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Der Nebraer Diakon Michael Ranft schuf im Jahre 1734 eines der bekanntesten Werke zum Vampirismus. Seine Arbeit führte er auf mehrere Meldungen von Vampirfällen zurück, die seinerzeit europaweites Aufsehen erregten. Bis heute zählt das "Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern" zu den Standardwerken der Vampirforschung. Diese Ausgabe gibt den unveränderten Text des Erstdrucks von 1734 wieder.
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Seitenzahl: 297
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Denen
Drey grossen
Leipziger
Gottes-Gelehrten,
Als
Dem Magnifico, Hochwürdigen,
Hochachtbahren und Hochgelahrten
Herrn,
HERRN
Christian Friedrich
Börner,
Der heiligen Schrifft Doctori und Professori Publico Primario, des hohen Dom-Stiffts zu Meissen Canonico, des Chur- und Hochfürstl. Sächsischen Consistorii zu Leipzig Assessori, derer Churfürstl. Sächsischen Stipendiaten Ephoro, des grossen Fürsten-Collegii Collegiato, der Universtität Leipzig Decemviro und Bibliothecario, wie auch der gantzen Fränckischen Nation Seniori etc.
Meinem insonders hochzuehrenden
Herrn, vornehmen Patrono und
vielgebietenden Ephoro.
Ingleichen
Dem Magnifico, Hochwürdigen,
Hochachtbahren und Hochgelahrten
Herrn,
HERRN
Heinrich Klausing,
Der heiligen Schrifft Doctori und Professori Publico Ordinario, des hohen Dom-Stiffts zu Meissen Canonico, derer Churfürstlichen Stipendiaten Ephoro, der Theologischen Facultät p. t. Decano, des grossen Fürsten-Collegii Collegiato, der Universität Decemviro und der gantzen Sächsischen Nation Seniori etc.
Meinem insonders hochzuehrenden Herrn
und vornehmen Patrono.
Und endlich
Dem Magnifico, Hochwürdigen, in GOtt
Andächtigen, Hochachtbahren und
Hochgelahrten Herrn,
HERRN
Salomon Deyling,
Der heiligen Schrifft Doctori und Professori Publico Ordinario, der hohen Stiffts-Kirche zu Zeitz Canonico, des Chur- und Hochfürstlichen Sächsischen Consistorii zu Leipzig Assessori, der Meißnischen Nation Seniori, der Haupt-Kirche zu St. Nicolai Pastori und der gantzen Leipziger Diœces hochverordneten und höchst ansehnlichen Superintendenten etc.
Meinem insonders hochzuehrenden
Herrn, vornehmen Patrono und
vielgebietenden Ephoro.
Magnifici, Hochwürdige,
resp. in GOtt Andächtiger, Hochachtbahre und
Hochgelahrte,
Insonders hochzuehrende Herren, vornehme
Patroni und resp. vielgebietende Ephori,
WEnn ich mich gleich nicht des sonderbahren Glücks zu rühmen hätte, daß ich ehemahls auf der hohen Schule zu Leipzig zu den Füssen Ew. Ew. Ew. Hochwürdigen Magnificentzen gesessen und den lehrreichsten Unterricht in allen Theilen der Gottes-Gelahrheit aus Dero eigenem Munde angehöret, so ist doch der hohe Nahme, den Dieselben durch Dero gründliche Gelehrsamkeit und auserlesene Schrifften in der Welt erlangt, schon sattsam vermögend, mich zu verpflichten, auff Mittel zu dencken, wodurch ich ein öffentliches Denckmahl meiner tieffsten Ergebenheit und schuldigsten Danck-Begierde auffrichten möchte. Alleine die allzu hohen Verdienste, die Ew. Ew. Ew. Hochwürdige Magnificentzen um unsere Kirche und die gantze gelehrte Welt erlangt, setzen mich ausser Stand, dasjenige, was ich zu Mitteln darzu brauchen könte, ohne Vorwurff einer Verwegenheit und Unbescheidenheit zu meinem Zwecke anzuwenden. Gegenwärtige Schrifft, die ich Ihnen hiermit in tieffster Ehrerbietigkeit zuschreibe, hat demnach eine gantz andere Absicht. Denn wie der erste Anblick derselben allen, die zu Vorurtheilen geneigt sind, leichte ungleiche Gedancken erwecken und sie in Haß und Eyfer wider selbige setzen kan, so will sie das Ansehen eines schüchternen Vogels haben, der nicht eher sich in die freye Lufft waget, als biß er sich sattsam nach einem schattigten Baume umgesehen, unter dessen Zweigen er bey entstehender Verfolgung Schutz und Bedeckung finden möge. Nun würde es zwar eine grosse Verletzung der Ehre seyn, die man Ew. Ew. Ew. Hochwürdigen Magnificentzen schuldig ist, wenn man Dero hohe Nahmen zu einer Schutzwand machen wolte, sich darhinter in seiner bösen Sache zu verbergen. Alleine da diese Schrifft nichts in sich enthält, das der Ehre GOttes und dem Respecte, den man grossen Gottes-Gelehrten schuldig ist, nachtheilig seyn könne, gleichwohl aber eine vorgefaßte Meinung öffters eine an sich selbst unschuldige Sache in ein böses Geschrey bringen kan; als habe zu Ew. Ew. Ew. Hochwürdigen Magnificentzen das feste Vertrauen, Sie werden nach Dero bekannten Einsicht, die Sie so wohl in die Wercke GOttes als der Natur haben, hochgeneigt geruhen, mir, als einem ehemahligen auffmercksamen Zuhörer von Ihnen, gütigst zu verstatten, daß ich durch Vorsetzung Ihrer an sich selbst sehr schätzbahren Nahmen einer unschuldigen Schrifft, die nach den Grund-Sätzen einer gesunden Philosophie abgefasset ist und ohne Nachtheil der Göttlichen Wahrheit den Aberglauben bestreitet, wider die blinden Vertheidiger abergläubischer Meinungen einigen Schutz und Sicherheit verschaffe. Ich werde solche hohe Gunst-Bezeugung unter diejenigen grossen Wohlthaten rechnen, die ich sonsten schon auff andere Weise von Ew. Ew. Ew. Hochwürdigen Magnificentzen empfangen, und die so beschaffen sind, daß ich dieserhalben mich Zeit Lebens nennen muß,
Magnifici, Hochwürdige,
resp. in GOtt Andächtiger, Hochachtbahre und
Hochgelahrte,
Insonders hochzuehrende Herren, vornehme
Patroni und resp. vielgebietende Ephori,
Ew. Ew. Ew. Hochwürdigen Magnificentzen
Nebra, den 8.
May 1734.
gantz ergebenster Diener und getreuer
Fürbitter bey Gott
M. Michael Ranfft.
Mein Leser
Die erste Vorrede zu Dem gantzen Tractate. Geneigter Leser
Die erstere Dissertation, so Historisch und Critisch ist, ward auf der Universität zu Leipzig den 27. Sept. 1725. öffentlich gehalten, Wobey Hr. Christian Gottfr. Cleemann von Chemnitz, S. S. Theol. Stud. Respondente gewesen.
Die andere Dissertation, so Philosophisch ist. Inhalt dieser Dissertation
Actum den 7. Jan. 1732. In dem Dorffe Medwedia des Königreichs Servien.
Hoch-Edler, Hochgeehrter Herr Doctor
Gutachten
Verzeichniß
Register
ICh habe den 27. Sept. 1725. zu Leipzig eine öffentliche Dissertation de Masticatione mortuorum in tumulis gehalten und dabey einen gewissen wunderbahren Casum aus Hungarn zum Grunde gelegt. Weil ich aber diese Materie damahls nicht gantz ausführete, sondern mir vorbehielte, noch einmahl davon zu disputiren, woran ich aber durch meinen unvermutheten Wegzug aus Leipzig verhindert wurde, so hab ich Anno 1728. alles dasjenige, was ich davon zu Pappiere gebracht, in Form eines Tractats unter dem Titel: de Masticatione mortuorum in tumulis Liber singularis, continens duas Dissertationes, quarum prior Historico-Critica, posterior vero Philosophica est; ans Licht gestellt.
Ob ich nun wohl nicht gedachte, weiter vonnöthen zu haben, in dieser Materie die Feder anzusetzen, so hat doch die Actenmäßige Relation von denen so genannten Vampyren in Servien, die vor einiger Zeit zum Vorschein gekommen, Gelegenheit gegeben, daß meines Tractats in verschiedenen dißfals ans Licht gestellten Schriften theils in guten theils in bösen gedacht worden. Hierdurch bin ich veranlasset worden, so wohl meine Hypothesin wider die ungleichen Urtheile einiger Widersacher zu vertheidigen, als auch die Geschichte von den Vampyren daraus zu erklären. Und in dieser Absicht stelle ich der curieusen Welt gegenwärtige Schrifft in die Hände, welche gleichsam aus drey Theilen besteht.
Der Erste Theil enthält die Deutsche Ubersetzung meines Lateinischen Tractats de Masticatione mortuorum in tumulis. Der Andere erleutert die Acten-mäßige Relation von den Vampyren aus den Grund-Sätzen meiner hypothesis, und der Dritte stellet alle Schrifften, die bißher von den Vampyren ans Licht gekommen, in einem kurtzen Auszuge dar, wobey ich zugleich Gelegenheit genommen, mich wider einige Widersacher zu vertheidigen. Ich hoffe, es werde diese Schrifft dem Leser nicht mißfällig noch unangenehm seyn, daher ich hier nichts weiter beyzusetzen finde, als daß ich mich der Gewogenheit des vielgeehrtesten Lesers bestens empfehle.
Nebra den 10. Nov. 1733.
HIer liefern wir in der Gestalt eines Tractats, was wir in unserer ersten Dissertation versprochen. Du darffst dich nicht wundern, daß wir uns so lange unter der Erden aufgehalten, indem die Reise dahin sehr gefährlich ist, weil sie uns durch viel unwegsame Einöden und wüste Oerter führet. Wenn uns dieses bekannt gewesen wäre, als wir uns das erste mahl in die unterirrdischen Gegenden begeben, so würden wir vielleicht den Verweiß vermieden haben, dessen uns unser Censor würdig geachtet, oder wer derjenige ist, der seine Lipsiam Literatam mit nicht glücklichern Erfolg als ehemals gewisse Verfasser ihre Acta Lipsiensium Academica ans Licht gegeben. Er scheinet es vielleicht übel genommen zu haben, daß wir ihm die Materie von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern weggenommen. Denn sonst würde er uns keiner Ruhm-Begierde beschuldiget haben, als ob wir bloß aus Verlangen nach Ruhm u. Ehre diese schwere Arbeit vorgenommen hätten. Inzwischen sind wir über den Anblick der Gräber nicht erschrocken, sondern mit gutem Glück zu denselben hinab gestiegen. Nun kommen wir von solchen wieder zurücke und sind dessen wohl eingedenck, wessen wir erinnert worden. Ob wir aber gleiches Schicksaal gehabt, als Orpheus ehemahls, da er seine Eurydicen aus der Höllen gehohlt, und selbige, ehe er sichs versehen, wieder verlohren, mögen andere beurtheilen. Denn der Geschickligkeit unsers Censoris trauen wir hierinne gar wenig zu. Er ist zur Leyer gebohren und kan durch nichts, denn wohlklingende Stimmen in Zufriedenheit gesetzt werden. Du aber, geneigter Leser, lebe wohl und bleibe unsern Studiis gewogen.
Vorrede.
DU wirst dich wundern, Geneigter Leser, warum ich in diesen Bogen ein solches Thema auszuführen mir vorgenommen, welches mit so vielen und grossen Controversien verwickelt, daß ich zu thun haben werde, wenn ich demselben ein Genüge thun soll. Es gehört zur Natur-Lehre und folglich (8) zu einer Disciplin, dessen Geheimnisse auch der beste Natur-Kündiger nicht erforschen wird, ob er gleich die gantze Lebens-Zeit hindurch Tag und Nacht damit beschäfftiget ist. Was wirst du demnach von mir halten, der ich der Gottes-Gelahrheit obliege, uuddoch kein Bedencken trage, mich auf die Untersuchung derer verborgensten Kräffte der Natur zu legen? Jedoch da ein Gelehrter alles zu unternehmen wagen soll, so darff dir es nicht so gar fremde deuchten, daß ich diese schwere und höchst sonderbahre Lehre von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern, so viel sichs thun läst, abzuhandeln mir vorgenommen habe. Eine sehr gute Gelegenheit hierzu habe ich erlanget, da in den öffentlichen Zeitungen uns vor kurtzem ein so sonderbahres Werck der Natur bekannt gemacht worden, daß ich glaube, daß dergleichen an denen todten Cörpern kaum iemahls wahrgenommen worden. Ich nahm mir so gleich vor, etwas davon zu schreiben und zur Probe auf öffentlichen Catheder zu vertheidigen. Alleine da ich kaum die Arbeit vor die Hand genommen hatte, sahe ich mich in so einem weiten Felde, daß ich in denen Schrancken einer eintzigen Dissertation nicht bleiben konte. Du wirst es daher, Geneigter Leser, nicht ungütig deuten, daß ich dir von dieser Materie zwey Dissertationes liefere, eine, so Historisch und Critisch, und die andere, so Philosophisch ist. Die erste ist eben diejenige, so dir in gegenwärtigen (9) Bogen zu Gesichte kömmt. Du wirst die Arbeit zwar vor nicht gemein, aber doch vor nicht sonderlich achten. Die Kürtze der Zeit und andere Umstände sind hinderlich gewesen, daß ich nicht so, wie es hätte seyn sollen, Fleiß darauf wenden können. Ich mache mir daher nicht die geringste Einbildung, einiges Lob oder Ruhm der Gelehrsamkeit dadurch zu erlangen, sondern ich bin zufrieden, wenn nur meine Arbeit dir, Geneigter Leser, nicht gantz vergeblich und verdrießlich scheinet. Ich verspreche mir dieses um so viel gewisser, da mir zur Zeit noch kein Autor bekannt ist, der absonderlich von dieser Materie etwas geschrieben, als Hr. M. Philip Rohr, von Marck-Ranstadt, welcher ebenfalls eine Dissertation hiervon A. 1679. auf unserer Universität Leipzig gehalten, die den Titel führet: Diss. Historico-Philosophica de Masticatione mortuorum.
Ich suchte anfangs viele darinne, das in meinen Kram dienen solte; aber da ich sie genauer ansahe, befand ich, daß sie zwar vieles versprochen, aber wenig geleistet habe. Bey so gestalten Sachen, wollest du dir gegenwärtige Arbeit bestens empfohlen seyn lassen und glauben, daß, so dieser erste Versuch wohl aufgenommen werde: du in kurtzen mit GOtt vielleicht etwas gründlichers und bessers zu gewarten haben werdest.
(10)
Dieser Dissertation Inhalt.
DIe verborgenen Kräffte in der Natur §. 1.
Es ist nicht alles entweder GOTT oder dem Teuffel zuzuschreiben. §. 2.
Ein sonderbahr Exempel eines Enthusiasmi Poëtici. §. 3.
Von der Unwissenheit der Sache ist kein Schluß zu machen auf dessen Verneinung. §. 4.
Aller Geister und Cörper Einfluß in einander. §. 5.
Verschiedene Gattungen der Sympathie und Antipathie. §. 6. 7.
Das Kauen und Schmatzen der Todten, warum es in Zweiffel gezogen worden. §. 8.
Die Rechtgläubigkeit. Die Wunder GOttes von den wunderlichen Dingen in der Natur sind wohl zu unterscheiden. §. 9.
Der Päbstler Wunder-Glaube. §. 10.
Exempel von dem Kauen und Schmatzen der Todten. §. 11.
Ein sonderbar Exempel aus Hungarn. §. 12.
Die Einrichtung der Abhandelung §. 13.
Das Kauen und Schmatzen der Todten ist kein göttlich Wunderwerck, §. 14. 15. 16. 17.
noch auch bloß ein Zeichen des Satans. §. 18. 19. 20. 21.
Die Dæmones oder Mittel-Geister werden verworffen. Wie viel denenselben hier zuzuschreiben. Garmannus. §. 22. 23. 24.
Falsche Meinungen widerlegt. Ob die Todten in den Gräbern kauen und schmatzen? §. 25.
Die alten Sarmaten. Das Geräusche der Seelen. Homerus. Diogenes Laërtius. Lucianus. Sophocles. §. 26.
Wie viel der Aberglaube vermöge? Woher die unterirdischen (11) Knalle. §. 27.
Das Gothische Meteoron. §. 28.
Der Menschen Einbildung. Das Schrecken. Das Klopffen der Todten in Gräbern. §. 29. 30.
Ob die Todten ihre Kleider fressen. §. 31.
Der Jüden ihr Fleisch fressender Azazel. Die Jüdische Maus. §. 32. 33.
Die Muhamedaner. Der Todten-Engel. Das unterirdische Examen. §. 34.
Der Geist und Götze Eurynomus. Der Geist Asuiti. Pausanias. §. 35.
Die Fleisch fressenden Thiere. Hyæna. §. 36.
Die Striges, blutsaugenden Vögel. §. 37.
Die Fleisch fressenden Schlangen, ob sie aus den Menschen-Marck wachsen. Wolffgang Franzius. §. 38.
Ein Monument zu Meissen. §. 39.
Die Todten, so ihre leinen Tücher verschlucken. §. 40.
Die unterirdischen Thiere. Die Mäuse. §. 41.
Schlangen in menschlichen Cörpern. Die Ursache des Fressens der Todten. §. 42. 43.
Das Weibliche Geschlechte. Rohrius und Pitzschmann. Abergläubische Ursachen. Schlüsselburg. Garmann. §. 44. 45.
Das Kauen und Schmatzen der Todten zur Pest-Zeit. Das Schrecken wie vieles da vermöge. Rivinus. Helmont. Geyer. §. 47. 48.
Die Türcken, so sich vor der Pest nicht fürchten. Carl vom Pest-Engel. §. 49.
Der Gestanck der Cörper, ob daher die Pest? Cornelius a Lapide. §. 50. 51.
Das Kauen und Schmatzen der Todten, ob es der Anverwandten Tod nach sich ziehe? § 52.
Der Schluß. Es wird die andere Dissertation versprechen. §. 53.
(12)
Q. D. B. V.
§. 1.
D Ie gantze Natur ist voller verborgenen Kräffte. Es hat die Natur-Lehre zwar zu unsern Zeiten bey nahe den höchsten Grad der Vollkommenheit erreichet, aber es trägt sich doch immer und täglich etwas zu, das die gelehrtesten Meinungen derer Weltweisen umkehren kan. Diejenigen, welche vorgeben, es würcke die gantze Natur nicht anders denn mechanice, die verwerffen alle dergleichen verborgene Kräffte der Natur, oder so genannten qualitates occultas, als Weiber-Mährgen, die in denen Schulen derer Aristotelicorum ihren Ursprung genommen. Alleine da sie die Natur nicht anders als von hinten zu ansehen und alles auff deutliche experimenta ankommen lassen, so langen sie, so zu sagen, mit ihren äussersten Fingern nicht an dieselben, weil sie ihnen über alle Grentzen der Möglichkeit gesetzt zu seyn scheinen. Und gewiß! die Zeichen (phænomena) die zu unsern Zeiten im Reiche der Natur sich geäussert, sind so beschaffen, daß man sich nicht wundern darff, wenn fast alle und auch die besten Philosophischen Oracul darüber verstummen.
§. 2.
Es giebt einige unter denen Weltweisen, die alle dergleichen Natur-Wunder entweder GOtt (13) oder dem Teuffel zuschreiben. Alleine wer hält nicht eine solche Art zu philosophiren vor ein abergläubisch Geschwätze? Es geben dergleichen Leute offenbahr zu erkennen, daß sie in der Erkäntniß derer Kräffte der Natur eine grosse Unwissenheit besitzen. Wir leugnen zwar die Würckungen der Geister in die Leiber nicht, sondern geben vielmehr mit beyden Händen zu, daß nicht nur GOTT noch täglich in der Natur nach seiner sonderbahren Vorsehung Wunder thue, sondern daß auch der Teuffel nach seiner grossen Erkäntniß, die er von denen Kräfften der Natur hat, Wunder-Dinge ausrichten könne. Aber alles deßwegen denen Geistern und ihren unmittelbahren Würckungen zuzuschreiben, düncket uns allzu unreiff philosophirt zu seyn. Denn es ereignen sich zum öfftern in den raresten Natur-Zeichen solche Umstände, die deutlich bezeugen, daß dieselben weder von GOTT noch vom Teuffel unmittelbar herrühren können. Beyde handeln nach ihren Absichten. Daher in solchen Wunder-Dingen allezeit sich entweder eine göttliche Güte oder eine teufflische Boßheit offenbahren muß.
§. 3.
Vor ohngefehr drey oder vier Jahren ward der gelehrten Welt ein so sonderbahres Exempel von einer Poetischen Entzückung (Enthusiasmo poëtico) bekannt gemacht, dergleichen kaum iemahls bey Menschen Gedencken gehöret worden. (14) Wer die Umstände davon aus den Deutschen Actis Eruditorum2 in genaue Erwegung ziehet, der wird zwar die Verborgenheit derer natürlichen Kräffte bewundern, aber doch auch hier weder GOTTes noch des Teuffels unmittelbahren Würckung etwas zuschreiben können. Denn wenn Gott in diesem Fall über allen Lauff und Macht der Natur ein Wunderwerck gethan hätte so müste uns ein göttlicher Endzweck davon bekannt seyn3, der entweder die Ehre GOTTes oder das Heil der Menschen anbeträfe welches beydes hier nicht statt findet. Daß man es aber dem Teuffel zuschreiben wolte, ist darum nicht thunlich, weil es eine Person betrifft, an deren Unsträfflichkeit des Lebens Niemand zu zweiffeln hat: anderer Umstände vor ietzund zu geschweigen.
§. 4.
Es ist demnach gewiß, daß in der Natur viel Kräffte verborgen liegen, über deren Würckungen wir um keiner andern Ursache willen in Verwunderung gerathen, als weil es uns nicht möglich ist, sie zu erkennen. Wer wolte aber deßwegen ihre Existenz leugnen? Ein einfältiger Mensch, der wegen der schlechten Cultur des Verstandes nicht im Stande ist, die Ursachen der geschehenen Dinge zu erforschen, (17) würde viel dem Teuffel zuzuschreiben haben, wenn es erlaubt wäre, von der Unwissenheit der Sache auff der Sache Verneinung zu schliessen. Denn das ist gewiß, daß die Natur unerforschlich bleibt. Je einfacher aber die Kräffte der Natur werden, ie näher kommen sie denen ersten Anfangs-Gründen, und ie mehr werden sie zu Wunderwercken gemacht.4
§. 5.
Damit wir aber die Existentz derer verborgenen Kräffte der Natur desto deutlicher erkennen mögen, behaupten wir, daß alle Geister und Cörper Wechselsweise in einander würcken.5 Denn es würcken die Geister in Geister, es würcken die Geister in Cörper, es würcken endlich auch die Cörper in Cörper. Das vierdte aber, daß auch die Cörper in Geister würcken solten6, ist nicht wohl zu glauben. Unter diesen verborgenen Würckungen verdienen gar leichtlich die Würckungen der Cörper in Cörper den ersten Platz, weil die Effecte davon vornehmlich in die Sinne fallen. Sie sind aber in der Wahrheit so feste gegründet, daß sich noch kein wahrer Philosophus gefunden, der (18) sich unterstanden, dieselben zu verwerffen. Sie werden insgemein unter dem Nahmen der Sympathie und Antipathie begriffen, wovon sehr grosse Wercke hin und wieder verhanden sind, die davon handeln, worunter Athanasii Kircheri Magnetismus Naturæ vielleicht den Vorzug verdienet.
§. 6.
Die Existentz der Sympathie und Antipathie wird leichtlich Niemand in Zweiffel ziehen, der von der anziehenden Krafft des Magnets einige Erkäntniß hat. Die Hunde haben mit ihrem ungewöhnlichen und ungeschickten Geheule, das sie in und um den Häusern von sich hören lassen, nicht selten den bevorstehenden Tod derer Krancken vorher verkündiget, und daß ein iedes Thier aus dem blossen Geruche mercken kan, was ihm zur Speise gut ist, sehen wir täglich. Wem ist unbekannt, was die Musicalische Harmonie in den Gemüthern der Menschen vor eine Art der Sympathie erweckt? Was vermögen nicht in diesem Fall die Erb- und Einbildungs-Kranckheiten? (morbi hæreditarii & imaginarii) Was geben nicht die Mordsüchtigen u. die, so gewisse Thiere, z. E. die Katzen, nicht leiden können, vor sonderbahre Exempel der Sympathie und Antipathie ab? Und wer will alles erzehlen können, was zum Beweiß der Existentz derer Würckungen der Cörper in Cörper dienet und einem ieden im gemeinen Leben genugsam bekannt ist.
(19)
§. 7.
Hieher sind allerdings auch viele andere Natur-Zeichen zu rechnen, die, ob sie gleich von mehrer Wichtigkeit sind, dennoch keines weges aus einer teufflischen Zauberey geschehen. Hieher gehöret das Bluten der umgebrachten Cörper, die Wünschel-Ruthe, die Bezauberungen durch eine Magische Einbildung, die Ahndungen der Thiere, das Beschreyen, die denckwürdigen Träume, der Tarantul-Biß, der Einfluß der Gestirne, und viele andere Dinge, deren Ursachen man mit nicht geringerer Wahrscheinlichkeit denen verborgenen Kräfften der Natur zuschreiben kan, als etwan das Einpfropffen der Bäume, die Raserey von Hunden, die Inoculation derer Bocken, das Sympathetische Pulver und dergleichen, von welchen allen man doch nicht den geringsten Verdacht einer teuffelischen Magie hat. Wir unterstehen uns zwar nicht, allen Einfluß der Geister bey solchen verborgenen Würckungen der Natur zu leugnen, weil uns mehr als zu bekannt ist, mit was vor Betrug und List öffters der Teuffel die Menschen durch magische Künste zu betrügen pflegt, um dadurch sein teufflisches Reich zu vermehren. Alleine da er sein Werck meistentheils durch so genannte Hexen, dener der Teuffel auff mancherley Weise die verborgenen Kräffte der Natur bekannt macht, treibet, schliessen wir daraus, es könne sich dieses alles auch ohne Beyhülffe des Satans, (20) nach dem blossen Lauff der Natur zutragen.
§. 8.
Da nun hieraus sattsam erhellet, es gebe vielerley Arten von denen Würckungen der Cörper in Cörper, so wollen wir auch eine gewisse Art setzen, die wir Masticationem mortuorum in tumulis, oder das Kauen u. Schmatzen der Todten in Gräbern nennen. Es haben uns schon längst unsere Vor-Eltern vieles von diesen in Gräbern fressenden Todten erzehlt, aber wir haben davor gehalten, es sey uns schimpflich diesen Mährgen und Aesopischen Fabeln, daran sich nur die alten Weiber ergötzen, Glauben zuzustellen. Die Ursachen sind leichte zu erkennen: Wir haben dergleichen fressende Todte nicht selbst gesehen. Wir können ein dergleichen Natur-Zeichen mit unsern Vernunfft-Schlüssen nicht begreiffen, und die Beschuldigung des Aberglaubens fliehen wir eben so sehr als die Verletzung des ehrlichen Nahmens. Was Wunder daher, wenn wir alle dergleichen Exempel, die hin und wieder in den historischen Schrifften vorkommen bißher in Zweiffel gezogen? Es giebt zwar eine Art Menschen, die von Natur geneigt sind, aus iedweder abergläubischen Muthmassung, ich weiß nicht, was vor ein Vergnügen zu schöpfen. Diesen ist es leichte, alles zu glauben, was sie hören. Was sie aber mit ihrem Verstande nicht begreiffen können, das schreiben (21) sie ohne Bedencken denen höllischen Geistern und der teufflischen Zauber-Kunst zu.
§. 9.
Ausser diesen giebt es auch welche, denen bloß die Rechtgläubigkeit der Evangelischen Religion hinderlich ist, daß sie dem keinen Beyfall geben können, was ihnen sonst nicht schwer zu glauben ist. Vor der Beschuldigung einer Ketzerey haben sie ein solches Grausen, daß sie lieber blindlings auff die Worte ihrer Lehrer schweren, als sich wegen einiger Gegen-Meinung verketzern lassen. Jedoch sie haben vielmahls nicht Ursach sich dißfalls etwas zu befürchten. Die Wahrheit der Heil. Schrifft wird bißweilen bloß aus Vorurtheil vor beleidigt gehalten. Wir erkennen dieses unter andern an der Lehre von der natürlichen Zauber-Kunst oder Magia Naturali. Denn da die alten GOttesgelehrten aus Unwissenheit der verborgenen Kräffte der Natur alle Wunder-Dinge dem Teuffel und seinen Zauberkünsten zugeschrieben, so haben wir daher das Vorurtheil in Kopff bekommen, als ob alle Lehre von der Magia Naturali auff die Zernichtung der göttlichen Wunderwercke abziele. Aber es ist dieses falsch. Die göttlichen Wunderwercke lassen sich auff eine so herrliche Weise von denen Wunder-Dingen der Natur unterscheiden, daß man sich wundern muß, wie sie unter einander verwechselt werden können. Die Zertheilung der Wasser im rothen Meer und Jordan, die Aufferweckung der (22) Todten und viele andere herrliche Thaten, die Christus, die Propheten und Apostel durch GOttes Finger im Alten und Neuen Testamente verrichtet, sind und bleiben der Natur solche Geheimnisse, daß zu deren Erklärung und Nachmachung das gesammte Höllen-Heer mit allen Schwartz-Künstlern nicht zulänglich ist, wenn sie gleich mit gesammten Kräfften darüber zu arbeiten anfiengen.
§. 10.
Alleine wer wolte deßwegen alle Würckungen der Cörper in Cörper, die nach dem, ob wohl etwas ungewöhnlichen Lauff der Natur geschehen, leugnen? Es wird der göttlichen Wahrheit dadurch nichts entzogen. Wir halten vielmehr dafür, daß es dem Evangelischen Glauben nützlich sey, wenn gezeigt werden kan, wie weit GOtt mit seinem unmittelbahren Einfluß in den Wundern der Natur (naturæ prodigiis) concurrire. Es ist uns allen bekannt, daß die Römische Kirche sich mit ihrem Wunder-Glauben viel wisse. Wenn nun wir, die wir von der Gegen-Parthey und eines bessern Glaubens sind, alle wunderlichen Dinge in der Natur so gleich vor Wunderwercke oder wenigstens vor Würckungen einer teuffelischen Magie ausgeben wolten, könten wir denn nicht sehr leichte von unsenWidersachern betrogen u. hintergangen werden? Das Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern werden die Papisten ohne Zweifel auch vor ein göttliches Wunder (23) ausgeben, und wer weiß, was vor eine Lehre sie vielleicht damit zu bekräfftigen suchen? Wer will es uns daher vor übel halten, wenn wir dieses Kauen und Schmatzen einer natürlichen Würckung des Cörpers zuschreiben? Die Art und Weise wird uns zwar allezeit verborgen bleiben, genug, daß immittelst der Sache Existentz dargethan werden kan.
§. 11.
Ehe wir dieses sonderbahre Natur-Wunder betrachten, wollen wir vor allen Dingen die Exempel anführen, die der Sache Gewißheit bestätigen. Uberhaupt verdienen hier nachgeschlagen zu werden Schwimmer in Curiosit. Philos. secret. Diss. IV. §. 12. seqq. Kornmann de Mirac. Mortuorum Part. VII. c. 64. Garmann de Mirac. Mort. L. I. Tit. III. p. 116. 117. Harsdörffer in Theatr. Tragic. c. CXV. p. 406. Phil. Rohr in Diss. de Mastic. Mort. c. I. Th. 7. und Voigt in dem Physical. Zeit-Vertreiber p. 516. Welche alle beflissen sind, die Exempel von denen kauenden und schmatzenden Todten zu sammlen. Einige sonderbahre Exempel aber hiervon findet man bey dem seel. Luthero in seinen Tisch-Reden Tit. 24. fol. 211. 212. Andr. Mollern in Annal. Freiberg. p. 254. Conrad Schlüsselburgen in der gründlichen Erklärung des 91. Psalms conc. XII. p. 155. Martin Böhmen von den drey Land Plagen conc. XVII. fol. 169. Adam Röthern in Pest-Predigten. Wencesl. Hagenecio (24) in Chron Boh. P. 1. fol. 419. b. Just. Ortolph Marold in Loemograph. p. 92. sqq. Martin Zeilern in Not. ad. Resset. Hist. Trag. p. 32. Heinr. Rothen Conc. funeb. 30. in dem Anhang von denen schmatzenden Todten. Pitzschmann in Leichen-Redner P. II. p. 856. Ignat. Hanieln de Peste in Schiefelbein. Mart. Fabricio in Paradox. λοιμ. p. 123. Erasm. Francisci im Höllischen Proteus n. 28. p. 260. sqq. Beiern in fasc. dict. biblic. 4. n. 32. Stieflern im Historien-Schatz P. II. p. 1911. Hercul. Sax. c. XI. de Plica etc. Hieher gehört auch, was der P. Gabriel Rzaczynsky in Hist. Nat. Curios. Regni Poloniæ, welches Buch Anno 1721. zu Sendomir in 4. heraus gekommen, erzehlt und zwar Tract. XIV. sect. II. wo er von dem Bluten derer Cörper handelt und bey dieser Gelegenheit zugleich vieles von denen Todten, die in ihren Gräbern noch fressen und die Lebendigen in der Nachbarschafft als Gespenster umbringen, beybringt. Die Polacken nennen sie mit einem besonderen Nahmen Upiers und Upierzyca, von welchen der gedachte Autor sehr glaubwürdige Zeugnisse anführet.7
§. 12.
Das allerneueste Exempel, das uns bekannt ist und vor andern sehr merckwürdig scheinet, ist die Nachricht aus Hungarn, welche wir vor (25) kurtzen in den öffentlichen Zeitungen gelesen. Sie ist würdig, daß wir sie von Wort zu Wort aus den Leipziger Zeitungen dieses Jahrs p. 503. seqq. abschreiben und hier mittheilen:
Wien vom 31. Jul. 1725.
„MAn siehet in den hiesigen Zeitungen oder so genannten Diario einen Bericht, welchen der Käyserl. Provisor in dem Gradisker District in Hungarn an die Käyserl. Adminstration zu Belgrad wegen einer besondern Begebenheit ergehen lassen, welcher unverändert und ohne darüber zu urtheilen, wie er sich gedruckt befindet, folgendes Inhalts ist: Nachdem bereits vor 10. Wochen ein in dem Dorffe Kisolova, Rahmer-Districts, gesessener Unterthan, Nahmens Peter Plogojowitz, mit Tode abgegangen, und nach Rätzischer Manier zur Erden bestattet worden, hat sichs in ermeldetem Dorffe Kisolova geäussert, daß innerhalb 8. Tagen 9. Personen, so wohl Alte als Junge, nach überstandender 24. stündiger Kranckheit also dahin gestorben, daß, als sie annoch auff dem Tod-Bette lebendig gelegen, sie öffentlich ausgesagt, daß obbemeldeter, vor 10. Wochen verstorbener Plogojowitz zu ihnen im Schlaff gekommen, sich auff sie gelegt und gewürget, daß sie nunmehro den Geist auffgeben müsten; gleich wie denn hierüber die übrigen Unterthanen sehr bestürtzet, in solchem noch mehr bestärcket worden, da des verstorbenen (26) Peter Plogojowitz Weib, nachdem sie zuvor ausgesagt, daß ihr Mann zu ihr gekommen und seine Oppanki oder Schuhe begehret, von dem Dorffe Kisolova weg und sich in ein anders begeben; sintemahl aber bey dergleichen Personen, so sie Vampyri nennen, verschiedene Zeichen, als dessen Cörper unverweset, Haut, Haar, Bart und Nägel an ihm wachsend zu sehen seyn müsten, als haben sich die Unterthanen einhellig resolvirt, das Grab des Peter Plogojowitz zu eröffnen und zu sehen, ob sich würcklich obbemeldete Zeichen an ihm befinden; zu welchem Ende sie denn sich zu mir hieher verfüget und nebst Andeutung vorerwehnten casus mich samt dem hiesigen Popen oder Geistlichen ersuchet der Besichtigung beyzuwohnen; und ob ihnen schon erstlich solches Factum reprobirt, mit Meldung, daß ein solches vorhero an eine löbliche Administration unterthänig-gehorsamst berichten und derselben hohe Verfassung hierüber vernehmen müste, haben sie sich doch keines weges hierzu bequemen wollen, sondern vielmehr diese kurtze Antwort von sich gegeben: ich möchte thun, was ich wolte, alleine woferne ich ihnen nicht verstatten würde, auff vorherige Besichtigung u. rechtl. Erkäntniß mit dem Cörper nach ihrem Gebrauch zu verfahren, müsten sie Hauß und Guth verlassen, weil biß zu Erhaltung einer gnädigsten Resolution von Belgrad wohl das gantze Dorff (wie schon unter (27) Türckischen Zeiten geschehen seyn solte) durch solchen üblen Geist zu Grunde gehen könte, welches sie nicht erwarten wolten. Da denn solche Leute weder mit guten Worten noch Bedrohungen von ihrer gefasten Resolution abhalten konte, habe ich mich mit Zuziehung des Gradisker-Popen in gemeldetes Dorff Kisolova begeben, den bereits ausgegrabenen Cörper des Peter Plogojowitz besichtiget und gründlicher Wahrheit gemäß folgendes befunden: daß erstlich von solchem Cörper und dessen Grabe nicht der mindeste, sonsten der Todten gemeiner Geruch verspüret, der Cörper, ausser der Nasen, welche etwas abgefallen, gantz frisch, Haar und Bart, ja auch die Nägel, wovon die alten hinweg gefallen, an ihm gewachsen, die alte Haut, welche etwas weißlicht war, hat sich hinweg gescheelet, und eine neue frische darunter hervor gethan, das Gesichte, Hände und Füsse und der gantze Leib waren so beschaffen, daß sie in seinen Lebzeiten nicht hätten vollkommener seyn können; in seinem Munde habe nicht ohne Erstaunen einiges frisches Blut erblickt, welches der gemeinen Aussage nach, er von denen durch ihn umgebrachten gesogen; in Summa, es waren alle Indicia vorhanden, welche dergleichen Leute (wie schon oben bemercket) an sich haben solten. Nachdem nun so wohl der Pope als ich dieses Spectacul gesehen, der Pöbel aber mehr und mehr ergrimmter als bestürtzter wurde, haben (28) sie gesammte Unterthanen in schneller Eil einen Pfeil gespitzet, mit solchem den todten Cörper zu durchstechen, an das Hertz gesetzet, da denn bey solcher Durchstechung nicht nur allein häuffiges Blut, so gantz frisch, auch durch Ohren und Mund geflossen, sondern noch andere wilde Zeichen (welche wegen hohen Respects umgehe) vorgegangen; sie haben endlich offt ermeldeten Cörper in hoc casu gewöhnlichen Gebrauch nach zu Aschen verbrannt, welches denn einer hochlöblichen Administration hinterbringen und anbey gehorsamst-unterthänigst bitten wollen, daß wenn hierinne einen Fehler begangen haben solte, solchen nicht mir, sondern dem vor Furcht ausser sich selbst gesetzten Pöbel beyzumessen.“
Kayserl. Provisor
im Gradisker District.
§. 13.
Drey Haupt-Umstände sind es, die wir in Ansehen dieses Wunder-Zeichens zu betrachten haben. Denn da nicht mehr denn drey Gattungen von wahrscheinlichen Ursachen hier statt finden können, die entweder von GOttes Allmacht, oder von einer teufflischen Zauber-Kunst, oder einer natürl. Sympathie hergenommen sind, so sind wir entschlossen zu zeigen, daß dergleichen Wunder-Zeichen in der Natur weder unter die göttlichen Wunderwercke, noch schlechterdings (29) unter die ausserordentlichen Wercke des Teuffels, sondern unter die verborgenen Würckungen der Natur zu zehlen sind.
§. 14.
Ein Wunderwerck nennen wir diejenige göttl. Würckung, die über den Lauff der Natur ausserordentlich durch den unmittelbahren Einfluß der göttl. Allmacht hervor gebracht wird, zu Bestätigung des Ansehens der göttl. Wahrheit.8 Es fragt sich demnach: Ob die Wunderwercke noch zu unsern Zeiten statt finden? Wenn wir sie in weitläufftigem Verstande nehmen, wollen wir es nicht gäntzlich leugnen; in engerm Verstande aber genommen und so, wie wir sie itzt beschrieben, ist allerdings gewiß, daß sie zu unsern Zeiten gäntzlich auffgehöret. Denn sie haben ihre Absicht bloß auff die Pflantzung der Kirche, und folglich gehören sie in die Zeiten der Apostel und Jünger Christi. Wir haben daher heut zu Tage nicht mehr dergleichen zu gewarten, weil das Ansehen der göttlichen Wahrheit schon zur Gnüge bestätigt ist. Die Römische Kirche stimmt zwar darinne nicht mit uns überein. Sie rühmet sich vielmehr noch der Wunder-Gaben, wie ehemahls die erste Kirche. Alleine wir wissen (30) aus heiliger Schrifft, daß solches nichts denn Lügen sind.9 Was daher zu unsern Zeiten durch einen ausserordentlichen Einfluß GOttes über die Kräffte der Natur zu geschehen pfleget, sind Würckungen einer sonderbahren göttlichen Vorsehung, welche bloß im weitläufftigern Verstande Wunder genennet werden.
§. 15.
Wenn wir das Kauen und Schmatzen der Todten unter die göttlichen Wunder zehlen wolten, müste es entweder ein Wunderwerck der Lehre oder ein Wunderwerck der Vorsehung seyn.10 Daß die Wunderwercke der Lehre schon längst in der Kirche auffgehört, haben wir bereits angezeigt. Alleine gesetzt, daß es dergleichen noch gebe, so läst sich doch aus allen Umständen schliessen, daß wenigstens das Kauen und Schmatzen der Todten nicht darunter zu zehlen sey. Denn ein iedwedes göttliches Wunderwerck, in engerm Verstande bestätiget 1) das Ansehen der göttl. Wahrheit, 2) wird es durch einen unmittelbar von GOtt und Christo gesendeten Propheten oder Apostel verrichtet, und 3) überzeugt es alle, die es sehen und hören, von seiner Wahrheit und Richtigkeit. Wir brauchen keines Beweises, weil die Nothwendigkeit dieser Eigenschafften aus der heil. Schrifft sattsam dargethan werden kan.
(31)
§. 16.
Wie schickt sich nun das Kauen und Schmatzen der Todten hieher? Findet wohl eine eintzige von diesen Eigenschafften der göttl. Wunder hier statt? Wir halten es nicht dafür. Man siehet nicht, was für eine göttl. Wahrheit dadurch bestätiget werden soll. Es fehlen die Propheten und Apostel, die durch GOttes Finger hierbey etwas thun. Es mangelt die Uberzeugung, von der Wahrheit, die die göttlichen Wunder-Wercke sonst allezeit in den Hertzen der Menschen zu würcken pflegen. Wem zu gute solte demnach GOTT ein solches Wunder in der Natur geschehen lassen, da gar kein Endzweck davon bekannt ist? Der Endzweck GOttes ist zweyerley, entweder die Ehre seines Nahmens oder das Heil der Menschen. Zur Ehre des göttl. Nahmens tragen dergleichen Würckungen der Todten wenig oder nichts bey. Sie verhindern sie mehr, als daß sie solche befördern. Denn es werden dadurch die wahren Wunderwercke mit den falschen vermischt und dadurch eine solche Verwirrung angerichtet, die der Ehre GOttes und der Wahrheit der göttl. Wunderwercke sehr nachtheilig ist. Der andere göttl. Endzweck bey den Wunderwercken ist das Heil der Menschen, welches theils zeitlich theils ewig ist. Zu beyderley Heil zu gelangen wird der Glaube an GOtt und seine Verheissungen, der durch die göttlichen Wunderwercke am besten erwecket werden kan, erfordert. (32) Aber was soll aus dem Kauen und Schmatzen der Todten vor ein Glaube entstehen? Was soll uns daraus vor Heil zufliessen? Den schnellen Tod haben die Menschen noch niemahls unter die sonderbahren göttlichen Wohlthaten gerechnet, sonderlich einen solchen gewaltsamen, wie dergleichen die Menschen durch das Kauen und Schmatzen der Todten zu betreffen pflegt. Von dem Glauben aber, der dadurch erweckt werden soll, können wir gar nichts sagen. Man mag es eher einen Aberglauben als wahren Glauben nennen, wenn der Todten Freßigkeit in Gräbern hiervon etwas in denen Hertzen der alten Weiber erwecken solte. Unser Glaube ist genugsam aus den Schrifften Mosis und derer Propheten bestätiget, und wenn wir diese nicht hören wollen, werden wir auch denen Todten nicht glauben, wenn sie gleich aus den Gräbern wieder kämen und uns predigten.
§. 17.
Die andere Art der wahren Wunderwercke hat mit der göttlichen Vorsehung zu thun, die wir deßwegen Wunderwercke der Providentz genennet. Es sind dieselbigen nichts anders als Exempel der sonderbahren göttl. Vorsehung, welche über die gewöhnliche Ordnung der Natur zu Erhaltung und Bewahrung unsers Leibes und Lebens zu geschehen pflegen. Zu einem Exempel hiervon dienet uns dasjenige Mägdgen, welches vor weniger Zeit in der Marck Brandenburg von einem räuberischen Wolffe rücklings (33) mit dem Rachen zwar ergriffen, aber von der Bestie bald wieder ohne einige Verletzung niedergesetzt und verlassen worden.11 Dergleichen Wunderwercke geschehen zu unsern Zeiten fast noch täglich, aber sie zielen allezeit auf unsers zeitlichen Lebens Erhaltung ab. Daß man das Kauen und Schmatzen der Todten nicht hieher rechnen könne, ist ausgemacht. Denn es dienet solches mehr zu des menschlichen Lebens Verderbung als Erhaltung.
§. 18.