Tu, was du liebst! - Beth Kempton - E-Book

Tu, was du liebst! E-Book

Beth Kempton

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Beschreibung

In acht Schritten zur persönlichen Freiheit. Tun, was man wirklich liebt – das machen viel zu wenige Frauen. Häufig fühlen sie sich fremdbestimmt, leiden unter den Verpflichtungen des Alltags und vermissen Kreativität und Lebensfreude. Mit Beth Kemptons Programm lernen Frauen, wie sie selbst zu mehr Freiheit und Glück gelangen. Praktische Tipps und Übungen stärken das Selbstbewusstsein und zeigen den Frauen, wie sie zu Himmelsstürmerinnen werden.

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Das Buch

»Freiheit ist ein leichtes Herz, ein klarer Kopf, ein freundliches Lächeln. Sie streift durch unseren Geist und nährt die tiefsten Sehnsüchte unserer Seele. Sie ist ich. Ich bin sie.«

Beth Kempton

Wer kennt nicht das Gefühl gefangen zu sein – gefangen von den Umständen, von Beziehungen, finanziellen Sorgen, Glaubensgrundsätzen oder von Zweifeln und Angst? So ging es auch Beth Kempton, und sie machte sich auf, nach der im alltäglichen Leben verlorengegangenen Freiheit zu suchen. In Tu, was du liebst! vereint sie Erkenntnisse, Techniken und Weisheiten, die sie auf ihrem Weg gesammelt hat. Mit ihren acht Schlüsseln zur Freiheit zeigt sie,

· wie wir erkennen, was uns wirklich wichtig ist

· wie wir von Sorgen zu einem Gefühl der Lebendigkeit und Inspiration gelangen

· wie wir den Mut finden, unsere Zukunft aktiv zu gestalten

· wie wir uns freier und glücklicher fühlen

Die Mischung aus Weisheit und praktischen Tipps macht dieses Buch zu einem modernen Manifest der Freiheit, das den Weg zu einem vitalen, glücklichen und selbstbestimmten Leben weist.

Die Autorin

Beth Kempton studierte Japanologie und ist heute Autorin, Unternehmerin und Mutter. Sie leitet ihr erfolgreiches Unternehmen Do What You Love, das Online-Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung anbietet. Ziel ihrer Kurse ist es, allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben mit persönlicher, finanzieller und beruflicher Freiheit zu ermöglichen.

Sie selbst nennt sich eine Wanderin und Abenteuerin und hat über 50 Länder bereist, dort gelebt und gearbeitet. Beth Kempton lebt mit ihrer Familie in England.

dowhatyouloveforlife.com

BETH KEMPTON

TU, WAS DU LIEBST!... UND LEBESELBSTBESTIMMTUND FREI

Aus dem Englischen von Carina Tessari und Ulrike Kretschmer

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Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

Hinweis zu Urheberrechten

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ISBN: 978-3-8437-1559-1

Wichtiger Hinweis

Die Ratschläge in diesem Buch sind vom Autor und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten therapeutischen oder medizinischen Rat. Jeder Leser ist für sein eigenes Handeln selbst verantwortlich. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen daher ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens des Verlages oder des Autors. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden oder die Inhalte von Webseiten Dritter ist ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem TitelFreedom Seeker: Live More. Worry Less. Do What You Loveim Verlag Hay House.

© der deutschen Ausgabe 2017 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

© der Originalausgabe 2017 by Beth Kempton

All Rights Reserved.

Übersetzung: Carina Tessari (Vorwort–Kapitel 12), Ulrike Kretschmer (Kapitel 13–DO WHAT YOU LOVE)

Lektorat: Barbara Krause

Illustrationen: Liam Frost

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis
Über das Buch/ Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Epilog
Danksagung
Deine Mitreisenden auf der Suche nach Freiheit
DO WHAT YOU LOVE
Feedback an den Verlag
Empfehlungen

Für Sienna und MaiaMöget ihr immer frei fliegen

Vorwort

Früher war Freiheit etwas für mich, das die Welt erobern wollte, mit im Fahrtwind wehenden Haaren, das Autoradio voll auf­gedreht.

Ich stellte sie mir als Abenteurerin vor, als neugierig und gefühlvoll, als jemand, die ständig Neues entdecken wollte und immer auf der Suche nach dem Schönen war. Die mit Blumen im Haar und den Taschen voller Sternenstaub glücklich durch ferne Länder streifte. Die Wunder zum Frühstück verputzte und Adre­nalin zum Mittagessen vernaschte. Abenteuer waren für sie wie die Luft zum Atmen. Selbstverständlich. Unentbehrlich.

Ich war zwanzig. Und hatte ein gesundes Selbstvertrauen. Freiheit war meine unerschrockene Reisegefährtin auf meiner aufregenden Jagd durchs Leben.

Wenn ich heute zurückschaue, weiß ich nicht mehr genau, wann unsere Wege sich trennten. Wir hatten keine Krise, und sie war auch nicht von heute auf morgen einfach weg. Sie verschwand vielmehr jeden Tag ein Stück mehr aus meinem Bewusstsein, bis ich eines Tages feststellte, dass sie nicht mehr da war.

Seitdem bin ich auf der Suche nach ihr.

Wo ist sie, wenn wir heiraten, Eltern werden, uns zu einem Rädchen im alltäglichen Getriebe entwickeln? Wenn uns der Karrieredruck auffrisst? Oder die Bedürfnisse von Kindern alles auf den Kopf stellen? Wenn uns Geldsorgen plagen und der Druck immer größer wird? Wenn wir ernsthaft krank werden oder miterleben, wie andere leiden?

Wo ist sie, wenn uns die Stimme in unserem Kopf sagt, dass unsere Träume eine Nummer zu groß für uns sind oder dass es zu spät dafür ist? Wenn wir von den Menschen, die uns nahe­stehen, zu hören bekommen, dass man mit Leidenschaft keine Rechnungen bezahlen kann? Und überhaupt, wie kommen wir eigentlich dazu, solche Träume zu haben?

Was ist, wenn uns Abenteuer wie ein Luxus aus ferner Vergangenheit vorkommen? Und uns der Gedanke, das zu tun, was wir lieben, egoistisch und unrealistisch erscheint? Wo ist sie dann, die Freiheit?

Viele von uns bauen sich ein Leben auf, in dem Freiheit keinenPlatz findet. Wir stopfen unsere Tage mit Arbeit voll, unsere ­Ohren mit Lärm und unsere Schränke mit Dingen. Wir laden uns Sorgen auf, Schulden, Verpflichtungen, den Kummer unserer Mitmenschen. Wir stellen Vermutungen an und laufen blind Trends hinterher. Wir halten uns viel zu oft an die Regeln.

Wir jagen genau dem Erfolg nach, der uns letzten Endes im Weg steht. Das, was wir dachten zu wollen, macht uns in Wirklichkeit nicht glücklich. Statt auf uns selbst zu hören, hören wir viel zu oft auf die falschen Menschen.

Dieses Buch ist das Ergebnis einer jahrelangen Suche nach meiner alten Freundin Freiheit, durch mein alles veränderndes Eheleben hindurch, die Widrigkeiten des Mutterseins und den Druck der Selbstständigkeit.

Und was soll ich sagen: Ich habe die ganze Zeit am falschen Ort gesucht.

Freiheit ist etwas, das wir in uns finden. In der Art, wie wir lachen, und der Art, wie wir lieben. In den Wahrheiten, nach denen wir leben, und den Geschichten, zu denen wir werden. Sie ist ein leichtes Herz, ein klarer Kopf, ein freundliches Lächeln. Sie streift durch unseren Geist und nährt die tiefsten Sehnsüchte unserer Seele.

Sie ist ich. Ich bin sie.

Aber die Sache ist die: Manchmal will es das Leben, dass wir in zwei Hälften geteilt werden. Der eine Teil gerät in einen Käfig – sitzt fest hinter Gitterstäben aus Schuld, Sorge, Verpflichtung, Erschöpfung und vielem mehr. Die gute Nachricht ist, dass der andere Teil von uns immer frei ist, auch wenn es sich nicht so anfühlt. Das Entscheidende ist, zu erkennen, wenn wir in einer Falle sitzen, und zu wissen, wie wir wieder herauskommen, ganz gleich, was das Leben für uns bereithält.

Vielleicht gelingt es uns ja, dem einen Käfig zu entfliehen, nur um dann festzustellen, dass wir bereits im nächsten sitzen. Dieser Kreislauf von Eingesperrtsein und Entfliehen ist ein ganz natürlicher Prozess, etwas, woran wir Menschen reifen. Jedes Mal, wenn wir in einen Käfig geraten und uns wieder daraus befreien, lernen wir etwas dazu, wachsen wir ein Stück. Allerdings ist die Gefangenschaft kein Zuckerschlecken und der Geschmack von Freiheit so viel süßer.

Wann immer du das Gefühl hast, in einem Käfig zu sitzen, soll dir dieses Buch dabei helfen, dein freies Ich ausfindig zu machen und den Weg zurück zu dir als Ganzes zu finden. Es liegt in unserer Hand, nach Freiheit zu suchen. Es liegt in unserer Hand, sie zu finden. Es liegt in unserer Hand, ihr Gründe dafür zu geben, zu bleiben.

Sich frei zu fühlen liegt in unserer Hand, zu jeder Zeit, in jedem Alter.

Dieses Buch soll dich daran erinnern, wie es sich anfühlt, frei zu sein, und es hält viele praktische Hilfsmittel bereit, mit denen dir die Flucht aus deinem Käfig gelingen kann.

Wie du habe auch ich nach Freiheit gesucht, und ich wünsche dir, dass du findest, was immer du brauchst, um dich zu befreien.

Lass uns zusammen in dieses Abenteuer aufbrechen und den Weg nach Hause finden.

Kapitel 1

Gefangen im Käfig: Befreie dich

Ich weiß, wie es sich anfühlt, frei zu sein, und wenn ich in der Falle sitze, kommen die Erinnerungen daran wie von selbst …

~

Ich hielt es keine Viertelstunde auf dem Pferd aus. Bei jeder noch so sanften Biegung, die der Gebirgspfad machte, hatte ich das Gefühl, vom hin- und herschwingenden Rücken des edlen ­Rosses zu kippen, das man mir geliehen hatte, und über den Felsrand in die Tiefe zu stürzen.

Mein Magen kämpfte noch immer mit dem stark gewürzten Yak-Curry, in dessen Genuss ich am Vorabend völlig überraschend mit dem Prinz von Bhutan gekommen war. Während ich abstieg und mich daranmachte, den Rest des Aufstiegs zum heiligen Tigernest-Kloster zu Fuß zu meistern, dachte ich über meine völlig surreale Begegnung mit dem Königshaus nach.

Auf Einladung meines alten Freundes Hidetoshi Nakata war ich in das Land des Donnerdrachens gereist. Er ist ein kluger, liebenswerter, Italienisch sprechender Japaner, und obendrein ein ziemlich berühmter Fußballspieler. Ich war einst seine Eng­lisch­lehrerin, aber das ist eine andere Geschichte.

Die Bhutaner lieben Fußball. Junge Mönche raffen ihre alten Gewänder hoch, um im Schatten jahrhundertealter Klöster auf dem sandigen Boden zu kicken. Kinder spielen an Straßenecken, Hemden dienen ihnen als Torpfosten. Taxifahrer halten einen Moment inne, bevor sie einem das Wechselgeld geben, um zu fragen: »Kennen Sie David Beckham?« Mit einem der bekanntesten Sportler Asiens durch Bhutan zu reisen hielt folglich die ein oder andere Überraschung bereit.

Das reiterlose Pferd war mit meinem Guide namens Namgay schon weitergezogen, und ich blieb einen Moment allein an der Bergkante stehen und atmete tief durch. Feiner Nebel lag über den Reisfeldern des Paro-Tals fast eintausend Meter unter mir. Vor mir erstreckte sich ein weites Nichts: nichts als die endlose Weite eines leicht verschleierten Himmels und ein paar Wolken, die auf den Schultern des Klosters thronten. Die weißen Tempelgebäude klammerten sich an den Berghang, Gebetsfahnen tänzelten über dem Bergeinschnitt wie ein geübter Seiltänzer.

Es war still hier oben. Und hoch. So hoch. Der Nebel stieg immer weiter auf und kam mir so nah, dass ich ihn regelrecht schmecken konnte. Der Legende nach war Guru Rinpoche vor 1300 Jahren auf dem Rücken einer Tigerin hier hinaufgeflogen und hatte drei Jahre lang in einer Höhle meditiert, bevor er den Bhutanern den Buddhismus brachte. Ich hatte keinen Zweifel daran. Ich erwartete fast, dass jeden Moment die Tigerin aus einer der Höhlen trotten, sich die Tatzen lecken und wieder davonschleichen würde.

Dieser heilige Ort, dieses Kloster im Himmel, nahm mich gefangen. Und dennoch fühlte ich mich so leicht wie die Gebetsfahnen, die im Wind flatterten. Es lag ein Zauber in der Luft, und ich hatte das Gefühl, als würde ich den Atem der fliegenden Tigerin selbst einatmen.

Dieses Gefühl von Freiheit war so kostbar und verheißungsvoll wie eine Offenbarung.

Acht Jahre später ist es genau das Bild dieses Mädchens, das mir in den Kopf schießt, als ich auf meinem Schlafzimmerboden zusammenbreche, erschöpft, tränenüberströmt, mit bebenden Schultern, ein Häufchen Elend. Mein Baby weint, das Kind in meinem Bauch tritt, meine Jeans spannt und ich bin völlig unvorbereitet auf den Vortrag, den ich später an diesem Abend halten soll. Alles, was ich will, ist, zurück ins Bett zu kriechen und tagelang zu schlafen.

Ich erinnere mich, damals aus einer Laune heraus nach Bhutan geflogen zu sein. Ich hatte eigentlich vorgehabt, beruflich nach Indien zu fliegen, als mein Freund Hide mir sagte, dass er gerade das alte Königreich besuchte. Ich weiß noch, dass ich es ziem­­lich cool fand, als Seine Königliche Hoheit Prinz Jigyel Ugyen Wangchuck plötzlich zum Abendessen auftauchte, aber ich bin mir nicht sicher, ob mir bewusst war, wie ungewöhnlich es war, dass wir den ganzen Abend über unser Liebesleben, Mode und Angeln plauderten und uns zum Abschied umarmten, was komplett gegen das Protokoll verstieß.

Durch meine Tränen hindurch sehe ich den heiligen Berg, sehe Nebel auf eine kleine Gestalt herabsinken, deren Augen vor Freude leuchten, deren Herz sich öffnet und von Wundern erfülltwird. Wer ist sie, diese mutige, fröhliche Abenteurerin, die gerade mit dem Bruder des Drachenkönigs zu Abend gegessen hat?

Dann noch mehr Erinnerungen …

Wer ist dieses Mädchen, das in einem Waggon voller chinesischer Händler beladen mit Kronleuchtern in der Transsibirischen Eisenbahn reist? Dieses lachende Geschöpf, das in Flipflops auf der Chinesischen Mauer herumspaziert, weil es vor lauter Eile, den Bus zu erwischen, seine Wanderschuhe vergessen hat? Wer ist diese Naturliebhaberin, die Gin Tonic auf Eis trinkt, das sie von einem Eisberg in der Antarktis gekratzt hat, während um sie herum ein Buckelwal durchs Wasser tollt? Diese arglose Sternguckerin, die in der Silvesternacht den Mondaufgang über der Sahara bestaunt? Diese impulsive Abenteurerin, die mit jedem redet, überall hinreist, alles ausprobiert?

Das, ihr Lieben, bin ich, bevor meine ganze Welt auf diesen Schlafzimmerboden zusammengeschrumpft ist. Es fühlt sich nicht gut an, das zu sagen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, so etwas überhaupt nur zu denken. Mir ist bewusst, dass ich egoistisch und undankbar klingen muss, aber es ist die Wahrheit, und wenn alles um einen herum zusammenbricht, dann ist die Wahrheit das Einzige, was bleibt.

In dem tagtäglichen Chaos von Windeln wechseln, kleinkindlichen Trotzanfällen und beruflichen Abgabeterminen weiß ich manchmal kaum mehr, wer dieses Mädchen auf dem Berg ist. Ja, ich schaue in den Spiegel und weiß noch nicht einmal, wer die Frau da mir gegenüber ist, mit dieser tiefen Furche auf der Stirn, den dunklen Ringen unter den Augen und den überschüssigen Pfunden, die einfach nicht weniger werden wollen. Immerhin, ich habe mir heute die Haare gewaschen.

Aber jetzt, Klarheit. Ich mache mir bewusst, dass es an mir ist. Es liegt in meiner Hand, und dieser Vogel, der da im Käfig sitzt, will frei sein und fliegen.

Eine Einladung

Dieses Buch ist eine Einladung, in allen Bereichen deines Lebens nach Freiheit zu suchen. Es soll dir dabei helfen, mehr zu leben, dich weniger zu sorgen und einen Weg zu finden, jeden einzelnen Tag das zu tun, was du liebst. Klingt einfach? Ist es auch, in gewisser Weise, doch wenn man mit gebrochenen Flügeln in einem Käfig sitzt, kann einem Freiheit wie ein tief vergrabener, unerreichbarer Schatz erscheinen. Ich weiß das, weil ich selbst in einem Käfig gesessen habe. Mehr als einmal.

Zuallererst möchte ich, dass du etwas weißt: Du bist nicht allein. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die genauso empfinden. Viele, sehr viele Menschen haben das Gefühl zu ersticken, fühlen sich schuldig, lethargisch und verletzt. Ich sehe es in den Augen fremder Menschen auf der Straße, höre es zufällig aus Gesprächspausen heraus, spüre es in den Worten von Freunden und beobachte es in den Einträgen meiner Online-­Community.

Tief in uns wissen wir alle, dass wir ein Recht auf Freiheit haben. Trotzdem fühlen sich Millionen von uns alles andere als frei. Wir fühlen uns gefangen in unseren Beziehungen und Lebensumständen, eingesperrt aufgrund des gesellschaftlichen Drucks, aufgrund unserer finanziellen Situation, unseres Bildungsstands, der Erwartungen an uns selbst, der Erwartungen von außen, unserer Überzeugungen, Zweifel und Ängste.

Wir lassen es zu, mit angezogener Handbremse durchs Leben zu gehen. Einzeln betrachtet ist das traurig. Gesamtgesellschaftlich gesehen ist es eine unglaubliche Verschwendung von Potenzial. Zusammen wollen wir das ändern. Indem wir den Mut und das Selbstvertrauen finden, unseren Käfigen zu entfliehen und zu leuchten, helfen wir anderen, das Gleiche zu tun.

Was meine eigene Geschichte angeht, so erlebte ich keinen dramatischen Absturz. Ich war nicht an einem absoluten Tiefpunkt angekommen. Ich hatte vielmehr nach und nach die Freude in meinem Leben verloren, habe mich dieser Entwicklung entgegengestellt und wieder zu mir selbst gefunden, zu meinem heutigen Ich, verliebt in das Leben, das ich führe.

Ich werde aber auch die Geschichten von Menschen erzählen, denen die Käfigtüren regelrecht vor der Nase zugeknallt wurden, die vor Dunkelheit fast den Verstand verloren hätten, sodass ­ihnen gar keine andere Wahl blieb, als zu entfliehen. Ihre Suche nach Freiheit hat ihnen das Leben gerettet.

Ganz gleich, mit welcher dieser Geschichten du dich identifizierst, jede einzelne wird dir etwas Wertvolles und Lehrreiches zu bieten haben. Ich hoffe, dass sie dir aufzeigen werden, dass es in Ordnung ist, nicht zu wissen, was genau die Zukunft bereithält, aber dass es in deiner Macht liegt, aktiv an ihrer Gestaltung mitzuwirken.

In der Falle

Du liest dieses Buch, weil du im Grunde deines Herzens weißt, dass da draußen eine größere Version deines Lebens auf dich wartet. Eine freiere Version. Was immer der Grund ist, weshalb du in der Falle sitzt, zusammen holen wir dich da raus.

Das Gegenteil von Glück ist nicht zwangsläufig Unglück. Es kann eine unbestimmte Düsterkeit sein, die sich nicht näher bestimmen lässt. Ein dumpfes Grollen, wo einst Lachen war. Es ist schwer, dieses Gefühl in Worte zu fassen, da wir nur selten darüber sprechen.

In einer Welt, in der wir statistisch gesehen zu den wahrlich Privilegierten gehören, sagt man nicht gern laut, dass man sich eingesperrt fühlt. Du weißt, was dann kommt. »Warum jammerst du ständig über deinen Job? Du hast wenigstens einen.« »Warum beschwerst du dich ständig über deinen Partner? Du hast wenigstens einen.« Wir vergleichen uns mit anderen, gehen davon aus, dass es besser ist, etwas zu haben, als es nicht zu haben, lassen zu, dass unsere echten und berechtigten Sorgen von diesem einen kleinen Wort herabgesetzt werden: »wenigstens«.

Natürlich müssen wir dankbar sein, aber es ist gefährlich, für die falschen Dinge dankbar zu sein oder aus den falschen Gründen. Wenn wir uns eingesperrt fühlen, sollten wir nicht anfangen, uns für die schützenden Gitterstäbe zu bedanken. Stattdessen sollten wir dankbar für die Lücken zwischen den Stäben sein, durch die wir sehen können, was auf der anderen Seite liegt.

Wir träumen davon, unserem Käfig zu entfliehen, hinauszufliegen und uns frei und glücklich durch die Lüfte zu bewegen. Doch oft fehlt uns die Kraft, das umzusetzen. Wir wissen, dass wir etwas ändern müssen, aber wir fühlen uns so abgekoppelt von unserem freien Ich, dass wir nicht einmal wissen, was wir eigentlich wollen. Dieses Buch ist eine Einladung, diese Gedanken und Gefühle näher zu beleuchten, um einen Weg hinauszufinden.

Sich zu befreien ist ein Prozess, kein Wundermittel. Der Weg aus dem Käfig hinaus ist nicht immer einfach. Aber er ist wichtig, und er ist nötig, denn nur so werden wir uns wieder lebendig fühlen. Es ist ein langer, mitunter unbequemer Weg, doch wir werden ihn zusammen gehen.

Ich habe jede Seite dieses Buches gelebt. Beim Schreiben habe ich getanzt, gelacht und geweint, bin gestolpert und gestürzt, geschrumpft und gewachsen, bin Tausende Kilometer gereist, habe mich mit fremden Menschen ausgetauscht, tief in mich hineingeblickt und meine eigenen Geschichten wiederentdeckt. Ich habe meine Mitte gesucht und bin gescheitert, viele Male.

Ich habe gegen den Lärm angeschrien und die Stille genossen. Ich bin der Sonne gefolgt, habe den Mond angeheult und mich bei den Sternen bedankt. Ich habe mit Hunderten Frauen und vielen Männern gesprochen, und sie alle haben mir Geschichten erzählt, die ich nie vergessen werde.

Ich hoffe, dass ich die besten von ihnen zusammengetragen habe, die eindringlichsten Lehren und inspirierendsten Erzählungen, um dir zu zeigen, wenn ich das schaffe und wenn sie das schaffen, dann schaffst du das auch.

Ich habe mich beim Schreiben dieses Buches so lebendig und geerdet gefühlt wie seit Jahren nicht mehr. Ich hoffe, dass auch du beim Lesen und beim Umsetzen der Übungen einen Weg findest, den Zauber, das Geheimnis und die Schönheit deines eigenen Lebens zu spüren, ganz egal, wo du bist, wie alt du bist oder wer du bist.

Was ist Freiheit eigentlich?

Während meiner zwanzigjährigen Suche nach Freiheit bin ich zu folgender Erkenntnis gelangt: Freiheit bedeutet, bereit und in der Lage zu sein, seinen eigenen Weg zu wählen und sein Leben als sein wahres Ich zu erleben.

Ganz gleich, in welche Umstände wir hineingeboren werden, wo wir leben oder woran wir glauben, uns allen ist die Fähigkeit gegeben, uns frei zu fühlen. Warum? Weil es Teil unseres Wesens ist, genau wie auch die Liebe unser Wesen ausmacht.

Im Laufe unseres Lebens finden wir uns jedoch in schwierigen Situationen wieder, und manchmal übernehmen unsere Reak­tionen darauf die Führung. Je mehr wir uns einer bestimmten Situation widmen, desto stärker ergreift sie Besitz von uns. Die Gedanken, die wir uns darüber machen, unsere emotionale Reaktion darauf und die Geschichten, die wir uns darüber einreden – das alles nimmt irgendwann überhand, verwandelt sich schließlich in Gitterstäbe und schließt uns ein. Die gute Nachricht ist, wenn der Weg in den Käfig hinein in unserer Hand liegt, dann auch der Weg aus dem Käfig hinaus.

Wir können die Situation, in der wir uns befinden, nicht immer verändern, aber wir können die Art und Weise verändern, wie wir darauf reagieren.

Dieses Buch widmet sich unserer persönlichen Freiheit, nicht der Freiheit, die uns das Grundgesetz garantiert. Das ist ein wichtiger Unterschied. Freiheit per Gesetz bedeutet, frei zu SEIN. Freiheit, wie sie in diesem Buch behandelt wird, bedeutet, sich frei zu FÜHLEN, und die einzige Erlaubnis, die wir dazu brauchen, geben wir uns selbst.

Übungen

Jedes Kapitel in diesem Buch enthält Übungen, die dir dabei helfen sollen, die jeweiligen Ideen noch besser zu verstehen und auf deinem eigenen Weg einen Schritt weiterzukommen. Halte die einzelnen Schritte am besten in einem Notizbuch fest. Du wirst rückblickend verblüfft sein, wie weit du gekommen bist.

In manchen Übungen wirst du aufgefordert sein, tief in dich hineinzusehen. Tue das ganz in Ruhe und konzentriere dich auf das, was du wirklich sagen willst. Gehe nicht zu hart mit dir ins Gericht. Wenn eine Übung zu schmerzhaft ist, komme später darauf zurück oder hole dir Unterstützung, aber höre nicht auf zu lesen. Es kann sich etwas verändern, wenn die Worte eindringen.

Vor allem aber sei ehrlich. Niemand beobachtet dich. Du tust das für dich. Du schaffst das.

Übung 1

Entschlossenheit zeigen

Schreibe den untenstehenden Text ab, dann datiere und unterschreibe ihn. Wenn du möchtest, mache ein kleines Kunstwerk da­raus und hänge es an die Wand, an einen Platz, wo du es ­jeden Tag siehst oder lade dir eine englischsprachige Vorlage unter www.bethkempton.com/flyfree herunter.

Ich bin auf der Suche nach Freiheit, und es liegt in meiner Hand.

Ich bin bereit und in der Lage, meinen eigenen Weg zu finden.

Ich bin entschlossen, mein Leben als mein wahres Ich zu erleben.

Die Wahrheit über das Entfliehen

Das Bild vom Vogel, der aus einem Käfig entflieht, ist vermutlich DAS Symbol für die Angst und den Mut des Menschen, seit es Vogelkäfige gibt. Für mich jedoch greift die Metapher zu kurz. Sie legt lediglich ein drinnen oder draußen nahe, Käfig oder nicht Käfig, gefangen oder frei. Aber so funktioniert es nicht.

Wir sind nicht entweder ängstlich oder mutig, wir sind für gewöhnlich beides. Wir entfliehen nicht plötzlich einem Käfig. Wir sind uns anfangs vielleicht nicht einmal bewusst, dass es ihn gibt, und wenn wir die Gitterstäbe schließlich bemerken und die Tür öffnen, wissen wir oft überhaupt nicht, wo wir hinsollen. Diese unendliche Weite jenseits der Tür kann bedrohlich sein. Manchmal saßen wir so lange in dem Käfig, dass es sich sicherer anfühlt, drinnen zu bleiben.

Dieses Buch wird dich zu deiner Käfigtür hinauslotsen und dazu ermutigen, dich kopfüber ins Leben zu stürzen. Und was noch wichtiger ist, es wird dich beknien, diese Erfahrung als dein wahres Ich zu machen, unverstellt und frei von allem.

Gemeinsam werden wir außerdem herausfinden, warum so viele von uns überhaupt in die Falle geraten. Wir werden die gesellschaftlichen Normen und Annahmen daraufhin beleuchten, was »das Beste für uns« ist, und wir werden hinterfragen, warum uns diese Dinge nicht glücklich machen. Ich möchte, dass du dich ganz bewusst entscheidest, zu tun, was du willst, statt immer nur zu tun, was man von dir erwartet oder was du glaubst, tun zu »müssen«.

Bitte nimm dir Zeit und schaffe Platz in deinem Leben für dieses Buch, denn es gibt keinen besseren Grund, morgens aufzustehen, als den Tag mit dem zu verbringen, was du liebst, und keinen schöneren Grund, als dich frei zu fühlen.

Hinterfrage alles. Durchbrich den Status quo. Vergiss den Status quo und fange noch einmal von vorn an, wenn es das ist, was du brauchst. Brich die Regeln. Mache eigene Regeln. Vergiss alle Regeln. Das ist deine Reise.

Vergiss niemals, es liegt in deiner Hand.

Finden wir jemals wirklich, wonach wir suchen, oder ist der Weg das Ziel? Das, meine Lieben, gilt es herauszufinden.

Sich auf die Suche nach Freiheit zu begeben ist ein großes Projekt. Es verlangt Mut. Aber es kann dir das Leben retten.

Warum ich?

Es ist wohl Ironie des Schicksals, dass wir uns oft genau von den Dingen eingesperrt fühlen, die unser größtes Geschenk sind: Familie, Kinder, Beziehungen, Karrierechancen, Erfolge.

Während meiner eigenen Reise habe ich gelernt, wie es möglich ist, dem Käfig zu entfliehen, ohne diese Dinge zu opfern.

Ich bin eine ganz normale Frau aus einer ganz normalen Familie, aber ich habe das große Glück, einige außergewöhnliche Erfahrungen machen zu dürfen, weil ich mich entschieden habe, nach Freiheit zu suchen. Und so hat alles angefangen, damals vor über zwanzig Jahren, als ich meinem ersten Käfig entflohen bin – eine Erfahrung, die mein restliches Leben prägen sollte.

~

Ich war siebzehn, und während die meisten meiner Altersgenossen im Pub saßen, Cider tranken, sich an ihre gefälschten Per­sonalausweise klammerten und über die neueste Indie-Band quatschten, segelte ich auf einem Boot durch den Golf von Biskaya und hatte ein Aha-Erlebnis.

Bis zu diesem Tag war ich ein wissbegieriger, fleißiger Teenager, der sich allerdings noch nie weit von zu Hause fortgewagt hatte. Man könnte auch sagen, ich war eine Streberin, die den coolen Kids regelmäßig die Mathehausaufgaben zuschob, in der Hoffnung, die Mittagspause mit ihnen verbringen zu dürfen. Ich war eine Einserschülerin und auf dem besten Weg, VWL in Cambridge zu studieren. Nicht weil ich irgendeine Art von Genie war, sondern weil ich viel lernte und sowohl ein gutes Gedächtnis als auch ein Händchen für Prüfungsfragen hatte.

Nach dem Studium wollte ich Wirtschaftsprüferin werden, da man mir sagte, dass ich nach beruflicher Sicherheit und guter Bezahlung streben sollte. Alles war genau vorgezeichnet. Meine Eltern und Lehrer bestärkten mich in meinen Plänen, da sie glaubten, es sei genau das Richtige für mich. Fairerweise muss ich sagen, dass ich damals wirklich dachte, es wäre das, was ich wollte. Ich sah die schicken Autos und Kostüme vor mir. Mir gefiel die Vorstellung von einer Visitenkarte mit einer eindrucksvollen Berufsbezeichnung und einem namhaften Firmenlogo. Ich stellte mir vor, wie ich um die Welt jettete, um Mandanten zu treffen, in piekfeinen Hotels abstieg und in angesagten Restaurants zu Abend aß.

Ich hatte das Ganze zweifellos nicht bis zu Ende gedacht, denn heute weiß ich, dass das tatsächliche Tagesgeschäft eines Wirtschaftsprüfers absolut nicht zu mir gepasst hätte. Aber es gab genug Menschen, die mir gut zuredeten, und genug gute Gründe, um an meinem »Plan« festzuhalten.

Dann bot sich mir die Gelegenheit, auf einem Segelschulschiff an der Regatta »The Cutty Sark Tall Ships’ Race« von Großbritannien nach Spanien teilzunehmen. Ich finanzierte die Reise mit meinen Ersparnissen, die ich mir mit endlosem Autowaschen und Benefizschwimmen verdient hatte. Ich war erst einmal im Ausland gewesen und noch nie von meinen Eltern getrennt, die Reise war also ein enorm großer Schritt für mich.

Der Golf von Biskaya galt als gefährlich, was ich ziemlich aufregend fand, und ich verfasste sicherheitshalber ein Testament, das ich vor meiner Abfahrt in meinem Schreibtisch versteckte. Mein älterer Bruder sollte meinen Walkman von Sony bekommen. Mein jüngerer Bruder mein Fahrrad.

Nach ein paar Tagen und langen Nachtwachen auf See, das Wetter hatte es mitunter ganz schön in sich, klarte der Himmel auf, und wir segelten in ein nahezu windstilles Gebiet. Ich saß allein am Ruder, während die anderen unter Deck schliefen oder auf dem Vordeck faulenzten. Ich hatte das Gefühl, den ganzen Ozean für mich allein zu haben, meine einzige Gesellschaft war eine muntere Gruppe von Delfinen. Während sie um den Bug herumtollten, sah ich aufs Meer hinaus und stieß einen tiefen, zufriedenen Seufzer aus. Die Sonne schien, und um mich herum war nichts als Weite. Es war, als hätte ich jahrelang den Atem angehalten und jetzt das erste Mal wieder ausgeatmet.

Drei Gedanken trafen mich in diesem Moment wie ein Blitz:

1. Ich wollte keine Wirtschaftsprüferin werden.

2. Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen wollte (und fand das ziemlich aufregend).

3. Ich wollte mich für den Rest meines Lebens so fühlen wie in diesem Moment.

Wie fühlte ich mich in diesem Moment? Ich war glücklich. Ich fühlte mich zutiefst mit der Erde verbunden, reichte weit über mich hinaus, war Teil der Wellen, des Himmels und der Schönheit, die alldem innewohnte. Ich fühlte mich dazu berufen, die Welt zu entdecken. Ich war da draußen und tanzte mit den Del­finen. Ich fühlte mich frei.

In diesem Moment wusste ich, dass ich ein Leben voller Abenteuer wollte. Die Erkenntnis war erschreckend und elektrisierend zugleich. Ich hatte mir ein konkretes Bild davon gezeichnet, wonach ich dachte, streben zu müssen, und hatte jahrelang daran festgehalten. Doch in diesem einen Moment der Klarheit wurde mir bewusst, dass ich mich gründlich geirrt hatte.

Es war, als wären die Sonnenstrahlen auf meinen Käfig geprallt und hätten Gitterstäbe zum Vorschein gebracht, die bisher unsichtbar gewesen waren. Ich hatte mir einen Käfig aus Erwartungen, Pflichtgefühl und der Unabänderlichkeit meines beruflichen Weges gebaut. Ich war gefangen von dem Drang nach materiellem Erfolg, noch bevor meine Karriere überhaupt angefangen hatte.

Ich wollte raus.

Ich beschloss, den ausgetretenen Karrierepfad zu verlassen, alle Regeln in den Wind zu schlagen und auf den schnellen Weg zu finanziellem Reichtum zu verzichten. Ich entschied mich, nach Freiheit zu suchen und die Dinge auf meine Art zu machen. In diesem Moment flog die Käfigtür auf, und ich sah eine ganze Welt vor mir liegen.

Für den Rest der Reise waren meine Sinne wie im Alarmzustand. Ich konnte gar nicht genug kriegen von der Natur, der Sonne, dem Wind und den Sternen. Im Hafen feierte ich die Nächte durch.

Und dann war ich wieder zu Hause und musste alles noch einmal überdenken. Ich hatte keinen Plan. Ich wusste viel genauer, was ich nicht wollte, als was ich wollte, aber immerhin. Eine Antwort auf die Frage zu finden »Was soll ich mit meinem Leben anfangen?« schien für einen Teenager, der gerade ein Aha-Erlebnis gehabt hatte, zu gewaltig, daher konzentrierte ich mich erst einmal auf meine Kurswahl.

Ich hatte damals die Fächer Mathematik, Höhere Mathematik, Wirtschaft, Physik und General Studies belegt. Die meisten wählen drei Kurse. Ich rackerte mich mit fünf ab. Also strich ich einen Kurs und schwor mir, wenn ich die Prüfungen hinter mir hätte, wäre ich durch mit wissenschaftlichen Fächern.

Ich wollte stattdessen etwas lernen, das mich auf ein Abenteuer mitnehmen würde. Die Wahl eines Fachs, das ein Auslands­jahr beinhaltete, schien die Lösung zu sein. Mir gefiel die Vorstellung, mehr von der Welt zu erfahren und Menschen in fernen Ländern kennenzulernen. Dummerweise konnte ich keine Sprache gut genug, um sie zu studieren. Es sei denn, ich entschied mich für etwas, wofür keine Voraussetzungen erforderlich waren, wie Chinesisch, Japanisch, Russisch oder Arabisch.

Heute sind das beliebte Fächer, doch 1994 waren so irrsinnig schwere Sprachen die Domäne echter Sprachtalente. Ich kannte in keiner von ihnen auch nur ein einziges Wort; ich konnte ja noch nicht mal einigermaßen Französisch. Also tat ich, was wohl jeder unbekümmerte Teenager tun würde, und traf die wichtigste Entscheidung meines Lebens mithilfe des Abzählreims »Ene, mene, muh, und raus bist du«. Ich landete bei Japanisch, und in diesem Moment ließ ich den Käfig hinter mir.

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Wie sich herausstellte, stieß ich weder bei meinen Eltern noch bei meinen Lehrern auf Widerstand, da sie in diesem Sommer miterlebten, wie ich aufblühte. Japanisch war alles andere als einfach. Aber ich biss mich durch, und schon bald war ich in Sprache und Kultur verliebt.

Rückblickend kann ich sagen, dass alles, was seither passiert ist, auf diesen einen Moment auf dem Boot zurückzuführen ist und auf die Menschen, die ich seitdem kennengelernt habe. Ich verdanke dieser einen Entscheidung viele reiche Erfahrungen, die ich niemals hätte vorausplanen können, einfach weil ich beschlossen habe, frei sein zu wollen.

Es ist allerdings nicht so, dass ich dem Käfig entflohen bin und mich seither jeden Tag frei fühle. Ich bin immer wieder in die Falle geraten und habe mich befreien müssen. Heute weiß ich, dass ich jedes Mal meine Schlüssel zur Freiheit benutzt habe – ein einzigartiges und verlässliches Werkzeug, das ich dir in diesem Buch vorstellen möchte –, um den Weg zurück nach draußen zu finden.

Die Schlüssel zur Freiheit

Im Laufe der vergangenen sechs Jahre habe ich Tausende Menschen zur Tür ihres jeweiligen Käfigs hinausbegleitet. Meine Firma Do What You Love bietet Online-Seminare, Workshops und Retreats an, die Menschen auf der ganzen Welt dabei helfen, persönliche, berufliche und finanzielle Freiheit zu finden, indem sie tun, was sie lieben.

Als ich damals anfing, diese Seminare auszuarbeiten, war mir jedoch nicht bewusst, dass es dabei um Freiheit ging. Ich konzentrierte mich ganz auf das Konzept »Tu, was du liebst«, denn ich war fest davon überzeugt, dass wir glücklicher sind, wenn wir unseren Leidenschaften auf den Grund gehen, dass etwas Magisches passiert, wenn wir unseren Träumen folgen, und dass wir viel mehr zu uns selbst werden, wenn wir etwas tun, das uns leuchten lässt.

Dieser Überzeugung bin ich auch heute noch, allerdings ist mir nach sechs Jahren und unzähligen Geschichten von Seminar­teilnehmern, in denen sie von Veränderungen berichten, klar geworden, dass es im Grunde immer um Freiheit ging. Zu tun, was man liebt, ist eine Art zu reisen, das Ziel ist es jedoch, sich frei zu fühlen.

Wenn wir uns gefangen fühlen, kann uns Freiheit wie ein teures Gut erscheinen, das anderen Menschen vorbehalten ist, wie etwas, das wir zu kennen glauben, woran wir uns aber nicht wirklich erinnern können. Selbst dann, wenn uns Freiheit so unendlich weit weg, so unerreichbar scheint, wollen wir glauben, dass der heutige Tag besser sein kann als der gestrige. Dass der morgige Tag besser sein kann als der heutige. Dass das Leben im Käfig nicht alles ist. Unser Istzustand trägt nicht das Siegel »lebenslänglich«. Zumindest wollen wir uns nicht länger gefangen, unterdrückt oder klein fühlen. Wir alle wollen entfliehen.

Freiheit ist der Heilige Gral. Wir wollen spüren, dass wir die Kraft haben, unser Leben selbst zu steuern, unseren Weg selbst zu wählen und unser Glück ganz bewusst zu zeigen.

Ich wurde neugierig. Also tauschte ich mich mit Hunderten Menschen in meiner Community aus, um zu verstehen, in was für einer Art Käfig sie sitzen, wie sie damit umgehen und, natürlich, wie sie es schaffen, ihn zu verlassen. Und ich habe meine eigenen Erfahrungen, die ich mit dem Eingesperrtsein und dem Entfliehen gemacht habe, analysiert und nach Gemeinsamkeiten und Mustern geforscht.

Und das ist das Ergebnis meiner Studien: Jeder Käfig hat eine Tür. Jede Tür hat ein Schloss. Wir müssen einfach nur den Schlüssel finden. So simpel ist das. Du hast die Kraft, dich zu befreien, wann immer du willst.

Jede Flucht verläuft nach einem ganz bestimmten Muster – es offenbart sich in jeder einzelnen Geschichte, in jeder einzelnen Situation, mit jeder einzelnen Person –, und aus diesem Muster habe ich acht Grundsätze abgeleitet, die ich »die Schlüssel zur Freiheit« nenne. Mit ihnen können wir die Tür zu jedem Käfig aufschließen. Sie sind mein Geschenk an dich.

Es geht nicht darum, ein Rezept gegen Schuldgefühle, Eifersucht, Stress und Verbitterung zu finden oder woraus deine Gitterstäbe auch immer bestehen mögen. Es geht darum, deinen Geist an einen Ort zu führen, an dem diese Dinge keine Beachtung finden – der Ort, an dem dein freies Ich lebt.

Ganz gleich, was dich gefangen hält oder wie tief die Dunkelheit ist, die Schlüssel zur Freiheit sind deine Fahrkarte hinaus.

Abbildung 1: Die Schlüssel zur Freiheit

Die acht Schlüssel zur Freiheit sind:

1. Raum für Kopf + Herz

2. Abenteuer + Lebendigkeit

3. Verspieltheit + Neugier

4. Kreativität + Innovation

5. Unerschrockenheit + Mut

6. Beziehungen + Kommunikation

7. Tatkraft + Initiative

8. Dankbarkeit + Bewusstes Leben

Diese Schlüssel werden dir nicht nur dabei behilflich sein, deine Käfigtür aufzuschließen, sie können dir auch für den Rest deines Lebens als Fluglotsen zur Seite stehen.

Warum die Schlüssel zur Freiheit funktionieren

Ich habe erkannt, dass es zwei unterschiedliche Arten gibt »festzustecken«. Die eine ist schwarz und schwer und erfordert unsere sofortige Aufmerksamkeit. Sie kostet uns all unsere Kraft, schreit nach uns wie ein verzweifeltes Kind. Last. Druck. Schmerz. Wenn uns all das zu viel wird, können die Schlüssel zur Freiheit unmittelbar Entlastung verschaffen.

Dann gibt es die andere Form des »Feststeckens«. Sie ist grau und hüllt uns wie in einen Nebel. Sie kommt ganz unschuldig daher, doch nach und nach droht sie uns zu ersticken, trübt alles Bunte ein. Sie schleicht sich in unser Leben, kriecht in uns hinein, haucht uns Zweifel ein, verhöhnt uns für die Dinge, vor denen wir Angst haben. Sie saugt all unsere Energie und Hoffnung aus uns heraus.

Still und leise beraubt sie uns unserer Freiheit. Sie zeigt sich in den vergeudeten Tagen in einem Job, den wir hassen, in dem artigen Nicken, das wir für unseren furchtbaren Chef übrig ­haben, in der erdrückenden Enge auf dem täglichen Weg zur Arbeit. In dem nächsten Geburtstag, der uns vor Augen führt, dass wieder ein verlorenes Jahr hinter uns liegt. Den Freunden, die all das haben, was wir wollen. Dem Gefühl, das Leben zu vertrödeln: essen, arbeiten, schlafen und wieder von vorn, dazwischen ein Abendessen im Restaurant und zu viele Flaschen Wein. Dem Tag, an dem wir morgens aufwachen und uns fragen, wo unser altes Leben geblieben ist.

Oft kümmern wir uns nicht um diese Form des »Feststeckens«, sie ist wie der tropfende Wasserhahn, den niemand repariert. Sie wirkt harmlos, aber sie wird uns mit sich reißen, wenn wir es zu­lassen. Was wir brauchen, ist ein Funke, der unser inneres Feuer wieder entfacht – die Schlüssel zur Freiheit sind dieser Funke.

Entscheidungen, die wir auf Basis der Schlüssel zur Freiheit treffen, bringen uns unseren Leidenschaften näher. Eine Sofortmaßnahme sorgt umgehend für Erleichterung, da sie unseren Fokus weg von den Gitterstäben rückt. Diese Maßnahme kann klein oder groß sein. Das ist ganz egal. Sie ist nur ein erster Schritt. Wir versuchen an dieser Stelle, zur Tür hinauszufinden, nicht über das offene Meer zu fliegen, noch nicht jedenfalls. Fürs Erste machen wir einfach nur einen Schritt. Irgendeinen Schritt.

Nachdem wir die Tür aufgeschlossen haben, helfen uns die Schlüssel zur Freiheit, unser Leben so zu gestalten, dass wir uns freier fühlen, jeden einzelnen Tag. Und je freier wir sind, desto freier werden wir.

Wir alle haben eine mehr oder weniger genaue Vorstellung davon, wie unser Leben aussehen könnte, wenn die Umstände anders wären. Doch wenn wir in der Falle sitzen – dem Punkt, an dem wir unbedingt etwas ändern sollten –, tun wir häufig nichts. Uns erscheint einfach alles viel zu schwer.

Wenn ich mich gefangen fühle, verschwende ich viel zu viel Zeit darauf, mir zu wünschen, ich wäre frei. Statt irgendetwas zu tun, verfluche ich den Käfig, in dem ich sitze. Ich träume davon, durch uralte, exotische Wälder zu streifen, statt loszuziehen und einen Spaziergang durch den Wald vor meiner Haustür zu machen. Ich fantasiere von Kajakfahrten durch wilde Gletscherlandschaften, miete mir aber kein Kanu für eine Fahrt auf dem Fluss in meiner Gegend. Ich träume von Radtouren durch französische Weinberge, während mein Fahrrad verwaist in der Garage steht, und mache mir stattdessen eine Flasche Rotwein auf.

Die Schlüssel zur Freiheit sind ein Mittel gegen diese Untätigkeit.

Wie sie funktionieren

Die acht Schlüssel zur Freiheit sind alle gleich wichtig, doch je nach Situation werden dir manche wirksamer erscheinen als andere. Du kannst sie einzeln aktivieren oder in Kombination und in jeder beliebigen Reihenfolge.

Vielleicht wirst du dich von einem einzelnen Schlüssel an­gesprochen fühlen oder von einem bestimmten Schlüsselpaar. Vielleicht findest du im Dunkeln zu deinem Schloss und musst dann an sämtlichen Schlüsseln herumfummeln, einen nach dem anderen ausprobieren, bis schließlich einer passt.

Vielleicht willst du dich aber auch von den Schlüsseln überraschen lassen. In diesem Fall schließe die Augen und tippe mit dem Finger auf das Diagramm auf Seite 31, dann öffne die Augen und schaue, wo du gelandet bist. Deutest du auf einen bestimmten Schlüssel, probiere ihn aus. Deutest du auf eine Linie, probiere die Schlüssel aus, die mit dieser Linie verbunden sind. Deutest du auf eine Kreuzung mehrerer Linien im Diagramm, probiere alle Schlüssel aus, die mit diesen Linien verbunden sind. Ersatzweise kannst du auch spaßeshalber meine Random Freedom Key Generating Machine unter www.bethkempton.com/flyfree ausprobieren und schauen, was dabei herauskommt.

Sei offen. Gehe auf Erkundungstour. Du hast die Macht über die Schlüssel deines Käfigs. Stelle dir einen stabilen Metallring vor, an dem acht Schlüssel baumeln. Das ist das Einzige, was du auf deiner Reise bei dir tragen musst. Als Herr über die Schlüssel kannst du deine Käfigtür aufschließen, wann immer du willst, und zwar ab jetzt.

Anmerkung zu den Geschichten in diesem Buch

Einige persönliche Geschichten in diesem Buch haben mich aus weit entfernten Ländern erreicht, und unter normalen Umständen wären die Menschen, um die sie sich drehen, unerreichbar. Manche sind so außergewöhnlich, dass ich sie nicht glauben würde, hätte ich die Menschen nicht selbst kennengelernt.

Bitte denke nicht, dass du so sein musst wie sie, um dich von ihnen inspirieren zu lassen oder um etwas von ihnen zu lernen. Alles, was du wissen musst, ist, dass sie wie du nach Freiheit gesucht haben und dass wir alle mehr gemeinsam haben und enger miteinander verbunden sind, als uns bewusst ist.

Ich hoffe, dass du dich während deiner Reise auf deine eigenen Erfahrungen stürzen und den Befreiungsprozess mit deinen eigenen Erinnerungen, Augenblicken und Überzeugungen festhalten wirst. Irgendwann werden die Geschichten, die ich hier mit dir teile, in den Hintergrund rücken und deiner eigenen ­Geschichte Platz machen, der Geschichte, die du immer noch schreibst.

Übung 2

Blicke zurück

Durchforste deine Erinnerung und beantworte folgende Fragen:

1. Wann hast du dich das letzte Mal wirklich frei gefühlt?

2. Wo warst du in diesem Moment?

3. Warum warst du dort?

4. Was hast du gemacht?

5. Mit wem warst du zusammen? Oder warst du allein?

6. Wie hast du dich körperlich gefühlt?

7. Was ging in deinem Kopf vor?

8. Wer wärst du heute, wenn du die Kraft von damals zurückgewinnen würdest?

Der Weg zurück in die Freiheit

Wie gesagt, das letzte Mal schlug mir die Käfigtür vor der Nase zu, als ich gerade dabei war, mich selbstständig zu machen und meine beiden Kinder großzuziehen, die ich im Abstand von nur achtzehn Monaten zur Welt gebracht hatte. Mir gefiel ganz und gar nicht, wie ich mich an diesem Tag fühlte, und ich wusste, dass ich etwas ändern muss, bevor alles zusammenbricht. Ich musste den Weg zurück in die Freiheit finden.

Ich möchte meine Töchter dazu ermutigen, freundliche und starke Wesen zu werden, liebevoll und abenteuerlustig, großherzig und neugierig. Ich möchte ihnen zeigen, wie man so wird, indem ich es ihnen vorlebe. Ich möchte für sie da sein, für sie sorgen und ihnen Mut machen, wenn sie weinen und wenn sie lachen, wenn sie morgens aufstehen und wenn sie abends ins Bett fallen und bei allem, was dazwischenliegt. Und ich möchte, dass sie wissen, was für ein Mensch ich bin, nicht nur als ihre Mutter. Ich möchte sie dazu inspirieren, zu fliegen, indem ich meine eigenen Flügel ausbreite. Ich suche nach Freiheit für mich, und ich suche nach Freiheit für sie.

Und du suchst auch nach Freiheit. Überlege doch nur, welch aufregende Erlebnisse da draußen vor deinem Käfig auf dich warten könnten!

Dieses Buch gründet sich auf das einfache Konzept, dass es in deiner Hand liegt, dich frei zu fühlen. Egal, wie schwierig sich das jetzt anhören mag, glaube es mir. Sobald du erkennst, dass es in deiner Hand liegt, eröffnet sich dir die ganze Welt.

Glück ist das, was passiert, wenn wir aufhören zu versuchen, glücklich zu sein, und stattdessen versuchen, uns frei zu fühlen.

Kapitel 2

Perspektivwechsel: Das ist dein Käfig

Wenn wir aussprechen, wie wir uns fühlen – eingeengt, isoliert, kurz davor, durchzudrehen –, bringen wir häufig Ursache und Symptome durcheinander. Wir wissen, dass etwas nicht stimmt, können es aber nicht klar formulieren. Und wenn wir frustriert sind, erschöpft, uns keinen Rat mehr wissen, klingen unsere Worte, von denen wir uns eigentlich Zuwendung und Unterstützung erhoffen, oft wie Schuldzuweisungen und verärgern unser Gegenüber.

Um diesen Gesprächen eine neue Richtung zu geben, müssen wir zunächst verstehen, dass unser Käfig nicht in einem Vakuum schwebt; er steht in einem Kontext.

Der Kontext und der Käfig

Lass es mich so erklären. Wenn ich an den Moment zurückdenke, als ich auf meinem Schlafzimmerboden zusammengebrochen bin, gibt es zwei Dinge, die ich sicher weiß:

1. Ich bin Mutter von zwei kleinen Töchtern. Das ist eine Tatsache.

2. Ich fühle mich eingesperrt hinter Gittern aus Schuldgefühlen, Frust, Überlastung und einem geringen Selbstwertgefühl aufgrund meiner überschüssigen Pfunde.

Was ist der Unterschied? Der erste Satz ist eine konkrete Tat­sache meine Situation betreffend. Es ist der Kontext, in dem sich mein Leben gerade abspielt.

Der andere Satz beschreibt ein reales Gefühl. Er ist psychologisch. Er beschreibt eine Empfindung. Er ist eine Reaktion auf den Kontext. Er beschreibt, ob und in welchem Ausmaß ich es der Situation, in der ich mich befinde, gestatte, Einfluss auf meine Gefühle zu nehmen. Er beschreibt, ob und in welchem Ausmaß ich es anderen Menschen gestatte, Einfluss auf meine Gefühle zu nehmen. Das ist der Käfig.

Kontext und Käfig sind nicht dasselbe. Es ist wie der Unterschied zwischen Alleinsein (eine Situation) und Einsamkeit (eine Reaktion auf eine Situation).

Wir können uns noch so sehr über den Kontext aufregen, es ist der Käfig, dem wir entfliehen müssen. Dass ich mich von den Gegebenheiten des Mutterseins eingesperrt fühle, bedeutet nicht, dass ich keine Mutter sein will. Meine Mädchen sind mein Glück, und die Liebe, die ich für sie empfinde, könnte die Sterne ewig am Leuchten halten. Aber vielleicht gerade weil ich den Kontext des Mutterseins so schätze, empfinde ich die Gitterstäbe als so frustrierend. Sie stehen allem anderen im Weg.

Vielleicht bist du unglücklich in deinem Job, reibst dich darin auf, hast kaum mehr Energie. Der Kontext ist, dass du einen Job hast. Der Käfig ist, wie du auf diesen Job reagierst oder was du dir darüber einredest. Dass dich dein Chef frustriert. Dass du unmittelbar jegliche Motivation verlierst, sobald du einen Fuß über die Schwelle setzt. Dass dich die Bedeutungslosigkeit nach unten zieht.

Oder vielleicht fühlst du dich in einer ungesunden Beziehung gefangen, die dich deiner Selbstachtung beraubt. Der Kontext ist, dass du in einer Beziehung bist. Der Käfig ist, wie du auf diese Beziehung reagierst oder in welchem Ausmaß du es der Beziehung gestattest, Einfluss auf deine Gefühle zu nehmen. Dass du angefangen hast zu glauben, du seiest dumm oder nichts wert oder solltest dankbar sein, weil dich sowieso kein anderer nehmen würde. Dass du das Gefühl hast, wie auf Eiern gehen zu müssen. Dass du dich jedes Mal schämst, wenn du versuchst, mit jemandem darüber zu reden.

Den Käfig zu erkennen ist der erste Schritt aus ihm hinaus. Indem wir uns eingestehen, dass es ihn gibt, werden wir uns der Hürden und der Welt jenseits der Gitterstäbe bewusst. Dieses Bewusstsein für all das, was möglich ist, kann eine so große Sehnsucht auslösen, eine so beflügelnde Vision hervorrufen, dass wir ihn schließlich einfach verlassen müssen.

Übung 3

Ich bin

Fülle, frei von jeder Bewertung, die Lücken in folgendem Satz, um deine Rolle, deine Situation und wie du dich darin fühlst, zu beschreiben: »Ich bin [Rolle], die/der [deine Situation].« Schreibe so viele Sätze, wie du möchtest.

Beispiele:

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