Wenn's mal klappt, guckt natürlich keiner - Pfridolin Pferd - E-Book

Wenn's mal klappt, guckt natürlich keiner E-Book

Pfridolin Pferd

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Und an der langen Seite zulegen!", kommandiert Frau Reitlehrerin. "Waaas, noch schneller?", fragt die Frau, meine sogenannte Besitzerin, entsetzt. Wir sind nämlich gerade im Galopp und gehen ganze Bahn. Also ich. In einem sehr entspannten Galopp. Kurz vor dem Schlafwandeln, eigentlich. Die Frau hängt wie ein Mehlsack im Sattel und krallt sich da fest, während sie sich dessen ungeachtet wie Ingrid Klimke fühlt, weil GANZE BAHN und UIUIUI. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich diesen Zeitlupengalopp mittlerweile so perfektioniert, dass man fast denken könnte, er wäre versammelt. Ist er aber nicht. Nur langsam. Die Frau gibt halbherzig treibende Hilfen und ist froh, dass ich sie ignoriere. Neue Geschichten vom Pferd und seiner Besitzerin. Das Pferd ist Pfridolin, von Beruf Freizeitpferd. Mit Betonung auf Freizeit, darauf legt er großen Wert. Außerdem Erziehungsberechtigter für den Lucero alias "das spanische Mähnenwunder". Die Besitzerin heißt so, weil sie die meiste Zeit auf ihm herumsitzt und sich einbildet, sie hätte Ahnung vom Reiten. Mit vollem Namen "die sogenannte Besitzerin", wenn's schnell gehen muss: "die Frau". 50 Kurzgeschichten aus dem Reiter- beziehungsweise Pferdeleben. Wo eigentlich alles schiefgeht, was schiefgehen kann, bis Frau Reitlehrerin die Lage rettet. Frau Reitlehrerin weiß nämlich nicht nur alles, sondern kann auch alles erklären - inklusive Garrocha, Freiarbeit und dem ominösen "Reiten aus dem Sitz".

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



“Die Frau hat jetzt ein Seelenpferd und Herzenspony. Tipp: Ich bin es nicht. Ich bin hier nur derjenige, der lesen und schreiben kann und sie in der Gegend herumschleppen muss.”

Wenn’s beim Reiten nicht klappt, kann man sich für gewöhnlich vor Zuschauern nicht retten. Wenn’s dann aber doch ganz ausnahmsweise hinhaut und noch dazu gut aussieht, kriegt es natürlich keiner mit. Letzteres passiert Pfridolin und seiner Besitzerin eher selten, aber es soll schon vorgekommen sein.

Der Autor

Pfridolin Pferd ist ein begnadeter Autor, dessen Talent nur noch von seiner Bescheidenheit übertroffen wird. Ein freier und hungriger Geist, gefangen im Körper eines Pferdes. Wenn er nicht gerade auf der Flucht vor den Dressur-Ambitionen seiner Besitzerin ist, findet man ihn an der Heuraufe. Nebenbei ist er Erziehungsberechtiger für den Lutschi, das spanische Mähnenwunder. Der heißt eigentlich Lucero, hat aber die orale Phase nie überwunden.

Weitere Bücher von Pfridolin Pferd:

Meisenwald-Krimis: Tod im Misthaufen ∙ Tödlicher Tierarzttermin ∙ Tödliche Traversale ∙ Tod auf der Stallgasse

Geschichten vom Pferd: … und ich dachte, Reiten kann man lernen ∙ Immer noch keine Piaffe ∙ Wenn Reiten einfach wäre, würde es Radfahren heißen

Für die Ponies

Inhaltsverzeichnis

DEIN FREUND UND HELFER. NICHT

HOPPI GALOPPI

KNAPP DANEBEN IST AUCH VORBEI

UPS, FALSCH ABGEBOGEN. HEUTE: HALBE ZIRKEL REITEN

STÖRENDE KÖRPERTEILE EINFACH ABSCHNEIDEN

FÜRCHTET EUCH SEHR, DIE FRAU WIRD ANGSTCOACH!

ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST

„HORSE WALKING HEISST DAS!!“

A-TEM-LOS DURCH DIE REITSTUNDE

„DER TUT NIX, DER WILL NUR SPIELEN!“

DAS ARABISCHE SEELENPFERD

DIE REITBETEILIGUNG

EINE ÜBUNG NAMENS KONTINENT. ODER SO ÄHNLICH

JAJA HEISST LECK MICH AM ARSCH

SPANISCHER SCHRITT. OLÉ UND SO

MIT DEINEM PFERD IST DAS JA TOTAL EINFACH

DIE FRAU SITZT NACH (UND KNICKT IN DER HÜFTE EIN)

WENN’S MAL KLAPPT, GUCKT NATÜRLICH KEINER

„AUSSEN MEHR GAS!“

AUA AUA AUA. REITEN MIT FRANKLIN-BÄLLEN

BESSER REITEN, OHNE ZU REITEN ODER: LÄUFT FÜR MICH

OBEN STABIL, UNTEN TSCHAKKA-LAKKA – EINKNICKEN IN DER HÜFTE, DRÖLFZIGSTE AUSGABE

REITEN MIT DER KRAFT DER GEDANKEN

ISIDOR TÖLTET NICHT MEHR

„IST JA NICHT MEIN PFERD!“

HERRLICH, DIESES AUSREITEN!

„DAS HAB ICH MIR JETZT ABER ANDERS ÜBERLEGT!“

IN DER NATUR GIBT’S DAS AUCH NICHT

GARROCHA FÜR DUMMIES

STOCKWEDELN, DIE ERSTE. WIE FASST MAN DAS DINGENS EIGENTLICH AN? ERSTE HANDWECHSEL

IMMER NOCH KEINE GEBROCHENEN KNOCHEN! GARROCHA: HANDWECHSEL NACH INNEN

GARROCHA FÜR DUMMIES: ERSTER VERSUCH VON OBEN, MIT GARROCHA UND VIEL HILFE VON UNTEN

AUFHÖREN, WENN’S AM SCHÖNSTEN IST

EINE REITBETEILIGUNG FÜR HORSTI

DAS LEBEN IST KEIN PONYHOF

“DAS IST FREIARBEIT, SIEHT MAN DOCH!“

JA UND WIE GEHT DAS JETZT MIT DER FREIARBEIT, UND WIESO MUSS MAN DAS ÜBEN?

DAS SIEHT SOOOOOO COOL AUS, DAS WILL ICH AUCH!

„ALLE REITEN MIT KANDARE UND ICH WILL DAS AUCH!“

BITTE NICHT STÖREN!

„REITEN MACHT SPASS!“ „DANN SAG DAS MAL DEINEM GESICHT!“

DER LAHMT DOCH GAR NICHT. OOOOODER?

DAS ELFTE GEBOT: DU SOLLST NICHT AM ZÜGEL ZIEHEN

IMMER DIESER SCHRECKLICHE SCHWUNG!

HANDPFERDREITEN IST DOCH WOHL KEINE KUNST. ODER?

HOW TO HANDPFERD

ABSOLUT RELATIV

HORSEMANSHIP-HANSI

DER WOLF, DAS UNVERSTANDENE SEELENTIER

GRAS TO GO

ZUM SCHLUSS

DEIN FREUND UND HELFER. NICHT.

Die Frau hat jetzt ein Seelenpferd und Herzenspony. Tipp: Ich bin es nicht. Ich bin hier nur derjenige, der lesen und schreiben kann und sie meistens herumschleppen muss. Und wenn es nicht unsere one and only Frau Reitlehrerin gäbe und den Mann, der uns vor einiger Zeit zugelaufen ist, wäre ich der sogenannten Besitzerin und ihrem Wahnsinn ganz allein ausgeliefert.

So teilen wir uns das und haben noch den Lutschi dazu genommen, damit der auch seine daily Dosis abbekommt. Der Lutschi ist unser spanisches Mähnenwunder. Eigentlich heißt er Lucero, aber weil er die orale Phase nie überwunden hat, wird er Lutschi genannt. Den muss ich so nebenbei auch noch erziehen. Und das, wo ich doch eigentlich Freizeitpferd bin und mich nicht anstrengen darf.

Wo war ich? Ah ja, Seelenpferd und Herzenspony. Gemeint ist der Lutschi, unser minderjähriges Mähnenwunder. Also körperlich ist er schon ausgewachsen, wobei er sagt, er wäre noch nicht dick barock genug, aber geistig ist er halt auf dem Stand eines altersgerecht entwickelten Zweijährigen, und ich fürchte, das bleibt auch so. Mit anderen Worten: der Lutschi ist mein Haustier und muss alles tun, was ich sage. Außer wenn er das nicht versteht. Also oft.

Aber so ein Seelenpferd muss ja auch nix können, außer, die sogenannte Besitzerin süß und schläfrig durch seinen zotteligen Schopf anzublinzeln, wenn sie sich neben ihn auf ihre rosa Flauschidecke legt, um zu meditieren. Das ist nämlich die neueste Unsitte hier: man rechnet mit nix Bösem und guckt verträumt nach unten und da liegt dann mit einem Mal unsere kleine Ostwind-Wendy auf ihrer schweinchenrosa Meditationsdecke und ommmt vor sich hin.

Nachdem ich neulich vor Schreck fast an die Decke gesprungen bin, hat sie beschlossen, dass unsere seelische Verbindung doch nicht so das Gelbe vom Ei ist und ihre Rumliege-Aktivität auf die Box vom Lutschi verlagert, weil der ja sooooo sehr ihr Herzenspferd ist. Und so nah an ihrer Seele und überhaupt.

Das Einzige, was der Lutschi ist, ist langsam. Und verträumt. Mehr aber auch nicht. Offensichtlich reicht das aber schon aus, um sich als Seelengefährte und Therapeut zu qualifizieren. Ja genau, Therapeut. Die spanische Brezelbirne ist jetzt auch Seelenklempner. Und was für einer, meint die Frau.

Man könnte das auch gar nicht beschreiben, man müsste es spüren, sagt sie, wenn sie vom Mann gefragt wird, warum zum Henker sie auf der schweinchenrosa Decke in der Pferdebox herumflackt. Diese innere Verbindung. Hach. Der Mann wäre immer so unsensibel. Und der Pfridolin erst! Aber der Lutschi wäre der Einzige, der sie und ihre zerbrechliche Persönlichkeit wirklich versteht. Da wären so ganz besondere Schwingungen in der Aura. Ganz unbeschreiblich wäre das und total schön. Eben Balsam für ihre verhärtete und angespannte Seele.

Der Lutschi ist währenddessen ganz verständnisvoll und sensibel aufs Boxenpaddock gegangen, wo das Heunetz hängt. Da hört man ihn Heu rupfen. Zwischendurch kommt er zum Pinkeln rein. Das ist der Moment, wo die Frau überlegt, doch lieber mit ihrer Schweinchendecke aufs Gruppenpaddock umzuziehen, wo wir uns tagsüber aufhalten. Da pinkeln wir nicht, weil der Boden da hart ist. Aber es gibt Heu, was immer schöne Stimmung macht.

Auch bei der Frau, die sich freut, wie herrlich beruhigend das Geräusch von heufressenden Pferden ist. Außer, wenn jemand futterneidisch wird und jemand anderen vertreibt, und das zur Not auch quer über schweinchenrosa Decken und meditierende Frauen hinweg.

„Wunderbar, wie sehr einen dieses Meditieren belebt“, meint der Mann, der von Ferne beobachtet hat, wie die Frau mit einem Riesensatz das Paddock verlässt.

„Ja, ganz wunderbar“, schnauft die sogenannte Besitzerin. „Ich wollte sowieso gerade ins Reiterstübchen, da ist es wenigstens geheizt. Da meditiert es sich gleich noch mal so gut.“

Und so ganz vielleicht ist ein Pferd doch kein Therapeut, sondern einfach ein Pferd. Ich warte mal ab, vielleicht kommt sie da noch selber drauf.

Ist sie natürlich nicht. Stattdessen haben wir Reitunterricht, wo Frau Reitlehrerin pädagogisch und beharrlich versucht, die Frau ans vernünftige Reiten heranzuführen. Wo man sich auch mal vorwärtsbewegt. Das ist nicht genau das, was die sogenannte Besitzerin gern hätte. Die leidet ja unter einem pathologischen Piaffe-Fimmel und bildet sich ein, sie würde Reitkunst treiben. Weil sie sich insgeheim zu Tode fürchtet und am liebsten nur mit mir herumstehen würde und für Fotos posieren.

HOPPI GALOPPI

„Und an der langen Seite zulegen!“, kommandiert Frau Reitlehrerin.

„Waaas, noch schneller?“, fragt die Frau, meine sogenannte Besitzerin, entsetzt. Wir sind nämlich gerade im Galopp und gehen ganze Bahn. Also ich. In einem sehr entspannten Galopp. Kurz vor dem Schlafwandeln, eigentlich. Die Frau hängt wie ein Mehlsack im Sattel und krallt sich da fest, während sie sich dessen ungeachtet wie Ingrid Klimke fühlt, weil GANZE BAHN und UIUIUI.

Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich diesen Zeitlupen-Galopp mittlerweile so perfektioniert, dass man fast denken könnte, er wäre versammelt. Ist er aber nicht. Nur langsam. Aber pst, nicht Frau Reitlehrerin erzählen.

Die Frau gibt halbherzig treibende Hilfen und ist froh, dass ich sie ignoriere.

„An der langen Seite zulegen!“, wiederholt Frau Reitlehrerin lauter, in der Annahme, die sogenannte Besitzerin hätte sie akustisch nicht verstanden. Aber da kann ich sie beruhigen, die Akustik ist nicht das Problem.

„Vorwärts reiten!“ ist das nächste Kommando. „Stell dir genau vor, wie der Pfridolin kraftvoll abspringt und die Galoppsprünge immer größer werden!“

„Mach ich doch“, lügt die Frau, die die ganze Sache ziemlich gruselig findet. Denn, so ihr Gedanke: Man weiß ja nie, ob das wilde Tier unter einem nicht doch mal spontan buckelt oder sonstige Ausraster hat. Immerhin ist es Winter, da ist sowas gut möglich.

Frau Reitlehrerin erkennt das Problem und lässt uns erstmal durchparieren. Gottseidank, sag ich da nur. Ich bin Freizeitpferd, ich DARF mich gar nicht anstrengen.

Dann stelle ich mich zutraulich daneben, während sie der Frau folgendes erklärt: „Wir möchten den Durchsprung im Galopp verbessern, damit der Pfridolin athletischer wird. Galopp ist nämlich eine Gangart mit vielen Vorteilen: er ist ein gutes Bauchmuskeltraining, er ist wichtig für die Lunge und außerdem sind Galopp-Trab-Übergänge sehr gut für die Rückenmuskulatur.“

„Weiß ich doch“, behauptet meine Reiterin.

Ich muss mich erstmal sammeln, um das Gehörte zu verarbeiten. Es scheint jetzt doch auf Spocht herauszulaufen, da habe ich ja sicherheitshalber bisher einen großen Bogen drum gemacht. Andererseits: Athletisch ist cool, die Meedchen stehen auf Sixpacks.

Und schließlich: Wer weiß, wie lang die sogenannte Besitzerin entsprechend motiviert ist, sie ändert ihre Meinung ja gern im Stundentakt. Außerdem sind Gehirn und Körper bei ihr nur entfernte Bekannte, wo sich der eine regelmäßig darüber wundert, was der andere so treibt, und umgekehrt.

Frau Reitlehrerin lächelt meine Reiterin an: „Sehr gut, dann können wir ja jetzt das Galopp-Training zu unserem Programm dazunehmen.“

Oh, Galopp-Training, denkt die. Das klingt interessant und verwegen. Und Frau Reitlehrerin erkennt endlich, dass die Frau mindestens genauso viel Ahnung hat wie sie. Das wurde ja auch Zeit. Bescheiden erklärt die Frau, sie wäre ja nur die Co-Trainerin, die Frau Reitlehrerin zur Hand gehe, wo es eben nötig sei.

Frau Reitlehrerin hat einen Master in Diplomatie und ihre Gesichtszüge gut unter Kontrolle, während sie die Frau und mich wieder nach draußen beordert, auf den zweiten Hufschlag. Dort sollen wir erst mal auf dem Mittelzirkel angaloppieren und den allmählich vergrößern.

Wir tun, wie uns befohlen, schon weil Frau Reitlehrerin auffordernd guckt und körpersprachlich energische Signale gibt. Eigentlich stört die sogenannte Besitzerin nur, denke ich mir. Aber wie ich so um Frau Reitlehrerin herumgaloppiere, erkenne ich mal wieder ihr Genie.

Auf die Art gewöhnt sich nämlich das zaghafte Frauchen, das sonst immer einen auf dicke Hose macht, an die Galoppbewegung und wird mutiger, so dass wir tatsächlich irgendwann auf dem zweiten Hufschlag ankommen und dort – düdümm! ganze Bahn galoppieren. Und zwar in etwas, was ich durchaus Arbeitstempo nennen würde, denn es ist verdammt anstrengend und macht komische Gefühle in der Hinterhand. Aber auch WACH und ein bisschen WILD

Nachdem die Frau festgestellt hat, dass die ganze Sache zwar aufregend, aber auch irgendwie cool ist und Ähnlichkeit mit richtigem Reiten hat, ist sie kaum noch zu bremsen. Da hat sie Glück, denn wir wiederholen die Übung nach einer kurzen Verschnaufpause auf der anderen Hand.

„Das war aber jetzt starker Galopp“, stellt die sogenannte Besitzerin fest, als sie wieder sprechen kann.

„Das war ein gutes Arbeitstempo“, lächelt Frau Reitlehrerin freundlich, „und da ist noch viel Luft nach oben.“

„Oben, wie in … SPRINGEN?“, fragt die Frau entsetzt.

„Wir könnten dem Pfridolin mal Dualgassen in den Weg legen, das verbessert den Galopp auch. Aber vorerst üben wir das Beschleunigen ohne Hindernisse. In der nächsten Reitstunde legst du auf den langen Seiten noch ein bisschen zu und fängst ihn an den kurzen Seiten wieder ab. Das trainiert die Hinterhand und hilft dir, den versammelten Galopp zu entwickeln.“

„Und dann Galopp-Pirouette“, kräht die Frau, die durch die erhöhte Sauerstoffzufuhr anscheinend komische Ideen bekommt.

Frau Reitlehrerin und ich sehen uns an. Weil sie die diplomatischere von uns beiden ist, formuliert sie die Antwort. Es ist eine höfliche Form von leider nein, leider gar nicht und sie lautet: „Nicht direkt in der nächsten Reitstunde, aber es ist immer wichtig, Ziele zu haben. Das hilft beim Visualisieren, und das Visualisieren hilft dir wiederum, deinen Zielen näher zu kommen.“

Philosophisch, oder? Und wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss mich wälzen. Bevor die Frau auf noch komischere Ideen kommt.

Oder am Ende noch ihre humoristische Ader entdeckt. Wobei sie meistens die Einzige ist, die über ihre Witze lacht. Weil die anderen so humorlos sind, denkt die Frau. Weil die Irre so bescheuerte Gags macht, dass da nur der Mann drüber lachen kann, denke ich. Und der MUSS lachen, weil er bekanntlich von ihr unterdrückt wird.

KNAPP DANEBEN IST AUCH VORBEI

„Knapp daneben ist auch vorbei“, flötet die sogenannte Besitzerin, als Frau Reichundschön, die amtierende Dressur-Queen des Stalles, die deshalb und wegen ihres Reichtums von ihr glühend beneidet wird, nacheinander alle Zirkelpunkte verpasst und mit ihrem Happy Dancer auf einem ostereiförmigen Kringel kreist. Frau Reichundschön rümpft die vornehme Nase und würdigt sie keiner Antwort.

Bestimmt zu leise gewesen, denkt die sogenannte Besitzerin und plärrt: „KNAPP DANEBEN IST AUCH VORBEI, HAB ICH GESAGT!"

Frau Reichundschön ist aber auf diesem Ohr taub und hat offensichtlich kein Interesse daran, mit dem Pöbel zu verkehren.

„Kein Sinn für Humor. Hmpf“, kommentiert die Frau und sucht ihr Heil an einer neuen Wirkungsstätte.

„Knapp daneben ist auch vorbei“, wiederholt sie, als ihre derzeit beste Freundin, Frau Horsti, hoch zu Ross die Jacke auszieht und das gute Stück schwungvoll an der Bande vorbei in den Hallensand wirft.

Frau Horsti ist not amused.

„Die ist ganz neu, menno“, zetert sie. Möglicherweise aktualisiert sie auch gerade den Freundschaftsstatus und die Frau ist nur noch ehemalige beste Freundin.

Nur Spaßbremsen hier, denkt die sogenannte Besitzerin, gibt aber nicht so leicht auf. Da kommt ihr der Mann gerade recht, der von ihr damit beauftragt wurde, mich reitfertig zu machen.

„Der Sattel liegt zu weit vorn, auf der Schulter“, merkt sie an. „Knapp daneben ist auch vorbei, ahahaha.“

Auch, als der Mann den Sattel zum Ausgleich zu weit hinten auflegt, gibt sie ihren neuen Lieblingsspruch zum Besten.

Der Mann guckt nur. Er kann gut kochen und hat keine Angst vor der Frau, weil er sie mit lecker Fressi erpressen kann. Also zieht er fragend eine Augenbraue hoch und die Frau belehrt ihn darüber, wo genau er den Sattel zu platzieren hat. Sicherheitshalber wiederholt sie: „Knapp daneben ist auch vorbei, gnihihi“, für den Fall, dass er ihren gigantischen Witz verpasst hat.

Als wieder keine Reaktion kommt, zieht sie leicht verschnupft ab. Ich muss leider mitkommen. Das kann ja heiter werden, denke ich mir. Und damit meine ich bestimmt nicht lustig.

Am Reitplatz angekommen, stelle ich mit Grausen fest, dass die sogenannte Besitzerin da schon einige Stangen hingelegt hat. Hübsch unpassend, wie das so ihre Art ist. Stangenarbeit gut und schön, aber noch schöner isses doch, wenn man auch gescheit darüberkommt.

Und so kommt, was kommen muss: Mein formschöner Fuß kommt unpassend in Kontakt mit der Stange und ich starte die Todesgrätsche. Wofür die sogenannte Besitzerin überhaupt kein Verständnis zeigt und mich laut anblökt, ich sollte mich gefälligst zusammenreißen.

„Knapp daneben ist auch vorbei“, ruft der Mann hilfsbereit. Findet die sogenannte Besitzerin gar nicht komisch. Warum nur, denke ich mir.

Nach der Reiteinheit gehe ich noch aufs Paddock, ein bissel chillen. Die Frau mistet währenddessen meine Box aus. Housekeeping, coole Sache eigentlich. Weil Madame nicht so gern läuft, ist die Schubkarre immer ordentlich voll. So gibt es ein schönes weiches Polster, als die Frau kurz vor dem Misthaufen über einen Stein fährt und mitsamt der Karre umkippt.

„Knapp daneben ist auch vorbei“, lacht der Mann. Was die Frau leider sehr humorlos aufnimmt und anbietet, ihn mit der Mistgabel um den Hof zu jagen. War vielleicht doch nicht so lustig, ihr Spruch.

Und jetzt weiß ich auch nicht, ob der Lutschi und ich bald Halbwaisen sind. Oder ob Frau Reitlehrein pädagogisch und todesmutig dazwischengrätscht und die Frau mit ihrem unzerstörbaren Frau-Reitlehrerin-Lächeln wieder einfangen und resetten kann.

Spoiler: Sie kann. Zumindest kurzfristig. Um der sogenannten Besitzerin ihren Piaffe- Fimmel komplett auszutreiben, braucht es entweder einen Exorzisten oder eine Gehirnwäsche, und beides ist in der Reitstunde selten zur Hand.