Two Lives - Laura Herz - E-Book

Two Lives E-Book

Laura Herz

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Beschreibung

Vom Mut, noch einmal neu anzufangen Laura Herz lebt das Leben, das sie sich immer gewünscht hat: Mit ihrem langjährigen Partner und ihrer Hündin Lotti lebt sie in München und genießt das gemeinsame Leben. Als der Alltag sie einholt und nach einer wundervollen Schweden-Reise, entscheiden sie sich für das Abenteuer Van-Life, geben ihre festen Jobs auf und bereisen Europa. Doch die Unruhe, die sie schon länger in sich spürt, wird dort nur lauter – und führt schließlich zu der Entscheidung, sich nach acht Jahren Beziehung zu trennen. Sie zieht nach Köln und baut sich dort ihr Leben noch einmal neu auf. Auf Instagram und nun auch in ihrem Buch erzählt sie auf sehr treffende und zugleich einfühlsame Weise von dem Mut, den es braucht, noch einmal neu zu beginnen. Dabei verheimlicht sie nicht den Schmerz und die Überforderung, die damit manchmal einhergehen. Sie beschreibt zugleich die Chancen, die sich daraus ergeben, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und sich von den Vorstellungen, dass man in den 30ern "angekommen sein sollte" zu lösen. Ein Buch mit hohem Identifikationspotenzial.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Two Lives

LAURA HERZ, 1994 in Frankfurt am Main geboren, ist Content-Creatorin und beschäftigt sich mit den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Achtsamkeit und Selbstliebe. Seit ihrer Trennung lässt sie ihre Follower:innen an ihrem Neustart teilhaben. Laura lebt in Köln und »Two Lives – Ein Neuanfang« ist ihr erstes Buch.

Wie damit umgehen, wenn der Traum vom Leben, das man immer haben wollte, platzt? Wenn man merkt, dass das gewählte Leben einen nicht mehr glücklich macht? Laura ist trotz eines schönen gemeinsamen Alltags und einer langersehnten Vanreise zunehmend unzufrieden und entscheidet sich für die Trennung und einen Neuanfang. Sie zieht nach Köln, in ihre erste eigene Wohnung, baut sich einen neuen Freund:innenkreis auf und fängt an zu daten. Sie stürzt sich in ihr neues Leben und in den Prozess der Selbsterkenntnis. Doch auch Einsamkeit, Datingfails und eine innere Rastlosigkeit machen ihr zu schaffen. Nach und nach lernt sie, was es bedeutet, mit Anfang 30 neu zu beginnen, gesunde Grenzen zu setzen, und sie kommt sich selbst näher als jemals zuvor.

Laura Herz

Two Lives

Ein Neuanfang

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

ISBN 978-3-8437-3588-9

© 2025 by Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 BerlinAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagmotiv: FinePic®, MünchenCoverfoto: © Mariano ParedesAutorenfoto: © Rike TrostWir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44 b UrhG ausdrücklich vor.Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an [email protected] powered by pepyrus

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Mein altes Leben

Die Trennung

Neuorientierung

Neubeginn: Dating und Freund*innenschaften

Lebenskrise

Danksagung

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Mein altes Leben

Motto

Alles verändert sich ständig, und nichts bleibt für immer so, wie es ist. In jedem Wandel liegt eine verborgene Chance, in jedem Schatten ein Hauch von Licht.

Mein altes Leben

Spätsommer 2022. Ich sitze ganz vorne an der Fensterfront und schaue raus. Die Fähre läuft aus dem Kieler Hafen aus, und das Festland ist bald nicht mehr zu sehen. Die Wellen brechen sanft, und die See ist ruhig. Wir sind tatsächlich auf dem Weg nach Schweden, das Land der roten Häuser, Zimtschnecken und Gemütlichkeit. Zwischen Erschöpfung und Kribbeln im Bauch, Vorfreude auf das, was uns erwartet, und hoffentlich vielen Marmeladenglas-Momenten beginnt unser bisher größtes Abenteuer. Mit »uns« meine ich meinen Freund Nicholas und unsere zwei Jahre alte Hündin Lotti. Vor einem Jahr haben wir uns einen eigenen Camper gekauft, mit dem wir schon die ein oder andere kleine Reise gemacht haben. Langfristig möchten wir Vollzeit durch Europa reisen und mobil arbeiten. Die vierwöchige Reise nach Schweden ist also sozusagen die Generalprobe, ob uns das Leben auf vier Rädern auch wirklich gefällt.

Am ersten Morgen in Südschweden stehen wir beide früh auf, ziehen unsere Bademäntel an und gehen raus an den See, der nur ein paar Meter zu Fuß entfernt ist. Herrlich. Wir setzen uns auf eine Bank und schauen aufs Wasser. Alles ist so ruhig. Nur das Zwitschern der Vögel, die in den umliegenden Baumkronen sitzen, ist zu hören. Ich schaue hoch und beobachte die luftigen Wolken.

»Bist du bereit, ins Wasser zu springen?«, fragt er mich nach einer Weile und steht auf. Ich schaue aufs Wasser und kann den Boden nicht sehen. Das löst ein mulmiges Gefühl in meiner Magengrube aus.

»Nein, ich warte noch ein bisschen und schaue dir erst einmal zu«, sage ich und setze mich auf den Holzsteg. Ich mag Wasser, seit ich als Kind einmal fast ertrunken bin, nicht mehr so gerne. Nicholas und Lotti springen ins kühle Nass, und das breite Lachen auf seinen Lippen macht mich ganz glücklich. Im Gegensatz zu mir liebt Nicholas das Wasser sehr.

»Komm auch rein«, ruft er mir zu, »du wirst es lieben, glaub mir.«

Ich möchte Nein sagen, aber habe mir vorgenommen, auf dieser Reise alle Abenteuer mitzunehmen, die sich mir bieten. Ich gebe mir also einen Ruck und frage ihn, ob er dafür rauskommen kann, damit wir gemeinsam Hand in Hand zusammen reinspringen können. Wann immer ich Emotional Support brauche, ist Nicholas da. Er hat das größte Herz, das ein Mensch haben kann. Wenn ich mir bei einer Entscheidung unsicher bin oder einen Gesprächspartner brauche, weiß ich, dass ich mich zu hundert Prozent auf ihn verlassen kann. Er ist sehr verständnisvoll, und unsere Kommunikation haben wir in den letzten sechs Jahren unserer Beziehung perfektioniert. Das Wasser tropft auf den Holzsteg, als er aus dem Wasser steigt, er nimmt meine Hand, und mit einem lauten Schrei springe ich gemeinsam mit ihm rein. Meine Haut kribbelt, und mir ist ganz warm. Er legt seine Arme um mich, und Lotti schwimmt fröhlich um uns herum. Das ist genau das Schwedenabenteuer, das ich mir gewünscht habe – und es ist erst der Anfang. Obwohl ich es nur ein paar Minuten im Wasser aushalte, bin ich überglücklich, weil ich mich gleich zu Beginn unserer Reise getraut habe, meine Komfortzone zu verlassen.

In den darauffolgenden Tagen wird das zu unserem morgendlichen Ritual. Wir parken meist an Seen, die wir ganz für uns alleine haben, und gehen nackt baden. Komplette Freiheit. Der Stress und die Anspannung der letzten Wochen, entstanden durch die Reisevorbereitungen, sind verschwunden. Es fühlt sich an wie Urlaub, obwohl wir beide auch arbeiten. Doch dieses Gefühl, der Natur ganz nah zu sein, ist einfach unbeschreiblich. Welche Kleidung wir tragen oder wie fettig unsere Haare sind, hat hier keinen Stellenwert. Was zählt, ist, dass wir als Erstes und Letztes an den schönsten Orten des Landes aufwachen und einschlafen, auf der Reise mit Menschen sprechen, die unsere Leidenschaft fürs Reisen teilen, und Erlebnisse mehr wert sind als Komfort.

Wir leben die Reise meiner Träume, doch bereits nach nur einer Woche droht dieser Traum zu zerplatzen. Nicholas bekommt einen Anruf: In seiner Familie gibt es einen medizinischen Notfall, und wir müssen vermutlich nach Hause fahren. Die kommende Nacht ist entscheidend, aber es sieht nicht gut aus. Ich kann es nicht glauben und bin todtraurig. Das, worauf ich so lange hingefiebert habe, soll schon vorbei sein? Mein Herz tut weh, und ich möchte weinen, aber ich muss stark sein für Nicholas. Es gelingt mir nur schwer. In der Nacht kann ich nicht schlafen und stelle mir immer wieder die gleichen Fragen: Warum muss das passieren? Warum gerade jetzt? Und warum wir?

Am nächsten Morgen erzähle ich ihm von meinen nächtlichen Gedanken, und wir streiten uns, was sehr selten vorkommt. Auch das noch. Er ist enttäuscht, dass ich viel mehr an die Reise und das abrupte Ende denke als an seine Familie. Ich verstehe ihn, kann aus meiner Haut aber nicht heraus. Manchmal tun Worte weh, doch ich bin der Meinung, dass es wichtiger ist, zu sagen, was ich fühle, als mich zu verstellen, nur um zu gefallen und nicht anzuecken. Wenn Nicholas eins weiß, dann, dass ich immer ehrlich bin. In diesem Moment sitzen wir beide allerdings deprimiert am Tisch im Camper und weinen. So haben wir uns das beide nicht vorgestellt. Wir sitzen eine Weile schweigend nebeneinander auf dem Bett, bis plötzlich das Display seines Handys aufleuchtet und folgende Nachricht aufploppt: »Es geht bergauf, und wenn das so bleibt, dann könnt ihr erst einmal in Schweden bleiben und müsst nicht nach Hause kommen.«

»Lies die Nachricht noch ein zweites Mal vor«, bitte ich ihn, und meine Augen füllen sich mit Tränen.

Er liest noch einmal, und wir fallen uns vor Erleichterung in die Arme. Zum einen, weil es seiner geliebten Person besser geht, und zum anderen, weil unser Abenteuer nun doch noch nicht vorbei ist. In den nächsten Tagen leben wir bewusst noch mehr im Hier und Jetzt, als wir das zuvor schon getan haben. Wenn wir abends im Bett liegen, lassen wir den Tag gemeinsam Revue passieren, und jeder zählt drei Dinge auf, die ihn besonders glücklich gemacht haben. Dieses Ritual haben wir aus meinem Dankbarkeitstagebuch, und es erinnert uns daran, den Blick auf das Positive zu legen anstatt auf das, was nicht gut gelaufen ist. Ein Auszug aus unserem Gespräch:

Ich:

»Ich bin dankbar dafür, dass ich dich habe.

Ich bin dankbar für die frischen Himbeeren und Blaubeeren, die ich heute im Wald gefunden habe.

Ich bin dankbar für den Sonnenschein.«

Nicholas:

»Ich bin dankbar dafür, dass es meiner geliebten Person schon besser geht.

Ich bin dankbar für deine quirlige Art.

Ich bin dankbar für unser Schwedenabenteuer.«

Es ist schön, wie viele erste Male wir hier zusammen erleben. Ein Tag bringt so viele Erlebnisse mit sich, dass ich mit dem Realisieren gar nicht nachkomme. Ein Drittel der Zeit ist bereits vergangen. Wir sitzen gerade nebeneinander auf einer Parkbank und schreiben Tagebuch. Mir hilft das immer ungemein bei der Verarbeitung meiner Gefühle und Erlebnisse. Zurzeit denke ich beim Schreiben allerdings viel zu viel an die Zukunft. Mag Nicholas das Vanlife genauso sehr wie ich und kann sich auch vorstellen, mehrere Monate oder vielleicht sogar ein ganzes Jahr in Hubi, wie wir unseren Camper liebevoll nennen, zu wohnen? Wird er Ja dazu sagen, aus Liebe zu mir oder weil er es auch wirklich will? Wird mir meine Chefin das dauerhaft mobile Arbeiten erlauben? Ich merke, wie ich im Gedankenkarussell sitze und es sich immer schneller dreht, bis mir schwindelig wird. Ich klappe mein Tagebuch zu. Es ist Zeit, Abendessen zu machen. Ich gehe rein und mache mich an die Zubereitung des Salats. Nicholas schreibt noch weiter, dreht sich um und schaut mich an. Er schickt mir einen Luftkuss zu. Ich liebe dieses Miteinander mit ihm, das wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben, forme meine Lippen zu einem Kuss und schicke ihm einen zurück.

Der Monat ist rum, und wir befinden uns wieder auf der Fähre, die uns zurück nach Deutschland bringt. Ich bin nervös und aufgeregt.

»Liebling, wie hat dir der Monat denn so gefallen, und kannst du dir vorstellen, das Vanlife auch ein ganzes Jahr mit mir zu leben?«, frage ich ihn mit schwitzigen Händen.

Er überlegt nicht lange und schaut mich mit leuchtenden Augen an. Dann sagt er zu meiner großen Überraschung: »Ich fand, das waren so schöne und heilsame vier Wochen mit dir und Lotti. Also ja, ich ziehe gerne in Hubi mit euch.« In dieser Sekunde fällt eine so große Last von mir ab. Hat er mir wirklich gerade gesagt, dass wir unser Leben in München aufgeben werden, um Vollzeit im Camper zu wohnen?

Unser Leben in München würde man von außen betrachtet wohl als »perfekt« beschreiben. Wir sind seit fast einem Jahr verlobt, leben in einer sehr schönen und modernen geräumigen Wohnung und haben sogar das Privileg, einen eigenen Garten zu haben, in dem ich mit Lotti gerne fangen spiele. Darüber hinaus stehen hier ganz viele Hochbeete, in denen ich mein eigenes Gemüse anbaue – eins meiner Lieblingshobbys. Ich arbeite in Teilzeit als PR-Beraterin in einer kleinen Agentur, und in der restlichen Zeit setze ich freiberuflich eigene Projekte im Social-Media-Bereich um. Beide Jobs ergänzen sich wunderbar und machen mir sehr viel Spaß. Nicholas arbeitet freiberuflich in seinem eigenen Start-up von zu Hause aus und kümmert sich um Lotti, wenn ich ins Büro fahre. Wir haben wunderbare Freund*innen, mit denen wir am Wochenende Ausflüge in die Berge machen, und sind hier so richtig angekommen.

Und trotzdem war mir, seit wir Hubi haben, klar, dass ich dieses Leben ohne ein Wimpernzucken aufgeben würde, um mit Nicholas die Welt zu bereisen. Ich liebe alles am Vanlife. Das oft stundenlange Suchen nach einem geeigneten Schlafplatz; die Ungewissheit, ob wir am nächsten Tag eine Wasserstelle finden, an der wir unseren Wassertank auffüllen können; oder das Ausleeren der Trockentrenntoilette. Diese Ungewissheit und dass kein Tag dem anderen gleicht, ist etwas, das ich gerne mag und das mich erfüllt. Nicholas hingegen hat gerne eine Routine in seinem Alltag. In dieser Hinsicht sind wir grundverschieden. Aber ich bin mir sicher, dass wir es auch während des Vanlifes schaffen werden, uns in all der Unbeständigkeit eine Routine aufzubauen. Die restlichen drei Stunden der Fährfahrt sprechen wir über alles Organisatorische. Ich hole meinen Notizblock und einen Stift aus meinem Jutebeutel und fange an, alles aufzuschreiben, was uns einfällt. Schließlich sind es zu diesem Zeitpunkt »nur« noch sechs Monate, bis unsere Reise durch Europa starten soll.

Zurück in München, fällt es mir schwer, mich auf unseren alten Alltag einzulassen. Ich bin im Supermarkt und frage mich, ob es dort schon immer so laut gewesen ist oder ich ihn nur in diesem Moment als so unglaublich überfordernd wahrnehme, weil ich die schwedische Ruhe gewohnt bin. Ich quetsche mich an den Menschen, die die Gänge versperren, vorbei an die Kasse. Monoton stecke ich meine Bankkarte in das Gerät. Auf dem Weg nach draußen stinkt es, jemand hat vor den Supermarkt gekotzt. Mit jedem Schritt, den ich in Richtung Wohnung gehe, wird der Kloß in meinem Hals größer. Die erste Träne läuft meine Wange herunter, und ein stürzender Bach folgt.

Alles ist so wie vorher, nur ich bin anders.

Ich möchte hier nicht mehr sein und würde am liebsten gleich heute alle Zelte in Deutschland abbrechen. Ab diesem Zeitpunkt zähle ich die Tage bis zu unserer Abreise.

Nachdem mir auch meine Chefin das »Go« gegeben hat, vollständig remote zu arbeiten, geht das große Organisieren los. Eigentlich sollte die Zeit bis zum Reisebeginn geprägt sein von Vorfreude darauf, dass wir uns unseren großen Traum nun erfüllen können. Die Realität sieht anders aus. Ich mache mir selbst großen Druck, alles perfekt abzuschließen. Möchte nicht einfach alle Besitztümer in Kisten packen und einlagern, sondern mir jedes Teil im Vorfeld anschauen und überlegen, ob ich es behalten, an Freund*innen verschenken oder verkaufen möchte. Dazu noch die große To-do-Liste: Wohnung auflösen, Kisten packen, Flohmarkt organisieren, Hausratversicherung kündigen. All das zerrt an meinen Kräften, die von Monat zu Monat schwinden. Ich fühle mich von meinem Körper im Stich gelassen, der mir Signale der Erschöpfung schickt, die anfängliche Vorfreude weicht zunehmend der Panik. Nicholas dagegen geht das Ganze viel lockerer an. Sein Fokus liegt darauf, das Leben in München in den letzten Monaten noch in vollen Zügen zu genießen. Er möchte erst zwei Monate vor dem Auszug aus der Wohnung und dem Einzug in den Camper beginnen, seine Sachen zu sortieren. Ich halte das für keine gute Idee, aber mische mich erst einmal nicht ein und möchte ihn in seinem eigenen Tempo Abschied nehmen lassen.

Eines Abends komme ich gestresst von der Arbeit nach Hause. Ich drücke die Klingel, auf der unsere Nachnamen stehen, und warte, bis Nicholas mir die Tür öffnet. Ich habe zwar einen Schlüssel dabei, aber es ist unser Ritual geworden, zu klingeln. So weiß der andere, dass man nach Hause kommt, und es erfüllt jedes Mal aufs Neue mein Herz mit Wärme, wie er so dasteht im Türrahmen und mich begrüßt. Wir umarmen uns, und er gibt mir einen Kuss. Ich möchte die Zeit anhalten, nur wir beide auf dieser Welt, keine Verpflichtungen.

»Ich weiß, wir wollten heute eigentlich zum Sport, aber ich bin so gestresst, dass ich das nicht schaffe«, sage ich, während ich mich aus seiner Umarmung löse und die erste Träne meine Wange herunterkullert.

»Wir können auch an einem anderen Tag zum Sport gehen. Was hältst du von Badewanne?«, fragt mich Nicholas. »Das klingt gut«, erwidere ich und lege mich erschöpft aufs Bett.

Ich schließe meine Augen und höre dem Wasser zu, wie es langsam in die Badewanne plätschert. Nicholas läuft ein paarmal vom Wohn- ins Badezimmer, und ich genieße es, einfach mal nichts zu tun. In diesem Moment nicht alleine zu sein, sondern umgeben von meinem Lieblingsmenschen und Lotti, ist alles, was ich brauche. Ein letztes Mal läuft Nicholas ins Bad, dreht den Hahn zu und sagt: »Die Wellnesszeit kann beginnen.« Ich stehe auf und staune nicht schlecht. In der Badewanne knistert der Schaum, überall flackern Kerzen, und leise Meditationsmusik untermalt die gemütliche Stimmung. Ich mag es, wie er es jedes Mal wieder aufs Neue schafft, mich aufzumuntern. In seiner Nähe bin ich einfach glücklich.

»Du willst diesen Schritt mit dem Auszug aus der Wohnung und dem Einzug in den Camper doch genauso wie ich, oder?«, frage ich ihn, während wir uns in der großen Badewanne gegenübersitzen. Verdutzt schaut er mich an und entgegnet: »Aber natürlich, mein Herz, wie kommst du darauf, dass das nicht so sein sollte?«

»Ich weiß es nicht. Ist nur so ein Gefühl. Ich schreibe Listen, fange an mit dem Ausmisten des Kellers und mache mir ganz viele Gedanken dazu, was wir nicht vergessen dürfen, und du lebst dein Leben so weiter wie vor der Entscheidung. Ja, ich weiß, es sind noch fünf Monate, aber du darfst den Auszug aus dieser Achtzig-Quadratmeter-Wohnung in einen fünf Quadratmeter großen Camper nicht unterschätzen.« Er beugt sich vor, streicht mir ein Haar aus dem Gesicht und sagt: »Mach dir keine Gedanken, wir kriegen das alles hin.«

Mittlerweile ist es November, und die Wohnung ist gekündigt. So schnell gibt es also kein Zurück mehr. Die News erzähle ich meiner Freundin Jasmin am Telefon.

»Wow, ich bewundere euch sehr. Den Mut aufzubringen, eure sicheren vier Wände zu verlassen und in den Camper zu ziehen«, sagt sie. Wenn ich ehrlich bin, dann verstehe ich gar nicht, warum alle so ein großes Aufheben um die Sache machen. Ich empfinde es nicht als mutig, denn wir können doch jederzeit wieder zurückkommen.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Obwohl wir uns darauf geeinigt haben, erst Anfang März anstatt im Februar loszufahren, schwindet so langsam die Vorbereitungszeit. Allzu viel ist noch nicht von unserer To-do-Liste abgearbeitet, und ich setze mich zunehmend unter Druck, die Dinge nun schnell abzuarbeiten, damit sich unsere Abfahrt am Ende nicht noch weiter verzögert. Unter der Woche arbeite ich viel in meinen beiden Jobs, und am Wochenende kümmere ich mich um die Entrümpelung des Kellers. Es geht gut voran, sodass ich meinen Kellerflohmarkt in den nächsten Wochen angehen kann. Meine geliebten selbst gebauten Hochbeete kommen zu meiner Nachbarin und Freundin Katrin, und auf dem Wertstoffhof werde ich einiges an Kram los, der nicht mehr richtig funktioniert oder kaputt ist.

Der Druck, den ich mir mache, geht nicht spurlos an mir vorbei. Im Dezember hatte ich erst eine Blasenentzündung, dann Corona, und nun kommt nicht mal einen Monat später ein seltsamer Berührungsschmerz im Rücken hinzu, der an meiner Flanke bis in die Achsel hochzieht. Nicht hilfreich für die sowieso schon angespannte Situation sind die Streitereien mit Nicholas.

Einmal sitzen wir uns auf dem Sofa gegenüber, und wütend platzt es aus mir heraus: »Ich kann nicht mehr. Ich mache so viel, kümmere mich gefühlt um alles, und du machst kaum etwas.« Schnaubend hole ich kurz Luft und setze dann zum nächsten Angriff an: »Es sind nur noch acht Wochen bis zur Abfahrt, und alles bleibt an mir hängen. Ich habe keine Lust mehr darauf und wünsche mir, dass du auch endlich anfängst, etwas zu tun.« Nicholas schaut mich mit großen Augen an. So laut werde ich in unseren Diskussionen normalerweise nicht.

»Weißt du, ich bin es leid, mir deine Vorwürfe anzuhören«, entgegnet er genervt. »Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich nicht so weit im Voraus wie du anfange, alles zu organisieren. Bitte kümmere dich einfach nur um deine Dinge und lass mich meine in dem Tempo machen, wie es sich für mich stimmig anfühlt.«

»Es gibt hier aber kein Mein und Dein«, entgegne ich. »Es ist alles ein Unser. Schließlich wollen wir doch gemeinsam das Vanlife-Abenteuer starten, und ich sehe es schon kommen, dass du die To-dos am Ende nicht schaffst, wenn du so spät anfängst.«

Egal, wie rum ich es drehe, er scheint nicht zu verstehen, was ich meine. Versteht den Ernst der Lage nicht so wie ich. Wenn die Wohnung zum 28. Februar nicht leer und alles organisiert ist, haben wir ein echtes Problem. Ich bin enttäuscht, dass er so wenig Einsicht zeigt, und frage mich gleichzeitig, ob ich vielleicht übertreibe und mir eine Scheibe von seiner Entspanntheit abschneiden soll? Wir kommen in diesem Punkt auf keinen Nenner und schlafen bedrückt ein.

Am nächsten Morgen mache ich mich auf den Weg zur Arztpraxis. Die Schmerzen werden immer unerträglicher, und selbst starke Schmerzmittel helfen nicht mehr. Die Diagnose der Hausärztin: Gürtelrose. Das ist eine Viruserkrankung, die in der Regel von einem schmerzhaften Hautausschlag mit Bläschen und Nervenschmerzen begleitet wird.

»Woher kommt auf einmal Gürtelrose? Haben so etwas nicht nur alte Omas?«, frage ich sie verwundert.

»Haben Sie in der letzten Zeit übermäßig viel Stress gehabt?«, entgegnet sie und schaut mich dabei über ihre Hornbrille hinweg an.

»Na ja, ein bisschen vielleicht. Ich organisiere gerade einen Auszug«, sage ich und untertreibe damit maßlos. Sie verschreibt mir daraufhin ein Medikament und Bettruhe. Ich soll alle Termine, Verabredungen und Co. absagen und einfach mal nichts tun. Na toll. Wie soll das denn gehen? Niedergeschlagen gehe ich nach Hause und melde mich auf der Arbeit für zwei Wochen krank.

Nicholas ist zu allem Übel nun für ein paar Tage beruflich außerhalb von München unterwegs. Zu Hause liege ich im Bett, und es fließen große Krokodilstränen. Ich fühle mich verloren, nutzlos und überfordert. Zum Glück bietet meine Mama ihre Hilfe an und kommt am Wochenende vorbei. Während sie da ist, liege ich hauptsächlich auf dem Sofa, gebe Anweisungen, welches Teil in welche Kiste gepackt werden kann, und nehme eine Tablette nach der anderen, um die Schmerzen in Schach zu halten und mich halbwegs wie ein Mensch zu fühlen. Die Bilanz am Sonntagabend: Das Bücherregal, meine Kleiderschrankseite und die Abstellkammer sind leer. In anderen Worten: Zwanzig Kisten stehen gepackt im Wohnzimmer. Große Erleichterung.