachte. Faxe bedachte mich mit einem vernichtenden Blick und zog mit seinem Mädchen ab, jeder sittsam auf seiner Seite des Zaunes. Ich tat so, als hätte ich mich ohnehin die ganze Zeit wälzen wollen und stand gemächlich auf.

„Ssssehrrrr ßwache Vorrrrßtellung, mein Lieberrr. Frrrauen lieben Rrrromantik und ßöne Sssssachen und keine ungeßickten Trrrrampeltierrrre“, befand Companero, der selbsternannte Sachverständige in Sachen Amore.

Und sein doofer Kumpel Konrad musste noch einen draufsetzen: „Guck mal, da liegt ein Hufeisen!“ Anscheinend hatte er die Suche nach der Zuschauertribüne aufgegeben und beschlossen, sich anderweitig umzutun.