Träumende Gesichter - Daniela Sobek - E-Book

Träumende Gesichter E-Book

Daniela Sobek

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Beschreibung

Sie stehen oft in der zweiten oder dritten Reihe vieler Filme und sind dennoch das Herz und der Verstand zahlreicher Produktionen – Frauen im Film. Die in dem vorliegenden Band versammelten Portraits und Features entführen in eine Welt abseits des Mainstreams. Die Porträts erzählen von Kim Stanley, der Inkarnation der Method-Schauspielerin, die für zahllose KollegInnen Vorbild, Inspiration und Ikone war und dennoch einem breiten Publikum unbekannt geblieben ist; von Ingrid Thulin, die ihre ZuschauerInnen herausfordert, zwischen Projektion und Wahrhaftigkeit zu wählen; von Lee Remick, Helga Anders, Lee Grant, Lisa Kreuzer, Joan Hackett, Rachel Roberts, Jo Van Fleet und vielen anderen Schauspielerinnen, deren künstlerisches Wirken es wiederzuentdecken gilt. Alle Schauspielerinnen haben das Medium Film nachhaltig verändert, mitgeprägt und erleuchtet – sei es als Darstellerin, Lehrerin, Autorin oder Regisseurin. Lange überfällig sind diese Porträts, die nicht nur von der vielfältigen Darstellungskunst und dem Entstehen der Kreativität erzählen, sondern auch die Veränderungen im Leben und in den Gesichtern der Schauspielerinnen beleuchten. Die "weibliche" Schauspielkunst und ihre Bedeutung für den Film und das Theater stehen im Mittelpunkt. Daniela Sobek richtet den Blick auf Technik und Inspiration internationaler Darstellerinnen und lädt dazu ein, einen neuen Blick auf die Verkörperungen und Unterwanderungen von Frauenfiguren zu werfen.

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Seitenzahl: 350

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ibidem-Verlag, Stuttgart

für

Bettina

...die sich für mich immer wieder auffremdes Terrain begeben hat,um mit mir

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Porträts
Kim Stanley (1925–2001)
Lee Remick (1935–1991)
Helga Anders (1948–1986)
Joan Hackett (1934–1983)
Ingrid Thulin (1926–2004)
Diana Scarwid (*1955)
Lee Grant (*1925)
Lisa Kreuzer (*1945)
Rachel Roberts (1927–1980)
Susan Strasberg (1938–1999)
Margit Carstensen (*1940)
Jo Van Fleet (1914–1996)
Barbara Loden (1932–1980)
features
Marisa Mell (1939–1992)
Blythe Danner (*1943)
Ingrid van Bergen (*1931)
Elizabeth Hartman (1943–1987)
Delphine Seyrig (1932–1990)
Cathy Moriarty (*1960)
Ellen Burstyn (*1932)
Stockard Channing (*1944)
Anne Heywood (*1931)
Barbara Rudnik (1958–2009)
Jill Bennett (1931–1990)
Anna Thomson (*1953)
Literaturverzeichnis
DVD & VIDEOS
Danksagung

Vorwort

»Aber ich wußte natürlich, was Großaufnahmen bedeuten und was man in sie hineinlegen kann, auch wenn gar nichts passiert. In Casablanca war meinem Gesicht oft gar nichts zu entnehmen, aber das Publikum entdeckte viel mehr, als wirklich zu sehen war. Das Publikum legte sich selbst die Gedanken zurecht,es›spielte‹fürmich...«[1]

Ingrid Bergman

»Das Kino ist eine Kunst der Frau, der Schauspielerin.«[2]

François Truffaut

Der Moment, mit dem ein Film beginnt und sich ganz langsam erschließt, wer in dieser Geschichte eine Rolle übernehmen wird, hat etwas Magisches.Es ist die Zeit der Bilder und Tagträume, die wir mit den Namen auf der Leinwand verbinden. Denn nochbefinden sichGeschichte undForm der Darstellungin der Entstehung –und alles ist offen.

Dass sich dieParameter für Magisches geändert haben, steht wohl außer Frage. Ein Vorspann wie wir ihn ausThe Flight Of The Phoenix/Der FlugdesPhoenix (USA 1965),Citizen Cane(USA 1941),Bonjour Tristesse(USA 1958),The Innocents/Schloss des Schreckens (GB 1961) oderSpartacus(USA 1960) kennen, ist zur Seltenheit geworden – und damit ist auch die anfängliche Würdigung, die den DarstellerInnen und der Crew zuteilwird,rar geworden. Den Namen der DarstellerInnen auf der Leinwand zu sehen, ist tatsächlich etwas Magisches, denn so erhalten sie einen Platz in unserem Gehirn. Während das erste Bild der DarstellerInnen, das auf der Leinwand zu sehen ist, im Bauch der ZuschauerInnen wirkt und Gefühle verschiedenster Art erzeugt,signalisiert der im Vorspann genannte Name: Hier ist jemandBestandteil des Geschehens. Diese Person wurde eigensaufgrundihrer Fähigkeiten und Persönlichkeit für diesen Film ausgewählt.Um dieses Gefühl erfahrbar zu machen, befindet sich am Ende jedes Porträts in der Regel ein Ausschnitt aus einem Vorspann oder Trailer mit dem Namen der jeweiligen Schauspielerin.

Es darf angenommen werden, dass das zunehmende Verschwinden der Tradition, die Namen der Filmschaffenden im Vorspann zu präsentieren, mit der allgemein um sich greifenden Abwertung des Individuums zusammenhängt und nicht zufällig geschieht. Tatsächlich lässt sich in unserer Welt ein groteskes Hin und Her der Botschaften feststellen. Der allgemeine Tenor lautet seit den 90er Jahren: Egoismus und Individualität sind auf dem Vormarsch. Was wir erleben, ist jedoch das Gegenteil: Gleichschaltung, Entwurzelung, Vereinheitlichung der äußeren Erscheinung und die Entwertung der Kunst. Letzteres geschieht entweder durch Marginalisierung der Kunstschaffenden und, damit einhergehend, mangelnden Respekt ihnen gegenüber oder durch die Zahlung astronomischer Beträge für Gagen oder Kunstwerke. Damit ist zwar für einen hohen Marktwert und Anerkennung gesorgt, jedoch stellt sich die Frage: Anerkennung von wem und wofür?

Deshalb ist es immer wieder schön, wenn FilmemacherInnen ihren Stars und NebendarstellerInnen auch heute noch einen Platz im Vorspann oder gar in einem besonders gestalteten Nachspann einräumen, so z.B. Leander Haussmann inRobert Zimmermann wundert sich über die Liebe(D 2008), Paul Schrader inAdam Resurrected/Ein Leben für ein Leben– Adam Hundesohn(D/Israel/USA 2008) oder Nicolas Winding Refn inDrive(USA 2011).

Auch wenn viele das heute nicht mehr so sehen: Das Medium Film kann nicht ohne seine SchauspielerInnen bestehen, wobei Frauen im Film eine ganz besondere Rolle einnehmen. Und deshalb habe ich den Darstellerinnen, die mich schon viele Jahrzehnte begleiten, mit diesem Buch einen weiteren Schauplatz, einen ausgedehnten Vorspann bereitet. Hier soll meine Leidenschaft für den Film und die reichhaltigen Talente und die Schönheit der Schauspielerinnen ihren Platz finden und nachwirken dürfen.

Die Besetzung für dieses Buch steht schon seit vielen Jahren fest. Es gibt so viele begabte Darstellerinnen, die nicht in der ersten Riege spielen und doch Herz und Basis so vieler Produktionen sind. So fällt es schwer, nicht alle aufzunehmen, die mich begeistert, beeinflusst oder fasziniert haben. Besonders die Amerikanerinnen verfügen über eine unermessliche Fülle an talentierten Darstellerinnen jeden Alters, deren vielseitige Begabungen einem buchstäblich den Atem verschlagen.

Letztlich ist meine Auswahl eine ganz persönliche geworden und, wie sich im Laufe der Zeit herausgestellt hat, für mich auch eine stimmige. Durch die vielen Recherchen und Kontakte mit anderen CineastInnen, aber besonders durch dasStudieren der Rollen und Typisierungen ist mir klar geworden: Diese Auswahl repräsentiert nicht nur meine eigenen Vorlieben, sondern sie spiegelt auch Teile, ja Anteile meiner selbst und meiner Vorstellungen und Bilder von mir als Frau wider. Somit ist die Suche nach Informationen und Zusammenhängen auch immer eine Beschäftigung mit Klischees von Frauen über Frauen gewesen.Ebenso ist es auch mit Bildern und Filmen, die uns als Frauen zeigen wollen und uns doch nur unzureichend erfassen und wiedergeben.

Es ist zuweilen überraschend, was Schauspielerinnen über ihre Rollen und die kreative Erarbeitung der Figuren zu berichten haben – und natürlich über den gesellschaftlichen Kontext, in dem sich die Frauenfiguren und sie selbst als Frauen befinden. Dabei stehen die Schauspielerinnen in meinem Buch immer alsöffentliche Personen im Mittelpunkt. Nur am Rande geht es auch um Privates, undwenn, dann ausschließlich, um die Wirkung, die eine Schauspielerin über ihre Persönlichkeit und die damit verbundene Lebensgeschichte erreicht, zu verdeutlichen.

Film ist das Medium, mit dem Bilder und Projektionen von Frauen am einprägsamsten verbreitet, kaum hinterfragt und propagandistisch genutzt werden. Es hilft nur eines, um diese unendliche Palette an Manipulationen zu entlarven: eine subversive und sehr differenzierte Darstellung der Frauenfiguren. Über die Gabe, Figuren mit Subtexten und gegenläufigen Empfindungen auszustatten, verfügen alle genannten Schauspielerinnen reichlich. Diese Eigenschaft mag in dem einen oder anderen Fall auch der Grund dafür sein, dass sie niemals zu den bekanntesten Gesichtern des Films gehört haben.

Als ich vor 30 Jahren mit der ersten Arbeit an diesem Buch begonnen habe, war mir nicht bewusst, dass sich viele der vorgestellten Darstellerinnen kennen oder sogar befreundet waren. In meiner weiteren Forschung haben sich diese Verbindungen der Schauspielerinnen miteinander immer deutlicher herauskristallisiert. Sicherlich hängt das auch damit zusammen, dass mich der Typ der sogenanntenmethod-Schauspielerin immer wieder aufs Neue fasziniert und anzieht. Dabei könnte die Bezeichnungmethodkaum mehr Klischees bedienen. Denn ganz im Gegensatz zu den üblichen Vorurteilen verfügen die meisten DarstellerInnen, die alsmethod-SchauspielerInnen bezeichnet werden (wie z.B. Geraldine Pageoder Paul Newman), über ein fundiertes technisches Schauspielstudium, das sie bereits außerhalb desActors Studioabsolviert haben.[3]Somit ist das im Porträt verwendete Zitat von Susan Strasberg»there is no such thing as the method«durchaus Programm! Oder doch nicht?

Zwischen der biographisch geprägten Position von Susan Strasberg und jener von Henry Jaglom, die sich direkt auf diemethodund ihren berühmtesten Lehrer Lee Strasberg bezieht, pendeln sich dievorgestelltenSchauspielerinnen mit ihrem Stil ein.Das, wasJaglom im folgenden Zitatzusammenfasst,spiegelt nicht nur Susan Strasbergs Arbeitsweise und Überzeugung wider, sondernauchdie der anderen Schauspielerinnen,diein den folgenden Porträtsvorgestellt werden.

»Finally acting is about not lying. Everybody, at the first stage of acting, think's it's about being so good at lying that you make it entertaining, and attractive and fascinating, and fool everybody. But real acting is about not lying. Real acting is about learning how to express emotions from deep within yourself, having a well of openness inside of you that can allow all kinds of experience and feelings to enter, and then you can give them back through a character ...«[4]

Einesder beeindruckendsten, aber dennoch nahezu unbekannten Beispiele dieser hohen Kunst des»Nicht-Lügens«zeigt uns die Darstellerin und Schauspiellehrerin Uta Hagen. Sie selbst hat sich nie alsmethod-Schauspielerin bezeichnet und in den von ihr und ihrem Ehemann Herbert Berghof geleiteten HB Studios einen wesentlich bodenständigeren Stil gelehrt. Trotzdem verkörpert sie in ihren Rollen eben jene von Henry Jaglom beschriebene Authentizität meisterhaft.

In einer ihrer ganz wenigen Filmrollen – als Frieda Maloney ausTheBoysFrom Brazil(USA/GB 1978) – ist sie für kaum mehr als zwei Minuten eine wahrhaftige Person zum Anfassen undförmlich Einatmen.Eine Frau, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Allein beim Anblick von Frieda Maloney überfluten uns tausende von Bildern und Geschichten, die uns sowohl von der Figur als auch von der Darstellerin Uta Hagen entgegen geschleudert werden. Diese unterschiedlichsten Botschaften breiten sich aus, ja sie bohren sich wie kleine Haken in unser Gedächtnis und unsere Empfindungswelt und sie lassen uns das Grauen der von Menschen erschaffenen Vernichtung anderer Menschen nahezu körperlich spüren. All das gelingt Uta Hagen in kürzester Zeit, und wir können ihre Frieda Maloney danach nicht mehr vergessen.

Bücher können ja nie wirklich fertig sein, auch wenn es für die LeserInnen so aussehen mag. Die meisten Bücher haben nocheinigeszu erzählen, da wurde etwas vergessen, hier fehlt noch ein ganz wichtiges Detail. Dieses unfertige Element ist es, das besonders in den Filmographien und Theaterauftritten der Schauspielerinnen zum Ausdruck kommt. Sie sind bewusst unvollständig geblieben. Denn die Porträts verstehen sich in erster Linie als Angebote. Als Möglichkeit, tiefer zu graben, neue Filme aufzutun, sich von der eigenen Begeisterung tragen zu lassen, um mehr und Neues über eine Schauspielerin, ihre Filme und ihre Karriere zu erfahren. Ich freue mich, wenn sie als subjektive Betrachtungen verstanden und gebraucht werden. Mögen Sie viele Türen zu neuen Welten öffnen.

Dieses Buch ist gewidmet:

Viveca Lindfors, Lizabeth Scott, Jean Peters, Karen Black, Ingmar Zeisberg, Bibi Andersson, Angela Winkler, Inger Stevens, Lena Olin, Sheree North, Constance Towers, Bonnie Bedelia, Alice Krige, Juliet Stevenson, Renate Geißler, Greta Scacchi,KatharineRoss, Angelica Domröse, Kathleen Lloyd, Inge Meysel, Juliette Lewis, Brigitte Grothum, Anne Bancroft, Monica Bleibtreu, Sylvia Sidney, Capucine, Anna Massey, Barbara Rush, Marianne Hoppe, Jane Alexander, Diane Varsi, Brenda Vaccaro, Therese Giehse, Barbara Bain, Susanne Lothar, Kai Fischer, Deborah Kerr, Joan Cusack, Sandy Dennis, Laura Linney, Tuesday Weld, Helen Shaver,KristyMcNichol, Shirley Knight, Ruth Gordon, Candice Bergen, Anna Maria Mühe, Rita Gam, Diane Venora, Julie Walters, Kerry Fox, Wendy Hiller, Steffi Kühnert, Antoinette Bower, Melanie Mayron, Ellen Schwiers, Margarita Broich, Geraldine Page, Gudrun Gabriel, Grayson Hall, Christine Wodetzky, Salome Jens, Witta Pohl, Marsha Mason, Irene Clarin, KaDee Strickland, Melissa McCarthy, Estelle Parsons, Carroll Baker, Sylvia Miles, Eleanor Bron, Margot Trooger, Sue Lyon, Judy Davis, Jessica Chastain, Beverly D'Angelo, Ann Cusack, Birgit Doll, Jessica Walter, Dorothea Wieck, Christine Baranski, Lorraine Bracco, Chloë Sevigny, Lindsay Crouse, Hermione Gingold, Eleanor Parker, Eileen Heckart, Parker Posey, Elizabeth Ashley, Bibi Besch, Patricia Owens, Cybill Shepherd, Saoirse Ronan, Laurence Côte, Veronica Cartwright, Mimi Rogers, Diane Baker, Lili Taylor, Kim Hunter, Betty Field, Elizabeth Wilson, Piper Laurie, Françoise Brion, Marcia Gay Harden, Julie Harris, Gunnel Lindblom, Rachel Griffiths, Joanna Cassidy, Diane Ladd, Melinda Dillon, Patty Duke, Shelley Duvall, Rita Wilson, Beatrice Straight, Margaret Leighton, Alida Valli, Colleen Dewhurst, Maureen Stapleton, June Havoc, Farrah Fawcett, Pam Grier, Amanda Plummer, Elizabeth McGovern, Louise Fletcher, Françoise Dorléac, Gloria Grahame, Holland Taylor, Kate Nelligan, Patricia Clarkson, Ruth White, Sudie Bond, Mai Zetterling, Lois Smith, Rita Russek, Hayley Mills, Pamela Bellwood, Claire Bloom, Barbara Hershey, Tyne Daly, Judy Parfitt, Eileen Brennan, Julianne Nicholson, Teri Hatcher, Nina Hoss, Cloris Leachman, Angela Bassett, Mercedes Ruehl, Barbara Valentin, Glenne Headly, Dixie Carter, Ulla Jacobsson, Zohra Lampert, Rosalind Russell, Ally Sheedy, Gina McKee, Harriet Andersson, Kelly Rowan, Audra Lindley, Linda Kerridge, Mary McDonnell, Juliet Mills, Annabella Sciorra, Thandie Newton, Kelly Preston, Bea Arthur, Silvana Mangano, Swoosie Kurtz, Margo Martindale, Katy Jurado, Judy Winter, Agnes Moorehead, Brittany Murphy, Frances Farmer, Karin Baal, Stéphane Audran, Alice Dwyer, Claudia Messner, Irene Papas, Uta Hagen, Virna Lisi, Hannelore Schroth, Annie Girardot, Alexandra Stewart, Brigitte Fossey, Vera Tschechowa, Patricia Medina, Sharon Tate, Carrie Snodgress, Hope Lange, Angie Dickinson, Lina Carstens, Susan Blakely, Lois Chiles, Eve Arden, Ida Lupino, Shelley Hack, Carolyn Jones, Thelma Ritter, Joan Allen, Geneviève Bujold, Renate Müller, Marg Helgenberger, Brenda Blethyn, Joan Bennett, Kelly McGillis,MaríaFélix, Brigitte Catillon, Anne Meacham, Bernadette Peters, Karin Hübner, Billie Whitelaw, Cristina Raines, Susannah York, Gene Tierney, Barbara Parkins, Meg Tilly, Trish Van Devere, Ona Munson, Tammy Grimes, Valerie Hobson, Rosie O'Donnell, Shelley Winters, Véra Clouzot, Anjelica Huston, Lisa Kudrow, Stella Stevens, Eleanor Powell, Anna Magnani, Ann Sheridan, Emily Watson, Frances Conroy, Florinda Bolkan, Katrin Cartlidge, Jennifer Jason Leigh, Priscilla Pointer, Rosemary Murphy, Evans Evans, Gloria Swanson, Allison Janney, Charlotte Rampling, Coral Browne, Jenny Schily, Brigitte Karner, Miranda Richardson, Anouk Aimée, Kathy Bates, Louise Latham, Johanna Wokalek, Alfre Woodard, Frances McDormand, Mira Sorvino, Barbara Schöne, Mariette Hartley, Patricia Barnes, Dominique Sanda, JoBeth Williams, Angela Lansbury, Emily Blunt, Marthe Keller, Cassie Yates, Jane Greer, Christina Ricci, Barbara Babcock, Kate Reid, Simone Signoret, Glenda Jackson, Mary-Louise Parker, Anne Francis, Adrienne Corri, Julia Hummer, Betsy Blair, Vivian Pickles, Malin Crépin, Stephanie Beacham, Ida Krottendorf, Catherine O'Hara, Hanne Wieder, Mary Ure, Carey Mulligan, Ingrid Pitt, Anne Meara, Dana Delany, Catrin Striebeck, Diane Hull, Ann Doran, Christine Buchegger, Jennifer Ward-Lealand, Elisabeth Flickenschildt, Jill Clayburgh, Frances Sternhagen, Angela Schmid, Maura Tierney,Jeanette Hain, Meredith Baxter, Juliane Köhler, Wendy Crewson, Amy Adams, Adrienne Barbeau, Molly Parker, Ina Balin, Elaine Stritch, Judy Holliday, Vera Miles, Toni Collette, Signe Hasso, Sally Hawkins, Jean Marsh, Samantha Eggar, Sarah Paulson,SonjaSmits, Marlen Diekhoff, Mercedes McCambridge

und:

Kim Stanley (1925–2001)

Kim Stanley als Myra inSéance On A Wet Afternoon/An einem trüben Nachmittag (GB 1964) ©ITV/REX/Shutterstock

... Kim Stanley ist Kim Stanley ist KimStanley ist Kim Stanley ...

Für einigeistsie die amerikanische Duse[5].Diesen Begriff prägte der amerikanische Film- und Theaterregisseur Arthur Penn; er wollte damit sowohl ihrer Bedeutung für das amerikanische Theater als auch ihrem Flair als Darstellerin und Frau gerecht werden. Die»Auserwählten«, die Kim Stanley auf der Bühne erlebt haben oder ihre Darstellungen in Film und TV sehen konnten, diejenigen, die ein wenig über ihr Leben und ihre Karriere in Erfahrung gebracht haben, wissen, dass es nur so sein kann:Kim Stanley ist Kim Stanley.

Sie besitzt alles, was eine geniale Schauspielerin ausmacht: Talent, Intelligenz, einen starken Willen und etwas, das als künstlerische Integrität bezeichnet wird. Ihr wird besonders als Bühnendarstellerin ein unwiderstehliches Charisma sowie die Fähigkeit, vollständig zur Rolle zu werden, bescheinigt. Leider scheinen diese Eigenschaften untrennbar verbunden zu sein mit ihrem Hang zur Selbstzerstörung.[6]

Ihre labile Verfassung und die Unfähigkeit, ein Theaterengagement kaum länger als ein paar Wochen zu halten, ist legendär. Diese höchst explosive Mischung aus Talent, Ängsten, Ausstrahlung, Widerstand und der Überzeugung:»unless she went into a frenzy of emotion, she didn't thinkshe was giving it her all«[7]mag sowohl zu ihren grandiosen Darstellungen als auch zur Tragik ihres Lebens und ihrer nahezuverlorenenKarrierebeigetragen haben.

Bewundert ebensowie gefürchtet von ihren SchauspielschülerInnen an der Ost- oder Westküste der USA, vertritt sie auch als Lehrerin ihren ganz individuellen Stil. Dieser ist geprägt von Fragilität und Unberechenbarkeit, so wie von der ihr typischen Entrücktheit und einer fesselnden Präsenz. Foster Hirsch, dessen BuchA Method To Their Madnesskritische Töne in Bezug auf diemethodund ihre Lehrer- und AnhängerInnen anschlägt, verewigte Kim Stanleys mystische Präsenz mit einer wunderschönen Beschreibung:

»I spoke with a young actor, Kristofer Batho, who studied with Stanley and his observations are: Stepping in to her class one instinctively got very quiet. It was very still there. It was almost as though moving into her personal space was an intrusion, for she was, all at once, personal and far away. When she coached you before an acting exercise, she would put her hand on your back and whisper in your ear very quietly. One felt like a child next to his mother, outside of us, all was noise and ruckus, but here for a moment it is very still. She whispers to something deep, perhaps buried, within us—a far cry from some of the screaming, lunatic teachers in the building. Here in the highest room in the institute, the higher parts of ourselves were touched by this almost invisible goddess (she covered her body completely from head to toe in a long caftan, her face looking out through a kerchief). Sometimes she did not show up for class, but more often she allowed the class to run on into the night, following her own intuitive time clock. Living in a world that seemed to have a very delicate equilibrium, she had immense privacy, and sensitivity which made almost everything seem too much. Sometimes, when the world outside of acting got too close she seemed almost paranoid.›What are you looking at?‹she barked at me once, when, smitten by the sunlight framing her silouette at the top of the stairs, I dared to look too long. Unapproachable—yet she wrapped us all in her magic gauze«[8]

Kim Stanleys Theaterkarriere umspanntnureinenkurzenZeitraum.Dennoch prägen ihre Auftritte am Broadway eine ganze Generation. Hier begeistert sie das Publikum als CherieinBus Stopoder als Millie in William IngesPicnic. Sie spielt in zahlreichen Erfolgsstücken von Horton Foote, Eugene O'Neill und Tennessee Williams sowie inAnitaLoos'PublikumshitChéri(an ihrer Seite u.a. Horst Buchholz).Die berüchtigteActors Studio-Produktion von Anton ChekhovsThe Three Sistersbeendet ihre Karriere endgültig.

Bereits im Vorfeld sorgt Lee Strasbergs Produktion für Wirbel: Es gibt Differenzen bei der Besetzung und zwischen den einzelnen SchauspielerInnen.[9]Kim Stanley versteht sich nicht mit Lee Strasberg, der sowohl in London als auch in New York Regie führt. Die Kritiken sind schlecht, und bis heute ist nicht viel Gutes zu lesen, wenn die Rede auf diese Produktion kommt.[10]Trotz allerProbleme wirdThe Three Sistersmit der Londoner Besetzung, u.a. Shelley Winters, Geraldine Page, Sandy Dennis, Kevin McCarthy und Robert Loggia, auf Video aufgenommen. Es bleibt einbesonderes Erlebnis, Kim Stanleyals Masha sehen zu können. Zum einen istThe Three Sisterseines der wenigen Theaterstücke Stanleys, das vollständig aufgezeichnet wurde, und zum anderen zeigt die Aufnahme den engsten Kreis desActors Studiosum Lee Strasberg. Sie gibt einen kleinen Einblick in Kim Stanleys schauspielerische Bandbreite und ihre besonderen Fähigkeit, alle Schichten einer Figur (und dies istdurchausim psychoanalytischen Sinn zu verstehen) auf der Bühne erscheinen zu lassen – auch wenn die Aufnahme eherliveTelevision-Bedingungen und nicht so sehr eine wahrhafte Theateratmosphäre vermittelt. Trotz aller Schwierigkeiten gelingt es Kim Stanley Chekhovs Masha sowohl als moderne Frau mit all ihren Sehnsüchten und Hoffnungen darzustellen, als auch als Frau, die ihren Traditionen und ihrer Familie verpflichtet ist. Diesen Zwiespalt lebt sie auf der Bühne und sie macht ihn auch über den Bildschirm spürbar. So verkörpert sie eine Figur, die sich über ihr gesellschaftliches Gefängnis und den geringen Möglichkeiten, diesem zu entfliehen, bewusst ist. Sie lässt mit allen persönlichen[11]und technischen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, eine der ganz großen tragischen Frauengestalten der Theaterliteratur lebendig werden. Dabei zeigt Stanleys Masha deutliche Anzeichen von Depressionen und eine Schwere,für die nicht ganz auszumachen ist, ob sie zu Kim Stanley oder zu der von ihr dargestellten Figur gehört.

Vom Theater kommend ist Kim Stanley dem breiteren amerikanischen Publikum in erster Linie durch ihre Erfolge imlive Television[12]bekannt. Hier kann sie in Produktionen, die oftmals als komprimierte Theatererfahrung erlebt werden, ihre Fähigkeitfür den Moment perfektionieren. Das Spontane, Brillante, Geniale und Schnelle werden hier eingefangen und sofort über den Äther getragen. Sie gilt auch in diesem Medium als die Verkörperung dermethod actressund ist Vorbild und Inspiration für so bekannte SchauspielerInnen und Regisseure wie Julie Harris, Tony Richardson, Jessica Lange, Sandy Dennis, Jack Klugman und Diane Ladd. So hat sie sicherlich nicht nur Sandy Dennis alsAYoung Lady Of Property[13]in etwa einem Dutzend Aufzeichnungen für das amerikanische Fernsehen begeistert. Auch von Jessica Lange wissen wir, dass sie Kim Stanley verehrt, viele Jahre bei ihr Einzelunterricht genommen hat und mit ihr befreundet war. Langes beste Darstellungen (wie z.B. inGrey Gardens(USA 2009),Blue Sky(USA 1994),Cape Fear(USA 1991)) wirken immer ein wenig so, als sei ein Teil Kim Stanleys wieder auferstanden. Dabei gelingt Lange in der kürzlich erschienenenFX SerieAmerican Horror Story(USA 2011-)das erste Mal einwirklicher genialer Sprung zueiner authentischen Darstellung. Fast scheint es, als gäbe sich Jessica Lange das erste Malvölligihren unsympathischen Seiten hin. Das Ergebnis spricht für sich.

Die kurze Blütezeit deslive Televisionist bis heute untrennbar mit Kim Stanleys Namen verbunden und man muss nicht langemutmaßen, was diese perfekte Verbindung begünstigt hat: Imlive Televisiongibt es keine Wiederholungen, die Arbeit ist begrenzt auf eine kurze Zeit und es herrscht keine Theaterroutine, was sich besonders auf Stanleys stark ausgeprägtes Lampenfieber auswirkte. Leider gibt es aus dieser Zeit nicht viele Aufzeichnungen. So ist es, wie so oft, der Film, der Kim Stanley auch heute noch erfahrbar macht.

Ein FilmstarwarKim Stanley nie, zu expressiv, zu ausschließlich exzentrisch ist ihre Art der Darstellung, die auf der Bühne oder imlive Televisionfunktioniert und das Publikum in ihren Bann zieht. Im Filmistdiese Art der Darstellung schnellzu viel,und das eher auf Unterhaltung eingestellte Publikum reagiert überfordert und eingeschüchtert. Ihre Filme, von denen zumindestzweizu Rechtals Meilensteine filmischer Charakterstudien (The GoddessundSéance On A Wet Afternoon)gelten, sind daher meist von gemischten Kritiken gekürt. Nicht selten hagelt es zutiefst aufgebrachte Schimpftiraden, die sich über ihre angeblich nicht vorhandene Schauspielkunst und ihre Person auslassen. Stanley hat also ganz offensichtlich das Zeug dazu, ein Publikum in Bewunderung und Abscheu zu spalten.

»Stanley's acting is all›private moment exercises‹. So close to the surface that you see nothing else. In these early roles she's like a pouty, attention-getting teenager who keeps telling you she's going to kill herself. You can't tell if she means it because the threat, serious or not, is buried garbage heap of scenes and acted-out impulses and feints and passes that just make you tired. After a while the whole performance begins to seem like a fake.«[14]

Sie selbst meidet den Film instinktiv, weigert sich, Projekte zu promoten[15], und macht in Interviews immer wieder deutlich, dass Film kein Medium für SchauspielerInnen sei, sondern in erster Linie eines für Regisseure.[16]Das hat zur Folge, dass interessante Projekte wieThePawnbroker/Der Pfandleiher(USA 1964),Interiors/Innenleben(USA 1978)von Woody Allen,A Delicate Balance(GB/USA/Kanada 1973) von Tony Richardson,Summer And Smoke(USA 1961),Atlantic City(USA 1980) undThe Idol(GB 1966)nicht mit ihr realisiert werden können – und das, obwohl Kim Stanley bei fast allen Filmen die erste Wahl ist.[17]

Auf der DVD-Veröffentlichung vonA Delicate Balancegibt es ein Interview mit Betsy Blair-Reisz[18], die über Kim Stanley als ursprüngliche Besetzung für die Rolle der Claire spricht. Es ist ihr anzumerken, dass sie es auch heute noch als unfassbar empfindet, dass Kim Stanley auf Drängen vonKatharineHepburnihre Rolle verliert. Sieht man den Film, so mutet es allerdings gar nicht mehr als unvorstellbar an, dassKatharineHepburn alles daran gesetzt hat, Kim Stanley die Rolle der Claire zu entziehen. Dabei dürfte Kim Stanleys Alkoholismus nur ein Vorwand[19]gewesen sein, denn allein vom dramaturgischen Gesichtspunkt her ist die Rolle der Claire Sprengstoff pur. In dieser Figur sind alle Störfaktoren angelegt, die das Stück spannend und unbequem machen. Kate Reid, die endgültige Besetzung der Claire, hat ihre Darstellung dem hohen Niveau des Ensembles angepasst. Kim Stanley hätte sich niemals angepasst, sondern aus dem Vollen geschöpft, um dem Innenleben der Figur gerecht zu werden. Ihre Claire wäre eine widerwärtige, faszinierende und streitbare Person geworden, die ihrem Publikum kein Detail ihres inneren und äußeren Kampfes erspart hätte. Neben Kim Stanley wäreKatharineHepburn mit ihrem gekonnt gefühlsarmen und kontrollierten Spiel gnadenlos untergegangen. Das wusste die karrierebewusste Hepburn nur zu gut.

Einigen mag KimStanley als Mutter von Frances Farmer[20]in Graeme Cliffords gleichnamigen BiopicFrancesnoch in Erinnerung sein. Leider gelingt es hier nicht, die vielen gegenläufigen Facetten der Frances Farmer darzustellen. So wird aus der Rebellin und Individualistin eine Sympathieträgerin, um nicht zu sagen ein Opfer, ohne allzu beunruhigende Ecken und Kanten. Das mag in erster Linie an den erheblichen Kürzungen des Filmes[21]liegen – und an den schauspielerischen Schwächen von Jessica Lange sowie der konstruierten Romanze zwischenihr und einem Reporter(Sam Shepard).

Kim Stanleys Darstellung derLillian Farmerhingegen ist schwer verdaulich. Treffsicher verkörpert und über weite Teile nahezu unerträglich, verleiht Kim Stanley ihrer Protagonistin eine schockierende Authentizität. Sie verunsichert ihr Publikum mit den vielen gleichzeitigen Botschaften, die sie über ihr Gesicht, ihre Bewegungen und ihre Stimme transportiert.»Little Sister«nennt Lillian ihre Tochter Frances, und es ist bis zum Ende des Filmes nicht auszumachen, welche Bedeutung diese Worte wirklich haben. Liebevoll klingt dieser Kosename nicht, vielleicht seltsam intim, gar besitzergreifend. Unzählige Assoziationen werden wach, wenn Kim Stanley diese Wortespricht–und wie sie diese spricht.

Der New Yorker Theaterkritiker Walter Kerr beschreibt Stanleys besondere Fähigkeiten in seiner Kritik zuBus Stopals:»her ability to simultaneously express several conflicting emotions and thus elicit a similarly complex reaction from the audience.«[22]

InFranceserscheintauf der Leinwand eine Ausgeburt an Machtgier und Manipulation; karrierebesessen, unglücklich, starrsinnig, frustriert, bigott und beharrlich im Bestreben, ihr Spiegelbild (verkörpert durch ihre Tochter Frances) zu zerstören. Kim Stanley ist Lillian Farmer, ohne ihr Verhalten zu bewerten. Sie ist so,wie sie ist, und sie trägt in ihrer Figur Verbitterung und Machtgier ebenso stolz zur Schau, wie ihren festen Glauben an ein tatsächliches Recht auf das Leben ihrer Tochter. Dass dieses Verhalten Konsequenzen hat, versteht Lillian nicht. Kim Stanley weiß darum und lässt dies dem Publikum an der inneren Ver-rücktheit ihrer Person spürbar werden. Das ist sowohl erschreckend als auch anrührend zugleich und zeigt die tragische Dynamik, in der Mutter und Tochter sich bewegen.

Kims Stanleys Darstellung der Lillian wird vonVincent Canbyals»substanzlose Rolle«bezeichnet[23], während Roger Ebert ihre Darstellung als»mother on a rather thankless note of shrillness«[24]zerreißt. Die Vermutung liegt nahe, dass Kim Stanley, die sich seit ihrem Abschied von der Bühne mit Alkoholsucht, Verwahrlosung und Fressattacken plagte, ihre eigenen unangenehmen Seiten und Abgründe mit in diese Rolle einbezog, um sie spürbar zu machen. Das bringt ihr immerhin eineOscar-Nominierung ein. Die zweite und letzte – und das vage Wissen, dass ihre polarisierende Persönlichkeit und ihr Talent sie einige Jahrzehnte früher zu einer perfekten Besetzung für die Rolle der Frances Farmergemachthätten.

»Myra Savage is a woman on the verge of madness. Ambitious to become a celebrity in the shadowy world of psychics and mediums, she conceives a dark crime, enlisting her ineffectual husband Billy (Richard Attenborough) as a accomplice. After kidnapping a child, they plan to convince the police and the media of her telepathic abilities by staging a séance to track down the victim«[25]

Die erste»Begegnung«,die ich mit Kim Stanley hatte, war ihre Darstellung der Lillian Farmer inFrances. Wahrhaftig habe ich sie jedoch erst viel später inBryan Forbes'Séance On A Wet Afternoonerlebt. Dieser Film ist ein kleines Meisterwerk. Vollkommen in seinem Sogund seiner Wirkung, die er auf das Publikum ausübt. Dabei präsentiert sich Kim Stanley als Zentrum dieser unwirklichen Anziehung. Ohne Zweifel ist sie die Meisterin alles Abgehobenen, Außerweltlichen und Fragilen. Ihre Myra ist eine Wanderin zwischen den Welten. Sie verzaubert uns mit ihrem Wahn und schockiert ihr Publikum mit ihren fanatischen und unmenschlichen Ansichten.

In»schwarz/weiß«glühen die Bilder und erzählen von Myras Verzweiflung, aber auch von ihrer berechnenden und gefühlskalten Seite, die scheinbar an Egomanie nicht zu überbieten ist. Kim Stanleys Myra ist eine Fremde in dieser Welt. Eine Zugehörige in derWelt des Übersinnlichen ist sie aber auch nicht. Ihre so genannten seherischen Fähigkeiten sindeine Ausgeburt ihres Bestrebens, etwas Einzigartiges und Besonderes zu sein. Dabei liegt die wirklich Tragödie darin, dass sie für ihren Ehemann Billy (eine brillante Darstellung von Attenborough – der zusammen mit Forbes auch Mitproduzent des Filmes ist) längst dieses ganz besondere Wesen ist, das er liebt und zu schützen versucht. Myra will und kann diese Tatsache nicht sehen oder wahrnehmen. Zu sehr ist sie auf die Anerkennung ihrer vermeintlichen Fähigkeiten fixiert.

Es gibt kaum eine weibliche Figur in der Filmgeschichte, die unsympathischer ist. Und doch kann man sich ihrem zauberhaften Bann nicht entziehen. Sie erleuchtet die Leinwand mit ihrer träumerischen Hysterie. Immer wieder erlebt das Publikum ihre kompromisslose Zielstrebigkeit und die Weigerung, sich den Realitäten ihres Lebens zu stellen. Kim Stanley lässt uns durch ein Kaleidoskop aus Entgleisungen, Wahnvorstellungen und geistigen Sprüngen blicken. Sie ist langsam in ihren äußeren Bewegungen und zugleich unendlich schnell in ihren Gedanken und Vorstellungen. Atemlos treibt sie das Publikum mit ihrem rückhaltlosen Spiel durch die Geschichte auf ein Ende zu, welches nicht gut für sie ausgehen wird.

Kim Stanley führt uns mit ihren Figuren immer wieder durch einen Palast an Projektionen. Sobald jedoch ihr selbst erschaffenes Gebilde sichtbar wird, sorgt sie abrupt dafür, dass es vor den Augen der ZuschauerInnen zerfällt. Wie alle gutenmethod-DarstellerInnen führt sie die BetrachterInnen ganz nah an ihre Protagonistin heran, nimmt sie mit auf eine Reise durch deren Innerstes und hält ihrem Publikum sodann den Spiegel vor.

Séance On A Wet Afternoonist sowohl für die Arbeitsweise nach dermethodals auch für Kim Stanleys eigene Biographie ein Paradefilm. Regisseur Bryan Forbes hätte es in einem Interview von 2003 kaum besser formulieren können:»Kim was obsessed with the method.She breathed the method. She lived the method. She was the method.«[26]

Im Film erscheinen die Grenzen zwischen Myra und Kim Stanley fließend. So tief lässt sich Kim Stanley ein, so sehr lässt sie sich und ihre Rolle ins Bodenlose fallen, dass man vor allem in der Schlusssequenz um Kim Stanleys psychisches Wohlergehen bangt.

Der eigene Nervenzusammenbruch lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Stanley wird in eineKlinik eingewiesen.[27]Damit ist eine sehr erfolgreiche Theaterkarriere für immer beendet. Kim Stanley verschwindet für viele Jahre in der Versenkung. Es ist nicht ihr erster Zusammenbruch, aber diesmal geht sie sogar so weit, ihren einstigen Mentor und Lehrer Lee Strasberg für ihre Probleme verantwortlich zu machen. Dies hat zumindest in der Öffentlichkeit zur Folge, dass sie sich kurzzeitig von ihm distanziert.[28]

Dennoch war sie es immer und ist es bis zu ihrem Tod geblieben:Diemethod-Darstellerin im komplexesten Sinne.»Stanley was the queen of the Actor's Studio and prized pupil of Lee Strasberg.«Dieses Talent, ebenso wie das Moment des Scheiterns und die selbstzerstörerischen Tendenzen, teilt sie mit so berühmten, von dermethodgeprägten Stars wie Marilyn Monroe und Marlon Brando.[29]

Ein intensives Erlebnis derbesonderen Art hat das Publikum auch mit Kim Stanleys erstem FilmThe Goddessnacheinem Buch von Paddy Chayefsky.[30]Immer wieder wird der hier gezeigte Lebens- und Leidensweg der Emily Ann Faulkner aka Rita Shawn mit Marilyn Monroe (alias Norma JeaneBaker) in Verbindunggebracht.Parallelen gibt es tatsächlich einige. Am angenehmsten dabei: Kim Stanley unterscheidet sich zumindest äußerlich von Marilyn Monroe und hat somit genügend Freiraum, ihre schöpferische Kraft auf die inneren Vorgänge der Protagonistin zu konzentrieren. Was sie uns inThe Goddesszeigt, ist eine wahretour de forcedurch Gefühle und Befindlichkeiten: Einsamkeit, krankhafte Eifersucht, ein verzerrtes Ich-Bild, das seinen absoluten Höhepunkt in einer Filmkarriere findet, und allerlei Abhängigkeiten von Menschen und Medikamenten. All das lässt Kim Stanley in der Figur der Emily Ann aufflackern. Sie schont sich und ihr Publikum nicht und bewahrt es auch nicht vor der Hysterie, der Verzweiflung, den endlosen Wiederholungen, die ihre Emily Ann durchleidet. Nach dem, was man heute über Marilyn Monroes Lebensgeschichte zu wissen glaubt, kommt ihr diese Darstellung (die ihrer Zeit locker um einige Jahrzehnte voraus ist) sehr nahe.

Kim Stanley selbstlehntdiesen Filmab; nicht zuletzt wegen der endlosen Promotion, die ihr von Columbia Pictures aufgebrummt wird. Nichtsdestotrotz und vielleicht auch, weileine Kopie des FilmesThe Goddessviele Jahrenicht ganz so einfach zu bekommen war, ist der Film auch heute noch ein Geheimtipp. Ganz bestimmt ist er einer der schonungslosesten Darstellungen einer verzweifelten und begabten Frau, die Marilyn Monroe hätte sein können.

Im Gegensatz zu bekanntenmethod-Kolleginnen wieEllen Burstyn und Geraldine Page, denen es gelungen ist, auf eine sehr eigenwillige und bodenständige Art erfüllte Bühnen- und Filmkarrieren zu leben, gehört Kim Stanley eher zur Kategorie der kompromisslosen VerweigerInnen. Seit Jon Krampners BiographieFemale Brandoist bekannt, dass Kim Stanley auch Opfer und gleichzeitig Täterin ihrer eigenen ungelösten Projektionen und biographischenProbleme gewesen ist. Diese haben sowohl ihr Talent begünstigt, als auch ihren Niedergang forciert.

Und doch, so genau Krampners Biographie auch recherchiert ist, so plausibel ihr selbstgewähltes Spiel zwischen Lüge und Wahrheit aufgedeckt zu sein scheint, dem wirklichen Talent Kim Stanleys und ihrer ganz besonderenAnziehungskraft ist hiermit nur unzulänglich auf die Spur gekommen. Denn trotz aller psychologischen und faktischen Deutungen gibt es so etwas wie eine individuelle Wahrheit, die Kim Stanleys Präsenz und Ausdruckskraft geprägt hat. Mag diese Wahrheit auch noch so weit entfernt sein von der so genannten historischen Realität: Sie ist die Quelle von Kim Stanleys Kreativität und Ausdruckskraft.

Vorspann zuFrances(USA 1982)© Universal Studios

Filme:

The Goddess/Die Göttin (USA 1958),To Kill A Mockingbird/Wer die Nachtigall stört(USA 1962),Séance On A Wet Afternoon/An einem trüben Nachmittag (GB 1964),Frances(USA 1982),The Right Stuff/Der Stoff,aus dem die Helden sind (USA 1983)

TV-Filme & Serien:

Sentence Of Death(The Trap) 1950,The Witness(Goodyear Television Playhouse) 1952,A Young Lady Of Property(ThePhilco Television Playhouse) 1953,The Death Of Cleopatra(You Are There) 1953,The Sixth Year(ThePhilco Television Playhouse) 1954,The Brownstone(Goodyear Television Playhouse) 1954,The Scarlet Letter(Kraft TelevisionTheatre) 1954,Somebody Special(ThePhilco Television Playhouse) 1954,Conspiracy Of Hearts(Goodyear Television Playhouse) 1956,Joey(Goodyear Television Playhouse) 1956,In The Days Of Our Youth(Goodyear Television Playhouse) 1956,The Three Sisters(USA 1966),Flesh And Blood(USA 1968),U.M.C. akaOperation Heartbeat(USA 1969),A Fear Of SpidersausRod Serling's Night Gallery(USA 1971),Beyond The Open DoorausQuincy, M.E.(USA 1983),Cat On A Hot Tin Roof(USA 1984)uvm.

Theaterproduktionen:

Saint Joan(1949, Lenox Hill Playhouse) von George Bernhard Shaw alsJoan of Arc

The Chase(1952, Playhouse Theatre) von Horton Foote alsAnna Reeves

Picnic(1953, Music Box Theatre) von William Inge alsMillie Owens

The Trip To Bountiful(Tour 1954) von Horton Foote alsJessie Mae Watts

A Clearing In The Woods(1957, Belasco Theatre) von Arthur Laurents alsVirginia

A Far Country(1961, Music Box Theatre & Tour) von Henry Denker alsElizabeth

The Three Sisters(1964, Morosco Theatre)von Anton Chekhov alsMasha

Dokumentationen:

The Needs Of Kim Stanley(USA 2014)

www.theneedsofkimstanley.com

Broadway: The Golden Age(USA 2003) (DVD-RC 1)

Literatur:

Denker, Henry.The Actress. London: Granada Publishing Ltd., 1981

Hirsch,Foster.A Method To Their Madness: The History of the Actors Studio.New York: Da Capo Press, 1984

Krampner, Jon.Female Brando.The Legend of Kim Stanley. New York: Back Stage, 2006

Vineberg, Steve.Method Actors. Three Generations of an American Acting Style.New York: Schirmer Books, 1991

Internet:

www.theneedsofkimstanley.com

Videos & DVDs:

The Goddess(VHS-ntsc/DVD- RC 1 & 2)

To Kill A Mockingbird(VHS-ntsc & pal/DVD-alle Codes/BluRay)

Séance On A Wet Afternoon(VHS-ntsc/DVD- RC 1 & 2)

Frances(VHS-ntsc & pal/DVD- RC1 & 2)

The Right Stuff(VHS-ntsc & pal/DVD- RC 1 & 2BluRay)

Live Television & TV-Filme & Serien:

Clash By NightPlayhouse 90 Production(VHS-ntsc)

TomorrowPlayhouse 90 Production(VHS-ntsc)

The Three Sisters(VHS-ntsc)

Dragon Country(DVD-RC 1)

Cat On A Hot Tin Roof(VHS-ntsc/DVD- RC 1)

Broadway: The Golden Age(DVD-RC 1)

Lee Remick (1935–1991)

Lee Remick inThe Hunted/Touch Me Not/Das Gewissen(GB/BRD/F/Spanien 1974)©Atlas Films USA/Orbita Film

Im Universum der unterkühlten Manipulatorinnen ist Lee Remick die unangefochtene Königin. Ihre befremdliche Mischung aus Mädchen und Lady, die sie oft als Unnahbare, Mysteriöse oder auch Einsame erscheinen lässt, gibt es im Film nicht oft zu bewundern.Im Pressefoto (oben) zum FilmThe Huntedist diese vielschichtige Mischung eingefangen.Entgegen vieler lieblos dahin geschriebener Porträts oder Kurzbiographien ist Lee Remick nie eineFemme fatalegewesen, geschweige denn eine ausgewiesene Neurotikerin oder gar ein Todesengel. Alles Begriffe, die ihr nur bruchstückhaft gerecht werden und einen Klischeestempel aufdrücken, der ihrer nicht würdig ist.

Es lohnt sich allemal, die elegante Erscheinung von Lee Remick näher zu betrachten. Denn atemberaubend gutaussehend und kühl kann sie sein. Das macht sie keinesfalls zu einer langweilen Konservativen, obwohl man immer wieder versucht hat, sie so zu besetzen. Dieser Versuch destypcastingsmag auch an ihrerKontrollsucht liegen, die sie nach außen gerne präsentiert und vielleicht zeitlebens als Maske eingesetzt hat. Spielt sie jedoch, dann wird schnell klar, dass bei Remick allerlei Subversives am Werk ist. Sie lässt ihre Spitzen und Widerhaken immer minimalistisch einfließen und erzielt so oft eine nachhaltige Wirkung. Sie zeigt keine Gefühle, auch dann, wenn man es von ihr erwartet. Sie kann aber auch anders – und das fast noch besser.

»She was more than the pretty woman of her generation. Lee Remick ... endures in her films as an actress whose intelligence and allure were so razor sharp they could cut your heart.«[31]

Lee Remicks Kindheit und Jugend liest sich ganz typisch für ihrenprivate styleein wenig distanziert und eher nichtssagend. Das lässt Raum für viele Spekulationen, besonders wenn man weiß, dass sie ihre Karriere bereits in jungen Jahren beginnt und bis zu ihrem Tod nahezu kontinuierlich beschäftigt ist.

In Quincy, MA geboren, zieht sie nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrerMutter, der SchauspielerinGertrude Margaret, nach New York. Im Alter von 18 beendet sie ihr Ballett- undModern Dance-Studium am Barnard College; mit 16 steht sie zum ersten Mal auf der Bühne[32], um wenig später bereits am Broadway aufzutreten. Lee Remick lernt ihr Handwerk amActors Studio,und es dauert nicht lange, bis sie ihr Filmdebüt inElia KazansA Face In The Crowdgibt. Danach folgen Projekte mit den bekannten Regisseuren der 60erJahre wie Otto Preminger, Blake Edwards, Robert Mulligan und Martin Ritt. Unter der Regie von Elia Kazan dreht sie zusammen mit Barbara Loden, Montgomery Clift undJo Van Fleetden bis heute eher unbekanntenFilmWild River.Sie selbst zählt diesen kleinen und ambitionierten Film zu ihren persönlichen Lieblingsfilmen. Früh erhält sie eineOscar-Nominierung für ihr eindringliches Spiel in Blake EdwardsDays Of Wine And Roses, ver