Tod im Misthaufen - Pfridolin Pferd - E-Book

Tod im Misthaufen E-Book

Pfridolin Pferd

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Beschreibung

Eigentlich ist Pfridolin ein Freizeitpferd, das höchstens vom Gedanken an die nächste Mahlzeit oder dem Wunsch nach einem Liebesleben geplagt wird. Sein bester Kumpel Faxe hat ebenfalls die Ruhe weg. Als beide unverhofft eine Leiche finden, hat die beschauliche Zweisamkeit ein Ende. Mit einem Mal überschlagen sich die Ereignisse. Die beiden gehen auf Mörderjagd und Pfridolin hat trotz seiner abscheulich schief geschnittenen Mähne erstaunliche Erfolge beim anderen Geschlecht. Auch die Farbe Rosa, der Pfridolin als Fast-Hengst sonst eher ablehnend gegenübersteht, spielt eine wichtige Rolle bei den Ermittlungen des nicht ganz so dynamischen Duos.

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Eigentlich ist Pfridolin ein Freizeitpferd, das höchstens vom Gedanken an die nächste Mahlzeit oder dem Wunsch nach einem Liebesleben geplagt wird. Sein bester Kumpel Faxe hat ebenfalls die Ruhe weg. Als beide unverhofft eine Leiche finden, hat die beschauliche Zweisamkeit ein Ende. Mit einem Mal überschlagen sich die Ereignisse - die Beiden gehen auf Mörderjagd und Pfridolin hat trotz seiner abscheulich schief geschnittenen Mähne erstaunliche Erfolge beim anderen Geschlecht. Auch die Farbe Rosa, der Pfridolin als Fast-Hengst sonst eher ablehnend gegenübersteht, spielt eine wichtige Rolle bei den Ermittlungen des nicht ganz so dynamischen Duos.

„Absolut genial!“

Faxe

„Spannend bis zum Schluss und gleichzeitig saukomisch!“

Pfridolin

Dafür, dass dieses Buch existiert, muss ich mich bei ziemlich vielen großartigen Menschen und Tieren bedanken, nämlich bei denjenigen, die meine Abenteuer im Blog, auf Facebook und auf Twitter verfolgen. Danke, dass es euch gibt!

Dank auch an die Freunde aus dem Blaulichtmilieu und an alle Reitlehrer und Reitlehrerinnen, die bisher versucht haben, der Frau das Reiten beizubringen. Dass es nicht geklappt hat, ist nicht eure Schuld.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel, in dem wir jemanden im Misthaufen finden und über einen bösen Menschen lästern

Kapitel, in dem Faxe und ich ins Gelände gehen und über die neuesten News im Stall informiert werden

Kapitel, in dem Menschen Personalien angeben und auf Pferde-Ebene tiefschürfende Erkenntnisse gewonnen werden

Kapitel, in dem zwei Detektivkarrieren beginnen

Kapitel, in dem ich Else kennenlerne

Kapitel, in dem geheimnisvolle Dinge gefunden werden

Kapitel, in dem die Frau arbeitet und mein Hilfsdetektiv auf Abwege gerät

Kapitel, in dem ich allein weiter ermittele und die Frau immer noch im Büro ist

Kapitel, in dem ich eine Co-Detektivin bekomme

Kapitel, in dem Leute an überraschenden Orten aufwachen

Kapitel, in dem die Auflösung bevorsteht

Kapitel, in dem eine Festnahme erfolgt

Kapitel, in dem Faxe ausnahmsweise auch mal erzählen darf

1. Kapitel, in dem wir jemanden im Misthaufen finden und über einen bösen Menschen lästern

„Guck mal, was ist das denn? Sieht ja voll eklig aus“, sagte ich zu meinem Kumpel Faxe, als uns Oleg, der russische Stallhelfer, von der Weide führte. Für meinen Geschmack viel zu früh, aber „Immer schön auf die Figur achten!“, sagt Dana, meine Besitzerin. Ich nenne sie „die Frau“, weil sie mir meistens eh nicht zuhört, und da ist es dann auch egal.

Ich bin übrigens Pfridolin, ein Hannoveraner Wallach im besten Alter. Faxe ist ein Tinker und mein bester Kumpel, auch wenn er mir intellektuell natürlich nicht das Wasser reichen kann. Aber er ist toll flauschig und für einen Tinker ungewöhnlich schwarz. Das ist auch irgendwie schön und besonders. Außer uns wohnen noch andere Pferde im Stall, aber die meisten von denen sind langweilig, weil sie sich nicht für mich interessieren.

Das Eklige, das ich gesehen hatte, war nicht nur der Misthaufen, an dem wir gerade vorbeikamen – der war aber fast immer da -, sondern der Mensch, der da kopfüber drinsteckte. Mitten im mistigsten Pferdemist. Ralph Reißmann oder RR oder auch Ralph Reißhand ob seiner brutalen Reitweise – man konnte ihn nennen wie man wollte, dadurch wurde es nicht besser. Ein Unsympath durch und durch. Von Beruf Springreiter, der seine Pferde brutal behandelte und auch schon mal vergaß, sie zu füttern. Ich erkannte ihn an seiner Kleidung und natürlich am Geruch, obwohl ich mich aus Prinzip immer bemühte, neben dem Misthaufen möglichst flach zu atmen. Faxe wunderte sich auch.

„Menschen. Was für kranke Ideen die immer haben. Warum macht er das wohl?“

„Warte, ich guck mal, ob ich mehr erkennen kann“, sagte ich und reckte den Hals. Der Weg zum Stall verlief erhöht. Rechts davon fiel das Gelände ab. Dort war der Misthaufen. Links davon wuchs Gras.

„Ooooh Gras!“ sagte Faxe, der sich leicht ablenken ließ, und machte sich daran, die drei Hälmchen am Wegesrand zu rupfen. Tinker, ne. Ohne Worte.

Alexej, der mit Companero und Konrad hinter uns herkam, musste stehen bleiben. Alexej war Olegs Kollege. Er war noch nicht so lange hier wie Oleg, kannte sich aber mit uns aus. Er konnte laut lachen und mindestens genauso laut ausländisch fluchen, was er in dieser Sekunde auch tat. Companero, der spanische Schimmel, hatte nämlich die Gelegenheit genutzt, um Konrad zu zwicken. Ich konnte das verstehen – Konrad war eine ganz furchtbare Nervensäge mit einem derart aufgeblähten Ego, dass Totilas neben ihm wie ein Kinderpony wirkte. Konrad war von Beruf Dressurpferd, konnte alles und hatte auch schon alles gewonnen - jedenfalls, wenn man seinen Erzählungen Glauben schenkte, was wir aus gutem Grund nicht mehr taten. Jetzt mal unter uns: wie wahrscheinlich war es denn, dass unser doofer, eingebildeter Konrad tatsächlich Dressurweltmeister war? Eben. Sowas glaubten nur die unerfahrenen Jungpferde, unter denen er einige Fans hatte. Gut, er war echt groß und hatte einen super trainierten Body, aber er war definitiv keine Intelligenzbestie. Faxe und ich fanden ihn einfach nur peinlich, und anscheinend sah Companero das genauso.

Ich spähte weiter von meiner erhöhten Position auf den Misthaufen unter uns, während sich Faxe darum kümmerte, den Wegrand von Gras zu befreien. Olegs Arme wurden lang und länger. Er schimpfte. Das war ja mal wieder typisch für die Menschen - die kriegen nie was mit. Da kann unsereiner noch so sehr kommunizieren, sie sind halt begriffsstutzig. Ich hatte inzwischen festgestellt, dass Ralph Reißmann halb unter dem Pferdemist verborgen war und eher tot als lebendig aussah. Tja. Sollte er mal gucken, wie er damit klarkam. Faxe und ich setzten uns wieder in Bewegung - es gab ja anscheinend nichts weiter zu sehen. Alexej rief Companero zur Ordnung, und unsere kleine Herde trottete in Richtung Stall.

In der Box angekommen, machte ich es mir erst einmal gemütlich. Gleich würde bestimmt die Frau aufkreuzen, um mich zu reiten oder gar zu longieren. Bis dahin wollte ich eins sein mit dem Universum und ein wenig meditieren.

„Boah, hast du geschnarcht“, sagte eine Stimme direkt neben meinem Ohr. Die Frau. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich panisch hochgesprungen, aber mittlerweile kenne ich sie und weiß, dass sie harmlos ist. Lieb und eigentlich ganz nett und gottseidank nicht so schwer, aber manchmal ein bisschen schwer von Kapee. Wie die Menschen halt so sind. Bei der Frau würde im Zeugnis stehen: „Sie hat sich stets bemüht“, aber mich fragt ja keiner. Also duldete ich es, dass sie mich aus meiner Meditation riss und sich sogar auf meinen Rücken setzte, während ich lag. Das war ein ganz großer Vertrauensbeweis meinerseits und zeigte, was für ein großartig gutmütiger Kerl ich doch war. Faxe lästerte von nebenan irgendwas über „zu faul zum Aufstehen“, was ich aber souverän ignorierte.

Irgendwann erhob ich mich dann majestätisch und nahm anmutig die Möhre entgegen, die die Frau mir anbot. Man darf sich nicht unter Wert verkaufen, hat mir Faxe einmal gesagt, und ich glaube, damit hat er Recht.

Die Frau erklärte mir mit glänzenden Augen, dass wir ausreiten würden. Ich bin ja generell ein großer Freund von Ausflügen, vor allem, wenn ich entscheiden darf, wohin es geht und in welcher Geschwindigkeit, aber bisher hat die Frau meine Entscheidungen immer angezweifelt. Oft fielen sogar böse Worte. Hey, ich meine - manchmal muss man einfach schnell zum Stall zurück, und da ist es doch nett, wenn ich die Frau mitnehme, oder? Fand sie aber nicht, so wie sie dabei immer am Zetern war. Manchmal kann man es ihr einfach nicht recht machen.

Umso beeindruckter war ich über ihren plötzlichen Sinneswandel. Wahrscheinlich war sie wieder an den Beruhigungskräutern in der Futterkammer, davon wird man nämlich verwegen und gleichzeitig entspannt. Ich habe die auch schon mal bekommen, deshalb kenn ich mich damit aus. Und ich bin mir fast sicher, dass die Frau sich heimlich daran vergreift.

Wie sich herausstellte, lag die Wahrheit irgendwo dazwischen: Faxe und seine Besitzerin würden mitkommen. Die beiden haben eine stark beruhigende Wirkung auf die Frau, und ich war mir sicher, dass im Notfall Faxe und nicht ich von den gefährlichen Monstern im Wald gefressen würde. Weil ich nämlich schneller bin als ein philosophischer Tinker mit dezentem Übergewicht. Und abgesehen davon ist Faxe ein super Schattenspender und Gesprächspartner.

Das hört sich jetzt vielleicht brutal an, aber in der Natur geht es grausam zu. Faxe würde genauso denken und bei einer panischen Flucht – ok, wir sprechen von Faxe. Faxe würde, falls sich seine Reiterin beim gemächlichen Wegtraben vor einer Gefahr nicht mehr im Sattel halten könnte, erst noch ihre sämtlichen Jacken- und Hosentaschen auf eventuell vorhandene Leckerlis untersuchen, bevor er die wilde Flucht fortsetzt. Und zwar gemächlich von Grasbüschel zu Grasbüschel. So böse ist es draußen in der Wildnis.

Inzwischen war auch Melanie, Faxes Besitzerin, im Stall angekommen und schleppte Putzzeug und Sattel zu Faxes Box. Glücklicherweise ahnte sie nichts von Faxes und meinen Gedanken und hielt uns für harmlose, flauschige Freunde (Faxe) beziehungsweise sympathische Freizeitpferde (mich).

„Hey Dana, bist du schon lange da? Oder wohnst du jetzt in der Box? Ist für ein Doppelzimmer eigentlich groß genug, wenn du ein bisschen abnimmst“, lästerte sie.

Damit konnte sie nur Dana gemeint haben. Ich bin nämlich ein barocker Hannoveraner, der muss einen tiefen Schwerpunkt haben. Von wegen dick. Die Frau zog sich den Schuh aber nicht an und machte Melanie freundlicherweise darauf aufmerksam, dass auch Faxe nicht der Schlankste war.

„Ich weiß. Er kriegt auch eigentlich kaum Futter. Aber manchmal guckt er so traurig, dass ich ihm gar nicht widerstehen kann. Er ist einfach unglaublich leichtfuttrig. Bei ihm setzt alles sofort an“, versuchte sich Melanie zu rechtfertigen.

Ja, Faxe war ein Meister des traurigen Blicks. Jeder Golden Retriever wäre neidisch auf ihn gewesen. Außerdem konnte er Boxen- und andere Türen öffnen, Knoten lösen und sogar ein bisschen lesen, was ganz praktisch war, wenn man Säcke aufreißen wollte und nicht sicher war, ob da Hafer oder Zement drin war. Glücklicherweise hatte er einen widerstandsfähigen Magen und bisher weder Kolik oder Hufrehe gehabt. Nach seinen ersten erfolgreichen Aus- und Einbruchsversuchen hatte sich unsere Futterkammer allerdings in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt. Schade.

Während Dana und Melanie uns vor unseren Boxen anbanden und putzten (Jaaaa, kratz mich da – nein, mehr rechts – jetzt weiter oben!), kam Kiki, die Reitlehrerin, in die Stallgasse. Sie war für einen Menschen erschreckend pfiffig und verstand sogar sehr viel von dem, was Faxe und ich sagten.

„Hat einer von euch vielleicht Blacky gesehen? Oder Ralph?“

Hatten Melanie und die Frau natürlich nicht, die waren ja grade erst in den Stall gekommen und hatten sich vorschriftsmäßig nur um ihre Pferde gekümmert.

„Ach, ist unser Ausbrecherkönig wieder unterwegs?“

Blacky, das schneeweiße Minishetty, hatte einen ausgeprägten Freiheitsdrang. Wegen seiner geringen Größe passte es unter den meisten Weidezäunen durch, ohne sich zu bücken. Faxe war zwar auch gelenkig, wenn es um Grashalme auf der anderen Seite des Zauns ging, aber Blacky war in der Hinsicht einfach unschlagbar und sein heimliches Vorbild.

„Ja, dem war es wohl zu langweilig auf der Wiese. Vielleicht hat Ralph ihn ja gefunden.“

„Sein spezieller Freund? Ich glaube nicht, dass sich Blacky von Ralph anfassen lässt. Er scheint ihn nicht sonderlich zu mögen“, erwiderte Dana diplomatisch.

„Das wundert mich gar nicht, und es beruht auf Gegenseitigkeit. Ralph kann es schon nicht verstehen, dass sich jemand so ein Tier anschafft. Noch dazu eins, das zu nix gut ist, wie er immer sagt.“

Ein Sturm der Entrüstung folgte. Dana und Melanie fanden Blacky nämlich großartig. Er gehörte Marie, die auch Companero, meinen spanischen Boxennachbarn, ihr Eigen nannte. Sie hatte ihn von einer Tierschutzorganisation bekommen, die ihn völlig abgemagert und krank aus schlechter Haltung gerettet hatte. Jetzt genoss er das Leben in vollen Zügen. Marie hatte angefangen, ihm Kunststücke beizubringen, und wollte ihn später am langen Zügel ausbilden. Dana und Melanie stellten sich das spektakulär vor – Companero, der spanische Schimmel, und Blacky, das kleine weiße Minishetty, in prunkvoller barocker Zäumung. Wenn der kleine Kerl denn mal da bliebe, wo man ihn hinstellte.

„Schon gut, war doch nur Spaß. Ich finde ihn ja genauso toll wie ihr“, rechtfertigte sich Kiki. „Apropos finden: Wo stecken die beiden denn nur? Ralph und ich waren ja eigentlich verabredet und wollten ein Pferd angucken fahren. Ich such dann mal weiter.“ Sie verschwand um die Ecke.

„Will Kiki sich noch ein Pferd kaufen oder meinst du, es ist für Ralp?“, fragte Melanie.

„Du sollst nicht immer Ralp sagen. Auch wenn er ein garstiger Kerl ist, wird es trotzdem Ralf ausgesprochen.“

„Aber Ral-p-h geschrieben und ja, ich kann ihn nicht leiden. Ich könnte ihn noch ganz anders nennen.”

„Wer kann ihn schon leiden. Ich hoffe nur, er kauft sich nicht noch ein Pferd! Er kümmert sich ja um die vier, die er jetzt hat, schon nicht vernünftig. Guck dir nur mal Cassidy an, der sieht aus wie Haut und Knochen. Und der arme kleine Fabio muss dringend zum Schmied, der kann ja mit den langen Hufen gar nicht mehr vernünftig laufen, geschweige denn springen.“

„Dann hat er wenigstens einen Grund, ihn wieder zu verprügeln. Ich hasse diesen Kerl! Am liebsten würde ich ihm den Hals umdrehen und ihm seine Tiere wegnehmen. Die beiden Stuten sehen auch traurig aus, mit dem alten Satteldruck.“

„Alter Satteldruck? Von wegen. Hast du dir mal Quadrigas Rücken angeguckt? Die hat offene Stellen und er reitet sie noch“, empörte sich die Frau.

„Dieses Schwein“, waren wir uns alle einig.

„Vielleicht braucht Kiki ja noch ein Schulpferd“, überlegte die Frau weiter. „Daisy wurde verkauft, Karlchen ist noch in der Ausbildung und John-Boy geht nicht mehr im Schulbetrieb mit.“

„Warum eigentlich nicht?“

„Ich glaube, er ist jetzt in Rente.“

„Was? So alt sieht der doch gar nicht aus?“

„Der ist schon 25, soweit ich weiß. Ist halt super ausgebildet und erzogen und immer richtig geritten worden, der alte Herr. Dann bleibt man auch in Schuss, nicht wahr, Pfridolin?“

Diesen Seitenhieb fand ich überflüssig. Dana und Melanie sprachen schließlich gerade über John-Boy, den Johannes Heesters des Hofs. Er hielt sich für unwiderstehlich, baggerte alles an, was nicht bei drei über den Zaun gehüpft war und hatte einen befremdlichen, senilen Charme, dem Frauen reihenweise zum Opfer fielen. Unnötig zu erwähnen, dass männliche Wesen dagegen komplett immun waren.

Ich dagegen war ein attraktiver Wallach im besten Alter, der trotz großartiger innerer Werte einfach keinen Erfolg beim anderen Geschlecht hatte. Ich führte das unter anderem darauf zurück, dass die Frau mir ständig irgendwelche Zacken in die Mähne schnippelte und mich auch sonst verunstaltete, wo es nur ging. Und dafür, dass die Frau nicht reiten konnte, konnte ich ja schließlich auch nichts.

Ein wenig pikiert war ich aber doch. Was sollten diese Sticheleien in Richtung Figur und Muskulatur? Hatte mich Dana nicht mehr lieb? Ließ meine Ausstrahlung nach? Musste ich etwa – ich wollte gar nicht daran denken – ARBEITEN, um ihre Gunst wieder zu erringen? So richtig mit Schweiß? Faxe grinste schadenfroh.

„Das hört sich aber gar nicht gut an, Alter!“

Ich war beunruhigt und suchte den Blick der Frau.

„Ja, da kannst du ruhig gucken, Pfridolin! Es gibt auch nette, fleißige und wohlerzogene Ponies. Nicht nur so verzogene und verwöhnte Viecher wie dich!“, sagte sie.

Was meinte sie denn jetzt damit? Wollte sie etwa mir die Schuld an ihren Erziehungsdefiziten geben? Da konnte ich doch nichts für, wenn sie solche Fehler machte. Also ehrlich. Ich knabberte demonstrativ an meinem Anbindestrick, um ihr zu zeigen, dass sie natürlich auch vergessen hatte, mir das beizeiten abzugewöhnen.

Faxe stand währenddessen wie ein Lämmchen und hatte seinen streberhaftesten Blick aufgesetzt. Das blieb noch nicht einmal der Frau verborgen.

„Wenigstens du bist brav, nicht wahr, Faxe?“, lobte sie den Scheinheiligen, die Hand schon in der Hosentasche mit den Leckerlis. Faxe, der Heuchler, nickte sogar.

„Wie süß“, Dana schmolz dahin. Melanie sagte: „Ignorier ihn bloß, wenn er unaufgefordert seine Kunststückchen zeigt. Er gibt dann gar keine Ruhe mehr und hört nicht auf zu betteln.“ Mein flauschiger Freund ließ den Kopf hängen.

Tja, Faxe, netter Versuch. Hat aber trotzdem nicht geklappt. Aber niedlich gucken konnte ich auch. Ich ließ den Strick los und meinen ganzen Charme spielen. Wenn ich meinen allerunschuldigsten Augenaufschlag einsetzte und Dana so signalisierte, dass sie die tollste Besitzerin ist, die ich je hatte (das stimmte sogar - an Nr. 1 konnte ich mich gar nicht mehr erinnern), sprang meistens ein Leckerli raus. Ich heftete meine Augen auf sie und legte all meine Gefühle in meinen Blick.

„Du armes, armes Pony. Keiner hat dich lieb, stimmt‘s?“

Ja genau, sagten meine Augen. Wo ich doch so ein toller, hübscher Kerl bin und mein Leben mit dir teile und du mein Mensch bist und überhaupt. Auch wenn ich immer so cool tat: Ich hatte Dana schon sehr, sehr lieb und es wäre ganz furchtbar, wenn sie mich nicht genauso liebhätte. Das wusste sie auch und kraulte mich an meiner Lieblingsstelle und schon war das Leben wieder schön und meine kleine Pferdewelt in bester Ordnung.

„Wenn ihr beiden Süßen dann fertig seid mit Kuscheln, können wir ja eventuell irgendwann losreiten!“, meldete sich Melanie aus dem Hintergrund.

Na gut. Ich setzte eine halbwegs diensteifrige Miene auf und die Frau nahte mit dem Sattelzeug.

2. Kapitel, in dem Faxe und ich ins Gelände gehen und über die neuesten News im Stall informiert werden

„Was hältst du eigentlich von dem Neuen?“, fragte die Frau, nachdem wir uns in Marsch gesetzt hatten. Nach einem Blick auf die Uhr war das Satteln und Aufsitzen dann doch relativ zügig vor sich gegangen. Dana und Melanie hatten anscheinend einen längeren Ausritt vor.

Faxe und mir das recht. Miteinander ausreiten war nicht halb so anstrengend wie Gymnastik im Viereck oder auf dem Springplatz. Dem Leistungssport hatten wir vier uns glücklicherweise gemeinschaftlich verweigert. Okay, die Gymnastikeinheiten bei Kiki waren zwar auch anstrengend, hörten aber auf, sobald wir richtig gut waren. Deshalb gaben wir uns natürlich auch Mühe. Nicht immer, aber doch häufiger. Es war ja nicht so, dass unsere Reiterinnen gottbegnadete Naturtalente waren. Nee nee, wir hatten es mit bürogeschädigten Steiff-Tieren zu tun, die ihren Körper meist nur ansatzweise unter Kontrolle hatten. Und was Sitzfehler und unkoordinierte Einwirkung betraf, war die Frau unerreicht. Sie hatte es in kurzer Zeit geschafft, sich alle gängigen Sitzfehler anzueignen und kreativ zu kombinieren.

Natürlich wollte sie das nicht einsehen, sondern reagierte auf Kritik immer ein wenig undankbar. Manchmal traute sie sich sogar, mit Kiki zu diskutieren. Ich finde das mutig. Weiß doch jeder, dass der Reitlehrer am längeren Hebel sitzt. Die Frau war nach solchen Gesprächen auch immer relativ kleinlaut und musste zugeben, dass es möglicherweise doch ihre Schuld war, wenn etwas nicht geklappt hatte – sei es, weil sie mich im allerfalschesten Moment gestört hatte, widersprüchliche Hilfen gegeben oder einfach nur wie ein sehr, sehr betrunkener Mehlsack auf mir herumgeschwankt war. Kiki war auf jeden Fall auf meiner Seite und es war toll, dass sie mich und sogar auch Faxe für den allerkleinsten positiven Ansatz belohnte. Toll war auch, dass sie unsere Besitzerinnen anmeckerte, wenn sie uns dabei störten. Schlecht war nur, dass sie uns auch immer durchschaute, wenn wir nur so taten, als ob. Das ist doch eigentlich diskriminierend, oder? Die Frau tut ja auch nur so, als ob sie reiten würde, und das permanent.

Mittlerweile waren wir im Schritt am Feldrand angekommen. Ich war immer noch glücklich, dass die Frau mich doch ganz doll liebhatte, so wie ich war, und hatte mich absolut vorbildlich benommen. Außerdem war ich neugierig.

„Welcher Neue?“

„Na, der Neue halt. Der gestern hierhin gekommen ist. Der Westernreiter mit der Fuchsstute.“

„Ach, der steht jetzt hier? Ich hatte nur mitbekommen, dass eine neue Stute angekommen ist. Dunkelbraun und riesengroß, eine richtige Wuchtbrumme.“

„Ja, schlank ist die nicht. War wohl im Sport und hat seitdem etwas Speck angesetzt. Wer dazu gehört, weiß ich nicht.“

„Das weiß ich aber - er heißt Björn und hat die Stute für seine Tochter gekauft. Die studiert jetzt und hat anscheinend keine Zeit mehr für das Tier. Also reitet Papa mit ihr spazieren. Das sagt jedenfalls die Gerüchteküche. Gesehen hab ich ihn noch nicht. Und zu der anderen neuen Stute gehört dieser Westernreiter? Der, der letztens zum Training beim Cowgirl hier war?“

„Ja genau.“

Das Cowgirl hieß Marianne, genannt Mary, und war schon lange kein Girl mehr. Dafür aber sehr nett, laut und mit einer dreckigen Lache gesegnet, die ihresgleichen suchte. Und ganz davon abgesehen, eine gefragte Westerntrainerin.