True - Weil dir mein Herz gehört - Erin McCarthy - E-Book

True - Weil dir mein Herz gehört E-Book

Erin McCarthy

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Beschreibung

Um dem Einfluss ihrer Eltern zu entkommen, kehrt Jessica Sweet ans College zurück. Der attraktive Riley bietet ihr an, dass sie vorübergehend bei ihm wohnen kann. Mit seinen Tätowierungen und seiner toughen Art ist Riley wohl kaum der richtige Mann für Jessica, dennoch fällt es ihr schwer, sich seinem sexy Charme zu entziehen.

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

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Über die Autorin

Die Romane von Erin McCarthy bei LYX

Impressum

ERIN McCARTHY

True

Weil dir mein Herz gehört

Roman

Ins Deutsche übertragen

von Lucia Sommer

Zu diesem Buch

Eigentlich hat Riley Mann schon genug Probleme: Seit dem Tod seiner Mutter ist er allein für seine vier jüngeren Brüder verantwortlich. Er arbeitet jeden Tag bis zur Erschöpfung, und trotzdem gelingt es ihm nicht, den Jungen ein ordentliches Zuhause zu bieten. Doch als die hübsche Jessica Sweet vor seiner Tür steht und für die Semesterferien eine Bleibe sucht, kann er nicht anders, als sie bei sich aufzunehmen. Er ist sich sicher, dass das Zusammenleben nicht lange gut gehen wird, schließlich liegen Welten zwischen ihm und der sorglosen Designstudentin. Als sich jedoch das Jugendamt ankündigt und das Sorgerecht für Rileys Brüder auf dem Spiel steht, ist Jessica sofort an seiner Seite und entwickelt eine ungeahnte Energie bei der Renovierung des Hauses. Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto schneller wird klar, dass sie sich ähnlicher sind, als sie dachten – und gemeinsam über sich hinauswachsen können. Wenn sie zusammen sind, hat Jessica zum ersten Mal das Gefühl, ganz sie selbst sein zu dürfen, und für Riley dreht sich die Welt dann wenigstens für einen kurzen Moment nur um sie beide. Sie können sich bald nicht mehr vorstellen, jemals wieder ohne einander zu sein, doch dies würde bedeuten, alles füreinander aufzugeben …

1

Ich konnte den Sommer über nicht nach Hause fahren. Ich konnte es einfach nicht.

Wenn ich nach Hause fahren würde, würde ich bloß endlose besorgte Blicke von meiner Mutter ernten, dazu unzählige Ermahnungen, abends rechtzeitig nach Hause zu kommen, und Belehrungen über die Gefahren von Alkohol und vorehelichem Sex. Mein Vater würde mich zwingen, freiwillig – was für ein Widerspruch – in der Sonntagsschule zu unterrichten, und androhen, meine freizügigen Klamotten wegzuwerfen. Wie zum Beispiel meine Shorts. Es war ja auch so was von skandalös, im Sommer kurze Hosen zu tragen.

Ich konnte mir das absolut nicht vorstellen und wollte mir den Sommer nicht mit ihren guten Absichten und hohen moralischen Ansprüchen versauen lassen, die nur ein Heiliger erfüllen konnte. Und ich bin keine Heilige.

Ich hatte also gelogen und ihnen erzählt, ich würde den ganzen Sommer lang mit einer christlichen Missionarsgruppe in den Appalachen Häuser für die Armen bauen. In Wirklichkeit wollte ich in Cincinnati bleiben und im Steakhaus arbeiten. Ich weiß, das war eine ganz schön miese Nummer.

Aber es war die einzige Ausrede, die sie gelten lassen würden, also hatte ich es durchgezogen, und jetzt gab es kein Zurück mehr. Meine Freiheit war es mir wert, ein bisschen schlechtes Gewissen zu haben, dass ich nicht irgendwelchen bedürftigen Menschen half. Außerdem kurbelte ich die Wirtschaft an, wenn ich Rindfleisch servierte. Jetzt war nur noch die Frage, wo ich in den zwei Wochen schlafen sollte, wenn das Wohnheim schon geschlossen hatte und ich noch nicht in das Apartment einziehen konnte, wo ich ab dem 1. Juni zur Untermiete wohnen würde.

Aber ich hatte schon einen Plan. Ich drehte den Türknauf zu Nathans Apartment, ging hinein und sah mich um. Meine Mitbewohnerin Kylie kuschelte mit ihrem Freund Nathan, und Tyler und meine andere Zimmergenossin Rory kuschelten ebenfalls miteinander. Die Hormone kochten hoch im Wohnzimmer. Kylie saß auf Nathans Schoß, und Tyler spielte wie immer so komisch mit Rorys Haaren rum, dass ich am liebsten seine Hand weggeschlagen hätte, damit er sie in Ruhe ließ. Aber sie schien es merkwürdigerweise gar nicht zu stören.

»Hey, Jessica!«, rief Kylie gut gelaunt. »Süßes Top.«

»Danke.« Ich hatte das enge rote Tanktop angezogen, ohne groß darüber nachzudenken, und dann überlegt, ob ein bisschen mehr Dekolleté für das, was ich vorhatte, nicht besser wäre. Im nächsten Moment hatte ich mich aber selbst für diesen Gedanken verabscheut. Um meiner Selbstachtung willen hatte ich also auf ein tiefes Dekolleté verzichtet und ein Union-Jack-Shirt über das Tanktop gezogen. Dass das Aussehen immer so wichtig war.

»Was macht ihr?«, fragte ich.

»Ich gucke Inglourious Basterds«, kam eine Stimme aus der Küche. »Alle andern sind mit dem Vorspiel beschäftigt.«

Uah! Ich riss mich zusammen, nicht laut zu seufzen, als ich mich umdrehte und Riley Mann sah, Tylers älteren Bruder, der sich gerade ein Bier öffnete. Auf ihn hatte ich wenig Lust.

»Eifersüchtig?«, fragte ich ihn leichthin und lächelte süffisant. Alles an Riley nervte mich, von seinem Sarkasmus über seine Unfähigkeit, jemals ernst zu sein, bis zu der Tatsache, dass er unverschämt gut aussah und sich wahnsinnig was darauf einbildete. Er arbeitete Vollzeit auf dem Bau, weswegen ich ihn zum Glück nicht besonders oft sehen musste. Ich konnte einfach nicht atmen, wenn die Luft so von seinem Testosteron geschwängert war.

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich finde, es lohnt sich nicht, sich wegen Sex eine Beziehung anzutun. Und meine Hand erwartet nicht von mir, dass ich ihr am nächsten Tag zwanzig SMS schreibe.«

Das Bild in meinem Kopf hatte ich eigentlich nicht gebraucht, aber dass Beziehungen ein Haufen Arbeit waren, konnte ich nicht abstreiten. Also verzog ich nur das Gesicht und sagte: »Wie charmant du immer bist. Ist Bill da?«

»Er lernt in seinem Zimmer«, sagte Nathan. »Er hat morgen seine Abschlussklausur in Physik. Gott, bin ich froh, dass ich mit meinen Klausuren durch bin.«

Ich hatte zum Glück auch alle Klausuren hinter mir und konnte mich daher endlich dem Thema Schlafplatz widmen. Mir blieben nur noch zwei Tage, bis ich das Wohnheim räumen musste. »Okay, danke.« Ich ging den Flur runter zu Bills Zimmer.

»Willst du da echt reingehen?«, rief Nathan mir hinterher. »Sei vorgewarnt, er ist nicht besonders gut drauf.«

»Ist schon okay. Ich will nur kurz Hallo sagen.« Bill war seit sechs Monaten hinter mir her, seit seine Highschool-Freundin ihn wegen eines Basketballspielers von der Ohio State sitzen gelassen hatte. Wir waren ein paarmal miteinander ins Bett gegangen, aber ich hatte ihm ziemlich deutlich gesagt, dass ich keine Beziehung wollte. Das war einfach so überhaupt nicht mein Ding.

Ohne anzuklopfen spazierte ich in Bills Zimmer. Er saß an seinem Schreibtisch, und mit Ausnahme der Bücher und Zettel, die darauf verteilt lagen, war sein Zimmer aufgeräumt wie immer. Das Bett war gemacht, und es waren keinerlei Anzeichen von Prüfungsstress zu erkennen.

Bis ich seine Haare sah. Bills Anspannung zeigte sich immer darin, dass seine Locken in alle möglichen Richtungen abstanden und so aussahen, als hätte er sich schon seit Tagen nicht mehr gekämmt. Die Brille rutschte ihm die Nase hinunter, als er zu mir hochblickte. Er war eine ziemlich süße Interpretation eines zerstreuten Genies.

»Hey«, sagte er geistesabwesend.

»Hey. Wie läuft’s?« Ich lehnte mich mit der Hüfte gegen seinen Tisch und lächelte.

»Nicht schlecht, aber ich hab noch ’ne ganze Menge vor mir. Wolltest du was Bestimmtes, oder bist du nur so vorbeigekommen? Ich hab bis morgen leider überhaupt keine Zeit.«

»Ich wollte dich fragen, ob ich ’ne Weile hier bei dir schlafen kann.« Einfach sagen, was Sache ist – das war mein Motto.

»Was meinst du damit?« Er tippte sich mit dem Stift gegen die Lippen und sah mich stirnrunzelnd an.

»Ich brauche für zwei Wochen einen Schlafplatz, bis ich in das Apartment einziehen kann, wo ich im Sommer zur Untermiete wohne. Und ich will auf keinen Fall auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen. Das ist viel zu hart. Ich kann doch mit bei dir im Bett schlafen, oder?« Lächelnd schob ich ihm mit der Fingerspitze die Brille hoch. »Ich verspreche auch, dich nicht wieder im Schlaf zu treten, so wie letztes Mal.«

Einen Moment lang sagte er nichts, dann schüttelte er den Kopf. »Nein.«

Das war eindeutig nicht die Antwort, mit der ich gerechnet hatte. »Was? Warum nicht? Okay, ich kann dir natürlich nicht versprechen, dass ich meine Gliedmaßen auch im Schlaf unter Kontrolle habe, aber du kannst mich ja zurücktreten. Das macht mir nichts aus.« Er wollte mich doch nicht ernsthaft zurückweisen, oder? Mein Herz schlug auf einmal schneller, und die Angst kroch mir den Rücken hoch.

»Es stört mich nicht, wenn du mich trittst, das ist es nicht.« Bill seufzte. »Pass auf, Jess, es ist nun mal kein Geheimnis, dass ich dich sehr mag, und du sagst vollkommen offen, dass du meine Gefühle nicht erwiderst, und ich weiß deine Ehrlichkeit auch wirklich zu schätzen. Vielleicht ist es auch bescheuert von mir, Nein zu sagen, weil ich dich ja trotzdem manchmal überreden kann, mit mir ins Bett zu gehen, wenn ich dir gerade leidtue, aber ich kann nicht zwei Wochen lang jede Nacht das Bett mit dir teilen, ohne mich dabei wie der letzte Dreck zu fühlen. Ich kann es einfach nicht.«

Mir fiel die Kinnlade runter, und mir wurde ganz heiß vor Scham, was mich wiederum wütend machte. Ich hatte nichts getan, weswegen ich mich schlecht fühlen musste – solange ich nicht überlegte, was mein Vater davon halten würde. »Bei dir hört sich das an, als würde ich dich ausnutzen. Wir sind doch Freunde. Wir sind zusammen ins Bett gegangen, wenn uns beiden danach war, und nicht weil ich es dringend nötig gehabt hätte oder weil niemand anders da gewesen wäre oder weil du mir leidgetan hättest. So nett bin ich nicht, dass ich es dir aus Mitleid machen würde. Ich mag dich, und ich finde dich süß. Wir haben Spaß zusammen. Ich dachte, du siehst das genauso, aber anscheinend habe ich damit falschgelegen.«

»Hast du nicht«, sagte er. »Das Problem ist nur, dass ich mehr für dich empfinde, und ich stehe nicht so sehr darauf, mich selbst zu quälen. Ich will dich als meine ›Freundin‹.« Er malte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. »Erbärmlich, ich weiß.«

Der Gedanke, die Freundin von irgendjemandem zu sein, verursachte mir Übelkeit. Auf gar keinen Fall wollte ich irgendeinem Typen so viel Kontrolle über meine Gefühle und meine Zeit geben. Schließlich war ich endlich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich frei.

»Tut mir leid. Das ist gar nicht erbärmlich, es ist nur …«

»Ich weiß, es hat nichts mit mir zu tun.« Er verdrehte die Augen. »Du kannst dir die Floskeln sparen, ich hab’s kapiert.«

Ich war zugegebenermaßen etwas erleichtert. »Was für eine unangenehme Situation«, sagte ich.

»Wahrscheinlich mehr für mich als für dich«, meinte er und lachte nervös. »Hör zu, du kannst gerne auf der Couch schlafen.«

»Na ja, dass wäre dann aber wirklich komisch.« Das war es jetzt schon.

»Nein, wäre es nicht. Ich würde auch nicht angeschlichen kommen oder so. Ich will mir bloß ein bisschen Selbstachtung bewahren.«

»Okay, kann ich verstehen.« Das tat ich wirklich. Aber jetzt war alles anders. Ich würde ihn nicht mehr einfach so anfassen können. Ich würde nicht mehr mit ihm flirten können, ohne das Gefühl zu haben, ihm falsche Hoffnungen zu machen. Ich würde in seiner Gegenwart vorsichtiger sein müssen. Ich unterdrückte ein Seufzen. Warum musste eigentlich alles immer so kompliziert sein? Verdammte Hormone. »Viel Glück bei deiner Prüfung.«

»Danke.« Er lächelte mich kurz an und widmete seine Aufmerksamkeit dann wieder dem Buch.

Ich ging, enttäuscht und merkwürdig traurig, weil Bill und ich jetzt nicht mehr auf die gleiche Art wie bisher befreundet sein konnten. Andererseits waren wir vielleicht auch nie nur Freunde gewesen, weil ich schon immer gewusst hatte, dass er mich sehr mochte. Und warum hatte ich deswegen auf einmal ein schlechtes Gewissen?

»Das ging ja schnell«, sagte Riley, als ich wieder ins Wohnzimmer kam. Er hatte die Füße auf dem Couchtisch und sah ziemlich gelangweilt aus. »Wahrscheinlich heißt es deswegen Quickie.«

»Halt’s Maul«, antwortete ich aggressiver als beabsichtigt. Ich fühlte mich mies und konnte nicht genau sagen, warum Bills Zurückweisung mich so sehr traf. Da fehlte es mir gerade noch, dass Riley mir mit seinen Kommentaren auf die Nerven ging.

»Was stimmt denn nicht?«, fragte Rory und löste sich von Tylers Brust, an der sie wie Frischhaltefolie geklebt hatte.

»Ich hab nur die nächsten Wochen keinen Platz zum Schlafen, das ist alles.« Ich wollte vor Riley nicht zugeben, dass Bill mich abgewiesen hatte. Damit hätte ich ihm Material für eine zehnminütige Stand-up-Comedy-Nummer auf meine Kosten gegeben. Nein, danke.

»Du kannst gerne hier schlafen«, sagte Nathan.

»Danke, aber das ist keine so gute Idee.«

»Warum nicht?«, fragte Kylie.

Ich warf ihr einen vielsagenden Blick zu, in der Hoffnung, dass sie es kapierte.

»Hast du dich etwa mit dem Streber gestritten?«, fragte Riley. »Besorgt er es dir nicht oft genug?«

Es war eigentlich eine ziemliche Verschwendung, dass so ein Arschloch so verdammt attraktiv war. Riley war ein bisschen kleiner als Tyler, aber genauso muskulös, und im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder, der ein leicht kantiges Gesicht hatte, war Riley mit wunderschönen Grübchen und großen Augen gesegnet. Wirklich schade, dass er so ein Wichser war. Ich schenkte ihm normalerweise nicht viel Beachtung, was gar nicht so einfach war, denn es schien ihm großen Spaß zu machen, mich zu ärgern. Ich hätte ihm am liebsten eine verpasst – mit meiner Faust mitten in sein großspuriges Grinsen.

»Du kannst auch bei mir zu Hause schlafen«, bot Tyler an. »Ich fahre doch für eine Woche mit den Jungs zu Rorys Dad. Dann hättest du ein richtiges Bett.«

Das war natürlich eine tolle Idee, obwohl mir bei dem Gedanken auch etwas mulmig wurde. »Muss ich da denn keine Angst haben?«, fragte ich und merkte erst im nächsten Moment, wie unhöflich sich das anhörte.

Tyler und Riley lebten mit ihren zwei jüngeren Brüdern in einem sozial schwachen Viertel in einem Haus, das sie wahrscheinlich gerade an die Bank verloren, nachdem ihre Mutter gestorben war. Riley hatte vorher bei einem Freund im Keller gewohnt, aber als ihre Mutter an einer Überdosis gestorben war, war er wieder zu Hause eingezogen.

Ich war noch nie da gewesen, aber ich stellte mir eine Gegend vor, wo die Leute alle Crack rauchten, wo aus vorbeifahrenden Autos geschossen wurde und an jeder Straßenecke Prostituierte standen. Meine Eltern lebten in einer Minivilla in einer Kleinstadt, sodass mir sowohl das Auftreten als auch die Erfahrung fehlten, die man meiner Vorstellung nach in so einem Viertel brauchte, um zu überleben. Meine Erfahrung mit Armut beschränkte sich auf Kinofilme und ein paar Episoden von COPS.

»Ich meine, werden die Nachbarn nicht denken, ich breche ein oder so?«, fügte ich schnell hinzu, um meiner ursprünglichen Frage noch irgendwie eine andere Richtung zu geben.

»Prinzesschen, ich glaube nicht, dass irgendjemand denkt, du würdest in unsere Bruchbude einbrechen und das Haus besetzen«, sagte Riley und verdrehte die Augen. »Wenn überhaupt werden sie denken, du suchst nach Drogen.«

»Rory schläft doch ständig bei mir«, sagte Tyler. »Das wird überhaupt niemandem auffallen. In unserem Viertel kümmern sich die meisten Leute bloß um sich selbst.«

»Ich fühle mich da nie unsicher«, fügte Rory hinzu. »Allerdings schlafe ich auch nicht alleine in dem Haus. Tyler ist ja immer dabei.«

»Ich hab noch nie alleine gewohnt«, sagte ich. Auch wenn es nur für eine Woche war, der Gedanke hatte einen gewissen Reiz. Ich würde auf niemanden Rücksicht nehmen müssen. Keine Regeln. Kein schlechtes Gewissen, weil ich irgendwelche Erwartungen nicht erfüllte. Das hörte sich großartig an – und unheimlich. »Klingt super, Ty. Danke für das Angebot.«

»Habt ihr beide da nicht vielleicht etwas vergessen?«, fragte Riley, während er nach seinem Bier griff.

»Was?«, erwiderte ich argwöhnisch. Ich wusste, es würde mir mit Sicherheit nicht gefallen – egal, was er sagte.

»Ich fahre nicht mit zu Rorys Dad eine Woche zum Schwimmen wie ein Kind im Sommercamp. Ich werde hier sein und arbeiten – und in unserem Haus wohnen.«

Oh Gott. Ich konnte nicht anders. Ich verzog das Gesicht.

Riley zog einen Mundwinkel hoch. »Genauso denke ich auch über die Sache, Prinzesschen.«

»Ich glaube, es wäre gut für euch beide«, sagte Kylie, die ewige Optimistin. Oder vielleicht litt sie auch an Wahnvorstellungen. »Dann könnt ihr euch endlich miteinander anfreunden.«

»Vielleicht wollen wir uns ja gar nicht anfreunden«, antwortete Riley. »Womöglich gefällt es uns ja, dass wir uns nicht mögen.«

Ich musste beinahe lachen. Da war was dran. Ich hatte eigentlich das Gefühl, Riley gut genug zu kennen, um zu wissen, dass ich ihn nicht näher kennenlernen wollte. Aber das verstand Kylie wahrscheinlich nicht. Sie war ein sehr netter und aufrichtiger Mensch, aber manchmal konnte sie sich leider nicht so ganz in meine Lage versetzen.

»Ihr würdet euch doch sowieso kaum sehen. Ihr geht schließlich beide arbeiten, und es gibt drei Schlafzimmer«, sagte Tyler. »Wäre doch bescheuert, wenn du irgendwo auf dem Fußboden schläfst, wenn bei uns im Haus so viel Platz ist.«

»Das ist Rileys Entscheidung«, sagte ich, denn das schien mir nur fair zu sein. Es war schließlich sein Zuhause. »Vielleicht ist er ja auch ganz froh, mal alleine zu sein, wenn ihr weg seid.«

Ich hatte es gar nicht so komisch gemeint, wie es sich anhörte.

Riley lachte. »Du meinst, ich brauche mal Zeit für mich?« Er stand auf, kam auf mich zu und trat näher heran, als mir lieb war.

Ganz offensichtlich forderte er mich heraus, und ich verlor, weil ich augenblicklich einen Schritt zurückwich. Verdammt. Er grinste triumphierend.

»Ich komm schon klar, Jessica.«

Die Art, wie er meinen Namen aussprach, klang noch viel mehr wie eine Beleidigung, als wenn er mich Prinzessin nannte.

»Ich habe kein Problem damit – wenn du damit klarkommst«, fügte er hinzu.

Ich stieg voll auf seine Spielchen ein und war mir dessen auch bewusst, aber ich konnte den Mund nicht halten. »Natürlich. Was für ein Problem sollte ich schon damit haben?«

Herausfordernd blickte er mich mit seinen tiefbraunen Augen an. Ich konnte die Bartstoppeln auf seinem Kinn sehen und roch den leichten Duft von Seife und Aftershave. Er sah nicht nur sehr maskulin aus, er roch auch so, und auf einmal war ich mir meines Körpers extrem bewusst, und das ärgerte mich maßlos.

»Bring Bier mit, wenn du kommst.«

»Ich bin noch keine einundzwanzig.« Nicht dass mich das jemals vom Trinken abgehalten hätte, aber ich würde Riley sicher nicht den Gefallen tun und für ihn einkaufen gehen. Ich war ihm nichts schuldig, immerhin war es Tyler, der mir einen Platz zum Schlafen angeboten hatte. Wenn ich also irgendwem zu Dank verpflichtet war, dann ihm und nicht seinem arroganten Bruder.

Riley ließ den Blick über meine Brust schweifen, als könnte er mein Alter anhand meiner Brüste abschätzen. So ein Vollidiot.

Doch dann sagte er: »Du kannst meinen Ausweis mitnehmen.«

Da musste ich lachen. »Weil wir ja auch fast Zwillinge sind.«

Er nickte. »Aber ich sehe ein kleines bisschen besser aus.«

Ich schnaubte. »Dafür habe ich schönere Haare.«

»Und ich kann mehr Whiskey trinken als du.«

»Ich bin schlauer.«

»Ich bin stärker. Wir sollten mal schlammcatchen, damit ich es dir beweisen kann.«

Ich biss mir auf die Lippe, um mir eine spöttische Bemerkung oder – was noch schlimmer gewesen wäre – ein Lachen zu verkneifen. Er verdiente meine Aufmerksamkeit überhaupt nicht oder die Bestätigung, dass er es geschafft hatte, mir auf die Nerven zu gehen – was schließlich genau seine Absicht war.

Und für einen Augenblick dachte ich darüber nach, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, auf Nathans und Bills Couch zu schlafen. Denn Riley schien der einzige Mensch zu sein, der mich zu emotionalen Reaktionen verleiten konnte – und wenn es bloß Wut war.

Und Gefühle waren gefährlich.

Denn Gefühle führten in die Falle. Ich dachte an meine Mutter, die im Haus meines Vaters in ihrem wunderschönen Gefängnis gefangen saß.

Ich würde es niemals so weit kommen lassen.

»Ich gehe morgens als Erstes ins Bad«, erklärte Riley.

Damit er wusste, dass er mich nicht einschüchtern konnte und ich selbst immer alles unter Kontrolle hatte, drehte ich mich um und ging.

2

Ich hätte Nathans Angebot, mich zu fahren, besser annehmen sollen. Doch in meinem Streben nach Unabhängigkeit wollte ich stattdessen lernen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Allerdings war der Stadtbus etwas ganz anderes als der Reisebus, mit dem wir als Kinder früher immer zum Kirchencamp gefahren waren. Als Mitglied der Gemeinde »New Hope« musste man nicht auf Komfort verzichten, um Gott näher zu sein. Mein Dad betonte immer wieder gern, dass auch Jesus lieber Sandalen getragen hatte, statt barfuß zu laufen. Ich fand nicht unbedingt, dass man den Besitz einfacher Schuhe mit einem zweitausend Quadratmeter großen Haus inklusive einem Schrank voller Designerklamotten vergleichen konnte, aber als ich das im Alter von dreizehn Jahren einmal anmerkte, musste ich für einen Monat mein Handy abgeben.

»Wenn du so gut darin bist, auf die angebliche Scheinheiligkeit anderer hinzuweisen«, sagte er, »bin ich dir gern dabei behilflich, etwas gegen deine eigene zu tun.«

Natürlich hatte er damit letztendlich nichts anderes bewirkt, als mich zur Oberscheinheiligen zu machen. Ich legte Lippenbekenntnisse für seine Kirche und ihre ganzen Regeln ab, und nichts weiter.

Wenn er eines Tages dahinterkommen sollte – was unvermeidlich war, denn mit der Zeit wurde es immer schwieriger, ihm etwas vorzumachen –, würde er mich aus seinem Leben streichen. Es musste so kommen, das wusste ich ebenso sicher, wie ich wusste, dass er einen Flachmann mit Wodka in seinem Nachttisch versteckte. Ich musste mich also auf das Unvermeidbare vorbereiten und die wahre Welt gesehen haben – oder zumindest einen größeren Teil davon als den kleinen Ausschnitt, den ich bisher davon kannte.

Also fuhr ich mit dem Bus.

Zugegeben, es war keine so großartige Idee, wenn man zwei riesige pinkfarbene Koffer mit sich herumschleppte und in seinem ganzen Leben noch nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren war.

Ein mürrischer alter Mann quatschte mich an. Er sabberte und fuchtelte wild mit den Händen in der Luft herum. Ich verstand kein Wort und wollte ihn auch gar nicht verstehen. Ich ließ mich auf einen Sitz fallen und klemmte die Koffer vor den Sitz am Fenster neben mir. Zwei Jungs im Teenageralter, deren Jeans unter ihren Hintern hingen, schubsten sich lachend durch die Gegend und machten Blowjob-Gesten in meine Richtung. Ich ignorierte sie, so gut es ging. Hätte ich sie gekannt, hätte ich ihnen was erzählt, aber ich hielt es für durchaus möglich, dass sie in diesen längst aus der Mode gekommenen unförmigen Hosen Waffen versteckt hatten oder zumindest nicht davor zurückschrecken würden, mich ernsthaft zu belästigen. Die Luft im Bus roch erbärmlich, und die Klimaanlage verteilte den Gestank nur noch. Aus Angst, meine Haltestelle zu verpassen, blickte ich jedes Mal, wenn wir abbogen, auf mein Handy, um die Straßennamen mit der Busroute zu vergleichen.

Ich hatte Riley eine SMS geschickt, dass ich gegen sechs bei ihm aufkreuzen würde, und er hatte sofort zurückgeschrieben: Yippie! Ich teilte seine Begeisterung.

Die Busfahrt bis zur Kreuzung, die Tylers und Rileys Haus am nächsten war, sollte nur dreißig Minuten dauern, und planmäßig sollte ich um 18:03 Uhr ankommen. Ich sah immer wieder auf die Uhr und wünschte, ich hätte etwas anderes an als Flip-Flops und Shorts. Ich hatte das Gefühl, als würde sich der Dreck vom Bus in meine Fersen und Waden reiben.

»Hey, Blondie«, rief einer der Jungs, kam aus dem hinteren Teil des Busses auf mich zu und setzte sich hinter mich.

Wahrscheinlich meinte er mich.

Ich sah ihn kurz an, sagte »Hey« und schaute wieder auf mein Handy. Ich hatte keine Lust, mich mit ihm zu unterhalten, aber wenn ich ihn nicht beachtete, würde er mich garantiert als arrogantes Miststück beschimpfen. Manchmal konnte man als Frau einfach nur verlieren.

»Wo geht’s denn hin? Das hier is’ nich’ grad deine Gegend.«

»Ich ziehe bei meinem Freund ein«, sagte ich ausdruckslos. Er sollte ruhig denken, ich hätte einen krassen Drogendealer zum Freund.

Seine Augenbrauen schossen in die Höhe, und er sah mich ungläubig an. Er war vielleicht gerade mal fünfzehn und hatte bloß eine große Klappe. Wahrscheinlich wog er weniger als ich, denn durch sein Basketballshirt konnte ich seine Rippen sehen. »Und dein Freund wohnt hier?«

Doch ich antwortete nicht darauf, weil meine Haltestelle nur noch ein paar Meter entfernt war, und der Fahrer keine Anstalten machte, langsamer zu fahren.

»Hält er hier gar nicht an?«, rief ich entgeistert, sprang auf und hängte mir meine Handtasche wie eine Umhängetasche über den Kopf. Der Trageriemen war viel zu kurz dafür, und die Tasche schnitt mir in die Achsel, aber ich brauchte beide Hände für die Koffer. Und vielleicht auch, um mich auf den Fahrer zu stürzen, wenn er nicht gleich anhielt. Ich wollte mein kleines Gesellschaftsexperiment endlich beenden und keine Sekunde länger in diesem Bus sein. Trotz der kalten Luft von der Klimaanlage schwitzte ich unter den Armen, denn ich war zugegebenermaßen etwas gestresst.

Der Junge sah mich an wie eine Vollidiotin. »Wenn du aussteigen willst, musst du ziehen.« Er griff nach einer wäscheleinenartigen Schnur über dem Fenster und zog daran, woraufhin ein Klingeln ertönte.

»Oh.« Klar. Der Fahrer war wohl doch nicht verrückt. »Danke.« Der Bus bremste ab, und ich zog meine Koffer in den Gang, wobei ich wünschte, Kylie hätte mir nicht diesen blöden Aufkleber auf den Koffer geklebt: Hör auf, mich zu verfolgen. Folge Jesus.

Irgendwie hatte ich erwartet, der Typ würde mir helfen, wenn er schon unbedingt mit mir flirten wollte. Aber stattdessen ging er um meine Koffer herum, als wären sie nichts weiter als ein Hindernis, selbst als einer gegen den gegenüberliegenden Sitz fiel. Sein Freund folgte ihm. Als der Bus anhielt, stolperte ich mit den Koffern im Schlepptau den Gang entlang, und für den Fall, dass der Busfahrer nicht nach hinten sah, rief ich ihm zu: »Ich steige hier aus!«

Ungeduldig, weil ich so lange zum Aussteigen brauchte, beobachtete er mich in seinem großen Rückspiegel.

»Danke«, rief ich außer Atem und fiel in einer Lawine aus Haaren und Gepäck die Treppe hinunter. Auf dem Gehweg sortierte ich mich erst mal, sodass ich mit jeder Hand einen Koffer ziehen konnte. Den beiden Jungs, die jetzt an der Ecke herumlungerten, schenkte ich keinerlei Beachtung. Sie schienen es nicht besonders eilig zu haben und standen einfach nur rum. Ihre Gürtel hielten kaum ihre Hosen an ihrem Platz, und auf ihren Armen waren schon die ersten Tattoos zu sehen. Es war heiß auf der Straße, in der feuchten Luft hing ein Gerüchemix aus Autoabgasen und Hähnchenbude. Als ich mich in Bewegung setzte, war mein Nacken bereits klitschnass.

Ich merkte sofort, dass die Typen mir folgten. Also blieb ich stehen und holte mein Handy raus, um zu schauen, ob ich in die richtige Richtung ging. Dann versuchte ich, Riley anzurufen, und klemmte mir das Handy zwischen Schulter und Ohr, sodass ich weiterlaufen konnte. Ich glaubte zwar nicht, dass er rangehen würde, weil ich keinen einzigen Kerl kannte, der gleich ans Telefon ging, aber so langsam wurde mir etwas mulmig zumute. Die Gegend war genau, wie ich sie mir vorgestellt hatte, und obwohl es bloß nach niedrigen Einkommensverhältnissen aussah, hatte ich das Gefühl, ziemlich offensichtlich nicht hierherzugehören. Die Straße bestand aus leeren Ladenlokalen, einem schäbigen Restaurant, einem Tattoostudio, einem Kiosk, und sie hatte Schlaglöcher, die so groß waren wie ein VW Beatle. Die Häuser in der Seitenstraße, in die ich jetzt abbog, standen dicht an dicht und waren klein und teilweise ziemlich heruntergekommen. Der Rasen in den Vorgärten – sofern es denn Rasen gab – war vertrocknet, braun und staubig oder von kniehohen Disteln übersät. Während ich den Gehweg entlangtrottete, schlug mir meine Handtasche mit jedem Schritt gegen die Brust.

Riley ging tatsächlich ans Telefon. »Hallo?«

»Hi! Ich bin’s, Jessica. Ähm, ich bin schon fast da. Ich, äh, hab den Bus genommen und bin jetzt in deiner Straße und …«

Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie er die Stirn runzelte. »Du bist mit dem Bus gefahren?«

»Ja. Und ich glaube, dass diese Typen mich verfolgen«, murmelte ich so leise wie möglich.

»Was? Verdammt.« Ich hörte ein Rascheln. »Geh weiter. Ich komme dir entgegen.«

»Okay.« Als ich versuchte, das Gespräch zu beenden, fiel mir das Handy runter. Ich beugte mich vor, um es aufzuheben, und sah dabei zurück zu den beiden Typen.

Der eine trug ein seitlich aufgesetztes Basecap, und in der Hitze hatten beide jetzt ihre Shirts ausgezogen. Während der eine braun gebrannt war, leuchtete der andere krass weiß und hatte nicht ein Haar auf der Brust. Er kniff gegen die Sonne die Augen zu und sah dadurch aus wie ein Maulwurfbaby. Da ich nun wusste, dass Riley jeden Moment da sein würde, war ich wegen ihres Verhaltens mehr genervt als verängstigt.

»Warum hat dein Freund dich denn nicht abgeholt?«, rief der Typ mit dem Cap.

Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich ein Auto die Straße entlangkommen. »Tut er ja.« Erleichtert stellte ich fest, dass es Riley war, der jetzt neben mir hielt.

Er ließ den Motor laufen und stieg aus. Riley trug ebenfalls kein T-Shirt, und ich schüttelte mir die verschwitzten Haare aus den Augen, um einen kurzen Blick auf seine Brust zu werfen. Doch in diesem Moment war es mir wichtiger, rasch ins Auto einsteigen zu können und Beavis and Butt-Head zu entkommen. Ich zog bereits einen Koffer auf die Straße, als Riley auf mich zukam, mir kurz zunickte und den anderen Koffer nahm.

»Was geht«, sagte er lässig zu den Typen, aber seine Schultern waren angespannt, als er den Koffer hinter sich herzog und den beiden unmissverständlich den Rücken zuwandte. Sie sahen nicht gerade nach einer Bedrohung für Riley aus, denn sie waren ihm körperlich bei Weitem unterlegen. Ich fühlte mich gleich ein wenig besser.

»Deine Alte is’ heiß«, sagte der dürre Kerl.

Himmel. Jetzt fühlte ich mich aber geschmeichelt. Die Typen fanden mich scharf. Ich verdrehte die Augen, als ich den Kofferraum öffnete und den Koffer hineinwuchtete.

»Danke«, war alles, was Riley sagte. Er gab mir ein Zeichen einzusteigen, also tat ich es.

Nachdem er den anderen Koffer auf die Rückbank gelegt hatte, richtete er sich auf und sagte zu den beiden in beiläufigem freundlichen Ton: »Wenn ihr sie noch mal hier in der Gegend seht, wechselt ihr die Straßenseite, kapiert? Ihr guckt sie nicht an, ihr redet nicht mit ihr. Haltet einen Abstand von mindestens fünf Metern, oder ich mach euch fertig ohne weitere Vorwarnung.«

»Hey, wir wollten doch gar keinen Ärger machen«, sagte der eine beunruhigt und hob abwehrend die Hände.

Sie taten mir fast leid – aber auch nur fast. Schließlich hatten sie mich nun mal belästigt, und das war einfach scheiße. Eine Frau sollte die Straße entlanggehen können, ohne sich irgendwelchen Mist anhören zu müssen.

»Gut.« Riley stieg ein und fuhr los. Er wendete an der nächsten Einfahrt, während ich mir die Handtasche über den Kopf riss und den Arm zum Auslüften aus dem Fenster hielt.

Ich hob die Haare in meinem Nacken und steckte sie zu einem Knoten hoch, der für die kurze Strecke zum Haus halten sollte. »Verdammt, ist das heiß. Danke, dass du mich eingesammelt hast.«

»Warum bist du überhaupt mit dem Bus gefahren?« Riley sah mich an und schüttelte amüsiert den Kopf. »Weißt du denn nicht, was für Leute mit dem Bus fahren?«

»Pubertierende Jungs und alte Männer, die nach Pisse riechen?«

»Ganz genau.« Er lachte. »Willkommen im Paradies, Jessica.«

»Es war gar nicht so schrecklich«, sagte ich, und das stimmte ja auch. Es war eher nervig gewesen. Besonders jetzt, wo ich mich in Rileys Auto und null in Gefahr befand, erschien mir die Fahrt mit dem Bus nur noch halb so wild. Ich war sogar ein bisschen stolz darauf, es ganz allein geschafft zu haben. Na ja, fast zumindest. Ohne Riley wäre es wahrscheinlich etwas unangenehmer ausgegangen, aber trotzdem hielt ich die Typen eigentlich nicht für gefährlich. Andererseits sagte Kylie immer, ich würde Probleme herunterspielen, und damit hatte sie wohl recht. Immerhin waren die Probleme mit meinen Eltern schon vorprogrammiert, da ich sie angelogen hatte und nun in diese heruntergekommene Gegend zu Riley zog, statt ganz woanders Häuser für Bedürftige zu bauen. Das würde zweifellos Ärger geben, sollten sie es jemals herausfinden.

Allerdings konnten die Mann-Brüder selbst als bedürftig gelten, so wie das Haus aussah, vor dem wir jetzt hielten. Es war, offen gesagt, eine Bruchbude, um die sich schon ziemlich lange niemand mehr gekümmert hatte. Genau wie ich es mir vorgestellt hatte, aber der Anblick des Bungalows in der flirrenden Hitze war auch beim besten Willen nicht schönzureden.

»Du bist echt nicht zimperlich, das muss ich schon sagen«, meinte Riley.

»Soll das ein Kompliment sein?« Dummerweise gefiel mir das sogar – warum nur? Es war ja noch nicht mal ein überschwängliches Lob. Aber ich rühmte mich gern damit, stark zu sein, und daher freute es mich, dass er mich dafür hielt.

»Keine Sorge, wenn überhaupt, dann ist es auf jeden Fall ein zweischneidiges Kompliment«, versicherte er mir, als er den Motor ausschaltete. »Warum hast du eigentlich so viele Sachen dabei, als würdest du für ein Jahr nach Europa gehen? Ich dachte, du bleibst nur eine Woche.«

Wie sollte ich das erklären, ohne zu lügen? Ich wollte ihm nur ein paar Informationen vorenthalten, nicht total unehrlich sein. Aber dass ich meine Eltern anlog, sollte er nicht wissen. »Das sind alle Sachen aus dem Wohnheim. Na ja, ziemlich viele davon. Kylie hat ein paar meiner Sachen zu sich nach Hause mitgenommen, aber ich konnte sie schlecht bitten, alles einzupacken. Das hätte auch gar nicht in Marks Auto gepasst.«

»Wer ist Mark?«

Das war alles, was er wissen wollte? Juhu. Einfach zu beantworten. »Ein Typ vom College, mit dem Kylie und ich zusammen zur Schule gegangen sind und der ein Auto hat. Er nimmt uns mit, wenn unsere Eltern uns nicht abholen.« Auf der Stelle bereute ich, dass ich unsere Eltern erwähnt hatte. Ich wollte nicht, dass Riley mich nach meinen fragte.

Aber das Gespräch schien für ihn beendet zu sein, denn er stieg aus dem Wagen und gewährte mir einen Blick auf seinen prachtvollen Hintern. Er trug eine Jeans, die genauso saß, wie sie es bei einem Kerl sollte: nicht zu locker, nicht zu eng und auf den Hüften sitzend. Seine Rückenmuskulatur trat deutlich hervor, als er sich aufrichtete.

Hallo? Was war denn hier los? Ich wollte doch ausblenden, wie äußerst attraktiv er war. Das Abkommen hatte ich mit mir selbst geschlossen, während ich die letzten zwei Tage meine Sachen gepackt hatte. Denn nur dann konnte ich es vor mir selbst rechtfertigen, dass ich bei Riley wohnte. Ich hatte hoch und heilig und auf meine Lieblingsjeans von Guess geschworen, dass ich nichts an ihm beachten würde, außer wie nervig er war.

Ich machte die Hintertür auf, um den zweiten Koffer von der Rückbank zu heben, aber er zog ihn bereits auf der anderen Seite heraus.

»Danke«, sagte ich.

»Keine Ursache.« Er betrachtete den Aufkleber und grinste. »Waren deine neuen Freunde eigentlich schon mit dir im Bus?«

»Ja. Ich glaube, sie sind mir hinterhergekommen.«

»Das sind sie auf jeden Fall. Du fällst ja auch auf wie ein pinkfarbener Hund.«

»Haha. Die Typen waren aber nicht besonders gefährlich, oder?« Wenn ich nicht völlig falschlag, dann hatte keiner von beiden eine Waffe getragen. Andererseits hatten ihre Jeans ausgesehen wie Müllsäcke, daher konnte ich mir kaum sicher sein.

»Für mich nicht. Aber für dich? Vielleicht. Es war auf jeden Fall eine weise Entscheidung, mich anzurufen.«

»Danke, Papi.« Ich wollte nach einem der Koffer greifen, um ihn die Auffahrt hochzuziehen, aber Riley winkte ab und nahm beide.

»Dein Sarkasmus nervt«, sagte er.

»Warum? Weil er dich an dich selbst erinnert?«, gab ich zurück und folgte ihm über den Kies und die morschen Stufen zur Tür hinauf. Ich hätte beinah gefragt, ob sie unser Gewicht wohl aushalten würden, aber dann fiel mir noch rechtzeitig ein, dass das ziemlich unhöflich gewesen wäre.

»Gut möglich«, räumte er ein.

Die Tür war nicht abgeschlossen. Er stieß sie auf und machte eine einladende Geste. »Mi shitty casa es su shitty casa.«

»Ihr solltet euch einen Fußabtreter mit dem Spruch besorgen«, sagte ich und ging an ihm vorbei, ohne seine Brust oder seine Augen zu beachten. Beides war viel gefährlicher für mich als diese Typen aus dem Bus. Doch trotz meiner Bemühungen streifte mein Arm seine Brustmuskeln. Seine Haut war warm.

»Wenn wir ’nen Abtreter hätten, würde der sofort geklaut werden«, sagte er.

Ich betrat das stickige Wohnzimmer. Es gab keine Klimaanlage. Na toll. Dafür roch es nach abgestandenem Rauch und Jungs. Den Geruch nach Jungs konnte ich ja manchmal tolerieren, aber nicht den nach Zigaretten. Ich rümpfte die Nase, ging weiter und blickte in eine kleine Küche, wobei ich mir Mühe gab, nicht so auszusehen, als würde ich sie begutachten.

»Willst du immer noch hier wohnen?«, fragte Riley.

Ich drehte mich um und sah, dass er mich aufmerksam beobachtete. Meine Koffer standen griffbereit links und rechts zu seinen Füßen.

Nein, eigentlich wollte ich es nicht.

»Rory kommt mit dem Saustall hier klar, aber Rory ist auch in Tyler verschossen. Aus irgendeinem Grund sind die Leute eher bereit, eine Menge Mist zu tolerieren, wenn sie verknallt sind. Du kannst es dir immer noch anders überlegen.«

Das Angebot war verlockend. Der Teppich war schmutzig, voller Straßendreck und undefinierbarer Flecken. Die Couch war durchgesessen und früher vielleicht mal rot kariert gewesen, aber es war schwer zu sagen. Der Couchtisch aus Eichenholz war mit Schachteln von Videospielen übersät, dazwischen stand ein überquellender Aschenbecher. Es gab keine Vorhänge, nur ein mit Reißzwecken befestigtes Laken. Ich wollte kneifen, das kann ich nicht leugnen. Aber es wäre einfach zu unhöflich gewesen. Wenn ich irgendetwas Positives aus meiner Kindheit mitgenommen hatte, dann waren es Manieren, die sich ausgerechnet dann bemerkbar machten, wenn ich am wenigsten damit rechnete. »Nein, schon gut. Ich weiß es zu schätzen, dass du dich darauf einlässt. Schließlich war es Tylers Idee, und wir beide sind ja nicht gerade die besten Freunde.«

Er zuckte mit den Schultern. »Kein Ding. Ist ja genug Platz, weil die Jungs alle weg sind.«

»Danke, trotzdem.« Überschwänglicher würde ich nicht werden, daher hoffte ich, dass er mir glaubte.

»Gern geschehen.«

Trotzdem konnte ich nicht anders, als zu fragen: »Kann ich mal ein Fenster aufmachen? Ich hab Asthma, und ich mache mir etwas Sorgen wegen dem Rauch.« Das stimmte nicht so ganz – im Grunde stimmte es gar nicht. Aber in zehn Minuten würde ich einen Hustenanfall erleiden, wenn ich nicht frische Luft bekäme.

Riley warf mir einen skeptischen Blick zu. »Du hast kein Asthma. Du sagst das nur, weil es hier drin stinkt.«

Bingo. »Was? Natürlich habe ich Asthma. Warum sollte ich dich anlügen? Woher willst du das überhaupt wissen?« Vielleicht verteidigte ich mich etwas zu vehement. Ich sagte nichts mehr. Meine Wangen glühten, weil er mich beim Lügen erwischt hatte.

»Ich weiß das, weil ich dich mitten im Winter draußen gesehen hab. Ich hab dich die ganze Nacht in ’nem Club tanzen gesehen, und ich hab schon mitbekommen, dass du reden kannst wie ein Wasserfall. Aber ich hab dich noch nie mit ’nem Asthmaspray sehen. Außerdem hast du das noch nie vorher erwähnt, und Tyler und Nathan rauchen die ganze Zeit in Nathans Apartment.«

Verdammt. Warum konnte er nicht blöd sein? Dann könnte ich ihn viel leichter manipulieren. »Okay, du hast recht. Aber ich reagiere nun mal empfindlich auf Rauch. Außerdem würde es sich etwas abkühlen, wenn wir lüften.«

»Dann kommt die Hitze erst recht rein.«

»Nein, tut sie nicht. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.« Ich ließ mich auf die Couch fallen, und mein Hintern berührte fast den Boden, so tief sank ich ein. Ich hatte das Gefühl, von einem Riesenmarshmallow umarmt zu werden.

»In wie vielen Häusern ohne Klimaanlage hast du bisher gewohnt?«

Was sollte ich darauf antworten? »In keinem. Aber das ändert nichts daran, dass deine Logik unlogisch ist.«

»Das ist eine vollkommen absurde Aussage. Und ich habe recht. Tagsüber lässt man die Fenster zu und verhängt sie, und nachts, wenn es kühler ist, macht man sie auf.«

»Und wann kann ich sie dann öffnen? Gibt es eine festgelegte Uhrzeit dafür? Oder fliegen sie bei Sonnenuntergang automatisch auf?« Ich hustete, tat es jedoch nicht mit Absicht. Der Rauchschleier machte mir wirklich zu schaffen, aber vielleicht brauchte ich auch einfach nur einen Schluck Wasser – in jedem Fall war es ziemlich schlechtes Timing.

Riley schnaubte. »Oh, Prinzessin, damit gewinnst du keinen Oscar, aber du kriegst gerne einen Trostpreis. Hör zu, ich glaube, wir brauchen ein paar Hausregeln.«

»Oh, toll.«

»Komm, wir gehen kurz raus.«

Warum wurde ich auf einmal so misstrauisch? »Wozu?«

»Damit wir draußen darüber reden können. Draußen stinkt’s nicht. Jedenfalls nicht nach Rauch.«

»Versuchst du gerade, zuvorkommend zu sein?«, zog ich ihn auf, aber ich war tatsächlich etwas beeindruckt.

»Schon möglich. Du solltest es genießen, solange du kannst.«

Doch dann zweifelte ich daran, dass es tatsächlich zuvorkommend gemeint war, denn er griff nach einer Packung Zigaretten auf dem Couchtisch.

Vielleicht könnten wir eine Hausregel einführen, die besagte, dass er ein T-Shirt tragen musste, denn seine nackte Haut hatte einen komischen Einfluss auf meinen Kopf – und meine Hormone. Er hatte das gleiche Tattoo wie Tyler. Die Worte TRUE Family prangten in Tribal-Schrift auf seinem Bizeps. Rory hatte mir erzählt, dass TRUE die Initialen der vier Jungs waren und ihre Zusammengehörigkeit ausdrückten. Sie waren immer füreinander da, trotz der Tatsache, dass ihr Vater im Gefängnis saß und ihre Mutter ihre Kinder vernachlässigt hatte und drogensüchtig gewesen war, bevor sie verstarb.

Wie es wohl wäre, solche Geschwister zu haben, statt meinem selbstsüchtigen, hinterlistigen Bruder? Wie es wohl wäre, wenn Riley Mann für einen eintreten würde? Trotz der Hitze erschauderte ich, und ich konzentrierte mich auf seine anderen Tattoos: den schreienden Totenkopf, der seine Seite zierte, und das seltsame Ding auf seiner Brust, das vielleicht einen geflügelten Werwolf darstellen sollte, vielleicht aber auch nicht.

Ich folgte ihm durch die Küche zur hinteren Tür hinaus in den Garten, wo er sich an einen alten, schrottreifen Picknicktisch setzte, von dem die Farbe abblätterte. Vorsichtig nahm ich ihm gegenüber Platz. Ich hatte Angst, Splitter in den Hintern zu bekommen oder eine Bleivergiftung von den Farbkrümeln, die an meinen Handflächen klebten, nur weil ich mich kurz auf dem Holz abgestützt hatte. Riley zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die andere Richtung. Er rauchte die gleiche Marke wie sein Bruder, und er sah Tyler ziemlich ähnlich, sodass ich mich nicht zum ersten Mal fragte, warum ich bei ihm so viel mehr auf der Hut war als bei Tyler. Bevor Tyler und Rory zusammengekommen waren, hatte ich sogar Sex mit Tyler gehabt, und zwar mehr als einmal, und trotzdem hatte ich ihn immer nur als Freund gesehen. In seiner Gegenwart fühlte ich mich immer wohl. Bei Riley hingegen war das anders, und ich konnte mir verdammt noch mal nicht erklären, warum.

Ich fühlte mich auf eine Art zu ihm hingezogen, die ich von Tyler nicht kannte, und das ärgerte mich.

Vielleicht lag es daran, dass Tyler so viel ernster war, wohingegen Riley seine Gefühle hinter seinem Humor versteckte. Es war unmöglich zu sagen, was er dachte oder fühlte – und das fand ich gleichermaßen nervig und sexy.

»Und, was ist jetzt mit den Hausregeln?«, fragte ich. »Ich kann es kaum erwarten zu hören, was du dir so vorstellst.« Ich wusste jetzt schon, dass es mich ankotzen würde, aber es war mir weitaus lieber, wütend zu werden, als noch länger darüber nachzudenken, warum ich bei seinem bloßen Anblick bereits feucht wurde.

»Ich will kein Arsch sein«, fing er an.

Das war ja schon mal vielversprechend.

»Aber es ist nun mal mein verdammtes Haus, und ich sollte in meinem eigenen Haus tun und lassen können, was ich will.«

Perfekt. »Wenn das deine Interpretation von ›kein Arsch sein‹ ist, bin ich sehr gespannt, was als Nächstes kommt.«

Er schnitt eine Grimasse und zog an seiner Zigarette. »Aber, solange du hier bist, werde ich im Haus nicht rauchen. Es ist Sommer, ich kann also genauso gut rausgehen. Und ehrlich gesagt ist Tyler hier der eigentliche Nikotinjunkie. Ich rauche nur zwei oder drei am Tag.«

Das war in der Tat ziemlich nett – wahrscheinlich das Netteste, was er jemals zu mir gesagt hatte –, und mir fiel keine schlagfertige Antwort darauf ein. »Danke.«

Doch dann konnte ich es mir nicht verkneifen, noch hinzuzufügen: »Wenn du eh nur zwei oder drei am Tag rauchst, warum hörst du dann nicht einfach ganz auf?«

Genervt sah er mich an. »Hat dich irgendwer nach deiner Meinung gefragt?«

Jetzt war ich eh schon dabei, da konnte ich genauso gut sagen, wie ich darüber dachte. Es war eine Sache, dass er seine eigene Lunge ruinierte, aber seine jüngeren Brüder, die mit ihm im Haus lebten, hatten keine Wahl. »Ich glaube nicht, dass Passivrauchen für Jayden und Easton so gut ist.«

Sein jüngerer Bruder Jayden war achtzehn und hatte Downsyndrom. Er war immer fröhlich und lachte viel, und man musste ihn einfach gernhaben. Easton war gerade erst elf, und es schien ein Geheimnis zu sein, wer sein Vater war. Er war immer sehr ernst und still, und wir waren uns erst ein paarmal über den Weg gelaufen, aber ehrlich gesagt hat er mich jedes Mal irgendwie nervös gemacht. Trotzdem verdiente er es nicht, wegen seines Bruders Lungenkrebs zu kriegen.

Rileys Unterkiefer verkrampfte sich, er war sauer. »Hausregel Nummer eins: Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß.«

»Das ist ein bisschen schwammig«, entgegnete ich. »Ich meine, ich wohne bei dir, da stecke ich doch automatisch in deinen Angelegenheiten mit drin.«

»Okay, wie wäre es damit: Du wohnst hier, ohne einen Penny dafür zu bezahlen, und ich bin derjenige, der dich hier wohnen lässt. Wenn du mich dafür kritisiert, wie ich mit meinen Brüdern umgehe, setze ich dich und deine verdammten rosa Koffer vor die Tür.« Zur Bekräftigung seiner Worte blies er mir eine Rauchwolke ins Gesicht.

Okay, vielleicht war ich etwas zu weit gegangen. Ich wollte damit ja nicht sagen, dass er seine Brüder mies behandelte. Na ja, wahrscheinlich hatte ich das in Bezug aufs Rauchen schon so gemeint, aber nicht im Allgemeinen. »Okay. Tut mir leid.«

»Es hat dich jetzt ziemliche Überwindung gekostet, das über die Lippen zu bringen, oder?«, fragte er und grinste plötzlich.

Ja. »So ein Quatsch, natürlich nicht. Ich hätte das nicht sagen sollen. Nur weil es für die Jungs ungesund ist, heißt das ja nicht, dass ich dich darauf hinweisen muss.« Hmm. Das war eigentlich keine besonders tolle Entschuldigung. Ich versuchte, meine innere New-Hope-Bibelschülerin heraufzubeschwören, die immer höflich und nett und unvoreingenommen war. Aber der Teil von mir kam mir irgendwie immer abhanden, wenn ich nicht zu Hause in Troy war, und meistens war mir das auch ganz recht.

Riley verdrehte die Augen. »Regel Nummer zwei: Mach mich nicht wütend.«

»Ich dachte, bei den Hausregeln würde es mehr darum gehen, dass ich meinen Abwasch mache und die Tür abschließe, wenn ich gehe. Solche konkreten Sachen halt, an die ich mich auch halten kann. Ich hab das Gefühl, du willst, dass ich an deinen Regeln scheitere.«

»Und ich hab das Gefühl, du willst, dass ich noch ein Magengeschwür bekomme.« Er fasste sich an die Brust, als hätte er Schmerzen, und schnitt eine Grimasse. »Oder einen Herzinfarkt.«

Ich lachte. »Wer von uns wollte doch gleich einen Oscar gewinnen?«

»Ich stehe um sieben auf.«

»Morgens? Oh.«

»Von daher wäre ich froh, wenn du nach elf keinen Krach mehr machst, denn dann liege ich im Bett.«

Warum lief mir denn jetzt ein Schauer über den Rücken? Es war eine Affenhitze draußen. Oh, ja, ich wusste, warum. Es lag daran, dass Riley das Wörtchen »Bett« gebraucht hatte. Ich stellte ihn mir nackt vor, mit dem Laken bis zur Taille. »Klar, kein Problem. Ich arbeite von drei bis elf, aber ich bin leise, wenn ich nach Hause komme.«

»Du hast doch wohl nicht vor, abends mit dem Bus zu fahren, oder?« Bei dem Gedanken schien der Schmerz in seiner Brust stärker zu werden.

»Nein. Ich nehme ein Taxi. Das wird ja nicht mehr als zehn Kröten oder so kosten.«

»Du kannst in Jaydens und Eastons Zimmer schlafen. Da gibt’s ’ne Klimaanlage.«

Ja! Ja, ja, ja! »Echt? Oh Gott, ich liebe dich.« Ich hatte schon befürchtet, mich nachts verschwitzt und mit klebrigen Schenkeln hin und her zu wälzen. »Und wo schläfst du?«

»Ich hab auch ’ne Klimaanlage im Zimmer. Nur bei Tyler ist keine.«

Ich hätte ja lieber in Tylers Zimmer geschlafen statt in einem Zimmer, in dem sonst zwei pubertierende Jungs wohnten. Aber kühle Luft war mir eindeutig wichtiger als ein Zimmer ohne jugendlichen Mief. »Und warum hat Tyler keine?«

»Weil er ein Arsch ist.«

»Ah ja. Dann hätten wir das ja geklärt.« Ich verdrehte die Augen und zupfte an meinem T-Shirt, um die Luft zwischen meinen Brüsten zu bewegen.

»Du kannst in der Küche alles benutzen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, warum du das tun solltest. Dank Rory haben wir auf jeden Fall richtige Küchensachen. Sie backt und so.«

»Ich werde nicht backen.« Mir wäre so ziemlich jede andere Beschäftigung lieber.

»Das überrascht mich nicht. Du und Rory habt nicht viel gemeinsam, oder?«