U.H. Wilken 7 – Western - U.H. Wilken - E-Book

U.H. Wilken 7 – Western E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

U. H. Wilken war einer der ganz großen Autoren, die den Western prägten und entscheidend zum Erfolg dieses Genres beitrugen. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. U. H. Wilken ist zugleich einer der bestinformierten Autoren und kennt sich genau in der Historie des Wilden Westens aus. Was er schreibt, lässt sich hautnah belegen. Ein Meister seines Fachs, der mit Leidenschaft und Herzblut die großen Geschichten nachzeichnet, die sich in der Gründerzeit ereigneten. Um die rollenden Wagen war stockdunkle Nacht. Eine Frau sprach leise zu ihrem Jungen und hielt die Bibel zwischen den Händen. »Moses zog ins gelobte Land …« Jäh brach die Stimme ab, langsam rutschte der Frau das Buch aus den Händen. Mit ersterbender Kraft berührte sie den Pfeil, dann glitt sie zur Seite und stürzte vom Wagen. Der Wagen rollte weiter. »Mammy!«, schrie der Junge schrill. »Wo bist du, Mammy? Nun komm doch wieder rauf, Mammy!« Er bekam keine Antwort. Auch die anderen Wagen dieses Trecks nach Westen rollten weiter – aber ein Mann hatte den Jungen gehört. Im Galopp kam er herangeritten und riss neben dem Wagen das Pferd herum. »Mike! Was ist los?«, brüllte er zum Wagen hinauf, wo die Umrisse des Jungen nur schemenhaft undeutlich zu erkennen waren. »Wo ist deine Mutter?« »Sie ist weg.« Da schrie der Reiter nach vorn und ließ den Treck halten. Im Nu hatten die Männer die schweren Conestogas zu einer Wagenburg zusammengefahren.

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U.H. Wilken – 7 –

Büffelsoldaten

U.H. Wilken

Um die rollenden Wagen war stockdunkle Nacht. Eine Frau sprach leise zu ihrem Jungen und hielt die Bibel zwischen den Händen.

»Moses zog ins gelobte Land …«

Jäh brach die Stimme ab, langsam rutschte der Frau das Buch aus den Händen. Mit ersterbender Kraft berührte sie den Pfeil, dann glitt sie zur Seite und stürzte vom Wagen.

Der Wagen rollte weiter.

»Mammy!«, schrie der Junge schrill.

»Wo bist du, Mammy? Nun komm doch wieder rauf, Mammy!«

Er bekam keine Antwort. Auch die anderen Wagen dieses Trecks nach Westen rollten weiter – aber ein Mann hatte den Jungen gehört. Im Galopp kam er herangeritten und riss neben dem Wagen das Pferd herum.

»Mike! Was ist los?«, brüllte er zum Wagen hinauf, wo die Umrisse des Jungen nur schemenhaft undeutlich zu erkennen waren. »Wo ist deine Mutter?« »Sie ist weg.«

Da schrie der Reiter nach vorn und ließ den Treck halten. Im Nu hatten die Männer die schweren Conestogas zu einer Wagenburg zusammengefahren.

Der Mann Sharlock kletterte vom

Pferd aus auf den Wagen, packte die Zügelenden und trieb die Pferde in die Wagenburg hinein. Dann holte er den Jungen vom Wagen und rief nach einer der Frauen. Sie nahm sich des Jungen an, der zitternd und weinend in der Burg stand.

Mit dem Gewehr bewaffnet lief Sharlock zwischen den Wagen hindurch. Eine schlimme Ahnung peitschte ihn vorwärts. Er rannte auf der Wagenspur zurück, blieb immer wieder geduckt stehen und horchte. Bei den Wagen war es totenstill geworden. Er hörte das Raunen des Windes und das Rascheln des hohen Grases. Vorsichtig und wachsam ging er weiter. Jeder Schritt ins Dunkel hinein konnte tödlich sein. Er besaß keine Deckung und hatte sich schon ziemlich weit von den schützenden Wagen entfernt.

Da sah er die Frau neben der Wagenspur am Boden liegen.

Sekundenlang stand er wie erstarrt. Nicht weit von ihm entfernt raschelten ein paar Strauchgruppen. Ein Hauch von Tod wehte übers weite Land.

Lautlos ging er in die Knie und berührte den Pfeil, dessen Schaft abgebrochen war. Die Frau rührte sich nicht. Er beugte sich tief zu ihr hinunter und erkannte, dass sie tot war.

Niemand sah, wie es in seinem harten, rauen Gesicht gefror, wie in den grauen Augen kalte Lichter aufflammten. Er blickte zu den Wagen zurück, spähte umher und bewegte sich kaum. Jeden Augenblick konnten die Apachen angreifen. Nichts war von ihnen zu hören, und doch mussten sie in der Nähe sein.

Er hob die Frau hoch, legte sie sich über die Schulter und stapfte zurück. Gleich neben dem ersten Wagen innerhalb der Wagenburg legte er die Frau sanft auf den Boden. Düster starrte er umher.

Die Männer und Frauen standen reglos neben den Wagen. Sie alle hatten ihn mit der leblosen Frau kommen gesehen. In der Nacht verschwammen die Silhouetten. Die Wagenpferde stampften unruhig und schnaubten, Geschirr rasselte leise.

»Wo ist Mammy?«, tönte die Stimme des Jungen durch eine Wagenplane hindurch. »Warum kommt Mammy nicht zurück zu mir?«

»Ich weiß es nicht, Mike. Du wirst nun sehr tapfer sein, nicht wahr? Du bist doch schon ein großer Junge, und du willst sicherlich ein richtiger berühmter Mann werden. Mr Sharlock wird es dir sagen. Du musst nur warten.«

Die Frauenstimme schwankte etwas und verstummte.

Sharlock hob die Hand. Daraufhin kamen die Leute heraus und blickten auf die leblose Frau.

»Ein Apachenpfeil«, murmelte Sharlock dumpf. »Gebt der Frau ein ordentliches Grab. Ihr anderen haltet die Gewehre bereit!«

»Mein Gott«, flüsterte eine der Frauen entsetzt. »Sind Apachen hier?«

»Ja – oder glauben Sie, die Frau hier hätte sich den verdammten Pfeil selber in den Körper gestoßen? Mrs Sheridan hatte das Leben geliebt. Ihr ganzer Wunsch war es, Kalifornien zu erreichen. Dieses Kalifornien war für sie das gelobte Land. Los, nehmt die Schießprügel, oder wollt ihr den Skalp loswerden?«

Er straffte sich, packte zwei Männer an den Hemdsärmeln und ließ sie in der Wagenburg ein tiefes Grab ausheben.

Nur das Schaben der Schaufeln war zu hören, sonst war es totenstill. Die Männer und Frauen standen mit Gewehren bereit, blieben in der Deckung der Wagen. Oft blickten sie herüber.

Die beiden Männer betteten Mrs Sheridan ins Grab und legten eine Decke auf sie. Dann sahen sie Sharlock fragend an. Er nickte, und sie warfen Erde ins Grab.

So wurde Mrs Sheridan begraben – irgendwo im weiten Land auf der Route nach Westen nach Kalifornien, das sie niemals sehen würde. Niemand würde sich um ihr Grab kümmern können, Staub und Flugsand würden übers Grab hinwegstreichen und eines Tages alles zugedeckt haben.

Sie hatte keine Schmerzen gehabt. Ihr Leben war vorbei, doch sie hinterließ einen siebenjährigen Jungen, der nun allein war.

Dieser Gedanke quälte Sharlock mehr als das Wissen um die Apachen.

Aus dem Dunkel war der Pfeil gekommen und hatte sie getötet. Vielleicht war es nur ein Späher gewesen, der zufällig am Rande der Wagenstraße gekauert hatte. Aber Sharlock spürte die Nähe der Apachen.

Nichts geschah.

Kein Laut drang von der Ebene herüber. Nichts war zu erkennen. Die Leute starrten sich die Augen aus. Auf einem Wagen weinte leise und unterdrückt ein Kind.

Lange stand Sharlock am Grab. Das Leben im Westen hatte ihn geformt. Er war wettergebräunt und gestählt, ein Mann der vielen Kämpfe und Narben. Aber er konnte nicht so einfach und schnell über den Tod der Frau hinwegsehen. Trotz vieler Kämpfe berührte ihn der Tod immer tief, denn er war unwiderruflich. Darin lag die Tragik, der er sich nicht entziehen konnte.

Auf diesem Treck waren schon drei Männer umgekommen. Einer war mit seinem Wagen im reißenden Red River untergegangen, zwei waren bei einem Überfall der Comanchen ums Leben gekommen.

Nun war zum ersten Mal eine Frau getötet worden.

Er verließ das Grab, ging an den Wagen entlang und blickte hinaus auf die Ebene.

»Verfluchte Nacht«, sagte jemand. »Ich kann nicht sehr weit sehen. Wann, zum Teufel, greifen die Apachen endlich an?«

»Das weiß ich nicht.«

Sharlock erreichte den Wagen, auf dem der Junge hockte. Er stieg hinauf und tastete sich unter den Planen durch den dunklen Wagen, bis er Mike gefunden hatte.

Er setzte sich zu ihm und blieb lange schweigend sitzen. Ihm fiel es schwer, richtige Worte zu finden.

»Wo ist Mammy, Mr Sharlock?«, flüsterte Mike schließlich. Seine Stimme war wie ein Hauch, kaum zu verstehen. »Warum kommt Mammy nicht zu mir?«

Sharlock legte den Arm um den Jungen.

»Deine Mammy ist im Himmel,

Mike«, sagte er langsam und schwer, »und sie hat es dort sehr gut, verstehst du das?«

»Aber was will sie denn dort? Sie hat doch mich.«

»Eine gute Mammy wird auch im Himmel gebraucht, mein Junge. Du bist nicht allein. Wir beide gehören nun zusammen – ganz fest. Mike, hörst du? Deine Mammy weiß es und ist sehr froh darüber.«

Der Junge versuchte, sein Gesicht zu erkennen. Seine Stimme klang leise und war dennoch ein Aufschrei.

»Sie ist tot. Du willst es mir nur nicht sagen. Mammy ist tot!«

Weinend fiel er gegen Sharlock und hielt sich an ihm fest, und dem rauen Mann fehlten die Worte. Erschüttert hockte er mit dem Jungen auf dem Wagen.

»Mike«, flüsterte Sharlock mit zerrissener Stimme, »wie ist das mit dem gelobten Land? Du weißt es doch. Es ist California, und genau dorthin kommen wir. Das schönste Land, das du dir denken kannst.«

*

Die Wagen standen still.

Kein Laut unterbrach die lastende, erdrückende Stille.

Die Männer und Frauen dieses Trecks nach Westen warteten auf die Apachen, hielten die Gewehre bereit und starrten sich die Augen aus. Nichts kam aus dem Dunkel der Nacht – kein Schatten, kein Geräusch. Es schien so, als gäbe es in diesem Land nicht einen einzigen Indianer, aber sie waren in der Nähe, vielleicht nur hundert Yards von den Wagen entfernt, unsichtbar und lautlos.

Kinder hockten auf den Wagen und neben den großen Rädern. Die Pferde waren ausgespannt worden, drängten sich in einem Seil-Corral zusammen.

Abseits stand Sharlock. Er trug alle Verantwortung für diesen Treck.

Das Wasser war knapp geworden, darum hatte er selbst während der Nacht keine Rast gemacht. Vor ihnen, nicht weit weg, lag der Fluss, die Rettung für Mensch und Tier. Aber mit dem tödlichen Pfeil auf Mrs Sheridan hatte das Warten begonnen.

Die Minuten rannen dahin.

Jeder stand auf seinem Platz.

Nur Sharlock ging umher. Er kannte sie alle – die harten, sturen Männer und die tapferen Frauen, die zwielichtigen Begleiter und die Saloon-Mädchen, die glaubten, in Kalifornien lägen die Dollars auf der Straße.

Es war ein wild zusammengewürfelter Haufen, der ihm unterstand und seinen Worten Folge leisten musste. Denn er war der Treckführer und Scout zugleich.

Langsam schritt er an den Wagen entlang. Er sah in angespannte und verzerrte Gesichter, auf denen der Schweiß stand. Er hörte heiseres Geflüster und spürte die Unruhe unter den Menschen.

Zwischen den Wagen verharrte er und stierte hinaus in die Nacht. Auch er suchte nach den Apachen und konnte sie nirgendwo entdecken.

So vergingen die Stunden.

Stunden von Qual und Anspannung, die jeden zu ständiger Wachsamkeit zwangen.

Nur ein einziger Mann war auf einem Wagen. Manchmal hörte Sharlock leise Geräusche und ein seltsames Geschnatter.

Als es wieder einmal leise klapperte, ging er zu dem Wagen und blickte von hinten hinein.

»Mach nicht so einen Lärm, Chink.«

»Oh, Sie, Mr Sharlock«, entfuhr es dem kleinen Chinesen. Grinsend wandte er sich an Sharlock und kam nach hinten. »Ich muss das Essen für morgen vorbereiten. Ich kann nicht auf die Apachen warten. Diese roten Burschen halten uns zum Narren.« Sein Grinsen erlosch. »Arme Mrs Sheridan. Was wird nun aus dem kleinen Jungen?«

»Er gehört zu mir, Chink.« Sharlock betrachtete den drahtigen zähen Chinesen, der auf diesem Treck der Koch war. Er hatte nur wenig Freunde und war meistens allein. »Du machst zu viel Krach, Chink. Bei dieser Dunkelheit kannst du noch nicht einmal die Hand vor den Augen erkennen. Lass es sein.«

»Ich habe die Augen einer Katze, Sir«, behauptete Chink lächelnd. »Was jucken mich die Apachen? Sollen sie doch kommen.« Dabei fuhr er mit der Rechten übers schüttere Haar und zuckte die Achseln. »Sie werden an meinem Skalp keinen Gefallen haben.«

»Das glaube ich auch«, erwiderte Sharlock ernst. »Von mir aus arbeite weiter, aber mach keinen Lärm.«

Er ging weg und stieß auf eine füllige, untersetzte Frau, die mit breiten Hüften an einem Wagen lehnte und das Gewehr hielt.

»Verdammte Zucht«, knurrte sie und spie grimmig aus. »Ich glaub gar nicht daran, dass sie hier sind. Sonst wären sie längst gekommen.«

»Dann geh los, Mammy Pancake«, murmelte Sharlock, »geh weg von den Wagen.«

»Den Teufel werde ich!«, erwiderte sie und hob das Gewehr an. »Morgen werde ich meine Pfannkuchen backen. Dafür lebe ich. Du brauchst gar nicht deine schlechten Witze zu machen, Sharlock. Außerdem würden sich die Apachen an mir die Zähne ausbeißen.«

»Gib mal her.« Sharlock nahm ihr das Gewehr aus den Händen und überprüfte es. »Du musst auch laden, Mammy Pancake. Mit diesem Ding holst du keine Fliege herunter …« Er griff in die Tasche und lud das Gewehr. »Hauptsache du triffst. Durch die Gegend ballern kann jeder.«

»Haha«, sagte sie grimmig und entzog ihm die Winchester, »das glaubst auch nur du. Als ich mit meinem alten seligen Mann noch den Mississippi runterfuhr, da hab ich das Schießen gelernt. Es gab verflucht viele Flusspiraten am Big Muddy.«

»Halt die Augen offen.« Zwei Wagen weiter setzte sich auf einmal eine Frau stöhnend zu Boden und legte das Gewehr weg.

Schwaches Sternenlicht sickerte durch die Wolkendecke und erhellte nur wenig die Wagenburg. Sharlock sah, wie nervlich zerrüttet die Frau war.

»Ich kann nicht mehr«, flüsterte sie, als er vor ihr stand. »Ich habe Angst vor diesen Pfeilen. Warum haben diese Unmenschen Mrs Sheridan umgebracht?«

»Wir Weißen haben mit dem Krieg begonnen«, antwortete Sharlock ernst. »Wir haben den Indianern gezeigt, wie skalpiert wird. Dieses Land gehört den Apachen. Das ist ihre Heimat. Darum kämpfen sie. Und sie werden kommen, verlassen Sie sich darauf. Stehen Sie bald wieder auf. Die Apachen könnten Sie unterm Wagen erkennen.«

Er half ihr, auf die Beine zu kommen.

Sie hielt sich am Wagenrad fest und sah ihn mit flackernden Augen an.

»Wir werden nicht durchkommen, niemals!«

»Wir müssen durchkommen, Mrs Martin. Nehmen Sie Ihr Gewehr, und schießen Sie, wenn es losgeht.«

»Ich habe Mrs Sheridan gesehen«, flüsterte sie. »Es war schrecklich. Aber ich kann nicht auf Menschen schießen.«

»Sie müssen es tun.«

»Das sind keine Menschen«, ertönte die Stimme eines Mannes, der ein paar Schritte weiter wegstand. »Das sind Tiere, und darauf können Sie bestimmt schießen, Mrs Martin.«

Sie nickte zögernd und nahm wieder das Gewehr.

Sharlock entfernte sich. Es hatte keinen Sinn, ihr und dem Mann deutlich zu machen, dass auch Apachen Menschen waren, so grausam sie auch handeln konnten. Sharlock hatte zu viel erlebt und gesehen, als dass er die Apachen hasste.

Nun standen sie schon stundenlang hinter den Wagen und warteten. Die Gewehre wurden schwer und zogen die Hände immer mehr nach unten.

Manchmal vernahm Sharlock ein leises Stöhnen und Seufzen. Dann ertönte ein Fluch. Eins der Kinder weinte auf dem Wagen. Die Mutter stieg schnell hinauf und beruhigte es.

Nicht eine einzige Sekunde lang zweifelte Sharlock daran, dass die Apachen in der Nähe waren. Im schwachen Schein der Sterne sah er, wie Männer und Frauen immer mehr in sich zusammensackten und in der Wachsamkeit nachließen.

Er ging umher und warnte die Leute. Sie hörten ihm zu, nickten, aber wenig später hatten sie schon wieder die Gewehre gesenkt. Seine Warnungen gingen unter.

Noch immer geschah nichts.

Die Nerven waren bis aufs Äußerste angespannt. Die Dunkelheit hinter den Wagen machte die Leute verrückt und gereizt.

»Warum fahren wir nicht weiter?«, rief ein Mann über den Platz. »Hier gibt es keine Apachen. Das war nur ein einziger Apache, der Mrs Sheridan vom Wagen geholt hat.«

»Seien Sie ruhig, Hendricks«, sagte Sharlock kalt. »Ich bin der Treckführer.«

»Ein großspuriger Kerl sind Sie, nichts weiter!«, grollte der vierschrötige Hendricks. »Wenn Sie keinen Mut haben, dann übernehme ich hier das Kommando! Was geht mich die Sheridan an?«

Sharlocks Gesicht war ausdruckslos. Langsam ging er auf Hendricks zu. Nichts in seinem Gesicht verriet die Gedanken und Empfindungen. Dicht vor Hendricks blieb er stehen.

»Machen Sie die Leute nicht noch verrückter, Hendricks. Die Apachen lauern draußen. Wenn Sie es genau wissen wollen, dann gehen Sie los. Sie werden mit einem Pfeil in der Brust zurückkommen und ohne Skalp.«

»Das werden wir ja sehen!«, fauchte Hendricks, stieg über die Deichsel und entfernte sich von den Wagen.

»Kommen Sie zurück, Hendricks!«, rief Sharlock warnend. »Was Sie tun, ist Selbstmord. Mann, hören Sie doch! Zurück!«

Hendricks lachte heiser auf und verschwand im Dunkel. Männer und Frauen horchten angespannt, suchten nach ihm. Draußen war es totenstill.

Gras und Sträucher raschelten, als der Wind ein wenig zunahm. Durch Wolkenlücken geisterte bleiches Licht, wanderte mit den ziehenden Wolken über die Ebene und traf Hendricks.

Er stand breitbeinig im Gras, hatte den Rücken den Wagen zugewandt und hielt sein Gewehr. Nur sekundenlang war er zu sehen, dann war es wieder dunkel.

Jemand hustete innerhalb der Wagenburg. Das Geräusch ließ die Männer und Frauen zusammenzucken. Ihre Anspannung war ungeheuer groß, das kleinste Geräusch ließ sie zusammenfahren. Auf und neben den Wagen lagen die Kinder. Die Erwachsenen waren entschlossen, sofort zu schießen, aber das Warten machte sie langsam fertig, zermürbte sie immer mehr.

»Er ist verrückt«, flüsterte es hinter Sharlock. »Hendricks will wohl skalpiert werden.«

Sharlock sah über die Schulter zurück und erkannte undeutlich den jungen schwarzhaarigen Ted Davis.

»Yeah«, murmelte er. »Es gibt Dummköpfe, die erst zufrieden sind, wenn sie ein Messer im Bauch haben.«

»Ich weiß, was Krieg und Tod bedeuten, Mr Sharlock«, raunte Ted Davis: »Ich habe meine Eltern im Bürgerkrieg verloren. Damals war ich ein kleiner Junge, aber den Tag werde ich niemals vergessen. Ich will Ihnen was sagen, ich habe sogar Angst vor den Apachen.«

»Das hat wohl jeder, Ted.«

»Sie auch?«

»Yeah, ich auch.« Sharlock blickte zwischen den beiden Wagen hinaus auf die Ebene. Er empfand keine Angst, aber seine Worte sollten den jungen Davis ermutigen. Wenn er, der große berühmte Sharlock vorgab, Angst zu haben, dann musste Davis seine Angst nicht als Schande empfinden.

»Sie sind sehr ehrlich, Mr Sharlock. Ich …« Ted Davis brach ab und versteifte sich. Angestrengt horchte er hinaus. »Da war doch was.«

»Nicht schießen«, murmelte Sharlock. »Abwarten. Das sind Schritte.«

Vor ihnen auf der Ebene stampften Schritte hin und her, Sharlock zog die Winchester hoch und stellte sie dicht an den Wagen. Die Schritte waren schwer und kamen näher. Sharlock zweifelte nicht daran, dass es Hendricks war, der zurückkam.

Plötzlich hörte er pfeifende Atemgeräusche und leises Stöhnen. Hendricks machte unregelmäßige Schritte, taumelte heran und schleppte sich bis zu den Wagen heran. In diesem Moment wurde es schlagartig hell. Deutlich war Hendricks vor der Wagendeichsel zu erkennen.

Eine Frau schrie entsetzt auf und schwankte. Zitternd klammerte sie sich an ihrem Mann fest.

Mit totenbleichem Gesicht wankte Hendricks näher und stürzte über die Deichsel. Stöhnend brach er zusammen und fiel auf den Rücken.

Starr sah er Sharlock an. Er hatte nicht mehr die Kraft, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Ein Pfeil steckte in der Brust, der Schaft zitterte noch.

Ganz langsam brachen seine Augen. Ein Schatten legte sich aufs Gesicht. Die Hände rutschten vom Körper herunter und fielen ins zerstampfte Gras.

Hendricks war tot. Er hatte sein Leben weggeworfen wie ein Stück Dreck. Seine Waffen fehlten.

Ein schriller Schrei gellte über die Wagenburg hinweg. Mrs Martin konnte den Anblick nicht ertragen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und schrie immer wieder auf, gebärdete sich wie verrückt und fiel auf die Knie.

»Mörder!«, schrie sie. »Elende Mörder! Sie bringen uns alle um! Wir sind verloren! Ich will nicht sterben, ich will nicht …«

Ihre Schreie übertönten jedes andere Geräusch. Sharlock erkannte die Gefahr und lief zu ihr, riss sie hoch und schüttelte sie heftig, aber sie wurde nicht still. Sie war wie von Sinnen und versuchte, sich loszureißen. Da schlug er zu. Der Kinnhaken ließ sie augenblicklich verstummen. Langsam legte er sie auf den Boden.

Männer, Frauen und Kinder sahen herüber. Niemand sagte ein Wort. Noch gellten ihnen die Schreie in den Ohren. Sie waren wie betäubt.

»Umdrehen!«, rief Sharlock mit kratzender Stimme. »Oder wollt ihr einen Pfeil in den Rücken haben?«

Schon lief er geduckt zum Wagen zurück und kniete neben Ted Davis nieder. Keine drei Schritte von ihm entfernt lag Hendricks. Ted war blass und hatte beide Hände ums Gewehr gekrampft.