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2020 war für viele ein intensives Jahr. Durch die Corona-Pandemie ist einigen Unternehmen die Existenzgrundlage verloren gegangen. Andere mussten sich komplett neu strukturieren und suchten nach ihrer Identität, ihrem Kern. Wieder andere haben es geschafft, Positives aus der Krise mitzunehmen und sind sogar stärker als zuvor aus ihr hervorgegangen. Was sie alle eint, ist die Suche nach dem, was sie als Unternehmen krisenfest macht. Sie alle sind auf der Suche nach ihrem Kern, der sie nach innen und außen unverwechselbar und stark macht. Um diesen zu definieren, muss man die eigenen Werte und Fähigkeiten genau kennen und als Ressourcen zu nutzen wissen. Dieses Buch möchte Sie dabei unterstützen, genau diese Ressourcen zu finden - durch Reflexion. Denn durch den Rückblick auf Erlebtes und durch das Lernen aus Erfahrungen - also Reflexion - können Sie den Weg in die Zukunft finden, der zu Ihrem Unternehmen passt und Sie erfolgreich macht. Und das Tolle ist, dass jede einzelne Person in Ihrem Unternehmen dazu beitragen kann, diesen Weg zu finden, denn in Ihren Mitarbeitenden liegen verborgene Schätze und Geschichten, die Ihnen dabei helfen können. In diesem Buch sind zehn wertvolle Interviews mit UnternehmerInnen aus dem Raum Berlin, Leipzig und Halle und aus unterschiedlichen Bereichen und Unternehmensformen enthalten - von der Universitätsmedizin über Coaching und Beratung hin zu Online-Plattformen und Traditionsstartups. Dabei erfahren wir hautnah, was es bedeutet, Reflexion im Unternehmen zu etablieren und sie wirklich zu leben. Ein relevantes Buch für alle Führungskräfte, PersonalerInnen und HR-ExpertInnen. Wir wünschen viel Inspiration!
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Seitenzahl: 170
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Wir widmen dieses Buch unserer Wurzel
– unserem Magazin Viertelrausch.
Einleitung
Aspekte und Schritte hin zu einer reflexiven Arbeitswelt
2.1 Achtsamkeit zu sich selbst und im Team ermöglicht Fortschritt
2.2 Aktives Zuhören öffnet die Kommunikation
2.3 Nicht-Bewerten begünstigt die Prüfung auf Stimmigkeit
2.4 Konflikte besprechen sorgt für Vertrauen und Transparenz
2.5 Mit Entdeckungslust können Ideen fließen
Wirkung von Reflexion im Unternehmenskontext
3.1 Leadership
3.2 Employer Branding
3.3 Change Management
3.4 New Work
Aussicht
Reflexion kann in der Krise als Chance verstanden werden.
2020 war für viele ein intensives Jahr. Durch die Corona-Pandemie ist einigen Unternehmen die Existenzgrundlage verloren gegangen. Andere mussten sich komplett neu strukturieren und suchten nach ihrer Identität, ihrem Kern. Wieder andere haben es geschafft, Positives aus der Krise mitzunehmen und sind sogar stärker als zuvor aus ihr hervorgegangen. Was sie alle eint, ist die Suche nach dem, was sie als Unternehmen krisenfest macht. Sie alle sind auf der Suche nach ihrem Kern, der sie nach innen und außen unverwechselbar und stark macht. Um diesen zu definieren, muss man die eigenen Werte und Fähiwgkeiten genau kennen und als Ressourcen zu nutzen wissen.
Dieses Buch möchte Sie dabei unterstützen, genau diese Ressourcen zu finden – durch Reflexion. Denn durch den Rückblick auf Erlebtes und durch das Lernen aus Erfahrungen – also Reflexion – können Sie den Weg in die Zukunft finden, der zu Ihrem Unternehmen passt und sie erfolgreich macht. Und das Tolle ist, dass jede einzelne Person in Ihrem Unternehmen dazu beitragen kann, diesen Weg zu finden, denn in Ihren Mitarbeitenden liegen verborgene Schätze und Geschichten, die Ihnen dabei helfen können.
Wir machen diese Geschichten sichtbar.
Geschichten haben uns schon immer fasziniert. Schon immer glauben wir an das Spektrum von Geschichten, an Fülle, und an das, was Geschichten leisten können. Wir wissen, dass jedes Unternehmen seinen Kern und seine Fähigkeiten in Geschichten zum Ausdruck bringen und so wichtige Erkenntnisse erlangen und Menschen erreichen kann. Unser Ziel ist es, diese Vielfalt eines Unternehmens sichtbar machen, das Spektrum an Menschen mit ihrer Verbindung zum Unternehmen, mit ihren persönlichen Geschichten. Denn das ist ein Element, was zukunftsfähige Unternehmen brauchen.
Um persönliche Geschichten erzählen zu können, ist der Kontakt zu den eigenen Gefühlen Voraussetzung. Ob wir als Gesprächspartnerinnen eine Geschichte erfahren, hängt davon ab, wie gut wir es schaffen, einen Menschen in Kontakt mit sich selbst zu bringen. Es entstehen berührende, lehrreiche Einblicke in die Lebens- und Arbeitswelt von Menschen, die wir sonst nicht erfahren hätten und die das Unternehmen sonst nicht bereichern und voranbringen könnten.
Aus dieser Leidenschaft für das Erfahrbarmachen von Geschichten heraus sind wir, Katharina Gleß und Sandra Hofmann, 2014 erstmals in Leipzig losgezogen und fragten Menschen auf den Straßen, was sie in ihrem Stadtviertel bewegt. Daraus entstand zunächst Viertelrausch, unser Online-Magazin mit über 100 Porträts und Geschichten von Leipziger*innen aus den unterschiedlichsten Vierteln. Wir zeigten damit das authentische und vielseitige Gesicht der Stadt Leipzig. Verschiedene Auszeichnungen und die sehr positive Resonanz auf unsere Geschichten in Viertelrausch brachten uns dazu, auch in Unternehmen das Menschliche hervorzuheben und Effektrausch zu gründen, unser Büro für Employer Branding und Storytelling. Heute gehen wir in Unternehmen und machen Mitarbeitende mit ihren wertvollen Geschichten sichtbar und zeigen damit den Charakter des Unternehmens – ehrlich und mit all seinen Facetten.
Der Kern einer Geschichte ist die Veränderung.
Eine Geschichte hat einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Für unsere Arbeit ist vor allem der Mittelteil interessant. An dieser Stelle findet nämlich die stärkste Veränderung in der Handlung und bei den Protagonist*innen statt. Es ist also der perfekte Zeitpunkt für Reflexion. Wenn Sie einer Person zuhören, die vom letzten Projekt erzählt, wird vor allem die Frage nach möglichen Hindernissen und deren Überwindung von Bedeutung sein. Wie hat es diese Person geschafft, die Hindernisse zu überwinden? Wie hat sie ihre Haltung verändert? Wie hat sie es geschafft, ihre Haltung zu verändern? Durch das Betrachten dieser Erfahrung, dieser Hindernisse und manchmal auch des Scheiterns lernen wir für die Zukunft.
Wenn Sie nun Ihre eigene Lebens- und Unternehmens-Geschichte schreiben, dann scheuen Sie sich nicht vor dem Scheitern. Hier liegt die Kraft. Die Kraft, genau hinzuschauen, zu hinterfragen und zu lernen. Listen. Learn. Act. Nutzen Sie auch die Tatsache, dass sich Ihr Unternehmen sowieso jeden Tag weiterentwickelt – kein Unternehmen wird morgen das gleiche sein wie heute. Jeden Tag lernt eine Organisation dazu und verändert sich, entweder unbemerkt oder in eine Richtung, die Sie beeinflussen können. Die Veränderung und die Geschichten sind sowieso da, warum nicht deren Potential nutzen?
Unsere Arbeit ist achtsam und nah am Menschen.
Mit Effektrausch nehmen wir uns Zeit und rücken die Menschen mit ihren Geschichten in den Mittelpunkt. Mit tiefgehenden Interviews in einer achtsam-vertraulichen Atmosphäre schaffen wir gleichermaßen authentische, reflexive und wertschätzende Momente. Momente, die nach innen und außen Wirkung entfalten. Denn oft werden sich die Mitarbeitenden erst in diesen Gesprächen darüber bewusst, welche Bedeutung sie für das Unternehmen haben. Ein unglaublicher Wert, den kein standardisierter Fragebogen leisten kann und der sichtbar gemacht werden darf.
Der Emotionsmatch: Menschen im Moment ihrer Reflexion
Parallel zum Gespräch entstehen mit uns Fotografien, die den Ausdruck der Menschen im Moment ihrer Reflexion direkt einfangen. Im Zusammenspiel von Schlüsselzitaten und der bildlichen Ebene ergibt sich ein so genannter “Emotionsmatch“, der den Interviews eine authentische Lebendigkeit und Einzigartigkeit verleiht. Das bedeutet, dass das gesprochene Wort und die dazugehörige Porträtserie das Interview nahezu ganzheitlich abbilden. Indem wir Menschen unterschiedlicher Positionen in unseren Projekten einbeziehen, von der Assistenz bis zur Geschäftsführung, bilden wir gelebte Werte auf allen Ebenen ab. Denn wir sind uns sicher: Niemand kann ein Unternehmen besser beschreiben als die Mitarbeitenden selbst – alle Mitarbeitenden.
Lassen Sie uns über das Nachdenken denken.
Schaut man in die Geschichte des Begriffs Reflexion, stößt man auf den Philosophen John Locke. Dieser beschrieb den Prozess des Zurückblickens vor über 300 Jahren so: „Alle Ideen kommen aus Wahrnehmung und Reflexion. (...) Mit Reflexion meine ich in folgenden Teilen dieser Darlegung jene Kenntnisnahme, die der Geist von seinen eigenen Operationen und ihrer Art der Ausführung nimmt, wodurch die Ideen dieser Operationen in unserem Verstand erzeugt werden.“ (Locke, 1690, zitiert nach Ingendahl, 1999, S.48) Das, was Locke hier beschreibt, würde jede*r von uns wohl etwas anders ausdrücken. Hier ein Vorschlag: Alle neuen Ideen kommen aus Beobachtung und Reflexion. Wie denke ich über meine vergangenen Erfahrungen und zukünftigen Erwartungen in Bezug auf ein aktuelles Thema? Wie passe ich meine Orientierung an neue Anforderungen an? Kann ich aus Vergangenem lernen?
Diese Denkprozesse sind sehr persönlich, da sie das eigene Verhalten hinterfragen und man sich manchmal auch Fehler eingestehen muss. Das ist nicht immer und nicht für jede*n leicht. Im Unternehmenskontext können durch diese reflektierenden Gedanken aber jede Menge Vorteile entstehen. Reflexion im Unternehmenskontext schafft unter anderem …
… die Grundlage für Veränderung und Innovation.
… verbesserte Prozesse und Strukturen im Unternehmen.
… eine Klärung alter und die Prävention neuer Konflikte.
… ein Bewusstsein für Zusammenhänge von Entscheidungen, die vorher
verdeckt waren.
… die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und kollaborativer Führung.
Um diese Vorteile der Reflexion genießen zu können, muss sich jede Person darüber bewusst sein, dass der Prozess bei ihr selbst anfängt. Reflexion lässt Erlebtes bewusst werden. Dadurch sind wir in der Lage, unsere Bedürfnisse und die Bedürfnisse anderer deutlicher wahrzunehmen. Dieser Prozess kann natürlich auch fordernd sein. Doch durch dieses innere Wachstum schaffen wir es auch die Perspektiven und Sichtweisen anderer Kolleg*innen wahrnehmen und ehrlich über Gefühle sprechen zu können. Wie das gut gelingen kann, erfahren Sie später im Buch.
Der Aufbau dieses Buches
In diesem Buch geben wir wieder, was wir über Reflexion im beruflichen Kontext in unseren Projekten gelernt haben. Im ersten Teil des Buches gehen wir auf das Potential von Reflexion im Arbeitskontext ein. Im zweiten Teil des Buches schauen wir auf die Wirkung von Reflexion in verschiedenen Unternehmensbereichen. Jede Erfahrung von uns wird durch eine externe Unternehmensgeschichte angereichert, was einen umfassenderen Blick auf das Thema ermöglicht.
Für die folgenden Interviews sprachen wir mit Unternehmer*innen aus dem Raum Berlin, Leipzig und Halle und aus unterschiedlichen Bereichen und in unterschiedlichen Unternehmensformen, von der Universitätsmedizin, über Coaching und Beratung hin zu Online-Plattformen und “Traditionsstartups”. Dabei erfahren wir hautnah, was es bedeutet, Reflexion im Unternehmen zu etablieren und sie wirklich zu leben.
Wir wünschen viel Inspiration!
Immer hilfreich: der klare Blick von außen
Unser Grundsatz ist es, die Geschichten zu uns kommen zu lassen. Als Außenstehende sind wir Schnittstelle zwischen Mitarbeitenden, dem Unternehmen und den gesellschaftlichen Entwicklungen. Durch unseren Blick von außen können wir Muster und Herausforderungen des Unternehmens einfacher wahrnehmen, als es der interne Blick auf die eigene Zusammenarbeit kann.
Interviews als eine geeignete Reflexionstechnik
Während der Interviews, die wir mit den Mitarbeitenden führen, entwickelt sich oft eine sehr vertrauensvolle Dynamik. Wir erleben reflexive Schlüsselmomente live mit. Oft wird den Interviewten erst während ihrer eigenen Antworten bewusst, welche Rolle sie im Unternehmen einnehmen, was für einen Beitrag sie einbringen und oftmals eben vor allem eines: dass sie als Mensch ein ganz besonderer Teil des Unternehmens sind. Diese Art der Reflexion des eigenen Werts im Unternehmen bringt unseren Kund*innen einen großen Gewinn. Ihre Mitarbeitenden werden sich darüber bewusst, dass sie gesehen werden und nicht nur wirtschaftlich, sondern auch menschlich unverzichtbar sind. Diese Erkenntnis geht mit einem tiefen Gefühl der Wertschätzung und der Zugehörigkeit einher. Werte, die sich als Mitarbeiterbindung, Mitarbeiterzusammenhalt und intrinsische Motivation übersetzen lassen. Ein wahrhaftiges Gesehenwerden kann durch kein einfaches Lob ersetzt werden.
Interne Unternehmensreflexion, das gegenseitige Sehen
Wir sind überzeugt, dass es verschiedene Herangehensweisen und Werkzeuge gibt, mit denen Sie zur Reflexion innerhalb Ihres Unternehmens kommen können. Nachfolgend geben wir Einblicke in Techniken um die Themen Achtsamkeit, aktives Zuhören und die innere Haltung des Nicht-Bewertens. Abschließend wird besprochen, welchen Einfluss Reflexion auf die Organisation eines Unternehmens und das Kreieren neuer Ideen haben kann.
Im April 2020 berichteten Leipziger Unternehmer*innen in einer qualitativen Befragung von einer Art Starre des Unternehmens und der damit zusammenhängenden Relevanz der mentalen Einstellung der Führungsebene. Sie wünschten sich unter anderem mehr Unterstützung für Digitalisierungsvorhaben. Doch um welche Unterstützung ging es hier eigentlich?
Es gibt einen Unterschied zwischen Digitalisierung und digitaler Transformation. Innerhalb der digitalen Transformation geraten die weichen, emotionalen Prozesse in den Fokus, während die Digitalisierung vor allem im Äußeren wirkt. Wer in eine innovative und sich somit ständig verändernde Organisation hineinwachsen möchte, muss bereit sein, den Weg zu sich selbst zu finden. Nur dann kann ausreichend Resilienz für großes inneres Wachstum entwickelt werden. Wer nicht in der Lage ist, zu sich selbst und seinen Verhaltensweisen zu schauen, kann auch nicht ausreichend tief ins Reflektieren kommen. Kommen Sie in Selbstbeobachtung, können Sie im ersten Schritt eigene Muster feststellen und einen liebevolleren Umgang mit sich selbst finden. Doch Selbstbeobachtung beinhaltet nicht immer gleichzeitig Selbstkonfrontation. Diese können Sie zum Beispiel durch Feedback von außen erhalten. Wenn Sie sich selbst in den angesprochenen Situationen dann beobachten und reflektieren, sind Sie dann noch besser in der Lage, das geäußerte Feedback anzunehmen.
Ein solides Selbstwertgefühl erwächst aus der Lösung innerer Konflikte und nicht durch Bestätigung im Außen. Um also aus der Schockstarre der Pandemie 2020 hinauszuwachsen, sollte jede*r bereit sein, in Kontakt mit sich und anderen zu treten. Und genau hier liegt aus unserer Perspektive der große Gewinn.
Der Unternehmensleitung ist hier eine besondere Vorbildfunktion inne: Ist die Geschäftsführung in der Lage, die eigenen mentalen Muster zu sehen und gegebenenfalls zu verändern und eine emotionale Sprache zu wählen, ist der erste Schritt getan, um auch das Team in Reflexion zu üben und zu zeigen, welch großen Gewinn alle Mitarbeitenden aus dieser Art zu arbeiten ziehen können.
Ein Beispiel: Während der Pandemie entstehen verschiedene menschliche Bedürfnisse. Ein Kollege hat vielleicht drei Kinder zu Hause, die gerade versorgt werden möchten. Eine andere Kollegin ist möglicherweise sozial isoliert, da sie sich in der Risikogruppe verortet und allein lebt. Beide Kolleg*innen brauchen unterschiedliche Aktionsräume im Unternehmen. Diese Bedürfnisse gilt es für die achtsame Führungskraft wahrzunehmen, um genau so persönlichen Kontakt und Verständnis entstehen zu lassen. Vielleicht wird es nicht für jedes Bedürfnis oder Problem eine Lösung geben. Doch zumindest entsteht ein kommunikativer Raum, um gemeinsam bestmögliche Entscheidungen für die Organisation zu treffen. Achtsamkeit sich selbst und anderen gegenüber kann hier sehr hilfreich sein.
Gewinne emotionaler Kommunikation anerkennen
Angst, Überforderung oder Anstrengung der Veränderung anzuerkennen, sind nur ausgewählte Beispiele für eine offene Kommunikation. Wenn Angst beispielsweise nicht angenommen oder kommuniziert wird, kann sie ein Bedürfnis nach Kontrolle zur Folge haben. Dies wäre toxisch für sich ständig verändernde Umstände, da schnell reagiert werden muss. Sich die eigene Angst anzuschauen, schafft jedoch eine Öffnung zu Mitgefühl. Nur durch Mitgefühl sind wir in der Lage, empathisch zu agieren, uns in andere Perspektiven zu versetzen und somit weitsichtige und ganzheitliche Entscheidungen zu treffen. Fehlt diese ganzheitliche Perspektive, kann es passieren, dass die Anstrengung der Veränderung oder Überforderung der Belegschaft nicht wahrgenommen werden. Wenn interne Entwicklungen verpasst werden, können Ihnen das später in die Quere kommen, wenn Sie versuchen, Chancen aus der Krise entstehen zu lassen und daran zu wachsen. Erkennen Sie an, dass zu Ihrem Unternehmen auch die Themen gehören, die man nicht so gern anschauen möchte.
Persönlichkeit zeigen ohne private Einblicke zuzulassen
Wer nun denkt, das alles hat im Unternehmenskontext nichts zu suchen, dem oder derjenigen hilft vielleicht die Unterscheidung zwischen persönlichen und privaten Informationen, die im Arbeitskontext vermittelt werden können. Es ist möglich, über Emotionen zu sprechen, ohne den privaten Kontext teilen zu müssen. Das Private bleibt beschützt und wird nur mit ausgewählten Menschen geteilt. Es ist beispielsweise nicht nötig, Konflikte mit dem eigenen Vater preiszugeben, der zu wenig Anerkennung entgegengebracht hat. Vielmehr kann deutlich gemacht werden, dass es für die Kollegin sehr wichtig ist, in Feedbackrunden Wertschätzung zu bekommen.
Ein Moment des Innehaltens als Möglichkeit
Wer es schafft, mit seinen Gefühlen verbunden zu sein und darüber zu reflektieren, dem werden sich neue Handlungsmöglichkeiten ergeben. Es geht darum, sich in dem Moment innere Klarheit darüber zu verschaffen, was gerade passiert, was das eigene Bedürfnis ist und Empathie für die andere Person zu schaffen. Dafür braucht es ein klares Bewusstsein. Es wird Momente geben, in denen das leichter fällt und Situationen, in denen Fortschritte zu erkennen sind.
Wenn es schwerfällt, nicht sofort aus der gefühlten Emotion zu handeln, kann ein kurzer Moment des Durchatmens ein erster Schritt sein, sich zu entspannen, die Gedanken zu sortieren und über eine Möglichkeit der Antwort mit mehr emotionaler Distanz nachzudenken. Sie können sich die Fragen stellen: “Wie kann ich gerade reagieren? Welche Optionen habe ich und warum (re)agiert die andere Person gerade genau so, wie sie es tut?“
Achtsamkeit als Grundlage für offene Kommunikation
Es geht also nicht darum, Ihre Lebensgeschichte zu teilen. Sondern es geht darum, nicht aus starken Emotionen, die vielleicht in jüngeren Jahren entstanden sind, zu handeln. Verschaffen Sie sich Räume, um sich Ihrer Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu werden, sich Klarheit zu verschaffen, darüber zu reflektieren. Was war der Auslöser? Warum ist das Gefühl so stark? Ist die Stärke der Emotion berechtigt in der Situation? Die Reflexion der Gefühlswelt schafft die beste Basis für eine offene Kommunikation im Team und erhöht dadurch auch die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden.
Meditation als Möglichkeit
Wie kann man nun ins Beobachten kommen? Eine Möglichkeit kann Meditation sein. Sie tut aus verschiedenen Gründen gut. Üben Sie die Meditation in einer gewissen Regelmäßigkeit, so können Sie nach und nach Entspannung kultivieren – auch in Situationen, die Sie vielleicht früher gestresst hätten. Ihre Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit werden sich erhöhen, da Sie lernen, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Durch regelmäßige Meditation wird also auch Ihr Fokus geschult, wodurch es leichter wird, Sachverhalte zu durchschauen. Nach einer Weile der Übung können Sie es schaffen, Ihre Gedanken einfach zu beobachten, ohne diese gleich zu bewerten oder in die Tat umsetzen zu müssen. Das kann sehr entspannend wirken, weil Sie merken, nicht mehr auf alles reagieren zu müssen, was sich in Ihrem Kopf abspielt. Sie können, aber Sie müssen nicht mehr. Jede Meditation hilft Ihnen dabei, sich Schritt für Schritt besser kennenzulernen. Und eines vorweg: Dieser Prozess wird nie aufhören, darum dürfen Sie sich immer wieder überraschen lassen, welche Facette sich heute bei Ihnen zeigt. Dadurch werden Sie sich selbst immer besser annehmen können. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl können wachsen. Dadurch, dass Sie selbst immer stärker mit sich in die Verbindung gehen, wird sich auch der Kontakt zu anderen Menschen wie Ihren Kolleg*innen verbessern. Es wird einfacher, Menschen wahrzunehmen und auf sie eingehen zu können. Probieren Sie es aus - manchmal ist es ein guter Weg für mehr Fokus, manchmal reicht es noch nicht.
Eine kleine Anleitung zur Meditation
Suchen Sie sich einen ruhigen Ort. Nehmen Sie sich ein oder mehrere Sitzkissen und setzen Sie sich bequem hin. Stellen Sie den Laptop lautlos und das Handy auf Flugmodus, damit Sie nicht gestört werden. Stellen Sie Ihren Timer auf 10 Minuten.
Nehmen Sie eine gerade Sitzhaltung ein, beispielsweise den Schneidersitz. Richten Sie Ihre Wirbelsäule auf. Sie können sich vorstellen, an Ihrer Kopfspitze wäre eine unsichtbare Schnur befestigt, die Sie sanft nach oben zieht. Legen Sie Ihre Hände in den Schoß oder auf den Knien ab. Schließen Sie Ihre Augen.
Atmen fünf Mal tief ein und wieder aus, um sich zu entspannen und ganz auf dem Sitzkissen anzukommen. Sie können Ihr Körpergewicht auf dem Boden wahrnehmen.
Bringen Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem. Sie können wahrnehmen, wie er an der Nasenspitze sanft ein- und ausströmen kann. Außerdem können Sie beobachten, welche Körperteile sich heben und senken während der Ein- und Ausatmung. Sollten Ihre Gedanken abdriften, dann kehren Sie immer wieder zur Beobachtung Ihres Atems zurück. Lassen Sie Ihre Augen geschlossen und bleiben Sie in dieser Position, bis der Wecker klingelt.
Versuchen Sie, daraus eine regelmäßige Praxis werden zu lassen. Meditieren Sie, wenn es geht, regelmäßig am selben Ort und zur selben Zeit. So kann Ihr Geist sich an diese Zeit der Ruhe gewöhnen. Seien Sie geduldig und sanft mit sich selbst. Führen Sie Ihren Geist zurück, sollten Sie abgelenkt werden. Es dauert eine Weile, bis sich der Geist auf die Ruhe einlassen kann. Versuchen Sie, alle Vorstellungen loszulassen, was passieren kann oder soll. Was passiert, passiert. Sie können sich im Anschluss der Meditation überlegen, wie Sie die Ruhe aus der Meditation immer mehr auf Ihr Leben übertragen können. Dies kann ganz automatisch eintreten oder Sie können sich in hitzigen Momenten daran erinnern, dass Sie nicht auf Ihre Gedanken reagieren müssen, sondern sie im ersten Schritt erst einmal beobachten können. Dann können Sie entscheiden, auf welche Gedanken und Emotionen Sie reagieren möchten – und auf welche nicht.
Yoga als Meditationspraxis
Eine andere Herangehensweise an das Thema Meditation kann eine Yogapraxis sein. Das Yoga im Gruppensetting in der Bewegung, wie es die meisten von Ihnen verstehen werden, gilt laut traditioneller Lehre als Vorstufe der Meditation. Also auch, wenn Sie sich für einen klassischen Yogakurs entscheiden, kommen Sie durch die bewusste Ausführung der Bewegung automatisch in Reflexion. Wie das aussehen und welche Vorteile dies im Unternehmenskontext haben kann, erfahren Sie von Julia Kounlavong im nachfolgenden Interview.
Julia Kounlavong
Employer Branding and Marketing Consultant, Advanced Certified Yoga Teacher
Wie sah dein beruflicher Werdegang bisher aus?
Ich habe in Leipzig mein Abitur gemacht und dort auch studiert. Mit 23 hätte ich mein Studium in der Regelstudienzeit beenden und in die Berufswelt starten können. Allerdings entschied ich mich dafür, ein Auslandsjahr zu absolvieren, bevor es an den Ernst des Lebens geht. Als ich wieder zurückkam, machte ich in Berlin ein Praktikum, das so gut lief, dass ich im Bertelsmann-Konzern einstieg. Bei der Employer Branding Agentur Embrace habe ich das Projekt Blicksta mit gestartet, das Schüler*innen die Möglichkeit geben sollte, ihren Werdegang anhand ihrer Interessen zu definieren. Das habe ich ein paar Jahre gemacht und bin dann 2016 zu Amazon gegangen, um den Bereich Employer Branding aufzubauen. Ich war hier für Europa, vor allem Frankreich, Spanien und Italien verantwortlich und habe Deutschland, Österreich und UK später noch mitübernommen. Ich habe globale Projekte geleitet und in ihnen mitgewirkt. Ebenfalls 2016 habe ich meine erste Yogalehrerinnenausbildung gemacht und 2018/19 eine Aufbauausbildung. Seit 2017 unterrichte ich in Berlin.
„Durch ein erhöhtes Empathievermögen schafft man nachhaltigere Unternehmens- kulturen.“
Aus Vorgesprächen weiß ich, dass du bei Amazon gut ausgelastet warst. Warum hast du dich dennoch entschieden, nebenbei die Yogaausbildung zu machen?