Wenn Reiten einfach wäre, würde es Radfahren heißen - Pfridolin Pferd - E-Book

Wenn Reiten einfach wäre, würde es Radfahren heißen E-Book

Pfridolin Pferd

0,0

Beschreibung

Ein Buch mit Lösungen für Probleme, von denen man noch gar nicht wusste, dass man sie hatte. Wieder begleiten wir Pfridolin und seine ehrgeizige Besitzerin durch die Höhen und Tiefen des Reitunterrichts und beobachten, wie beeindruckend schnell so eine harmlose Reitstunde eskalieren kann. Die Frau nimmt es nämlich persönlich, wenn ihre reiterlichen Träume von Pi und Pa wie Plöppfolie platzen, weil es schon an den Basics hapert. Zum Glück hat Frau Reitlehrerin positive Vibes für eine Großfamilie und schafft es jedes Mal, dass alle Beteiligten mit einem guten Gefühl aus der Reitstunde gehen. Die besten Geschichten aus dem Blog und exklusive neue Abgründe aus dem Reiterleben. 208 Seiten mit 52 Farbfotos. Zitate: Das beste und lustigste Buch, das ich seit langem geschrieben habe! Pfridolin Pferd Ich finde das gar nicht komisch und will einfach nur Piaffe reiten. Das kann doch nicht so schwer sein. Die Frau. Es hat noch keiner behauptet, dass Reiten einfach ist. Immer schön locker mitschwingen, dann klappt das schon. Irgendwann. Frau Reitlehrerin

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 195

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ein Buch mit Lösungen für Probleme, von denen man noch gar nicht wusste, dass man sie hatte. Wieder begleiten wir den charismatischen Fast-Hengst Pfridolin, das nichtsnutzige spanische Mähnenwunder und die ehrgeizige Besitzerin der Beiden durch die Höhen und Tiefen des Reitunterrichts und beobachten, wie schnell so eine harmlose Reitstunde eskalieren kann. Die Frau nimmt es nämlich persönlich, wenn ihre reiterlichen Träume von Pi und Pa wie Plöppfolie platzen, weil es schon an den Basics hapert. Zum Glück hat Frau Reitlehrerin positive Vibes für eine Großfamilie und schafft es jedes Mal, dass alle Beteiligten mit einem guten Gefühl aus der Reitstunde gehen. Die besten Geschichten aus dem Blog und exklusive neue Abgründe aus dem Reiterleben.

Der Autor

Pfridolin Pferd ist ein Freizeitpferd, mit Betonung auf Freizeit. Wenn er nicht gerade schreibt oder ermittelt, schleppt er seine Besitzerin herum und bemüht sich um ein Liebesleben.

Weitere Bücher von Pfridolin Pferd:

Meisenwald-Krimis: Tod im Misthaufen • Tödlicher Tierarzttermin • Tödliche Traversale • Tod auf der Stallgasse

Geschichten vom Pferd: ... und ich dachte, Reiten kann man lernen • Immer noch keine Piaffe

Für den Besten von allen.

Inhaltsverzeichnis

Reiten wird total überbewertet. Fahrt mehr Fahrrad!

Wenn Reiten einfach wäre, würde es Radfahren heißen

Diese bahnbrechende Erkenntnis verdanken wir unserer Frau Reitlehrerin, die schon seit längerem versucht, der Frau, meiner sogenannten Besitzerin, das Reiten beizubringen. Zu meinen Lasten, möchte ich hier mal betonen. Denn normalerweise muss ich sie dabei herumschleppen, und leicht ist sie nicht.

Meist ist das reiterliche Glück der Frau ungetrübt, weil sie hauptsächlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit reitet. Mit der Begründung: Am besten reite ich, wenn keiner guckt! Das stimmt natürlich nicht, aber dann gibt es wenigstens keine Zeugen.

Aber manchmal gibt es Situationen, in denen eine gewisse Öffentlichkeit unvermeidbar ist. Zum Beispiel im Reitunterricht. Oder wenn halt doch mal jemand guckt. Vom Grundsatz her sieht sich die Frau ja als Naturtalent und Dressur-Queen und strebt nach Höherem, mit anderen Worten: Piaffe. Mindestens. Mit Verstärkungen hat sie es dagegen nicht so sehr. Oder mit dem Aussitzen generell, weshalb sie es vermeidet, wenn sie in trauter Abgeschiedenheit so vor sich hin reitet. Oder was sie dafür hält.

In der nächsten Reitstunde kommt dann regelmäßig das böse Erwachen, wenn Frau Reitlehrerin genau das sehen will, was nicht klappt, und das ist viel. Jetzt hat sich die Frau schon ein spanisches Pferd gekauft, weil die ja sehr sitzbequem sein sollen. Ich unterstütze das, weil der Lutschi, der eigentlich Lucero heißt, und ich mich so mit dem Schleppen abwechseln können. Und ganz eigentlich bin ich ja Freizeitpferd, mit Betonung auf Freizeit. Ich DARF eigentlich gar nicht arbeiten. Aber irgendwie will es auch mit dem spanischen Mähnenwunder nicht so recht klappen. Sie seufzt.

Wie eine Trauerweide sitzt sie auf dem Lutschi herum, der sich auf diese Sitzhilfe keinen rechten Reim machen kann. Andererseits ist er intellektuell eh nicht so ganz auf der Höhe und ihm fällt das bei vielen Dingen schwer, so what?

„Einatmen, aufrichten und antraben", ruft Frau Reitlehrerin aus der Bahnmitte, aber die Frau äußert nur ein mattes „Naaaain" und „Ich kann grad nicht".

„Was ist los?", erkundigt sich Frau Reitlehrerin.

Nach vielem Ach und Weh rückt die Frau damit raus, dass sie eigentlich gar nicht reiten kann. Das ist für Frau Reitlehrerin und mich keine große Überraschung. Neu ist, dass sich Frau Ich-will-Piaffe-und-bin-die Allergrößte-hier endlich zu dieser Selbsterkenntnis durchgerungen hat. Meistens ist sie die Tollste, Schönste und Beste und alle anderen sind schuld, wenn mal was nicht klappt. Fragt den Mann und mich, wir kennen uns damit aus.

„Reiten kann man ja auch nie wirklich", tröstet Frau Reitlehrerin. „Man sagt nicht umsonst, dass ein Leben zu kurz ist, um reiten zu lernen."

Die Frau schnieft nur.

„Wenn Reiten einfach wäre, würde es Radfahren heißen. Wenn man gerade mit dem Reiten anfängt und im Galopp nicht mehr runterfällt, denkt man schon, man wäre ein Profi."

Ein Lächeln schleicht sich ins Gesicht der Frau und sie erinnert sich. „Damals war das Leben noch schön", murmelt sie.

Frau Reitlehrerin erklärt weiter: „Später merkt man erst, was alles zum Reiten dazugehört und wie fein die Kommunikation zwischen Pferd und Reiter werden kann."

„Bu-hu-hu", macht die Frau.

„Und da bist du doch schon weit fortgeschritten, wenn du merkst, woran du noch arbeiten musst", beendet Frau Reitlehrerin ihren kleinen Vortrag. „Fun Fact: Wissenschaftlich heißt der Zusammenhang von Nichtwissen und Selbsttiberschätzung Dunning-Kruger-Effekt. Du bist also nicht allein."

Schon halb getröstet, signalisiert die Frau, dass sie jetzt bereit zum Antraben wäre.

„Apropos Radfahren: beim Aussitzen denkst du ja weiterhin ans Rückwärts-Fahrradfahren", erinnert Frau Reitlehrerin, die ein Faible für innere Bilder hat. Und Rückwärts-Fahrradfahren ist ihr Lieblings-Sitztipp fürs Aussitzen.

„Natürlich", lügt die sogenannte Besitzerin, für die alles, was länger als fünf Sekunden zurückliegt ist, grauer Nebel ist.

„Dann bewegt sich deine Hüfte automatisch richtig und du kommst besser zum Sitzen."

Klar, denkt die Frau. Immer diese esoterischen Anweisungen. Aber weil sie Frau Reitlehrerin kennt und weiß, dass sie aus der Nummer nicht mehr rauskommt, ohne es wenigstens versucht zu haben, denkt sie sehr doll an das uncoole und ungeliebte Rückwärts-Radfahren und siehe da, mit einem Mal wackeln ihre Beinchen nicht mehr so haltlos wie vorher. Was Frau Reitlehrerin entsprechend kommentiert und lobt.

„Ist doch ganz einfach", kommentiert die Frau, die sich gleich wieder wie die Dressurqueen höchstpersönlich fühlt. Ingrid Klimke, pah! Wiener Hofreitschule, doppelpah! Nur eins will sie noch wissen: „Wann kommt denn jetzt endlich die Piaffe?"

Und da fällt auch Frau Reitlehrerin nichts mehr zu ein.

Wir machen aber nicht nur dieses Reiten, oh nein. Manchmal fühlt sich die Frau auch zu anderen Dingen berufen, zum Beispiel zur Freiarbeit. Was bei anderen ein anmutiger Tanz ist, ähnelt bei uns eher Sackhüpfen. Ich wälze mich und die Frau springt währenddessen wütend auf und ab und will mich zu hektischer Aktivität veranlassen. Es ist also wie Laufenlassen, nur ohne laufen, und hört sich cooler an. Richtige Freiarbeit ist Kommunikation, wobei sich der Mensch auch bewegen muss. Das möchte die Frau vermeiden. Die ist ja nicht so verrückt und läuft in der Gegend rum. Vor allem nicht im Sommer bei brüllender Hitze.

Ist auch irgendwie Bodenarbeit.

Wozu Bodenarbeit, wenn man doch reiten kann?

Ich weiß nicht, ob euch das schon aufgefallen ist, aber es ist furchtbar, furchtbar warm. Das spanische Mähnenwunder und ich wollen schon gar nicht mehr auf die Weide, weil wir die a) schon leergefressen haben und es da b) weder Springbrunnen noch c) eine Klima-Anlage gibt. Und die paar Bäumchen am Rand kann man nicht so wirklich ernstnehmen. Vor allem, weil wir die unteren Äste schon gegessen haben und die sogenannten Bäumchen jetzt aussehen wie Zahnstocher.

Tolerant, wie wir sind, gehen wir aber trotzdem jeden Tag raus und erkunden alternative Nahrungsquellen (Spaziergänger anbetteln, Nachbarwiese untersuchen). Und die restliche Zeit ist uns warm.

Da kommt uns die Frau, unsere gemeinsame Besitzerin, ausnahmsweise ganz gelegen, denn sie hat die Macht. Auch das ausnahmsweise. Und glaubt mir, es fällt mir nicht leicht, das zuzugeben, aber sie ist tatsächlich diejenige, die den Schlauch anstellen und damit erfrischend nasses Wasser auf meinem muskulösen Körper versprühen kann. Kühl ist es nicht, lauwarm auch nicht mehr, aber immerhin ist es nass. Und danach gehe ich mich wälzen und die Welt ist vorübergehend ein besserer Ort. Und danach dasselbe nochmal und dann hätte ich gern einen erfrischenden Snack.

Nun wäre aber die Frau nicht die Frau, wenn sie sich damit zufriedengäbe. Nein, denn schließlich hat sie Pferde, um darauf zu reiten, und zwar am liebsten Piaffe. Oder wenigstens Trab, um mal eine realistischere Messlatte anzulegen.

Also wandern wir frohgemut zum Reitplatz. Also sie. Nicht ich. Ich bin das schwitzende Etwas im Pelzmantel, das den Sattel und gleich auch noch die Frau schleppen darf. Mein abgrundtiefer Seufzer wird ruppig mit „Stell dich nicht so an, mir ist in den Stiefeln auch warm!" erwidert.

Frau Reitlehrerin ist noch mit unseren Vorgängern beschäftigt und gibt eine Bodenarbeitsstunde, wie ich interessiert feststelle. Die Frau staunt. Wozu Bodenarbeit, wenn man doch reiten kann?

„Weils warm ist, darum", teilt Frau Reitlehrerin auf entsprechende Nachfrage mit. „Und wegen der Abwechslung."

„Aha", nickt die Frau verständnislos. „Ich mag Bodenarbeit nicht, weil ich da so viel laufen muss. Ich reite lieber!" Sie kichert.

Merkste schon, dass deine Logik einen Knick hat, oder?, denke ich und sehe Frau Reitlehrerin an, damit sie kurz für mich übersetzt.

Sie macht das wesentlich diplomatischer als ich und formuliert noch dazu so simpel, dass ihr auch das Spatzenhirn der sogenannten Besitzerin folgen kann.

„Dem Pfridolin ist auch warm", beginnt sie.

„Der hat ja auch ein Fell", bemerkt die Frau.

„Ja eben. Und wenn er dich jetzt noch im Trab und im Galopp trägt, dann ist das anstrengend."

„Der ist ein Sportpferd, der darf ruhig Sport treiben", erklärt meine empathielose Eigentümerin. (Hallo? Ich bin Freizeitpferd, ich DARF mich gar nicht anstrengen!)

„Ganz wichtig bei Sport- und auch Freizeitpferden ist ein abwechslungsreiches Training. Denn wir möchten ja, dass das Pferd motiviert mitmacht."

„Natürlich. Motivation ist das Allerwichtigste überhaupt!", erinnert sich die Frau mit einem Mal. „Aber wie kriegt man das hin? Ich meine, was gibt's denn noch außer Reiten?"

„Ganz, ganz viel", lächelt Frau Reitlehrerin.

„Longieren", rät die Frau. „Und Laufenlassen!"

„Wenn es nicht so heiß ist wie jetzt, ist zum Beispiel Freispringen eine super Abwechslung. Oder Stangenarbeit an der Longe. Oder Freiarbeit – also Kommunikation über deine Körpersprache. Bei großer Hitze bietet sich anderes an – zum Beispiel Zirzensik. Clickertraining. Oder Spazierengehen."

Die Frau kann sich noch lebhaft an die Wanderungen mit dem sehnenkranken Spanier erinnern und winkt ab.

Frau Reitlehrerin macht weiter: „Oder eben Bodenarbeit. Das ist letztlich Beziehungsarbeit und hilft dir, ein noch besserer Pferdemensch zu werden. Man muss nicht immer reiten."

Ein NOCH besserer Pferdemensch! Die Frau wächst direkt um zwei Zentimeter. Endlich sagt es mal jemand, dass sie ein guter Pferdemensch ist. Hach! Und wenn sie es sich recht überlegt, ist es doch ziemlich warm. Ein Schweißbächlein rinnt über ihren Rücken. Sie räuspert sich. „Wenn das so ist, würde ich heute gern Bodenarbeit machen. Der Pfridolin soll ja vielseitig trainiert werden und Spaß an der Arbeit haben."

Frau Reitlehrerin und ich zwinkern uns zu. Ziel erreicht.

Insgeheim bin ich ja ein bisschen in Frau Reitlehrerin verliebt und sie in mich. Die Frau denkt immer, Frau Reitlehrerin würde nur wegen ihr zu uns in den Stall kommen, aber ich weiß es besser. Sie kommt wegen mir, ganz klar. Und damit die Frau zwischendurch mal Kontakt zur Realität hat, denn merke: Frau Reitlehrerin weiß alles, und sie kann auch alles erklären.

Sporen – nicht dein Ernst?

Die Frau will Spo-ho-horen

Einmal so reiten wie die im Fernsehen oder auf den tollen Videos, das wär's doch. Warum klappt das bei allen anderen, nur bei ihr nicht? Die Frau, meine sogenannte Besitzerin, betreibt Ursachenforschung und kommt schnell darauf, was ihr dazu noch fehlt: Die Sporen. Klar, oder? Alle reiten mit Sporen. Nur sie darf das nicht.

In der nächsten Reitstunde konfrontiert sie Frau Reitlehrerin mit ihrem allerneuesten Herzenswunsch. Und wie sie es sich schon gedacht hat, ist die dagegen. War ja irgendwie klar. Frau Reitlehrerin reitet selbst nie mit Sporen. Wahrscheinlich hat sie noch nicht mal welche. Und sie soll jetzt darunter leiden.

„Aber ALLE reiten damit." Die Frau schmollt.

„Was möchtest du denn mit den Sporen erreichen?"

So genau hat sich die Frau das noch nicht überlegt. „Dass der Pfridolin besser läuft. Und der Lutschi nicht so faul ist." Der wahre Grund ist natürlich der, dass es cooool aussieht. Ohne Sporen am Stiefel hält einen schließlich jeder für einen Anfänger. Und das kann die Frau nicht auf sich sitzenlassen. „Bei allen anderen gehen die Pferde mit Sporen besser", fällt ihr noch ein. „Und ich will doch höhere Lektionen reiten und dafür braucht man die."

„Da kann ich dich beruhigen", strahlt Frau Reitlehrerin. „Bis zur Piaffe kommst du auch ohne Sporen."

Oh, Piaffe. Die Frau ist angenehm überrascht. Und ich entsetzt. Aber ohne Sporen? Wie soll denn das bitteschön gehen? Und schließlich: Die Optik! So ganz mit nacktem Stiefel, das sieht einfach nicht aus.

Frau Reitlehrerin beobachtet das wechselhafte Mienenspiel meiner Reiterin und erklärt: „Sporen sind grundsätzlich zur Verfeinerung der Schenkelhilfe da..."

Die Frau winkt ab. Klar, weiß doch jeder.

„... und nicht zum Treiben oder zur Bestrafung des Pferdes."

BÄM.

Da macht die Frau große Augen. Aber nicht lange.

„Wie jetzt? Aber genau das machen doch die anderen. Und bei denen funktioniert es", teilt sie empört mit.

„Was funktioniert denn da? Wir beschäftigen uns hier mit dem feinen Reiten und nicht mit hinten stechen – vorne ziehen", sagt Frau Reitlehrerin mit großer Ruhe. „Unser Ziel ist die feine Kommunikation mit dem Pferd, das in schöner Selbsthaltung läuft. Dafür brauchen wir keine Sporen, weil wir die Hierarchie der Hilfen haben."

Kommunikation ist übrigens keine Einbahnstraße, gell. Wollte ich dazu noch anmerken.

Die Frau denkt über die Hierarchie der Hilfen nach und erinnert sich dunkel. „Erst das innere Bild, dann die Atmung, das Becken, dann das Bein und zuletzt die Hand?"

„Ganz genau", bestätigt Frau Reitlehrerin und tätschelt mich. Wir stehen mittlerweile bei X und kuscheln, während meine Reiterin gedanklich den Sporen hinterherhechelt. „Wenn man diese Reihenfolge einhält und immer pingelig darauf achtet, dass das Pferd die jeweiligen Lektionen hundertprozentig korrekt ausführt, wird es immer feiner und man kann die Hilfen immer mehr reduzieren. So dass wir zum Beispiel Bein und Hand kaum noch einsetzen müssen. Und irgendwann muss man dann nur noch denken."

Scheiß auf irgendwann, ich will das JETZT!, denkt die Frau und hakt nach. „Aber die in der Wiener Hofreitschule reiten auch mit Spo-ho-horen. Und die können das ja wohl."

„Ganz genau. Die können ihren Schenkel und auch den Sporn zentimetergenau einsetzen. In jeder Gangart und bei jeder Bewegung des Pferdes. Und noch was: Wenn du mit deinem Sitz falsch einwirkst, hilft dir auch kein Sporn."

Immer wieder dieser blöde Sitz. Die Frau seufzt abgrundtief.

„Und du machst das schon sehr gut", ermutigt Frau Reitlehrerin. „Das richtige Reiten kommt nur aus dem korrekten Sitz. Du gibst mit deinem Sitz die Bewegung vor, der der Pfridolin folgen soll. Oder der Lutschi."

Na ja. Ich bin ja hier nur das Pferd und hab eh keine Ahnung, finde aber, dass da durchaus noch Luft nach oben ist. Aber Hauptsache, keine Sporen.

Überhaupt finde ich, dass Reiten überbewertet wird. Vor allem diese Dressurkringel. Ausreiten geht, das macht mir für gewöhnlich mehr Spaß als der Frau. Weshalb die auch heimlich von den Beruhigungskräutern in der Futterkammer nascht. Was auch cool ist: Erziehungsberechtigter sein, zum Beispiel für das spanische Mähnenwunder. Da bin ich doch gern Führungskraft.

Viel essen macht barock!

Der untrügliche Instinkt oder: All you can eat bis zur Hufrehe

Wir dürfen jetzt alles essen, was wir wollen! Die Frau nennt es ein Experiment. Sie hat in einem ihrer Wendy-Hefte gelesen, dass wir Pferde einen untrüglichen Instinkt haben und nur fressen, was uns guttut. Gerade stellt sie auf unserem Paddock alle fünf Meter einen Futtertrog mit Äpfeln, Möhren und Hafer auf. Also würde sie, wenn sie der Lutschi ließe. So sind es halt umgekippte Futtertröge. Das sieht zwar nicht ganz so adrett aus, aber dafür ist die Frau umso flotter beim Nachfüllen.

„Herrlich, wie es ihnen schmeckt. Da merkt man doch gleich, wie toll so eine naturnahe Fütterung ist!", jubelt die Frau. Frau Reitlehrerin, die sich das Ganze mal aus der Nähe angucken will, schlendert näher – Fragezeichen auf der Stirn. Die Frau befüllt währenddessen einen weiteren Futtertrog mit Birnen. „Ich füttere jetzt naturnah. Pferde kommen aus der Natur und müssen sich ihr Futter selbst suchen, weil sie genau wissen, was für sie gut ist", erklärt sie mit wichtiger Miene. „Als verantwortungsvolle Pferdebesitzerin bilde ich mich nämlich ständig weiter und bin so auf dem aktuellen Stand der Forschung."

„Kommt immer drauf an, wer forscht. Und wo", antwortet Frau Reitlehrerin, die das sonderbare Treiben der Frau genauer unter die Lupe nimmt. Der Lutschi und ich haben mittlerweile die ersten Futterkübel geleert und wandern fünf Meter weiter zum nächsten. Hafer – köstlich! „Es gibt zum Beispiel mehrere Studien darüber, dass freilebende Wildpferde Hufrehe haben. Nicht nur die akute Form, sondern auch die chronische."

Die Frau kann gerade nicht antworten, weil sie Bananen schält. „Lecker und bekömmlich", erklärt sie, als sie damit fertig ist. „Gleich gibt's noch Mandarinen, die mögen sie auch gern."

„Am Stück?", erkundigt sich Frau Reitlehrerin.

„Natürlich nicht", entrüstet sich die Frau. „Geschält und zerkleinert natürlich."

„Wegen der naturnahen Fütterung", erklärt Frau Reitlehrerin.

„Stimmt ja", ruft die Frau und patscht sich die Hand vor die Stirn. „Moment, bin gleich wieder da. Nur schnell den Hafereimer nachfüllen. Man darf die Pferde nämlich nie in der Fütterung begrenzen, die wissen selbst, wieviel und was sie brauchen." Sie beginnt, wahllos irgendwelches Grünzeug zu rupfen und in Futtereimer zu füllen. Dabei erklärt sie: „Es gibt Pflanzen, die wir Menschen Giftpflanzen nennen. Die sind für die Pferde ganz wichtig, weil sie die wie Medizin fressen."

„Da kommen wir dann in den Bereich der natürlichen Auslese", bemerkt Frau Reitlehrerin.

„Wieso denn das, Pferde wissen instinktiv, was für sie gut ist!", empört sich unsere sogenannte Besitzerin. „Wurmkuren gibt's natürlich auch nicht mehr. Wildpferde kriegen ja schließlich auch keine."

Ich persönlich feiere das. Der Lutschi nicht. Als bekennender Allesfresser freut er sich auch über eklig schmeckende Dinge, die einem ins Maul gespritzt werden. Dass er nicht auch die Verpackung mitfrisst, ist purer Zufall.

Frau Reitlehrerin ist es gewohnt, dass sie bei der Frau alles mehrfach sagen muss und wiederholt: „Es gibt Studien darüber, dass freilebende Wildpferde Hufrehe haben. Was gegen den berühmten Instinkt für gesunde Ernährung spricht, der Pferden immer mal wieder nachgesagt wird." Die Frau macht ein langes Gesicht und holt gerade Luft, um zu antworten, da kommt ihr Frau Reitlehrerin zuvor: „Und so ganz eigentlich sind Pferde Steppentiere. Eine naturnahe Ernährung wäre dann was?"

„Dürres Steppengras", murmelt die Frau zerknirscht.

„Sehr gut!", lobt Frau Reitlehrerin. „In der Steppe wachsen nämlich so gut wie keine Mandarinenbäume oder Bananenstauden."

Die Frau räumt eilig unser Buffet ab. Der Lutschi macht jetzt auch ein langes Gesicht. Ich halte dagegen und versuche es mit meinem niedlichen Keksgesicht, aber keine Chance. Wenn Frau Reitlehrerin dabei ist, gibt es keine Keksis. Und auch keine Apfel und Bananen, wie ich betrübt feststelle.

„Hafer auch nicht", erinnert Frau Reitlehrerin.

Murrend schleppt die Frau den letzten Futtereimer weg. Das lohnt sich eigentlich nicht, weil nicht mehr viel drin ist. Was sie umgehend Frau Reitlehrerin mitteilt, aber die ist wie immer konsequent. Kollektives Seufzen.

„Was auch prima ist: Dass du den Eimer mit den Giftpflanzen noch nicht verfüttert hast. Die Tierkliniken sind voll mit Pferden, die an Vergiftungen leiden. Jakobskreuzkraut, Eibe, Herbstzeitlose, Buchsbaum, Kirschlorbeer... such dir was aus. Und das waren jetzt nur die gängigsten Giftpflanzen. Es gibt noch viele, viele mehr. Und wenn die Pferde daran sterben, ist es eigentlich egal, wie man es nennt – Gift, Medizin, Instinkt, Horst – tot ist tot, und das wollen wir nicht."

Die Frau nickt ergriffen und nimmt sich vor, Frau Reitlehrerin rechtzeitig vor dem nächsten Experiment um ihren Rat zu fragen. Und jetzt, wo ich weiß, wie knapp wir dem Tod von der Schippe gesprungen sind, hoffe ich, dass sie sich auch daran erinnert, wenn es so weit ist.

Aber die Futtertröge fehlen mir schon.

Aber nicht genug damit, dass wir unter Frau Reitlehrerins wachsamen Augen ausgehungert werden, nein, wir sollen auch Unmögliches tun. Runde Zirkel gehen, zum Beispiel.

Findet auch, dass Reiten und vor allem Zirkel total überbewertet werden.

In die Wendung drehen like a Fragezeichen

Einmal einen schönen runden Zirkel hinkriegen und dann was anderes machen, das wärs doch. Stattdessen nötigt mich meine ungeschickte, aber hochmotivierte Besitzerin, auch bekannt als „die Frau", zu einem Achteck nach dem anderen. Mit Ausbeulungen an Stellen, wo keiner mit gerechnet hat und wo definitiv auch keine hingehören. Nach der drölfzigsten Zirkelrunde erbarmt sich Frau Reitlehrerin, die zufällig gerade vorbeikommt, und bietet eine Spontanreitstunde an.

„Aha", erwidert die Frau misstrauisch. Die will sich doch nur an mir bereichern, denkt sie. Laut fragt sie: „Wieso denn das?"

Frau Reitlehrerin strahlt: „Ich glaube, ihr habt euch da gerade festgefahren und da würde ich euch gern helfen."

Bevor es noch schlimmer wird, denke ich und unsere Blicke treffen sich.

Manchmal denke ich, Frau Reitlehrerin ist der einzige

Mensch, der mich wirklich versteht. Manchmal auch der Mann. Der ist immer entspannt und großzügig mit den Leckerlis. Die Frau wirft ihm mangelnden reiterlichen Ehrgeiz vor, aber nur, wenn er gerade keine Traversalen reitet. Da kriegt sie dann auch wieder schlechte Laune, aber anders.

„Hmpf", macht sie jetzt gerade, kann aber schlecht abstreiten, dass die Zirkel immer merkwürdiger geformt sind und die Laune auf dem absteigenden Ast ist. Sowohl ihre wie auch meine.

Frau Reitlehrerin begrüßt uns nett und lässt sich von der Frau berichten, wie lange sie schon auf mir draufhockt sitzt und was wir bisher alles gemacht haben, bevor sie sich in die Zirkelmitte stellt. Das macht schon mal schöne Stimmung. Der Unterkiefer der Frau mahlt fast gar nicht mehr und sie kann in vollständigen Sätzen sprechen, weil sie annähernd entspannt ist.

Next Level: Nicht nur reden, sondern auch reiten. Und zwar Zirkel. Erstmal im Schritt, weil Frau Reitlehrerin der Frau ein großes Geheimnis anvertrauen will. Nämlich, was es mit dem „Sich-in-die-Wendungreindrehen" auf sich hat.