Tot durch Franken - Helmut Vorndran - E-Book

Tot durch Franken E-Book

Helmut Vorndran

4,5

Beschreibung

Was steckt hinter dem Verschwinden gleich zweier Bischöfe aus Bamberg. Warum wird in Kulmbach eine ganze Geburtstagsgesellschaft vergiftet, und haben tatsächlich alle Selbstmörder Erlangens Suizid begangen? Dieses und andere Fragen beantwortet Helmut Vorndran in mörderischer Prosa und Lyrik. Abgeschmeckt mit bitterbösen Zitaten und rabenschwarzen Humor wird daraus ein Rundumschlag zum Thema des unnatürlichen Ablebens in Franken

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Helmut Vorndran, geboren 1961 in Bad Neustadt/Saale, lebt mehrere Leben. Als Kabarettist, Unternehmer und Buchautor. Als überzeugter Franke hat er seinen Lebensmittelpunkt ins Bamberger Land verlegt und arbeitet als freier Autor unter anderem für Radiosender wie Antenne Bayern oder für das Bayerische Fernsehen. Im Emons Verlag erschienen »Das Alabastergrab« und »Blutfeuer«.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

© 2012 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagfoto: photocase.de/***jojo Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-177-0 Originalausgabe

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Der Mord

Ein Mord wird erst als Mord benannt,

wenn es die Kripo so erkannt.

Doch was fehlt, Sie wissen schon,

ist die exakte Definition.

Deswegen hier gleich zu Beginn

schreiben wir’s in Amtsdeutsch hin:

§ Ein Mord dem Menschen das Leben raubt

und ist grad deshalb nicht erlaubt.

Ein Mord macht Ärger, er macht Dreck,

und keiner räumt ihn wieder weg.

Drum wird hier amtlich festgestellt,

ein Mord ist nichts, was uns gefällt. § …

… höchstens, er ist spannend, witzig,

dann liest man hier bis Leiche vierzig …

Wer gestorben ist,

hat es nicht anders verdient.

Fishing for Compliments

Die Finanzkrisen dieser Welt und die des fränkischen Gastgewerbes schienen an Hippolit Schneiderbanger abzuperlen wie die Regentropfen des heftigen Gewitters, das sich gerade über ihm und seinem Karpfenteich entlud. Lächelnd blickte er in die von Blitzen hell erleuchtete Nacht und zog seinen braunen Regenmantel am Kragen etwas fester zu. So ein Sauwetter focht ihn nicht an, da hatte er schon ganz andere Klippen im Leben gemeistert. Andere Wirte hätten an seiner Stelle schon längst aufgegeben und für immer zugesperrt.

Aber nicht er, nicht Hippolit Schneiderbanger. Selbst in den Stunden größter Not war ihm immer etwas eingefallen. Mit ein bisschen Nachdenken und Kreativität hatte er sich stets wieder hochgearbeitet. Und jetzt war aus der beruflichen Durchschlagübung endlich ein richtiger Platz an der Sonne geworden. Hippolit Schneiderbanger hatte es geschafft.

Während er auf seiner alten Eichenbank das Ende des Unwetters abwartete, ging er im Geiste die Geschäftsbilanz dieses Sommers durch. Wieder hatte er alle Rekorde gebrochen. Seine Karpfen waren die schönsten, größten und noch dazu schmackhaftesten, die ganz Franken zu bieten hatte. Mittlerweile trafen Anfragen von Gourmets aus aller Welt bei ihm ein. Preislich näherten sich Hippolit Schneiderbangers Karpfen bereits dem belgischen Trüffel, und es häuften sich die Besuchergruppen aus dem Außerfränkischen, die seine sagenumwobenen Teiche bei Bamberg begutachten wollten. Mehr Touristenandrang verzeichnete bestenfalls das Schloss Neuschwanstein oder der Reichstag in Berlin.

Natürlich waren auch viele Spione unter den Gästen, die wissen wollten, womit der oberfränkische Karpfenmeister seine Lieblinge zu solchen Delikatessen heranfütterte, aber die Antwort wusste Hippolit Schneiderbanger geschickt zu umgehen. Er hatte zwar keinen höheren Schulabschluss, aber er war auch nicht blöd. Im Gegenteil: Schon immer hatte er das Nützliche mit dem Notwendigen zu verbinden gewusst. Man musste eben kreativ sein.

Auch heute war wieder eine Besuchergruppe aus dem Ausland zu Besuch. Fünf Schweizer Starköche aus St. Moritz hatten sich nicht abhalten lassen, erst mit leuchtenden Augen Schneiderbangerkarpfen in seiner Gaststube zu verspeisen und dann mit dem Karpfenmeister selbst einen der berühmten Teiche zu besuchen. Und zwar nachts, wie es bei Schneiderbanger üblich war. Selbst das unglaubliche Sauwetter hatte die Gäste nicht davon abhalten können.

Hippolit Schneiderbanger blickte auf seine Uhr. Es war kurz vor Mitternacht, nasskalt und an der Zeit. Er stand auf und betrachtete die fünf Schweizer, die betäubt neben ihm auf seiner langen Holzbank zusammengesunken waren. Um jeden Eidgenossen hatte er wie gewohnt eine schwere Eisenkette mit dazugehörigem Sandstein gewickelt.

Wieder lächelte Hippolit Schneiderbanger. Auf Schweizer standen seine Karpfen besonders. Die waren nicht so fett wie beispielsweise Amerikaner. Oder Engländer. Von Letzteren gab es ja Exemplare, denen konnte man nur wünschen, sie würden so alt werden, wie sie aussahen. Die waren jedenfalls ungeeignet für die Premiumernährung seiner Lieblinge. Aber Schweizer waren gut, die gab es nur an ausgesuchten Tagen.

Als er dem ersten Schlafenden in der Reihe einen kurzen Tritt mit seinem Gummistiefel versetzte, rutschte der Fernsehkoch Franz Rübli aus Bern von der regennassen Bank und verschwand mit einem schmatzenden Geräusch im dunklen Wasser des Teiches.

Hippolit war zufrieden. Das würde bis zum nächsten Wochenende reichen. Dann kamen Chinesen aus Peking, die er an seine Enten verfüttern würde.

Peking und Ente, das passte einfach besser.

Bigamie bedeutet, eine Frau zu viel zu haben.

Monogamie bedeutet dasselbe.

Rien ne va plus

Beinah lautlos schlich er sich aus dem Haus und schloss die Eingangstür leise, mit einem fast unhörbaren Klicken, hinter sich. Inzwischen hatte er Übung darin, Türen geräuschlos zu öffnen oder zu schließen. So, wie er es auch zur Perfektion im Unbemerkt-aus-dem-Bett-Steigen gebracht hatte. Und im Im-Morgengrauen-wieder-ins-Haus-kommen-ohne-dass-Mandy-etwas-merkt-Planen war er mittlerweile genauso gut.

Mandy war seine Frau. Seit fast vier Jahren. Extra wegen ihm war sie von Leipzig nach Zapfendorf gezogen. Er hatte ihr mit den unglaublichen Vorzügen des Frankenlandes den Mund wässrig gemacht. Und es war ja auch schön. Im Sommer, wenn die Biergärten geöffnet waren, die Natur erblühte und man wunderbare Ausflüge ins Obermaintal unternehmen konnte oder wenn man auch nur im eigenen Garten saß und mit einem Bier in der Hand die vorbeigehenden Zapfendorfer grüßte. Ja, dann war Franken schön. Aber nicht im Winter. Spätestens im November war der Spaß vorbei. Ab November fand Franken drinnen statt: vor dem Fernseher, in der Wirtschaft oder vor dem in der Wirtschaft stehenden Fernseher.

Kinder hatten sie keine. Mandy wollte noch Karriere machen, es zu etwas bringen. Sie sagte, mit einunddreißig Jahren müsse man heutzutage noch nicht Mutter werden. Da könne man noch etwas lernen, sich weiterbilden. Ihm hingegen war das nicht so klar gewesen. Er dachte, sie wäre mehr so klassisch drauf. So ‘ne verdammt Hübsche aus dem Osten, die froh war, einen gestandenen Franken gefunden zu haben, der ordentliches, sicheres Geld verdiente. »In Bamberch bei die Bosch.«

Doch Mandy wollte sich nicht mit der traditionellen Mutterrolle abfinden. Bereits seit zwei Jahren lernte sie nun für ihr Ingenieurstudium. Ihr Spezialgebiet waren ferngesteuerte, integrierte elektronische Schaltkreise auf Mikroplatinen. Die hatten es ihr irgendwie angetan. Außerdem machte sie gerade ein Praktikum bei der Deutschen Bahn. Was er so hörte, war sie richtig gut in dem, was sie tat.

Als er sie mal beiläufig fragte, wie sie denn ausgerechnet auf so etwas Abgefahrenes wie ferngesteuerte, integrierte elektronische Schaltkreise gekommen war, hatte sie lächelnd geantwortet: »Nur durch dich, mein Goldstück.« Erklärt hatte sie ihm ihre Antwort nicht, sondern ihm nur einen langen Kuss gegeben und wieder eins ihrer dicken Fachbücher aufgeschlagen und weitergelernt.

Aber so hatte er nicht gewettet, so hatte er sich eine Ehefrau nicht vorgestellt.

Außerdem lief im Bett auch nichts mehr. Die Schnecke nahm sich tatsächlich heraus, ihn abzuweisen. Das musste man sich mal vorstellen! Da kam er von der Arbeit völlig erledigt heim, von der Schicht »bei die Bosch«, früh um halb vier, und sie hatte keine Lust.

Sie sei müde, müsse ausschlafen. Und wenn überhaupt, dann solle er sich gefälligst wenigstens vorher duschen. Das musste man sich mal vorstellen, duschen! Um halb vier, mitten in der Nacht. Und nur, um ein Mal kurz drüberzusteigen!

Ja, wo simmer denn!, dachte er sich. Nicht mit mir, Frau Ingenieur, nicht mit mir.

Seit einem Jahr schlich er sich nun schon unbemerkt aus dem Haus, wenn sie pennte, denn er hatte keine Nachtschicht mehr.

Genauer gesagt hatte er überhaupt keine Arbeit mehr. Diese Drecksfinanzkrise. Man hatte ihn »bei die Bosch« rausgeschmissen, aber davon musste seine Frau ja nichts wissen. Er kriegte schließlich Arbeitslosengeld, erst mal wenigstens.

Auf dem Arbeitsamt, draußen auf der Wartebank, da hatte er sie dann kennengelernt. Rosemarie. Rosemarie aus Unterbrunn. Ledig, gut gebaut, aber ein bisschen wenig Wasser in der Schüssel. Also, sie war nicht direkt blöd, aber ein Schafwollpullover hatte wahrscheinlich eine schnellere Auffassungsgabe als sie. Also gut, in Wirklichkeit war Rosemarie dumm wie Bohnenstroh, aber sie wohnte allein, war willig und hatte immer Zeit für ihn. Eigentlich war sie nur auf dieser Welt, um ihn zu empfangen, wenn er mal wieder heimlich von zu Hause abgehauen war. Rosemarie war ein absoluter Glücksgriff, ein Volltreffer. Und bis Unterbrunn waren es gerade mal vier Kilometer. Ha, ein Klacks.

Und Mandy?

Ein hochintelligentes Weibchen, aber für den Alltag völlig untauglich. Von ihrer bescheuerten Lernerei war sie immer so kaputt, dass sie vermutlich selbst dann weitergeschlafen hätte, wenn ein Mähdrescher aus Ebensfeld durchs Zimmer gerauscht wäre. Wenn sie müde war, nickte sie auch oft am Schreibtisch ein. Vor allem in letzter Zeit, während sie an ihrer Semesterarbeit bastelte. An irgendeinem schwarzen Kästchen mit haufenweise Lötstellen und hochkompliziertem Innenleben. Auch gut, die Semesterarbeit war ihr Problem. Er jedenfalls würde jetzt wieder Rosemarie in Unterbrunn beglücken. Er hatte sich angewöhnt, den Opel immer ein bisschen entfernt vom Haus zu parken, damit Mandy nicht aufwachte, wenn er den Motor startete. Ha, es war der schiere Wahnsinn, was er für eine Potenz hatte! Wenn er nur an Rosemarie dachte, hatte er schon ein Zelt in der Unterhose. Es wurde Zeit.

Am Ortsende von Zapfendorf überquerte er wie immer die Bahnlinie, als plötzlich der Motor zu stottern begann. Nach einigen Sekunden erstarb er. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Er versuchte erneut zu starten. Nichts, der Motor tat keinen Mucks. Verzweifelt stützte er die Stirn aufs Lenkrad und betrachtete sein zusammenfallendes Unterhosenzelt. Es half nichts, er musste aussteigen und die Karre vom Gleis schieben.

Opel! Bis heute kapierte er nicht, warum man eine Firma wie diese unbedingt retten sollte. Seine linke Hand zog am Türöffner. Nichts. Er rüttelte mit beiden Händen daran. Keine Chance.

Leicht verunsichert probierte er der Reihe nach alle Türen durch – sogar die Fensterheber. Nichts funktionierte. Was sollte der Scheiß? Er atmete tief durch und zog das Handy heraus. Am besten rief er Rosemarie an und gab ihr Bescheid, dass er heute später kam. Als er ihre Nummer wählen wollte, nahm das Telefon seine Eingabebefehle nicht an, stattdessen erschienen Großbuchstaben auf dem Display: »VERGISS ES.« Unter den Worten lief eine Zahl im Sekundentakt rückwärts: 27, 26, 25 …

Während er noch verblüfft grübelte, was das bedeuten mochte, sah er von links Lichter näher kommen. Sehr schnell näher kommen. Panisch rüttelte er an der Wagentür.

Wie gewohnt wollte Zugführer Bernhard Wülst die Geschwindigkeit vor dem Bahnhof Ebing drosseln, um dann anzuhalten. Wahrscheinlich stieg in diesem gottverlassenen Kaff sowieso wieder niemand aus, geschweige denn ein. Aber das war ihm egal: Fahrplan war Fahrplan.

Aber irgendetwas stimmte nicht. Er zog an allen Hebeln, ohne dass der Zug auf seine hektischen Bewegungen reagierte. Mit voller Geschwindigkeit donnerte der Interregio durch den kleinen Provinzbahnhof Ebing und an der offiziellen Haltestelle vorbei.

Während Bernhard Wülst noch panisch überlegte, wie er den Zug stoppen sollte, tauchten vor ihm im Nebel bereits die ersten Zapfendorfer Häuser auf. Auch hier hätte er eigentlich halten müssen, aber er konnte anstellen, was er wollte, der Zug reagierte einfach nicht. Mit Höchstgeschwindigkeit raste er durch Zapfendorf.

Plötzlich sah er in circa hundert Metern Entfernung ein Auto auf den Gleisen stehen. Verdammt! Reflexartig hieb er mit aller Kraft auf den großen roten Knopf der Notbremse. Und siehe da, plötzlich leuchtete der Bildschirm der Steuerung auf. Erleichtert atmete er auf.

Aber er spürte, dass der Zug nicht langsamer wurde. Gleich würde er in das Auto auf den Gleisen rasen. Verzweifelt schlug er mit der Faust ein letztes Mal auf den Knopf, als das Display etwas anzeigte. »VERGISS ES«, konnte er in Großbuchstaben lesen.

Das quälende Krachen war in ganz Zapfendorf zu hören, als der Interregio den Opel in die Schienen malmte. Mandy schloss das Fenster, legte das schwarze Kästchen mit den integrierten elektronischen Schaltkreisen auf die Seite und warf sich fröhlich zu dem Mann mit den grau melierten Schläfen aufs Bett.

»Und, hab ich bestanden?«, fragte sie.

Es gibt zwei Möglichkeiten,

Karriere zu machen:

Entweder leistet man wirklich etwas, oder man behauptet, etwas zu leisten.

Ich rate zur ersten Methode,

denn hier ist die Konkurrenz

bei Weitem nicht so groß.

Sitzfleisch

Michael Hoffmann war fast fertig. Zwei seiner Handwerker verteilten noch ein letztes Mal Möbelpolitur auf den edlen Flächen, um der Holzmaserung den finalen Glanz zu verleihen.

Das Holz allein hatte schon ein Vermögen gekostet. Orinoco Palisander vom oberen Amazonas. Ein unglaublich schöner Anblick und so ziemlich das Umweltschädlichste, was man an Holz in Europa verbauen konnte. Aber das war seinem Chef egal. Orinoco Palisander war selten, teuer und genau das Richtige zum Angeben. Als stellvertretender Insolvenzverwalter bei Karstadt brauchte man schließlich etwas zum Angeben.

Denn mit der Firma als solche war längst kein Staat mehr zu machen. Der Beliebtheitspegel des ehemals renommierten Namens bewegte sich etwa auf gleichem Niveau wie die Schweinegrippe oder Dieter Bohlen. Es gab nicht viel auf dieser Welt, was diese bodenlos schlechten Werte noch unterbieten konnte.

Der stellvertretende Insolvenzverwalter Berthold Gnoche erfüllte diese Aufgabe indes ohne große Mühe. Er hatte in dem ganzen Konkursverfahren nie vorgegeben, irgendetwas oder -jemanden retten zu wollen. Er war hier, um abzuwickeln. Kostengünstig, rücksichtslos und schnell.

Der Letzte, der gehen musste, war Michael Hoffmann aus Coburg. Der Innenarchitekt hatte das Domizil des Bürokratenkraken Gnoche neu zu gestalten – und dann die Fliege zu machen. Zu gehen und für immer die Tür hinter sich zu schließen. Dann würde Berthold Gnoche endlich allein in seinem leeren, abgewickelten Kaufhaus sein und konnte die Immobilie möglichst schnell und gewinnbringend weiterverscherbeln. Wahrscheinlich würde sich der korrupte Schleimer von irgendeinem iranischen Teppichhändler bestechen lassen, die ganze Angelegenheit als erledigt betrachten und sich dann auf die nächste Insolvenzmasse stürzen, dachte Hoffmann.

Der Innenarchitekt war auch nur noch hier, weil Gnoche im Arbeitsvertrag Hoffmanns eine Rechtsklausel gefunden hatte, die den Architekten tatsächlich dazu zwang, drei weitere volle Monate für Nüsse zu arbeiten. Weigerte er sich, würde ihm eine Konventionalstrafe aufgebrummt werden, er bekäme kein Arbeitslosengeld und ein Zeugnis, das nicht einmal mehr für einen Job im Friseursalon reichen würde.

Und Gnoche war einer, der Ernst machte. Seit drei Monaten hatte Michael Hoffmann jetzt schon keinen Lohn mehr bekommen.

»Wenn Sie hier überleben wollen, Hoffmann«, hatte Gnoche vor einem halben Jahr zu ihm gesagt, »dann müssen Sie den einen oder anderen Kompromiss eingehen. Sie sitzen auf einem Schleudersitz, Hoffmann, und wenn Sie nicht kooperieren, dann bin ich der Erste, der den Knopf drückt!« Gnoche hatte dreckig gegrinst und gewusst, dass er am längeren Hebel saß.

Um sich überhaupt eine Chance auf einen eventuellen Arbeitsplatz zu wahren, hatte Hoffmann den Drecksack sogar bestechen müssen. Zehntausend Euro hatte er für ein vages Versprechen abgedrückt. Und nur, um letzte Woche, während des Büroumbaus, seine bereits fix und fertig unterschriebene Kündigung zufällig in der untersten Schublade von Gnoches Schreibtisch zu finden. In diesem Moment war ihm alles klar geworden. Er würde keinen Job mehr bekommen, kein Zeugnis, und sein Geld würde er auch nicht mehr wiedersehen.

Berthold Gnoche hatte ihn von vorn bis hinten verarscht.

Das war’s dann. So war das halt mit Schleudersitzen. Hoffmann konnte sein Häuschen in Dörfles-Esbach vergessen, das Auto verkaufen und musste darauf hoffen, dass das Gehalt seiner Frau irgendwie reichen würde. Doch als Putzfrau bei der HUK Coburg verdiente man auch nicht gerade die Welt. Die Zukunft, die sich Michael Hoffmann präsentierte, war tiefschwarz.

Die Handwerker verließen das Büro im bezugsfertigen Zustand. Der Innenarchitekt schaute sich noch einmal im Innern um. Jeder Vorstand eines großen Börsenunternehmens wäre voller Begeisterung in diesen Traum aus feinmaserigem Palisander eingezogen. Sogar im Bürostuhl, einem Koloss aus Edelstahl und schwarzem Büffelleder, war das teure Tropenholz als Dekor vorhanden. Bezahlt worden war der Traum aus der Konkursmasse eines ausgebeuteten Unternehmens. Realisiert von einem ausgebeuteten Innenarchitekten.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und Berthold Gnoche trat herein. Während die schwere, schallgeschützte Tür hinter ihm ins Schloss fiel, sah er sich mit kritischem Blick in seinem neuen Herrschaftsbereich um. Michael Hoffmann beachtete er nicht. Zwei Mal drehte er eine Runde und befingerte gründlich jede Ecke und Kante. Schließlich trat er auf den Architekten zu und sagte gelangweilt: »Also gut, Hoffmann, das können wir so lassen. Ich will mal nicht so sein. Eine letzte Frage noch: Was ist mit der Sprechanlage, geht die jetzt endlich?«

Michael Hoffmann streckte sich unmerklich. »Selbstverständlich, aber Sie werden niemanden mehr erreichen, Herr Gnoche, es ist ja keiner mehr da.«

Berthold Gnoche lächelte kalt. »Dann gehen Sie eben mal kurz nach draußen, Hoffmann, und machen mir die Sekretärin. So was in der Art werden Sie ja in Zukunft sowieso arbeiten müssen, wenn Sie Glück haben.«

Er lachte heiser über seinen eigenen unglaublichen Witz, während Michael Hoffmann schweigend das Büro verließ und die schwere Tür hinter sich schloss. Er ging zur Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch der Sekretärin und drückte den entsprechenden Knopf.

»Sie können jetzt etwas sagen, wenn Sie den grün leuchtenden Knopf drücken, Sie Arschloch«, sagte er mit ruhiger Stimme ins Mikrofon.

Berthold Gnoche glaubte, sich verhört zu haben. Wofür hielt sich dieser arbeitslose oberfränkische Prolet eigentlich? Wütend drückte er den grünen Knopf, um ihm mitzuteilen, dass er hiermit definitiv entlassen war.

Doch es ertönte kein Freizeichen, und auch die grüne Lampe erlosch. Stattdessen hörte er ein leises Knacken unter sich. Sekundenbruchteile später entfalteten die acht Explosivtriebkörper in dem edlen Bürosessel ihre vollen zwölftausend PS, und der stellvertretende Insolvenzverwalter Berthold Gnoche wurde in seinem Luxusgestühl mit knapp dreihundertneunzig Stundenkilometern an die Betondecke des Büros geschossen. Das Neueste vom Neuesten, direkt von Airbus Industries.

Der schwere Sessel verbog sich an der Decke kreischend zu einer metallischen Halbschale mit Büffellederfetzen, bevor er wieder polternd zu Boden fiel.

Berthold Gnoche klebte noch etwas länger dort oben, dann folgte er dem Sessel. Allerdings nicht komplett. Manche seiner Körperteile brauchten etwas länger, um sich zu den Resten des zur Unkenntlichkeit verbogenen Sessels zu gesellen, andere hatten beschlossen, für immer an der Decke zu bleiben.

Derweil warf Michael Hoffmann pfeifend den Generalschlüssel in den Briefkasten an der Eingangstür. So ist das halt mit Schleudersitzen, dachte er zufrieden.

Früher war die Zukunft auch besser.

Die untreue Kaiserin

Ein Mensch

mit Namen Eugen Roth

ist eines Tages plötzlich tot.

Gemeuchelt mit des Messers Spitze

in der Bamberger Sommerhitze.

War es Tücke, war’s infam,

dass dieser Mensch zu Tode kam?

Denn mit der Schärfe seiner Reime

jener Dichter schafft’s alleine,

Humor zu zeigen, dazu frech,

doch heute hatte er wohl Pech.

Die Franken eilen gleich herbei

und nicht zuletzt die Polizei,

um festzustelln mit scharfem Sinn:

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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