Transformation - Wolf Lotter - E-Book

Transformation E-Book

Wolf Lotter

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Beschreibung

Transformation bedeutet, Tradition und Innovation zu verbinden. Sie steht vor allem für die Hoffnung, dass Veränderungen eine bessere Zukunft ermöglichen können. Der renommierte Wirtschaftsjournalist Wolf Lotter und der langjährige Geschäftsführer Oliver Sowa definieren Transformation als bewusste Veränderung vor dem Hintergrund tiefgreifender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche. In ihrem Buch beleuchten sie, welche immensen Chancen die Transformation bietet, wo die Herausforderungen wirklich liegen und wie man diese gezielt angeht. Ihr Buch richtet sich an Führungskräfte, die ihre Unternehmen durch komplexe Transformationsprozesse navigieren möchten – an die Wandlungswilligen wie auch an die Skeptiker. Es bietet ihnen eine fundierte Orientierungshilfe, um Zusammenhänge zu verdeutlichen und ein stabiles Fundament zu schaffen, auf dem sie ihre eigene Strategie entwickeln können.  Mit einem Mix aus theoretischen Grundlagen, praktischen Beispielen und Interviews mit Expertinnen und Experten vermittelt dieses Buch nicht nur Wissen, sondern es inspiriert auch dazu, Veränderungen aktiv zu gestalten. Mit einem Vorwort von Reinhard K. Sprenger.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 246

Veröffentlichungsjahr: 2025

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[4]Inhaltsverzeichnis[5]

Vorwort von Reinhard K. SprengerWas dieses Buch willTransformation – eine erste ÜbersichtKapitel 1 Organisation und ArbeitSinn und Zweck von UnternehmenWas ist Arbeit? Und wie entwickelt sie sich?Kooperation ist nicht die Addition von EinzelleistungenBetriebsgemeinschaft, Gleichheit, Team und KompatibilitätWer arbeitet wo und wie am besten?Selbstständigkeit und SelbstbestimmungKapitel 2 Führung, Vertrauen, ZutrauenFührung in der TransformationDas Elend kommt meist von oben, oft sogar von ganz oben»Das ziehen wir jetzt durch!« – Interview mit Stefan KrausVertrauen – Interview mit Oliver Sowa Zutrauen»Wie der Herr, so’s Gescherr« – Interview mit Patrick Rammerstorfer Demotivation vermeidenFührungsprothesen – Interview mit Oliver Sowa Kapitel 3 Unterschiede, Vielfalt, KulturVielfalt ist nicht bunt – sondern besserKlarheit und Ziele – Interview mit Hans-Peter Noll Original und Kopie – der große Unterschied in der TransformationKreative Arbeit und Diversität – Ressourcen und Betriebsmittel der Transformation»Wenn wir es nicht machen, wer dann?« – Interview mit Christine Herntier Kapitel 4 Bildung und DigitalisierungBildung in der TransformationDigitalisierung. Technik ist weder das Problem noch die Lösung – Interview mit Oliver Sowa Neugierde und InteresseWie Kommunikation gelingt – Interview mit Oliver Sowa AusblickDie endlose Transformation oder: Wissen, wie es weitergehtSelbstverantwortung – Interview mit Oliver Sowa DankAnmerkungen
[1]

»Der Alltag der Transformation ist kein Feuerwerk, sondern die beharrliche, geduldige, systematische Veränderung dessen, was wir ›Normalität‹ nennen. Langsam, Schritt für Schritt, verschiebt sich die Perspektive, bis aus etwas, das anfangs noch gewagt oder unvorstellbar wirkte, eine neue Normalität geworden ist.«

Wolf Lotter

[216]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-648-19242-9

Bestell-Nr. 12118-0001

ePub:

ISBN 978-3-648-19243-6

Bestell-Nr. 12118-0100

ePDF:

ISBN 978-3-648-19244-3

Bestell-Nr. 12118-0150

Wolf Lotter, Oliver Sowa

Transformation

1. Auflage, September 2025

© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG

Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg

www.haufe.de | [email protected]

Bildnachweis Autorenfotos: Wolf Lotter: Katharina Lotter, Oliver Sowa: privat Produktmanagement: Elisabeth Heueisen

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

[6]Vorwort von Reinhard K. Sprenger

Theorie und Praxis – ein unzertrennliches Wortpaar. Und doch steht es in Spannung: Es definiert das Zentralproblem des Fortschritts und damit die Herausforderung jedes Menschen, der nicht an die Galeere von Herkunft und Ursprung gekettet sein will. Praxis gilt dabei als die »bessere Hälfte«, nicht nur im üblichen Sprachgebrauch, sondern auch im Wirtschaftsleben. Widersprechen würde hingegen der Kybernetiker Norbert Wiener: »Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie.« Dieser Wortwitz hat die Erfahrung auf seiner Seite: Ohne Theorie irrt der Praktiker orientierungslos durch das Dickicht der Phänomene, flattert wie ein Schmetterling von einer Managementmode zur anderen, federt alles lauwarm ab und bringt nichts zur Schärfe. »Einspruch!«, ruft es abermals, diesmal aus richtungspolitisch linksdrehender Ecke: »Wenn Theorie und Praxis nicht zusammenpassen – umso schlimmer für die Praxis!« So klang es selbstbewusst bis 1989 und zittert auch heute volkserzieherisch nach. Der Zynismus ist mit Händen zu greifen: Ohne Ansehung der Umstände und praktischer Konsequenzen hängt die Theorie im luftleeren Raum, bleibt sektiererisch und wird letztlich unmenschlich.

Was aber, wenn Theorie und Praxis sich dialogisch verbinden und wechselwirksam korrigieren? Etwa wie Yin und Yang? Dann haben wir den glücklichen Fall des hier vorliegenden Buches. Es verbindet beide Welten, wobei es eine unzulässige Verengung ist, dem Journalisten Wolf Lotter das Etikett des Theoretikers umzuhängen und dem Manager Oliver Sowa das des Praktikers. Beide kenne ich seit vielen Jahren: Wolf Lotter durch Gespräche und Interviews, die wir im Rahmen seiner Autorenschaft bei der Zeitschrift brandeins führten. Ich habe ihn dabei als gedankenschnellen Menschen erlebt, der die Managementtheorie in alle Himmelsrichtungen durchmessen hat. Oliver Sowa berate ich seit vielen Jahren in seiner Rolle als Geschäftsführer der Beutlhauser-Gruppe. Sowa ist mit seiner Bodenhaftung und Neugier von [7]Natur aus eine treibende Kraft. Zudem ist er ein Menschenfänger im besten Sinne, der mit seiner Beharrlichkeit das Unternehmen zu einer »case study« in der Beraterszene gemacht hat – tat- und gedankenkräftig unterstützt von seinen beiden Geschäftsführerkollegen, die gleichzeitig Eigentümer sind.

Transformation – das ist das Thema, zu dem sich die beiden Autoren hier zusammengefunden haben. Eigentlich nichts grundstürzend Neues für die Unternehmensführung: Führen ist schließlich immer Transformieren. Führen ist Dauerfragen: Wie könnte es besser sein? Und doch sind die Nachrichten aus der Organisationsforschung mehrdeutig. Wir wissen, dass transformationsaffine Unternehmen schneller wachsen. Andererseits gelten nur etwa 20 Prozent der eingeleiteten Transformationsprozesse als erfolgreich. Viele Initiativen versanden vor dem Hintergrund einer jahrzehntelangen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung – vor allem in Deutschland, wo man gesamtgesellschaftlich die Langsamkeit entdeckt hat. Dort wollen sich viele Unternehmen nicht transformieren. Sie verdienen noch zu viel Geld mit altem Zeug und brechen allenfalls rhetorisch zu neuen Ufern auf. Daumendrückend nehmen sie dabei in Kauf, in einem immer dynamischeren internationalen Wettbewerb (weiter) zurückzufallen. Die anderen Unternehmen können es nicht – weil sie nicht wissen, wie sie transformieren sollen.

Sie können es noch nicht! Genau hier setzen Oliver Sowa und Wolf Lotter an. Beide Autoren wissen aus Erfahrung, dass bei einer Transformation der Anfang entscheidet. Schon Johann Wolfgang von Goethe wusste: »Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.«

Die Größe des Problems ist kein Grund, es mit falschen Maßnahmen zu bekämpfen. Greifen wir also gleich zu den richtigen Maßnahmen. Dabei ist Theorie die Distanz, um zu verstehen. Praxis ist die Nähe, um zu verändern. Dieses Buch zeigt uns beides.

[8]Was dieses Buch will

Liebe Leserin, lieber Leser,

erst mal danken wir Ihnen sehr herzlich, dass Sie dieses Buch zur Hand genommen haben. Wir wollen gleich zu Beginn klarmachen, worum es uns hier geht: Dieses Buch soll Führungskräften, die sich mit Transformationsprozessen im Unternehmen beschäftigen, eine Orientierungshilfe sein, also dezidiert keine Bedienungsanleitung, die viel versprechen würde, aber wenig halten könnte. Da machen wir nicht mit.

Niemand kennt die Eigenheiten Ihrer Organisation, die Persönlichkeiten und Charaktere der Menschen, die darin arbeiten, besser als Sie. Dazu brauchen Sie uns nicht. Wir haben dieses Buch geschrieben, um Ihnen einen Rahmen für das geben, was zu tun ist – jetzt und in den kommenden Jahren, ja Jahrzehnten. Unser Angebot für Sie ist es, Transformation in Unternehmen in ihrer Breite und Tiefe klarzumachen, ein Fundament zu schaffen, auf dem sich Eigenes aufbauen und entwickeln lässt.

Transformation verstehen wir als bewusste und gewollte Veränderung vor dem Hintergrund weitreichender wirtschaftlicher, technologischer, sozialer und kultureller Umbrüche. Sie ist kein Selbstzweck, sondern sichert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Was in den Unternehmen, mit der Arbeit, mit uns als Führungskräften geschieht, hängt ebenfalls nicht in der Luft. Wir wollen diese Zusammenhänge verdeutlichen und Ihnen damit eine Orientierung an die Hand geben. Nicht Moden und Trends interessieren uns dabei, sondern Erfordernisse und Einsichten. Wie verändern sich Arbeit, Führung, Organisation, Bildung und Kultur? Wo sollen wir genau hinschauen?

Jedes dieser Themen wird in einem ausführlichen Einleitungstext abgehandelt, der die jeweiligen Grundlagen und Zusammenhänge verständlich macht.

[9]Dazu gibt es Interviews mit Praktikerinnen und Praktikern der Transformation. Unsere Goldwährung heißt Praxis und Know-how.

Dieses Buch schreibt sich für die Lesenden also weiter, mit den Erfahrungen, Versuchen, Erkenntnissen und Einsichten, die Sie – hoffentlich gut begleitet durch unsere Arbeit – in der Praxis gewinnen und in neue Erfolge umsetzen.

Wir wünschen Ihnen dafür alles Gute!

Wolf Lotter & Oliver Sowa

[10]Transformation – eine erste Übersicht

(Wolf Lotter)

Erst besinn’s, dann beginn’s. Volksweisheit

Erfolg hat in erster Linie jener, der das Neue am besten organisiert. Joseph A Schumpeter1

1. Verstehen, was sich ändert

Es gibt das alte Sprichwort: »Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.« Diese Zeit ist gekommen. Und sage niemand, das komme überraschend.

Die Transformation der klassischen Industriegesellschaft und ihrer Organisations- und Arbeitskultur zu einer digitalen Wissensgesellschaft ist seit Jahrzehnten im Gang. Der Prozess selbst vollzieht sich in kleinen Schritten, im »Stückwerk«, wie es der Philosoph Karl Popper einmal nannte. Gerade diese langsamen, kaum merklichen Veränderungen, sind es, die unseren Status quo bedrohen, aber eben zugleich Entwicklungschancen eröffnen. Das kennt jeder aus der Praxis und dem Alltag: Probleme lauern sehr oft just dort, wo wir es am wenigsten erwarten. Und das ist in der Regel genau der Bereich, in dem »alles läuft«, jene Teile des Ganzen also, die den Eindruck erwecken, in ihnen herrschten Routine und Ordnung.

Wir müssen lernen, genau hinzusehen, ohne Aktionismus und Aufgeregtheit. Transformation ist ein nüchternes Geschäft. Veränderung braucht die Fähigkeit zur Übersicht ebenso wie fürs Detail, für [11]den »Wald wie für die Bäume«, wie der Ökonom Peter Drucker es formulierte.2 Denn was sich langsam, in kleinen Schritten, ereignet, ist vielfach eine weitaus nachhaltigere Veränderung als all jene Disruptionen und Revolutionen, die uns kurz in den Bann ziehen, um schon bald wieder vergessen zu werden.

Aber hier zur Orientierung zunächst ein Überblick über unsere Themen.

Wir sprechen über Führung, genauer: über Führung zum Wandel. Dieser verlangt vom klassischen Management, wie wir es aus der Industriegesellschaft kennen und dessen Aufgabe es war, den Laden am Laufen zu halten, ein Leadership, das aus Untergebenen bzw. Mitarbeitenden selbstständig arbeitende Menschen macht, die in diesem Buch Wissensarbeiter heißen. Ihr Wissen ist nun nämlich das wichtigste Kapital der Firma, mehr noch als Werkzeuge und Maschinen, Rohstoffe und Dienstleistungen, Produktideen und Patente. Wissen im Sinne der Unternehmenstransformation meint immer persönliches Wissen, das sich durch praktische Anwendung und Lernen weiterentwickelt. Im Englischen nennt man das knowledge, und wer weiß, was zu tun ist, wenn alle alten Methoden versagen, der hat es eben, das Know-how.

Wir verwechseln das oft mit statischer Bildung, wie sie Schule, Universität und Erwachsenenbildner in der Regel anbieten. Deshalb sprechen wir im Folgenden immer wieder und auch in einem eigenen Abschnitt über die Unterschiede im Grundverständnis von Bildung und Können im industriellen Zeitalter und in der Wissensökonomie.

Natürlich geht es auch um Organisation und Arbeit auf dem Weg zur Wissensgesellschaft, die vielfach schon Realität ist.

Es geht um Orte, Kompetenzen und weiche wie harte Fähigkeiten, die Organisationen dabei unterstützen können, sich der neuen Realität bewusst zu werden.

Es geht zudem um die Werkzeuge, die technologischen und methodischen Helfer der Transformation, die oft als Barriere gelten oder – weil das Grundverständnis für das Fundament der Transformation [12]fehlt – an der falschen Stelle und mit falschen Erwartungen eingesetzt werden. Unsere Überlegungen rund um den Einsatz und den Nutzen von Automatisierung, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz sollen hier helfen, zu den eigentlichen Kernfragen der Transformation zu gelangen: Die Frage lautet nicht, ob wir Transformation anstoßen sollen, weil es alle tun, sondern immer nur – rein zweckmäßig: Warum und für wen verändern wir uns?

Wir denken in diesem Buch ganzheitlich – auch so ein Wort wie »nachhaltig« und »Transformation«, das jeder anders interpretiert und das dennoch eine ganz einfache, grundlegende Bedeutung hat: In welchem Kontext, in welchem Zusammenhang tun wir etwas? Das soll helfen, den Blick zu weiten, um das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Technologien und Methoden sind Werkzeuge, kein Selbstzweck. Sie dienen Menschen, Unternehmen und Behörden ebenso wie deren Kunden und Partnern. Darin besteht die Transformation in Unternehmen und Gesellschaft, und auch wenn wir uns in diesem Buch auf wirtschaftliche Organisationen beziehen, lässt sich das Handeln und Denken in ihnen nicht von der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung trennen.

Darauf zahlen vor allem die jeweiligen theoretischen Einleitungen zu den einzelnen Themenbereichen ein. Sie erzählen eine Geschichte, um ein Verständnis für das Ganze zu erreichen. Die anschließenden Beiträge zur Praxis, die Erfahrungsberichte und Gespräche sollen dann zeigen, wie das in der täglichen Anwendung aussehen kann.

2. Nicht Methoden oder Modelle machen Transformation, sondern Menschen

Wir folgen bei alldem einem einfachen Grundsatz: Menschen machen Organisationen und sie machen sie aus.

Wer nicht mit der Zeit geht, dem ist der Blick auf diese Erkenntnis verstellt. Man nennt das auch betriebsblind, was so viel bedeutet wie: Wir [13]können uns nichts anderes vorstellen als das, was wir aus dem laufenden Betrieb, der alltäglichen »Normalität« und Routine kennen. Damit ist bereits das größte Hemmnis aller erfolgreichen Transformationsprozesse benannt: Wer etwas verändern will, damit etwas besser wird, und darum geht es ja, muss diese Betriebsblindheit überwinden und als Erstes den Dingen – und den menschlichen Bedürfnissen – auf den Grund gehen.

Wir bedienen in diesem Buch keine Trends oder Moden, der Zeitgeist interessiert uns nicht. Warum? Weil das Gedächtnis im digitalen Zeitalter immer kürzer wird. Das verführt jedoch dazu, wichtige Themen allzu schnell wieder ad acta zu legen und lieber auf den nächsten »Hype« aufzuspringen. Wir sind da altmodisch: Erst die Pflicht, dann die Kür. Uns geht es um die Hausaufgaben.

Weil die Grundlagen der Transformation so selten verstanden werden, wirkt sie manchmal wie eine Geheimwissenschaft. Dabei ist sie normales unternehmerisches Tun, und unternehmerisches Handeln besteht gerade darin, den für sich richtigen Weg zu finden.

Unternehmerisches Handeln ist immer eine persönliche Sache. Deshalb sind Benchmarks, Rankings und Best Practices eben nie mehr als ein Hinweis. Wer ihnen blind, ohne eigenen Kompass, folgt, imitiert nur. Und übersieht wieder was. Langfristiger Erfolg ist damit nicht zu erzielen.

Mehr vom Gleichen war noch nie eine Grundlage erfolgreicher Unternehmen. Viele Unternehmen beginnen vielleicht als Betriebe, die sich bestehenden Trends und Erfolgen anschließen. Aber nach einiger Zeit wird die Differenzierung zum wichtigsten und zentralen Merkmal des Erfolgs.

3. Der Kampf gegen Gewohnheiten

Die »kreative Zerstörung«, von der Joseph A. Schumpeter sprach, ist vor allen Dingen immer auch die Grundlage der Transformation: vom Mäßigen zum Besseren, vom Besseren zum Besten. Die Transforma[14]tion von einer massenindustriellen Konsumgesellschaft zu einer Qualitätsökonomie – also zu dem, was Made in Germany einst versprach – ist immer ein Entwicklungsschub in der Verbesserung, der unsere volle Aufmerksamkeit erfordert.

Transformation ist eine Qualitätsoffensive. Wer hingegen Innovationen nur deshalb betreibt, um Systeme zu optimieren, wird diese Systeme letztlich auslaugen.

Nehmen wir als Gesellschaft den eingangs zitierten Spruch »Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit« wirklich ernst? Zweifel sind berechtigt. Seit vielen Jahrzehnten sind die Baustellen der Nichtveränderung bekannt: zu viel Bürokratie, kein tragfähiges Sozialsystem für nachkommende Generationen, eine hohe Abhängigkeit von globalen Partnern, die sich – wie China oder Russland und inzwischen selbst die USA – als Gegner entpuppen.

Polarisierung kennzeichnet das politische Klima nicht nur in Deutschland. Auf der einen Seite fehlen Fachkräfte, Spezialistinnen und Spezialisten, auf der anderen Seite werden unzählige Industriejobs als Folge von Automatisierung, Globalisierung und Digitalisierung überflüssig. Das Schlagwort von der »Multikrise« ist treffend. Umso mehr müssen wir uns bei der Veränderungsarbeit auf das konzentrieren, wo wir selbst handeln und entscheiden können. Dann gilt sogar: Die Krise kann uns guttun!

Krisen sind die Spitze des Eisbergs von Entwicklungen. Sie sind in Wahrheit nichts anderes als die zum Vorschein kommenden Folgen allzu langen Nichthandelns und Ignorierens. Transformationsbedarf wird in Krisen sichtbar, vorhanden ist er jedoch schon lange vorher. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Teil des Eisbergs kennen, der unterhalb der Wasserlinie liegt.

Realitätssinn ist eine wichtige Voraussetzung für gelingende Transformation. Dazu gehört, dass wir rechtzeitig anfangen, uns zu verändern, dann also, wenn nicht die Not uns treibt, sondern lange vorher. In der Medizin ist die Krise die Phase, nach der sich in der Regel Besserung einstellt. In unserer Kultur, unserer Sichtweise auf die [15]Welt, könnte die Krise etwas ganz Ähnliches sein: Wir können durch sie zur Vernunft kommen, also uns so verändern, dass es weder Zwang noch existenziellen Druck braucht.

4. Transformation ist keine Mode

Das Wort Transformation ist zu einem viel benutzten Begriff geworden, der allerdings wenig Konturen hat. Damit reiht es sich ein in die in der Aufmerksamkeitsgesellschaft so beliebten Mode- und Buzzwörter, die man nur aussprechen muss, und schon hat man sich zu etwas bekannt – wenngleich unverbindlich, vage und nicht wirklich ernsthaft.

Das ist fauler Zauber. Das Wort Transformation legt ohnehin schon diese Richtung nahe. Direkt aus dem Lateinischen übersetzt, bedeutet es Verwandlung. Das lässt an etwas Überirdisches denken. Jesus verwandelte Wasser zu Wein. Und im arabischen Kulturkreis ist die Vorstellung des Dschinns bekannt, eines Geistwesens, das sich aus Rauch in eine Menschengestalt verwandeln kann. Manchmal bringt der »Geist aus der Flasche« den Menschen, die ihm begegnen, Gutes, manchmal aber macht er sie auch verrückt.

In der Theatersprache wiederum ist die Verwandlung der Moment, an dem zwischen den Akten hinter einem Vorhang die Kulissen – die Szenen – gewechselt werden. Aus einem beschaulichen Wohnzimmer wird ein Büro oder eine Gebirgslandschaft samt Hirsch und Rehen. Alles Theater eben.

Genauso ist es auch mit den meisten angepriesenen Methödchen und Moden der Transformation – alles Theater, fauler Zauber. Da werden in der Regel nur ein paar Kulissen verschoben, durch scheinbar neue ersetzt, und nach der Pause geht’s von vorne los. Warum ist das so? Nun, weil vor lauter Reden über die Transformation keine Zeit bleibt, um sie in die Praxis umzusetzen. Und weil man sie eigentlich gar nicht will. Veränderung verlangt nämlich obendrein Anstrengung und Ausdauer.

[16]Deshalb ist das Transformationstheater so erfolgreich: In Anlehnung an einen berühmten Satz aus dem Roman Der Leopard des italienischen Schriftstellers Giuseppe Tomasi di Lampedusa muss sich alles scheinbar verändern, damit es so bleiben kann, wie es ist.

Aber stimmt das auch?

Nein.

Jede Veränderung hat auch Auswirkungen auf andere Teile des Systems. Eine neue Technologie sorgt beispielsweise für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Erträge. Gleichzeitig verlangt ihr Einsatz eine höhere Qualifizierung und mehr Know-how von den Menschen, die mit ihr umgehen. Das wirkt sich einerseits auf die Gehaltsstrukturen aus, andererseits auf die sozialen und kulturellen Ansprüche, die damit verbunden sind.

Das wiederum sorgt für die Entwicklung von Technologien, die dazu dienen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden oder aber, das gibt es natürlich auch, diesen Ansprüchen dadurch zu entgehen, dass sie Menschen ersetzen. Das verändert aber die Rolle des Managements und der Führungskraft. Auch hier wird sehr viel Routinearbeit erledigt, die ebenso gut von der (schwachen) künstlichen Intelligenz gemacht werden könnte.

Je länger man mit Lösungen zuwartet, desto mehr häuft sich an Problemen an Der berühmte »Reformstau« also, den es in der Politik, in der Firma und nicht selten auch im Privaten gibt, verdichtet sich noch mehr. Alle klagen, aber nichts bewegt sich.

Doch selbst wenn Entscheidungen getroffen werden, lässt sich Transformation nicht einfach verordnen. Es reicht auch nicht, dass die Führungskräfte von der Notwendigkeit des Wandels überzeugt sind und das auch sagen – »Chefsache« heißt das dann. Echte Transformation geschieht nicht auf Befehl, sondern aus innerer, intrinsisch motivierter Einsicht und Vernunft. Wenn wir verstanden haben, dass das Neue was bringt, geht es uns leichter von der Hand. An diesen Punkt zu gelangen, ist schwer. »Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in den neuen Gedanken als in der Befreiung von den alten, die bei allen, [17]die so erzogen wurden, sich bis in die letzte Ecke ihres Bewusstseins verzweigen«, schrieb John Maynard Keynes im Vorwort seiner Allgemeinen Theorie von 1936.3 Das ist eine zeitlose Weisheit. Gewohnheiten, Rituale, Routinen gibt es nicht nur, um den Tag und das Leben schöner und gelassener zu gestalten, es gibt sie auch beim Denken und Erkennen – wo sie allerdings wie ein Gift lähmende Wirkung haben.

Transformation braucht eine Perspektive, die Chance darauf, dass es mit ihr nicht nur anders, sondern besser geht.

5. Transformation ist ein Ausdauersport

Ist jede Transformation eine »Revolution«, ein großer Schlag? Nein. Der Alltag der Transformation ist kein Feuerwerk, sondern die beharrliche, geduldige, systematische Veränderung dessen, was wir »Normalität« nennen. Langsam, Schritt für Schritt, verschiebt sich die Perspektive, bis aus etwas, das anfangs noch gewagt oder unvorstellbar wirkte, eine neue Normalität geworden ist. Normalität ist jener Teil unseres Alltags, den wir gar nicht bewusst wahrnehmen und, falls doch, mit Sätzen begleiten wie:

»Das haben wir immer schon so gemacht.«

»So ist das bei uns.«

»Das machen wir hier nicht.«

Daraus folgt, dass Transformation nicht einfach aufhört, sondern als permanenter Prozess zu verstehen ist – sonst tappt man nach getaner Veränderungsarbeit wieder in die Falle, nicht zu hinterfragen, ob das, was man tut, noch »normal« ist.

Fast immer scheitern Innovationen und das Schritthalten mit Entwicklungen also daran, dass wir uns an eine andere Vorstellung »gewöhnt« haben und die nicht hergeben wollen. Eine Veränderung bedeutet das, was die Sozialwissenschaften einen »Paradigmenwechsel« nennen. Ein Paradigma ist eine »allgemeine Wahrheit«, also eine Sicht [18]auf die Wirklichkeit, die so verbreitet ist, dass niemand an ihr zweifelt. In Krisenzeiten aber müssen sich diese Paradigmen behaupten, sie müssen sich beweisen und zeigen, was sie können – oder sie werden abgelöst. Das geschieht regelmäßig, und wenn das neue Paradigma sich ebenfalls als zu schwach herausstellt, um positive Fortschritte zu tragen, wird es seinerseits abgelöst. Das schreibt sich leicht hin, ist aber jedes Mal ein großer Kampf, eine massive gesellschaftliche und persönliche Herausforderung.

Ein anderes Problem ist, dass vielfach unsere Instrumente zur Bewertung von Wissen als Produktivitätsfaktor nicht besonders gut sind. Wir können diesem Rohstoff der Innovation also noch nicht im selben Maße einen Wert beimessen wie den Produkten und Dienstleistungen, die daraus entstehen. Wir sind in der Lage, mit Quantitäten umzugehen, indem wir messen, zählen, wägen. Was aber, wenn sich die Ergebnisse von Wissen nicht so unmittelbar und eindeutig quantifizieren lassen? Für eine Wirtschaft, die mangels anderer Ressourcen auf Wissen und Know-how angewiesen ist, ist das die Seinsfrage schlechthin. Wenn wir nur wahrnehmen und bewerten, was wir nach alter Sitte »be-greifen« (ein verräterisches Wort in diesem Zusammenhang), dann übersehen wir Entscheidendes.

Noch eine andere Herausforderung kommt hinzu: Wer verändert, muss auch vergessen können und Überkommenes buchstäblich »verlernen«. Auch das sagt sich leicht. Die Lernforschung weiß seit Langem, dass es viel schwieriger ist, einmal Gelerntes wieder zu vergessen und an die Stelle des Alten neue Einsichten zu stellen. Unser Gehirn ist darauf eingestellt, einmal zu lernen, nicht immer wieder – es lernt Neues dann nicht mehr so gut, weil es bereits ein Betriebssystem aus Kultur und Wertvorstellungen installiert hat, das sich nicht so einfach updaten lässt. Unser Verstand läuft mit unseren Gewohnheiten im Kreis, weil wir so erzogen wurden – wie Keynes es in dem vorhergehenden Zitat sagte. Die Schwierigkeiten werden meist unterschätzt, denn was wir für gegeben, für »normal« halten, bestätigt sich ja auch oft durch unser soziales Umfeld, durch Freunde, Kollegen, Familie.

[19]6. Kniffe, Tricks, Erfahrungen

In Zeiten wirtschaftlicher Herausforderungen neigen wir alle dazu, das sogenannte Bewährte zu tun. Das stiftet Sicherheit und gibt uns Halt. Es ist, zumindest psychologisch, klar, dass wir gerne das weiter tun, was wir schon können. Verändert sich unsere Umwelt, passen wir uns ihr erst dann an, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Die Frage ist also: Wäre es nicht klüger, schon vor dem Schaden klug zu werden, also der Not dadurch zu entgehen, dass die Transformationsarbeit nicht erst getan wird, wenn die Not schon eingezogen ist?

Kluge Menschen wollen keine Antworten, sie wollen wissen, wie sie die richtigen Fragen stellen. Wenn Veränderungsprozesse scheitern, dann deshalb, weil am Anfang oft eine falsche Vorstellung steht oder eine Definition, die zu einfach und zu billig ist, um sich in der Praxis zu bewähren. Der französische Historiker Fernand Braudel hat in seinem Essay »Die Dynamik des Kapitalismus« geschrieben, dass der Kapitalismus nicht nach festen Mustern und Methoden funktioniert, sondern aus »Kniffen, Tricks und Erfahrungen« besteht. Es geht bei der Veränderung also um praktisches Wissen, um Know-how. Theorie spielt hier nur als Fundament eine Rolle. Methoden, Tools und Modelle, Formeln und fertige Antworten zählen nicht. Best Practice heißt jetzt nicht mehr: So machen es andere richtig, sondern: Das passt zu uns.

Fassen wir also zusammen, weil ja vieles immer noch sehr neu ist an dem, was die Transformation uns geistig abverlangt.

Die Wissensgesellschaft mit ihrer Wissensökonomie, die seit Jahrzehnten entsteht, wird im Englischen präziser knowledge society genannt, denn knowledge entspricht eben nicht dem deutschen »Wissen«, wie es in Schulen, in der Ausbildung, in Büchern oder anderen Lernquellen vermittelt wird, sondern es verbindet dieses reproduzierbare Wissen mit praktischen Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnissen.[20]Transformation bedeutet die allmähliche und im Kontext zum eigenen Unternehmen und seinen Bedürfnissen stehende Verwandlung von einer Organisation, die in der Tradition industrialistischen Managements steht, in eine, die dieser Wissensökonomie folgt.Industrialistisch, das meint übrigens nicht, wie zu vermuten wäre, die Industrie oder genauer: die Produktionswirtschaft, die Fabrik oder das Fließband, sondern die im 19. und 20. Jahrhundert historisch gewachsenen organisatorischen und kulturellen Muster, die aus dieser Wirtschaftsform hervorgehen: Industrialistisch ist eine Haltungs- oder Einstellungsfrage, eine Mentalität, ein Mindset, wie man auf Neudeutsch sagt.

Ob die Produktion an einem Fließband oder in einem digitalen Netzwerk erfolgt, ist nebensächlich, solange die Idee und ihre gekonnte Umsetzung die Verwandlung ausmachen. Oder noch kompakter: Transformation findet dort statt, wo Probleme gelöst werden. Das ist ein unternehmerischer Leitsatz.

Wo keine Probleme erkannt werden, gibt es auch keinen Handlungsbedarf. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Transformationszwang. Deshalb ist die Analyse des Bestehenden auch so wichtig. Es kann ja durchaus sein, dass man sehr vieles sehr richtig macht, und auch das braucht gelegentlich eine Bestätigung. Sofern dieser Prozess der Selbstvergewisserung kritisch und ehrlich erfolgt, zeigt er in jedem Fall auf, was gut am Bestehenden ist und wo Bedarf an Neuem besteht.

7. Transformation ist Tradition plus Innovation

Verwandlung – Transformation – von der Industrie- zur Wissensökonomie heißt auch nie, das Alte, das Vorhandene, wo es bewährt ist, zu versenken, im Gegenteil: Es bedeutet, das Gute an Tradition und Erfahrung klarzumachen. Denn vieles von dem, was die eigene Ori[21]ginalität und Identität und damit auch Erfolg und Ansehen bei den Kunden ausmacht, ist ja oft verdeckt und vielen Führungskräften wie Mitarbeitenden nicht mehr bewusst. Es gilt also, die Kultur dessen, was besteht, mit dem zu verbinden, was sein könnte. Denn Verwandlung meint nie Vernichtung.

Der Ökonom Joseph A. Schumpeter, dessen »schöpferische Zerstörung« zu den populärsten Schlagwörtern der Innovations- und damit immer auch Transformationslehre gehört, hat nie gemeint, dass das Alte vom Neuen mit Stumpf und Stiel aufgefressen werden soll, um Neues hervorzubringen. Wohl aber muss das Alte sich dem Neuen stellen, mit offenem Visier, und seine Wirksamkeit ebenso beweisen, wie es das Neue letztlich auch tun muss, um sich durchzusetzen. Dass dabei dem Jungen, Nachrückenden ein gewisser Bonus eingeräumt werden muss, ist klar. Denn oft fehlt es an Mut und Neugierde, etwas erst einmal auszuprobieren, bevor es wirksam werden kann. Es bedarf also klarer Regeln, innerhalb derer das Neue und das Innovative versucht werden kann, und es bedarf klarer Regeln, um sagen zu können, was am Alten erhalten werden soll. Die Fragen »Ist das neu oder kann das weg?«4 und »Ist das da und bewährt es sich noch?« gehören also zusammen.

8. Transformation ist für Realos

Wie sich Arbeit, Unternehmen, Produkte, die Sicht auf Märkte und strategische Partnerschaften entwickeln, hängt nie allein von der Innensicht ab. Nun wissen wir aber, dass Gemeinschaften dazu neigen, sich unangenehmen oder auch nur fremden, bislang nicht gedachten Vorstellungen und Sichtweisen zu entziehen, indem sie Selbstbestätigung suchen. Dies gelingt umso besser, je länger die Erfolge von gestern noch immer nachwirken.

Solange man sich also erzählt, immer noch die Nummer eins im Bau von Automobilen zu sein, wird man sich wenig darum scheren, den Blick auf die zu richten, die mit neuen Verfahren und Methoden [22]gerade die Individualmobilität verwandeln. Viele Unternehmen und Gemeinschaften, ja, ganze Staaten und Kulturen machen sich so zu geschlossenen Anstalten. Denken wir nur an den Hochmut westlicher Manager, die China und Indien (und andere ehemalige oder Eben-noch-Schwellenländer) lange Zeit nur als verlängerte Werkbank betrachteten, auf der man viel billiger für die westlichen Märkte produzieren konnte als in diesen Märkten selbst.

Aus der Perspektive der 1970er- oder 1980er-Jahre waren diese Sichtweisen ja durchaus begründet. Doch wie alles im Leben braucht auch eine Kultur, eine Normalität, einen regelmäßigen Realitätscheck, einen Abgleich mit der Wirklichkeit. Dieser unterblieb aber allzu oft, und so ist der Bedarf an Transformation in unseren Organisationen – natürlich nicht nur in Unternehmen – weitaus größer, als er sein müsste, wenn Vernunft und kritische Selbstzweifel rechtzeitig Einzug gehalten hätten.

Das lässt sich auch für das Verhältnis zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sagen. Wobei: Hat sich nicht gerade da viel getan? Agieren nicht viele Manager ganz bewusst auf Augenhöhe mit ihren Mitarbeitenden, viel lockerer, weniger hierarchisch als früher? Nun, auch hier übersehen wir einiges, denn das joviale »Du« zwischen Chef und »Untergebenen« macht für sich allein noch lange keine wirksame Transformation im Unternehmen aus. Die entsteht erst durch Selbstständigkeit, Freiräume und selbstbestimmte Arbeit, die dem Können der meisten Mitarbeitenden heute entsprechen.

Peter Drucker hat diejenigen als »Wissensarbeiter« bezeichnet, die »mehr über ihre Arbeit wissen als ihr Chef«. Vor der industriellen Revolution nannte man Spezialisten für eine bestimmte Tätigkeit bzw. diejenigen, die für Marktteilnehmer Probleme lösen oder Bedürfnisse erfüllen konnten, »Meister«. Meisterschaft beruht zu einem Teil auf einer sehr soliden (und vereinheitlichten) Ausbildung, ganz gleich, ob es sich dabei um das Schreinerhandwerk oder um Netzwerktechnik handelt, und zum anderen Teil auf den in der Praxis erworbenen Fähigkeiten und Kenntnissen, dem Know-how.

[23]Dieses Know-how ist auch in der Industrieproduktion, die im 19. Jahrhundert zur Norm wird, wichtig, aber es hat nicht mehr die gleiche Bedeutung wie noch in den Zeiten der Meister. Es geht nicht darum, dass die einzelnen Facharbeiter besonders gut sind, sie sollen nur eine bestimmte Norm des Könnens erreichen, die vorgegeben wird. Fallen sie aus – durch Unfall, Alter oder Tod –, können sie so leicht ersetzt werden. Der Mensch ist nunmehr also als Ersatzteil gedacht.

9. Transformation braucht klare Ansagen