Über Lebenskunst - Katharina Narbutovic - E-Book

Über Lebenskunst E-Book

Katharina Narbutovic

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Beschreibung

Welthistorisch steht erstmalig nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit unserer Zivilisation auf dem Spiel. Dennoch gelingt es uns nicht, vom Wissen um die Notwendigkeit einer ökologisch-kulturellen Revolution zum Handeln zu gelangen. Die Herausgeberinnen haben fünfzehn Autorinnen und Autoren aus Asien, Afrika, Europa, Australien und Ozeanien sowie den beiden Amerikas gebeten, die Zukunft aus einer kosmopolitischen Sicht zu entwerfen und damit die Lebenskunst nach Platon und Aristoteles für das 21. Jahrhundert zu aktualisieren. Denn wie wir uns die Zukunft im Zusammenhang mit Klimawandel, Artensterben und nachhaltigen Maßstäben vorstellen, vermögen momentan wohl allein die Literatur und der philosophische Essay zu ergründen. Die Anthologie »Über Lebenskunst« versammelt Texte, die sich programmatisch mit zukünftigen Lebensweisen unter den Bedingungen der ökologischen Krise in verschiedenen lokalen Kontexten auseinandersetzen. Mit Beiträgen u. a. von María Sonia Christoff (Argentinien), Louis-Philippe Dalembert (Haiti), Sema Kaygusuz (Türkei), Martha Nussbaum (USA), Michel Serres (Frankreich), Ngugi wa Thiong’o (Kenia), Abdourahman Waberi (Dschibuti), Alexis Wright (Australien) und Liao Yiwu (China).

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Seitenzahl: 467

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suhrkamp eBook

Welthistorisch steht erstmalig nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit unserer Zivilisation auf dem Spiel. Dennoch gelingt es uns nicht, vom Wissen um die Notwendigkeit einer ökologisch-kulturellen Revolution zum Handeln zu gelangen Die Herausgeberinnen haben neunzehn Autorinnen und Autoren aus Afrika, Asien, Australien, Europa und den beiden Amerikas gebeten, die antike Lebenskunst für das 21. Jahrhundert zu aktualisieren. Die Multiplizität der Stimmen zeigt, dass die Reflektion eines »guten« Lebens angesichts des Kampfes um das nackte Überleben an vielen Orten dieser Welt als purer Luxus erscheint. Die Fragen sind nicht überall gleich und die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus. Die Texte liefern Bestandsaufnahmen von Krisen, oftmals vor der Blaupause vergangener Katastrophen – Erdbeben, Tsunamis, Sintfluten –, bevor sie Bilder für das Jetzt und die Zukunft finden. Allesamt verknüpfen sie gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und politische Fragen und stellen sie in historische und lokale Zusammenhänge. Die literarischen, journalistischen und philosophischen Suchbewegungen erzählen, um zu überleben, im Angesicht eines Horizontes, der – wie beim Seiltanz – ins Wanken geraten ist.

Katharina Narbutovič ist Leiterin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.

Susanne Stemmler leitet den Bereich Literatur, Wissenschaft, Gesellschaft am Haus der Kulturen der Welt.

Über Lebenskunst

Utopien nach der Krise

Herausgegeben von Katharina Narbutovič

und Susanne Stemmler

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Suhrkamp

Eine Publikation des Suhrkamp Verlags und ÜBERLEBENSKUNST –

Ein Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes in Kooperation mit dem Haus der Kulturen der Welt

 

Herausgeberinnen: Katharina Narbutovič

(Berliner Künstlerprogramm des DAAD),

Susanne Stemmler

(Haus der Kulturen der Welt)

 

Suhrkamp eBook 2011

Erste Auflage 2011

© Suhrkamp Verlag Berlin 2011

Kulturstiftung des Bundes und Kulturveranstaltungen

des Bundes in Berlin GmbH

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch

Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat: Daniela Seel, Katharina Narbutovič, Susanne Stemmler

Umschlaggestaltung: Göllner, Michels, Zegarzewski

eISBN 978-3-518-75800-7

 

www.suhrkamp.de

Inhalt

Bernd Scherer/Hortensia Völckers Zum Geleit

Katharina Narbutovič/Susanne Stemmler Über Lebenskunst – ein Seiltanz über mannigfaltige Welten

 

Alle Mann in die Rettungsboote!

Michel Serres Alle Mann in die Rettungsboote!

John Berger Die Zeit eines Liedes

Malek Alloula Al Silsal. Alles, was bebt – und auf uns zukommt

 

Gesellschaften und Krisen

Arahmaiani Gedanken einer träumenden Nomadin

Meera Baindur/Sundar Sarukkai Naturschutz – philosophische Fragen

María Sonia Cristoff Ein nachhaltiger Eindruck

Amir Hassan Cheheltan Auf der Suche nach der Zukunft

Michail Schischkin Über Lebenskunst und Artensterben in Russland

 

Überleben und Sterben

Liao Yiwu Die (Über-) Lebenskunst der Chinesen

Dževad Karahasan Von der Kunst des Sterbens

 

Mensch und Tier

Sema Kaygusuz Das Gelöbnis

Martha C. Nussbaum Mitgefühl: Mensch und Tier

 

Nord – Süd: Eine Übung in Hoffnung?

Abdourahman Waberi Die Listen des Frankolins

Louis-Philippe Dalembert Ökologie: Für eine Nord-Süd-Ethik

Sjón Alda, die Welle – Eine Übung in Hoffnung

Alexis Wright Als der Schwan zurückkehrte

 

Überlebenswege

Ngũgĩ wa Thiong’o Der Heimweg

Nuruddin Farah Die Konflikte, die mein Leben prägten

 

Autorinnen und Autoren

Herausgeberinnen

Zum Geleit

Dieses Buch ist Teil der Initiative »Über Lebenskunst«, die gemeinsam von der Kulturstiftung des Bundes und dem Haus der Kulturen der Welt ins Leben gerufen wurde. Ob man im Titel beide Wörter zusammenschreiben und von »Überlebenskunst« sprechen sollte, sind wir oft gefragt worden. Unsere Antwort: Nur wenn man glaubt, dass das menschliche Überleben insgesamt auf dem Spiel steht. Allerdings hat die Drastik dieser Prognose zuletzt kaum einschneidende Veränderungen unserer Lebensweisen befördern können. Von den »Grenzen des Wachstums« sprechen Wirtschaftswissenschaftler und Ökologen nun schon seit Generationen. Während die wissenschaftliche Datenlage zur Plünderung des Planeten immer präziser wird, klettern Ressourcenverbrauch und Treibhausgas-Emissionen global gesehen in unverminderte und – für viele Beobachter – schwindelerregende Höhen.

»Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.« Dieser ökologische Imperativ – viel zitiert, seitdem der Philosoph Hans Jonas 1979 sein Buch Das Prinzip Verantwortung veröffentlicht hat – bringt den Anspruch auf den Punkt, der sich mit der Initiative »Über Lebenskunst« verbindet. Es geht um die Verantwortung für die »zukünftige Integrität des Menschen« – speziell auch um die Art und Weise, wie heute bildende Künstler, Architekten, Designer, Philosophen über eine sozial und ökologisch gerechte Lebenskunst im 21. Jahrhundert nachdenken – und auf welchem Wege sie gesellschaftlich zu erreichen ist.

Statt von himmelweit entfernten Klimadaten des »Über-Lebens« sprechen wir in dieser Initiative daher von »Über Lebenskunst«. Wir setzen am Individuum an, am Drama des Alltäglichen, an Entscheidungen, die wir Tag für Tag treffen, wenn wir essen, wohnen, kommunizieren, wenn wir reisen wollen oder arbeiten müssen. Wir fragen nach einem Typ von »Sorge um sich« (Michel Foucault), der von der permanenten Selbstbezüglichkeit des Individuums ausgeht, diese jedoch kosmopolitisch zu öffnen weiß. Ein Typ Sorge, der die Frage nach der konkreten Lebenskunst des Einzelnen in den Horizont der Über-Lebens-Bedrohung der Vielen zu stellen bereit ist.

Dieses Buch trägt zur internationalen – mit Hans Jonas könnten wir sagen –, »planetarischen« Öffnung unserer Initiative »Über Lebenskunst« bei. Entstanden ist es in Berlin; aber Länder wie Argentinien, Indonesien, Australien oder China sind nicht zu weit fort und Themen wie das Miteinander von Mensch und Tier, das Schlüsselerlebnis eines Erdbebens in der Kindheit, die Gefährdung der Wacholderwälder von Dschibuti liegen nicht zu fern, um nicht Aufnahme in diese Anthologie zu finden.

 

Wir danken den beiden Herausgeberinnen, Katharina Narbutovič und Dr. Susanne Stemmler, für ihren Spürsinn und ihre kluge Auswahl der Beiträgerinnen und Beiträger. Wir danken insbesondere allen Autorinnen und Autoren für ihre Mitwirkung an einem Buch, das unserem Nachdenken »Über Lebenskunst« neue Nahrung gibt.

 

Hortensia Völckers

Dr. Bernd Scherer

Künstlerische Direktorin

Intendant Haus der

Kulturstiftung des Bundes

Kulturen der Welt

Katharina Narbutovič und Susanne Stemmler

Über Lebenskunst – ein Seiltanz über mannigfaltige Welten

Der bekannte türkische Schriftsteller Osman Şahin gab einmal folgende Begebenheit aus seinem Leben zum Besten: Als er als junger Mann seinen Militärdienst ableistete, nahm er an einem literarischen Wettbewerb teil – und gewann. Selig berichtete er seiner Mutter davon, einer einfachen Frau, die auf dem Lande lebte. Diese freute sich von Herzen mit ihrem Sohn und wünschte ihm, er möge auch Zweiter und Dritter werden. Erst später, als er, aus dem Wehrdienst entlassen, ins heimatliche Dorf zurückkehrte, seine Mutter unter einem Baum sitzend beim Apfelsortieren fand und sie fragte, ob es ihr denn gar nichts bedeute, dass er Erster geworden sei, erschloss sich ihm der Sinn ihrer Worte: »Seine Mutter nahm ein paar Äpfel in die Hände und hielt sie ihrem Sohn hin. ›Was soll ich denn nur mit dem ersten, schau doch, so nebeneinander sind es viel mehr.‹ Die Frau hat also die Welt sammelnd wahrgenommen, und nicht zählend. Weil sie nicht einzelne Äpfel sah, sondern reichen Segen.« Sema Kaygusuz hat diese Begebenheit aus dem Leben ihres Schriftstellerkollegen Osman Şahin gewählt, um mit dem anschaulichen Bild von der Mutter und ihrer sammelnden Weltwahrnehmung ihre Vorstellung einer zukünftigen Über Lebenskunst zu unterstreichen: Wir Menschen müssen anerkennen, »dass wir mit unserer Welt selbst nichts sind als eine lokale Variante, eine Welt unter Welten« (Clifford Geertz), neben der mit der gleichen Berechtigung die Welt der Tiere, die der Pflanzen oder auch die der Steine steht. Nicht hierarchisch dürfen wir denken, sagt Sema Kaygusuz, sondern wir müssen die gegebenen Welten in ihrer Mannigfaltigkeit zulassen, sie nebeneinander bestehen lassen. So lautet ihre Antwort auf die Bitte, die wir an 18 Autorinnen und Autoren aus Afrika, Asien, Australien, Europa und den beiden Amerikas gerichtet haben: sich prospektiv und programmatisch mit den Formen einer Über Lebenskunst unter den Bedingungen der ökologischen Krise in verschiedenen lokalen Kontexten auseinanderzusetzen. Denn obwohl welthistorisch nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit unserer Zivilisation auf dem Spiel steht, wie die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima es uns gerade erst vor Augen geführt hat, gelingt es uns nicht, vom Wissen um die Notwendigkeit einer ökologisch-kulturellen Revolution zum Handeln zu gelangen: Eine rechtzeitige Verabschiedung des Kyoto-Folgeprotokolls ist nicht gewährleistet, obwohl die bestehende Verpflichtungsperiode 2012 ausläuft – um nur ein Beispiel zu nennen. Und so setzt unsere literarisch-philosophische Anthologie an, wo naturwissenschaftliche Evidenz und politisches Handeln enden: bei der der Fiktion und dem Essay eigenen Imagination, Sinnlichkeit und Subjektivität, beim offenen Denken, das beiden eignet.

Die Anerkennung des anderen als Ort von Erfahrung ist dabei ein zentrales Moment – auf ihr fußt das globale Anliegen dieses Buches. Unsere Wahrnehmung wird durch die Verschiedenartigkeit der Art und Weise, sich mit der Frage der Über Lebenskunst auseinanderzusetzen, neu bestimmt. Ohne Mitgefühl für den anderen wird es kein gemeinsames Überleben geben in einem »Welt-Körper« (Malek Alloula), der zwar ein Eigenleben führt, von dem aber das Leben der ganzen Menschheit abhängt. Die Rolle kultureller Traditionen, regionaler Deutungen von Wirklichkeit und ein neues kosmopolitisches Weltbewusstsein, das nicht an den Grenzen der eigenen Gesellschaft endet, wird derzeit kaum ausgelotet.

Ebenfalls noch längst nicht beantwortet ist die Frage nach dem »Wir« der Weltgesellschaft, den Akteuren. Allzu oft macht die Politik die Menschen zu Gefangenen des Jetzt, die nur von Augenblick zu Augenblick leben, ohne eine gemeinsame kreative Antwort entwerfen zu können.

Hier schließt sich die Suche nach einer Ethik an, die sich auf alle Lebewesen erstreckt. Die Einteilung in Menschen, Tiere, Pflanzen und Artefakte, in handelnde Subjekte und passive Objekte, wie sie die Moderne einführte, wurde spätestens durch die phänomenologischen Ansätze eines Maurice Merleau-Ponty in Frage gestellt. Sie stehen heute erneut zur Debatte, wenn es um die Rechte anderer Lebewesen, aber auch den Umgang mit Allgemeingütern wie Luft oder Wasser geht. Verantwortung zu übernehmen, eine Antwort zu geben, eine moralische Verpflichtung den Lebewesen gegenüber zu entwickeln, die wir für stumm halten, ja die wir selbst zum Schweigen gebracht haben – das ist mit Bruno Latour gesprochen dringlicher denn je: Jedes Ding und Wesen wird durch seine Beziehung zu den anderen Dingen und Wesen bestimmt, eben auch der Mensch, genauso wie ein Stein oder ein Baum. Nicht um eine Ausweitung der Moral auf neue Wesen geht es, sondern um die Abschaffung der Begrenzungen, die die Moderne zwischen Mensch und Tier, zwischen Lebendigem und Nicht-Lebendigem errichtet hat.

Michel Serres forderte bereits vor zwanzig Jahren, dass Gesellschaftsverträge durch Naturverträge ergänzt werden müssten. Eine nicht parasitäre, sondern eine alliierende Naturbeziehung sei die alles entscheidende Zukunftsaufgabe: »Die globale Geschichte tritt in die Natur ein und die globale Natur in die Geschichte« (Michel Serres). Da wir es infolge der fatalen Idee vom Eigentum und Besitz nur noch mit Restbeständen des kulturellen Konstruktes »Natur« zu tun haben, die wir der Monokultur opfern, stellt sich auch die Frage der Besitz- und Machtverhältnisse neu – alles dies sind Fragen, die weit über die ökologische hinausgehen und von den hier versammelten Autorinnen und Autoren aufgegriffen werden.

Im Gegensatz zu natur- und sozialwissenschaftlichen Evidenzen bietet uns die Literatur Erzählungen an: Sie schafft eine Formensprache, Bilder, Erinnerungen, die oft von der Vergangenheit durchsetzt sind, und verarbeitet kontextgebundene Überlieferungen, die je nach Weltgegend unterschiedlich ausfallen. Literatur ist somit eine Überlebenswissenschaft, so Ottmar Ette, denn sie stellt nicht nur Lebenswissen zur Verfügung, sondern macht Lebensformen erfahrbar.

Die Texte, die wir zwischen Januar und Mai 2011 auf unsere Bitte erhielten, unterstreichen, dass die globale ökologische Krise, die Gefahren des Klimawandels und die Notwendigkeit einer ökologisch-kulturellen Revolution weltweit als ein überaus ernstes Problem wahrgenommen werden. Und doch haben die 18 Autorinnen und Autoren die Frage nach dem Überleben der Menschheit und der Zukunft des Planeten in entscheidender Hinsicht ergänzt: Um die Frage nach dem Überleben des Einzelnen in finsteren, repressiven, als katastrophisch empfundenen Zeiten – denn zu sehr sind die Menschen an vielen Orten der Erde mit existenziellen Überlebensfragen beschäftigt, müssen sie leben wie Vieh, nehmen Angstfaktoren ihnen die Luft zum Atmen. Wenn die Menschen wie in China, Russland, in Somalia oder auch im Nahen und Mittleren Osten »ums nackte Überleben kämpfen, haben sie keinen Sinn für Ökologie« (Michail Schischkin), dann wird ein Begriff wie »Umwelt« angesichts des nur hauchdünnen Spalts zwischen Überleben und Sterben als »luxuriös« (Amir Hassan Cheheltan) empfunden. Und ist es dem Einzelnen gelungen zu überleben, so stecken ihm die am eigenen Leib erfahrenen, von den Mitmenschen oder der Natur zugefügten Katastrophen tief als Trauma in den Knochen, ist sein weiteres Leben durch das Staunen über das Wunder geprägt, verschont worden zu sein, wird er oft genug zum Erzähler, wie eine Scheherazade unter umgekehrtem Vorzeichen (Malek Alloula, Nuruddin Farah, Ngũgĩ wa Thiong’o).

Die Reflektion des ›guten‹ Lebens, eine verschiedene Möglichkeiten eröffnende Lebenskunst (Wilhelm Schmid), die auf die antike Philosophie von Platon und Aristoteles zurückgeht, auch der Lebensbegriff selbst erfährt in den erbetenen Texten eine breite Auffächerung. Nicht selten reicht sie zeitlich zurück in die postkoloniale Geschichte und wirft Fragen nach der Deutungshoheit über die Erzählungen auf. Die Literatur eröffnet zudem eine andere Raum-Zeit-Dimension, die uns aus der Zeit heraushebt, zusätzliche Zeit spendet und uns in andere Räume versetzt. Die hier versammelten Texte situieren sich zunächst noch im Angesicht der Katastrophe und Krise, bevor sie Bilder für das Jetzt finden. Es sind Zustandsbeschreibungen, weniger die großen Zukunftsentwürfe – zu stark wirken die erfahrenen Traumata als Blaupause des Erzählens nach.

Es sind vor allem Autoren der westlichen Welt, die sich angesichts der heraufziehenden ökologischen Katastrophe nicht des Eindrucks erwehren können, dass wir uns auf einer »Wahnsinnsfahrt ins Nichts« (Sjón) befinden: »Alle Mann in die Rettungsboote« lautet der Alarmruf Serres’, der eine sofortige Einstellung des Kriegs der Menschen gegen den Planeten Erde verlangt: »Über unserem Horizont erhebt sich wie eine schwarze Sonne die Auslöschung der Menschheit. Es wird weder Sieger noch Besiegte geben – die ganze Welt wird ins Verderben stürzen. Keine Arche mehr, kein Noah.« Ihre Forderung lautet, dass die Menschheit unverzüglich eingreifen muss, und zwar jeder Einzelne: »Wenn man angesichts dessen, was der Welt angetan wird, tatenlos bleibt, negiert man seine eigene Humanität und kündigt sein Verbundensein mit den Toten, den Lebendigen und den Ungeborenen auf« (John Berger).

Doch die drängenden Fragen weltweit sind nicht zwangsläufig die unseren hier auf der Nordhalbkugel. Das ist auch der Fehler der aktuellen Debatte – weder berücksichtigt sie den Ballast der Vergangenheit noch die globale Dimension. Einem gemeinschaftlichen Handeln steht somit das komplizierte Verhältnis zwischen südlicher und nördlicher Hemisphäre im Wege: Die Länder des Nordens schenken denen des Südens kein Gehör; die Länder des Südens wiederum meinen, die Menschen aus dem Norden hielten sie nur deshalb dazu an, den von ihnen bereits beschrittenen Weg nicht einzuschlagen, »damit sie so lange wie möglich von den Ressourcen dieser Erde profitieren können, ohne sie teilen zu müssen«, und betrachten die durch technologischen Fortschritt hervorgerufenen Nuklear- und Naturkatastrophen als »ein Problem der Reichen« (Louis Philippe Dalembert). Süden und Norden – »zwei Hypothesen der Welt«, wobei in der Wahrnehmung des Südens die Welt des Nordens »zum Kippen verdammt ist wie allzu cremige Milch« (Abdourahman Waberi).

Wir mögen in Zeiten der Globalisierung zwar äußerlich die gleiche Kleidung tragen, in den Kleidungsstücken aber stecken die alten Menschen, die alten Verhaltensmuster, die alten Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen. Nicht umsonst weist Michail Schischkin auf den Zusammenhang zwischen Zivilgesellschaft und Umweltschutz hin: »Ökologisches Bewusstsein und Sklavenmentalität sind unvereinbar. Ein Gefühl der Verantwortung für die Umwelt kann es ohne Freiheit, ohne die Chance, die Initiative zu ergreifen, nicht geben.« Doch bestimmen nicht nur die politischen Verhältnisse unser Verhältnis zur ›Umwelt‹ – deren begriffliches Konstrukt übrigens auch auf einem eurozentrischen Weltbild beruht. Als nicht weniger besorgniserregend empfinden viele Autorinnen und Autoren den Zustand des modernen Menschen selbst, seinen geistigen, intellektuellen und spirituellen Verfall, sein unmoralisches, gieriges, arrogantes, allein auf den Marktfundamentalismus hin ausgerichtetes Handeln, die Tatsache, dass der Mensch die Natur nicht mehr kennt, ja auch sich selbst nicht mehr kennt (Arahmaiani, Sema Kaygusuz, Martha Nussbaum).

Liao Yiwu hingegen lässt den Hinweis auf diktatorische Regimes als Entschuldigung nicht gelten und unterstreicht, dass ein jeder, ganz gleich in welch finsteren Zeiten er lebt, jederzeit die Freiheit der Wahl hat, »nicht einfach nur zu überleben, sondern für ein höheres Ziel zu leben«: »Leben heißt, die Freiheit zu haben, sich der Unfreiheit zu widersetzen. Wie schrieb der große Historiograf [Sima Qian]: ›Jeder Mensch wird sterben, doch er entscheidet, ob sein Leben so schwer und bedeutend war wie der Berg Taishan oder so leicht und bedeutungslos wie eine Gänsefeder.‹« Und er führt als Beispiel die Namen großer Meister aus dem Kanon der chinesischen Kultur an, die leben mussten wie Vieh und »der Nachwelt mit letzter Kraft ihr Denken, die Früchte ihres Talents, ihrer Studien und die Wahrheit über die Geschichte« hinterließen. Auch John Berger verweist auf das besondere Widerstandspotenzial, das nur der Kunst eigen ist: »Kunstwerke bewohnen und bieten uns eine Erfahrung der Zeit, die sich von dem Erleben der meisten Tagesereignisse unterscheidet. Vor oder in einem Kunstwerk betreten wir eine andere Gestalt der Zeit. Ich nenne sie die ›Zeit eines Liedes‹. Denn für die Zeit eines Liedes existiert die Gerechtigkeit wieder, die Würde wird anerkannt und der Mut geehrt.«

Widerstand oder Angst, Taishan oder Gänsefeder – dies ist die Wahl, vor der wir Menschen stehen. Dieser Band möchte den Weg öffnen für eine zukünftige Über Lebenskunst. Paradoxerweise aber muss uns auf diesem Weg zunächst die Vergangenheit einholen, wie die weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch in ihrem Buch Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft schrieb: »Die Geschichte der Katastrophen ist angebrochen . . . Doch der Mensch will darüber nicht nachdenken, weil er darüber noch nie nachgedacht hat, er versteckt sich hinter dem, was er kennt. Hinter der Vergangenheit.«

Alle Mann in die Rettungsboote!

Michel Serres

Alle Mann in die Rettungsboote!

Unlängst habe ich in Paris ein Buch mit dem Titel Der Weltkrieg veröffentlicht. Es handelt sich um eine Abhandlung über das Thema des Überlebens, betrachtet unter genau jenem Gesichtspunkt, um den mich meine Berliner Freunde nun bitten.

Wachsende Gewalt

Das Buch beginnt mit einer Beschreibung der Dynamik, die der Gewalt eigen ist. Ganz gleich, ob man ihre Entfesselung auf öffentlichen Plätzen, im Stadion oder in einer Kneipe unter angetrunkenen Matrosen, die in Streit geraten, beobachtet – jede Prügelei beginnt fast immer mit einer nichtigen Kleinigkeit, zieht mehr und mehr Kampfhähne an und gerät in Windeseile zu einer Angelegenheit, deren Verlauf niemand zu stoppen vermag. Doch wer hat diese Macht inne?

Im Stadion kann ein Pfiff des Schiedsrichters das Foulspiel beenden, auf dem Marktplatz versucht die Polizei ein Gerangel ohne Waffengewalt zu stoppen, und in der Kneipe führen die vom Wirt gerufenen Beamten die Kampfhähne in Handschellen ab.

Was kann Gewalt stoppen? Die Antwort lautet: die legitime Gewalt, die ihrerseits Gewalt, allerdings eine rechtmäßige ist. Weshalb die Gewalt nicht mit dem Krieg verwechselt werden sollte. Der Krieg wird durch eine Erklärung eröffnet und durch einen Waffenstillstand sowie ein Friedensabkommen – beides Rechtshandlungen – beendet.

Geschichte

Seit Anbeginn der Zeit stellt sich die Frage der stetigen Zunahme der Gewalt und ihrer unmöglichen oder möglichen Beendigung. Durch die Mehrzahl der Kulturen, die ich kenne – die hinduistische, die hebräische, die ägyptische –, zieht sich eine konstante Geschichte: die der Sintflut. Sie ist die anschaulich gewordene Form menschlicher Gewalt. Die Flut steigt so sehr an, dass sie die Welt zerstört und die gesamte Menschheit auslöscht.

Die Bibel berichtet nicht nur von einer, sondern von zwei dieser großen Fluten. In letzterer tritt der Patriarch Noah auf, der sich vor der allumfassenden Zerstörung auf seine selbst gebaute Arche rettet, mitsamt seinen Kindern und einem Paar von jeder Tierart. Die Urflut aber findet ohne eine solche Rettungsmöglichkeit statt. Bereits in den ersten Zeilen der Genesis steht geschrieben, dass allein der Geist Gottes über den Wassern schwebt. Nichts hat offensichtlich diese Urflut, diese völlige Auslöschung überlebt. Es bedarf mindestens eines Allmächtigen, um die Welt und seine Bewohner neu zu erschaffen.

Bericht von der Auslöschung

In jüngerer Zeit erzählt Agatha Christie in ihrem berühmten Roman Zehn kleine Negerlein eine ganz ähnliche Geschichte: Auf einer durch ein schweres Unwetter unzugänglich gewordenen Insel – die ein Mikrokosmos, ein kleines Modell unserer Welt und unserer Gesellschaft ist – finden sich für einen bestimmten Zeitraum zehn Leute versammelt. Als das Unwetter nachlässt und die Insel wieder betreten werden kann, stellen die ersten Zeugen fest, dass niemand überlebt hat. Alle haben sie sich gegenseitig umgebracht. Ebendieses Drama könnte oder muss jenen Zivilisationen widerfahren sein, von denen aus genau diesem Grund kaum Spuren überliefert sind.

Wissen wir, warum unsere Vorfahren aus dem Neandertal verschwunden sind?

Die Moderne

Die Gefahr, dass die Menschheit sich selbst auslöscht, ist so alt wie die Welt selbst und reicht bis zu den Ursprüngen der Menschen zurück. Seit Kurzem ist sie wieder präsent, und zwar auf zweierlei Weise. Seit wir die Massenvernichtungswaffen, die Atombomben, zunächst erfunden und dann auch eingesetzt haben, seit dem Manhattan-Projekt also, seit Hiroshima und Nagasaki, leben wir mit der unbestimmten Angst, unsere Menschheit könnte sich selbst auslöschen. Daher die hier gestellte Frage nach unserem Überleben.

Und seit wir uns der Gefahren bewusst geworden sind, die unsere industriellen Techniken, unsere Wirtschaft auf der Erde verbreiten, leben wir mit der ähnlich diffusen Angst, dass es für die künftigen Generationen sehr schwer werden dürfte, auf dem Planeten zu überleben, den wir ihnen hinterlassen.

Wir haben es also mit zwei Hauptgefahren zu tun: Die erste ist kollektiv und unserer eigenen Gewalt unterworfen; die zweite ist an unsere gewaltvollen Eingriffe in die materielle Welt geknüpft.

Der Krieg

Ich habe eingangs behauptet, dass nur das Recht die Gewalt einschränken könne. Der Krieg, so wie wir ihn aus der Geschichte kennen und wie er seit Jahrtausenden praktiziert wird, ist eine Einrichtung des Rechts. Städte, Staaten oder Nationen erklären ihn, offiziell, und er wird durch ebenso offizielle Unterschriften beendet, die das Ende der Kampfhandlungen besiegeln.

In seinem Buch Vom Kriege beschreibt Carl von Clausewitz, wie die Gewaltsamkeit der Schlachten bis ins Unermessliche wächst. Und in der Tat nahm die Zahl der Toten in den letzten Jahrhunderten beständig zu, selbst wenn man das weltweite Bevölkerungswachstum berücksichtigt. Trotzdem schränkt der Krieg als rechtliche Instanz jene unumschränkte Gewalt ein, die zur Auslöschung führt.

In jüngster Zeit jedoch erleben wir – aus unterschiedlichen Gründen – das Ende dieser Form von Krieg. Die wichtigste Ursache ist, dass es keine Supermacht mehr gibt, die über den Löwenanteil der schlagkräftigsten Waffen verfügt, und auch keine symmetrischen Konflikte, in denen sich ungefähr gleich starke Kräfte gegenüberstehen. Selbst wenn eine Macht heute mit ungleich stärkeren Waffen ausgestattet ist, kann sie sich nicht mehr über kleine und schwache Nationen erheben. Bedeutet dies das Ende der Kriege? Zweifellos.

Nur ist dies keine gute Nachricht. Denn mit dem Ende dieser Art von Kriegen verschwindet auch der rechtliche Rahmen, der die stetige Zunahme unserer Gewalt beschränkte. Ohne das Recht aber, das sie im Zaum hält, beginnt die Gewaltsamkeit, die man auch als terroristisch bezeichnen könnte, wieder zuzunehmen. Die Angst vor Sintflut und Auslöschung kehrt zurück.

Wie kann man sie stoppen? Wie kann man sich das Überleben vorstellen, inmitten der Gefahr?

An Bord prügeln sich die Matrosen

Kommen wir zu den sich prügelnden Matrosen zurück – nun aber nicht mehr in einer Hafenkneipe, geschützt vor den Stürmen auf hoher See, sondern an Bord ihres eigenen Schiffes. Weil die Mechaniker die einfachen Matrosen hassen, greifen sie diese an. Und weil die Heftigkeit des Kampfes sich immer mehr steigert, ist die Besatzung nahe daran, sich gegenseitig umzubringen.

Da ist sie wieder, die Geschichte von Agatha Christie, mit dem Unterschied, dass es sich nicht mehr um eine Insel handelt, sondern um ein Schiff, das dem Wellengang des Meeres und höherer Gewalt ausgesetzt ist, ohne dass sich auch nur ein Zipfel Land am Horizont zeigte. Da ist er wieder, der Mikrokosmos, der Sinnbild unseres Planeten ist. Nur dass an Bord des seiner Umgebung ausgelieferten Schiffs-Planeten kein Ufer, kein Ankerplatz, keine Zuflucht, kein geschützter Hafen in Sicht ist.

An Bord tobt ein Kampf auf Leben und Tod.

Alarmstufe Rot

Plötzlich ertönt über all dem Tumult der Verletzten und des von gegenseitigem Hass erfüllten Lärms ein Schrei. Die Matrosen hören, wie die Schiffswandung auseinanderbricht. Unmengen von Wasser ergießen sich über Deck, und das Meer strömt durch die offene Wandung herein, durchnässt die Maschinen und reißt einen Teil der Kämpfenden mit sich. Auf den Schock, den alle trotz ihrer Raserei verspürt haben, folgt ein Alarmsignal, das allen vertraut ist, auch wenn sie es nie gehört haben. Auf das krachende Bersten des Schiffs folgt der Aufschrei:

ALLEMANNINDIERETTUNGSBOOTE!

Das Schiff geht gleich unter.

Wie reagieren nun die Kampfhähne beider Lager? Man kann darauf wetten, dass sie sofort mit der Rangelei aufhören und zum einströmenden Wasser stürzen, um die klaffenden Löcher zu stopfen. Dass sie, wenn auch widerstrebend, ihre Kräfte vereinen, um die Gefahr, der sie alle ins Auge blicken, die große Bedrohung, den sicheren Tod abzuwenden.

Ende der Gewalt? Ja. Frieden? Ja.

Das ist die beste Nachricht.

Der Weltkrieg

Das Buch, das mit obigem Aufschrei endet, habe ich Der Weltkrieg genannt. Gemeinhin bezieht sich dieser Begriff auf zwei große Kriege dieses schrecklichen 20. Jahrhunderts, in welchem die angeblich klügsten und kultiviertesten Nationen grausame Verbrechen begingen, die mehr als hundert Millionen Tote zur Folge hatten.

Mein Buch aber schreibt diesem Begriff einen gänzlich anderen Sinn zu: der Krieg, der uns in Opposition zur Welt bringt. Es geht nicht mehr um den oder die Konflikte zwischen Menschen, sondern um den Kampf, der gegen die Welt geführt wird. Nicht mehr dieses grausame Spiel zu zweit, das man früher als Krieg bezeichnete, sondern ein neues zu dritt, bei dem sich mitten in unseren unverbesserlichen Kampfhandlungen ein unvorhergesehener Mitspieler hinzugesellt: der Planet selbst.

Wir befinden uns auf offener See. Allein im weiten Raum hat unser Schiff keinen Hafen oder Kai zum Ankern mehr. Ebensowenig harmonierend wie die Mechaniker und die einfachen Matrosen, liefert sich die Besatzung dieses Schiffes – Griechen und Perser, Römer und Gallier, Mongolen, Chinesen und Europäer, Engländer, Inder und Aborigines, Deutsche und Franzosen – permanent tödliche Schlachten. Aus welchem Grund, das vermag ich nicht zu sagen, meistens einfach so, aus Kinderei oder aus rohem Machtstreben. Sie kümmern sich nicht um die Schäden, die sie ihrem Boot zufügen, dem Dritten im Spiel. Diese aber sind so gravierend, dass sie das Schiff in Gefahr bringen und somit auch die gesamte Besatzung, ohne jeden Unterschied.

Angesichts des hereinströmenden Wassers finden sich alle im gleichen Lager wieder.

Die zweite Bedeutung des Weltkriegs folgt also auf die erste

Die nun aufziehende Bedrohung bringt die komplette Besatzung in Lebensgefahr und ist mit den Gefahren der vorangegangenen Kriege, die allesamt lokale und partielle waren und wie bei Noah nach der Sintflut einen Hoffnungsschimmer ließen, nicht zu vergleichen. Über unserem Horizont erhebt sich wie eine schwarze Sonne die Auslöschung der Menschheit. Es wird weder Sieger noch Besiegte geben – die ganze Welt wird ins Verderben stürzen. Keine Arche mehr, kein Noah. Die ganze Welt wird ihren Lebensraum und das Leben verlieren, ganz so wie in den ersten Tagen der Genesis, als Sein Geist über den Wassern schwebte.

Der Weltkrieg in dem von mir skizzierten Sinn gewinnt plötzlich über den Weltkrieg im landläufigen Sinn die Oberhand.

Die gute Nachricht

Diese tragische Perspektive ist zweifellos das Beste, was wir unseren Kindern erzählen können. Aber ich irre, die Kinder sind unsere Vorfahren und wir selbst. Wir hatten unser grausames Vergnügen daran, uns erbarmungslos zu prügeln, allein mit der Absicht, brutale Überlegenheit zu zeigen. Und wir hatten einen ebensolchen Spaß daran, einen dummen Krieg gegen die Welt zu führen, ohne jegliche Umsicht.

Neue Weisheit. Wenn wir nicht umgehend diesen Abschnitt der ebenso tödlichen wie törichten Geschichte beenden, laufen wir Gefahr, uns selbst auszulöschen. Kein fragiles, auf einem Vertrag beruhendes Recht wird uns mehr Einhalt gebieten, sondern nur der letzte Aufschrei vor dem Untergang:

ALLEMANNINDIERETTUNGSBOOTE!

Dies ist der beste Appell, den man sich denken kann. Ich hätte beinahe gesagt, der schönste der Geschichte!

Zwei Ergebnisse wird er zeitigen.

Erstens: den Frieden. Vielleicht sogar den ewigen, denn wir müssen für lange Zeit aufhören, einander zu bekämpfen und langwierige Allianzen schmieden, um unser aller Schiff auszubessern.

Zweitens: eine neue Geschichte, die es uns ermöglicht, andere Techniken, eine andere Wirtschaftsweise, ein anderes Recht, eine andere Politik zu ersinnen, die ihrerseits wiederum einen Friedensvertrag mit der Welt schließen, einen Naturvertrag.

Zwei Elemente des Überlebens.

 

Aus dem Französischen von Susanne Stemmler

John Berger

Die Zeit eines Liedes

Liebe Randa,

ich betrachte die Fotografien Deiner letzten Skulpturen, die genauso erstaunlich und eindrücklich sind wie jene, die ich vor zwei Jahren in Ramallah in Lebensgröße gesehen habe. Ich stelle mir vor, dass die neuen im Dorf Majdal Shams ebenso groß sind: dein Dorf, das, nachdem die Israelis die Stadt Qunayta ausradiert haben, fast zum Zentrum der Golanhöhen geworden ist.

Ich wiederhole diese Tatsache, die Dein Leben Tag und Nacht bestimmt, nur, weil die neuen lebensgroßen Figuren mit ihren Händen, Knien, Füßen, Gesichtern so viel über diese Beraubung – und darum handelt es sich zuallererst – aussagen: Sie verkörpern die Leben derer, denen man den Ort gestohlen, die Adresse genommen und die man dem Nirgendwo überantwortet hat. Das einzige Zuhause, das ihnen geblieben ist, sind ihre Körper, und die einzigen Straßen, die ihnen noch gehören, sind ihre eigenen Glieder.

Du nennst die neue Figurengruppe Ohne Ankündigung, und ich nehme an, dass sich der Titel teilweise auf den Raub des Ortes und die Vernichtung des Zuhauses bezieht. Skulpturen in Erwartung eines Bodens, auf dem sie gehen, stehen, liegen könnten. Und doch wirken sie ruhiger als Deine vorigen Arbeiten, und diese Ruhe lässt einen ihre Tragik noch weniger vergessen.

Woher stammt diese Ruhe? Nicht aus Resignation. Der Zorn gegen die Ungerechtigkeit, die ihre Leiden hervorruft, ist so gegenwärtig wie immer. Genauso wenig ist sie das Ergebnis von Müdigkeit; es ist eine Ruhe, die mit einer angestauten Energie geladen ist, einer Form von Ausdauer. Doch woher kommt diese Ausdauer?

Neulich sah ich in einem Pariser Theater drei Tänzer und drei Schauspieler in einer Aufführung, die auch von der Not und dem Kampf des palästinensischen Volkes handelte. Der Saal war bis auf den letzten Platz ausverkauft, und die Vorstellung überzeugte. Das Stück hieß Le Tangible. Das Publikum verließ das Theater sichtlich bewegt. Aber die israelische Besetzung des Westjordanlands und die Annexion Ost-Jerusalems halten an und bleiben unangefochten. Die Compagnie führt das Stück jeden Abend mit der gleichen Energie auf. Woher nur diese Ausdauer?

Bevor wir versuchen, darauf eine Antwort zu finden, hier ein paar Bemerkungen über die unterschiedlichen Taktiken von Kunst und Politik, wenn beide auf das Gleiche zielen. Kunst operiert in jeder politischen Auseinandersetzung eher verdeckt als offen. Der Druck, den Kunst erzeugen kann, und die Art von Unterstützung, die sie bietet, unterscheiden sich von den durch unmittelbar politische Aktionen entstandenen. Die Ziele politischer Handlungen sind präziser formuliert – wie auch die Risiken, die mit ihnen einhergehen. Das ist der Grund, warum ein Künstler so selten den politischen Erfolg seiner Tätigkeit melden oder feiern kann.

Wenn die politische Auseinandersetzung unmittelbar darauf zielt, etwas zu verändern oder etwas Neues einzuführen, operiert die den Kampf unterstützende Kunst ein gutes Stück weit hinter den Linien. Ist jedoch das direkte politische Ziel Widerstand, rückt die Kunst nach vorn und ist weit näher an der Front.

Diese Beobachtungen helfen uns vielleicht zu verstehen, warum Künstler – wenn sie mehr sind als bloße Hervorbringungen des Kunstmarktes, wovon es heute so viele gibt – sich eine bestimmte Geduld zu eigen machen müssen, wenn es um unmittelbare Ergebnisse geht. Doch auch dies erklärt nicht völlig die Ausdauer, nach der ich frage.

Kunstwerke bewohnen und bieten uns eine Erfahrung der Zeit, die sich von dem Erleben der meisten Tagesereignisse unterscheidet. Vor oder in einem Kunstwerk betreten wir eine andere Gestalt der Zeit. Ich nenne sie die »Zeit eines Liedes«, obwohl sie sich genauso auf visuelle, stille Kunstwerke beziehen lässt.

Die Dauer eines Liedes schiebt sich als Zwischenraum in die fortlaufende tägliche Zeit, und beide, Sänger und Zuhörer, betreten dieses Dazwischen, wo nichts erwartet wird und nichts mehr nötig ist, als dass man dieses Lied teilt. Und dieses Lied ist zugleich Vorschlag wie Ergebnis, Bitte wie Antwort, Schmerz wie Trost. Deine Skulpturen existieren in dieser Dauer, der Zeit eines Liedes.

Unnütz zu bemerken, dass dadurch die Skulpturen als Figuren nicht vertrauter erscheinen, noch erscheint ihr Leiden weniger grausam. Die beiden stehenden Frauen teilen sich immer noch einen Torso, drei Hände, zwei Beine und drei Füße. Und doch bewahren sie ihre Würde.

Für die Zeit eines Liedes sind Dein Protest, ihre Würde und die Anerkennung ihres Elends nicht länger ein vorübergehender Nebeneffekt, sondern sie sind errungen und in der gemeinsamen menschlichen Aufmerksamkeit verkörpert. Ihre Geschichte ist zugleich unabgeschlossen wie vollkommen. Nur in der Zeit eines Liedes kann das geschehen.

Stellen wir uns alle Ereignisse vor, die zum Elend der beiden stehenden Frauen geführt haben – eine Not, die so sicher existiert wie die beiden (und die es auch in Zukunft geben wird), die aber völlig versteckt und mit Schweigen übergangen wird; ja, man gewöhnt sich daran. Wäre das so, stünden wir dem Triumph – oder mindestens dem vorläufigen Sieg (denn niemand kann der Geschichte die Zunge herausreißen) – der Sinnlosigkeit gegenüber.

Deine Skulpturen konnten in keiner Weise die Bedingungen, unter denen die Frauen und Männer leben, verändern. Was Du gemacht hast, ist – im genauen Wortsinn – ohne Folge, folgenlos. Doch müssen sich weder Du noch Deine Modelle dem Triumph der Sinnlosigkeit beugen.

Denn für die Zeit eines Liedes existiert die Gerechtigkeit wieder, die Würde wird anerkannt und der Mut geehrt. Die Dauer eines Liedes schafft einen Zwischenraum, der der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft gehört. Und aus dieser Aufmerksamkeit kommt die Ausdauer.

Wie Mahmud Darwisch in seinem Gedicht Wandgemälde schrieb:

Ich sage nicht: Das Leben fernab, an einem imaginären Ort, sei wirklich.

Ich sage: Hier ist es möglich zu leben.

Die Ausdauer, die Künstler wie Du entdeckten, inspiriert durch die Zeit eines Liedes, wie ich es nenne, besitzt vielleicht eine bestimmte Relevanz für das heutige politische Tun.

 

In einer globalisierten Welt, die von der Marktmacht des Finanzkapitalismus beherrscht wird – mit seinen manipulierten Massenmedien, der Versklavung durch Kredite und der Chimäre des Konsums –, sind die althergebrachten Parteien und Allianzen der politischen Opposition nicht mehr länger glaubwürdig. Ihre Programme sind obsolet geworden, und ihre politischen Perspektiven sind abgeschnitten. Manipulatoren haben den so entstandenen leeren Raum übernommen und bevormunden die Menschen so, dass sie sich darin fügen, bloße Gefangene des unmittelbaren Jetzt zu sein. Paranoia ist an die Stelle einer gemeinsamen kreativen Antwort gerückt. Man lebt nur noch von einem Augenblick zum nächsten.

Die neuen politischen Formen von Widerstand und Opposition sind und werden vielfältig sein – spontan, regional, global. Aber was ihnen allen gemeinsam ist, ist der oberste ethische Grundsatz: Wenn man angesichts dessen, was der Welt angetan wird, tatenlos bleibt, negiert man seine eigene Humanität und kündigt sein Verbundensein mit den Toten, den Lebendigen und den Ungeborenen auf. Natürlich gibt es Niederlagen. Es gibt keine endgültigen Siege. Kampf ist wesentlich. Und doch ist der Sieg schon in den gemeinsamen Aktionen der Opposition gegenwärtig. Und so könnte man sagen, dass das Andauern des Kampfes bedeutet, dass man der Zeit eines Liedes folgt, während man gleichzeitig Entscheidungen fällt und sein Leben führt. Danke für die Fotos.

 

John

 

 

Randa Mdah ist eine 28jährige syrische Künstlerin, die in einem Dorf auf den Golanhöhen geboren wurde. Sie studierte Kunst an der Universität von Damaskus. Ihr Lehrer war der syrische Bildhauer Abdullah al-Sayed.

 

 

Aus dem Englischen von Hans Jürgen Balmes

Malek Alloula

Al Silsal. Alles, was bebt – und auf uns zukommt

Ganz so, als ginge in Kürze der Vorhang über dem Schauspiel in die Höhe, gingen aus dem Nichts, von grollenden Echos im erlöschenden Licht des Saales begleitet, drei Schläge auf dem porösen, empfindlichen Holz meiner inneren Bühne nieder, um dort die untilgbare Spur einer archaischen Angst zu hinterlassen – einer Angst, deren Wurzeln, so stelle ich es mir heute vor, an jene frühzeitlichen Ängste rühren, die dunklen Ängste des Homo sapiens, der, in Panik erstarrt oder in wilder Flucht, bald staunend blinzelt angesichts des Naturspektakels, bald ehrfürchtig erschauernd den Blick abwendet.

Auf 1943, 1954 und 1975 datiert sind jene drei Erdbeben, die mit wechselndem Epizentrum, unterschiedlicher Stärke und Dauer die Provinz Oran erschütterten und in mir heftige Zweifel und eine anhaltende Furcht auslösten, was meine Verweildauer auf Erden betraf – sowie jene meiner Nächsten, die ich ja liebte und von denen ich auf die eine oder andere Weise abhängig war.

Freilich glaube ich nicht, auch nur einen Tag lang gedacht zu haben, dass diese lange, niemals unterbrochene Kette menschlicher Ängste vergebens sein und keine andere Funktion haben könnte, als uns immer wieder auf uns selbst und unsere vorsintflutlichen Schreckensreflexe zurückzuwerfen.

 

1

Es ist eine seiner ersten richtigen Erinnerungen. Dessen ist er sich sicher. Eine vollständige Erinnerung. Vom fotografischen Gedächtnis gewissermaßen für den Rest des Lebens festgehalten.

Also dann. Er ist vier Jahre alt. Kaum älter. Es ist ein schöner, klarer Hochsommertag, er an der Hand seiner Mutter. Beide durchqueren den Hof, dessen Boden aus gestampfter Erde besteht, streben raschen Schrittes dem kleinen Raum zu, der der Familie als Küche dient. Jetzt sind sie angelangt. Seine Mutter hat seine Hand losgelassen und steht, mit dem Rücken zu ihm, vor einem geöffneten Büffet. Er ist nahe der Tür geblieben. Er lüpft sich auf die Zehenspitzen, um mehr vom Hof zu sehen. Er ist fast in der Schwebe, umklammert die Klinke und drückt sich die Nase an der Scheibe platt, die Knie gegen die raue Maserung des Holzes gepresst.

Jäh verschwindet alles. Grabesstille, oder jene gedämpfte, abgründige Stille, die dort herrscht, wo das Meer am tiefsten und die Fische blind sind. Dann, ebenso jäh, ein seltsames Geräusch, hohl, wie die anrollende Dünung, tief und dumpf, das alsbald in fernen Echos widerhallt, aber gleichsam pulsierend, bald näher, bald ferner zu sein scheint, und dazu fortwährend stampfend. Ein unglaublicher Schmiedehammer. Ihm ist, als ginge das Geräusch von ihm selber aus, durchliefe ihn von Kopf bis Fuß und vibriere in ihm, bis es ihn schier zerreißt. Er öffnet den Mund, um zu jammern, will seine instinktive Angst kundtun, sie hinausschreien in die Welt, aber vergebens. Er hört nichts inmitten all der Taubheit. Plötzlich sind Arme da, die ihn umfassen. Seine Mutter hält ihn fest an sich gepresst, dabei stößt sie hastig gemurmelte Worte hervor, unverständliche Worte, immer dieselben, keuchend und abgehackt, deren Hauch ihn wie eine göttliche Eingebung streift, allem zuvorkommend, was da, von einem unbezwinglichen Zucken erfasst, einstürzt und herunterfällt. Und zugleich wiegt sie ihn. Hab keine Angst. Hab keine Angst. Hab keine Angst. Ich bin ja da. Er späht über die Schulter seiner Mutter. Hab keine Angst. Nur keine Angst. Ich bin ja da. Da sieht er, wie das Büffet in Bewegung gerät. Wie ein Pendel zu schwingen beginnt. Vor und zurück, vor und zurück. Er sieht das Kochgeschirr, wie es herausrutscht, herunterfällt, über den Boden rollt, zerschellt. Alles geschieht gleichsam in Zeitlupe unter einer Glasglocke von beklemmender Stille. Und wie im Alptraum hat er Zeit, den Dingen dabei zuzusehen, wie sie geschehen und zu Bruch gehen. Direkt vor seinen Augen, und zugleich sehr weit weg.

Eine Art Pause. Was immer seine Gehörgänge verstopft hatte, hat sich gelöst, er spürt den Pulsschlag im Ohr und kann wieder hören. Die Küchentür hört er, wie sie sich öffnet, dann wieder schließt, mit lautem Scheppern gegen den Rahmen schlägt, bis es sie schier aus den Angeln hebt. Und noch immer dieses dunkle, dumpfe Dröhnen. Dann erneut, gleichsam als Krönung, eine eigenartige, völlig unwirkliche, gigantische und sich endlos dehnende Ruhe. Das Büffet gerät, seines Inhalts entleert, ausgeweidet, ins Kreiseln. Die Decke schwankt. Seine Mutter dreht sich mit ihm, er sich mit ihr, um die eigene Achse. Er weiß, dass sie nicht tanzender Derwisch spielen. Seine Mutter rutscht aus, ohne auch nur einen Schritt zu tun, taumelt, schwankt. Sie nähert sich einer der Mauern, erreicht sie, stützt sich kurz ab, versucht, zur Tür zu gelangen, in kleinen Vorstößen, wie beim Hüpfkästchen-Spiel. Aber. Aber. Hab keine Angst. Sie stolpert über die Schwelle, ihn fest im Arm haltend, hinaus ins Freie, in den Hof. Sie stürzen zu Boden, rollen, einander umfangend, über die Erde, er liegt unter ihr, gegen ihre Brust gedrückt, kann nichts sehen, hört nur, wie sie murmelt, immer atemloser diese Worte raunt, die er nicht kennt, nicht versteht, die ihn umhüllen. Er hat Mühe zu atmen und kann doch nicht schreien. Da ist es wieder, dieses Geräusch, wie die anrollende Dünung, nur lauter, anschwellend und schnaubend, laut und immer lauter. Dann ein gewaltiger Aufruhr, die Entfesselung des Chaos, das große, alles zerschmetternde Finale – für seine kindlichen Ohren das fantastischste Gepolter stürzender Trümmer überhaupt. Er hat, so erinnert er sich, in jenem Sekundenbruchteil nur den einen, quasi visuellen Gedanken gehabt: Mutter die Mauern zerbersten. Mutter die Mauern zerbersten. Er sieht sie. Dann nichts mehr. Nur noch Staub. Der aufsteigt. Während ringsum tiefe Stille herrscht. Seine Mutter und er liegen noch immer am Boden. Sie hat sich auf die Seite gerollt. Er kann wieder die Augen öffnen. Sehen. Atmen. Auch hört er Rufe in der Ferne. Die näherkommen. Menschenstimmen. Gellende Schreie. Voller Verzweiflung. Erst einige wenige. Vereinzelt. Dann andere. Zahlreicher. Die ihnen zu antworten scheinen. Sich zusammenfinden. Man ruft sie beim Namen, hilft ihnen auf, umringt sie, tastet sie ab. Seine Mutter hat eine blutende Wunde am Kopf. Er blutige Schrammen an Händen und Ellenbogen. Soviel vermag er auf dieser überbelichteten, von milchigem Weiß gesättigten Momentaufnahme gerade noch zu sehen.

Im selben Augenblick fällt er in Ohnmacht. Später würde man ihm erzählen, er habe in die Hose gemacht.

2

Etwas ist passiert, unwiderruflich. Er hat das vage Bewusstsein – ohne es in Worte fassen oder auch nur ansatzweise verstehen zu können –, er weiß es einfach aus dem Bauch heraus, in dem die Erinnerung daran unwahrscheinlich präsent ist, dass das Erlebte fortan über ihn bestimmt, das Hereinbrechen dieser gigantischen Naturgewalt, die ihn eisig erstarren und erbeben lässt wie einst in der kleinen Küche, hinten im Hof, im hilflosen Arm seiner Mutter.

Er ahnt es dunkel, während jener Zeit, in der nun allmählich, in winzigen Schritten, die fabulierende Bewältigung einsetzt und die Erzählung zögernd Gestalt annimmt, dass er seinen Platz noch nicht gefunden hat, noch nicht über die notwendigen Worte verfügt und bei den anderen, den Seinen, nur begrenzten und in keiner Weise entscheidenden Beistand findet für das, was ihm fortan keine Ruhe mehr lässt und ihm den Mund verschließt.

Auf dieser Schwelle, wo er, noch ein Kind, vorübergehend steht, hat er sich selbst wohl ein festes Versprechen gegeben: dem treu zu bleiben, was er hier, an jenem Tag, instinktiv begriffen hat, ganz ohne Worte, doch bebend vor Entsetzen.

Das Verstehen, als eine der Formen, in der innere Unruhe zum Ausdruck kommen kann, ist ein langsamer Prozess. Als bestünde er seit damals darauf, dass es eine Art Preis zu zahlen gäbe, konnte er sich nicht vorstellen, dass diese Unruhe jemals wegbleiben, ihn auslassen, sich abschwächen oder eines Tages aufhören könne, ihn zu beseelen oder anzutreiben, Motor seines Lebens zu sein.

Und es war wohl wie eine Art weiteres Versprechen, das zweite, das er sich selbst dort gab, auf eben dieser mentalen Schwelle, an der er stand, dieser symbolischen Schwelle, von der aus keine Umkehr denkbar war.

Das alles – diese wenig klaren, tastenden Ideen, die festen Gewissheiten, die kindlichen Schwüre, der trotzige Schneid, die hochgestimmte Sehnsucht –, ja, all das bewegt ihn zutiefst, hält die Erinnerung an seine Schwächen, seine Ängste, seine Panikausbrüche, die noch gar nicht lange zurückliegen, in ihm wach.

So war es gegen Ende der 1940er Jahre um ihn und seine kindlichen Wünsche und Sorgen, seinen konfusen Eifer, die Rätsel der Welt anzugehen, bestellt, als er jäh einem bösartigen Typhus anheimfiel. Die Ärzte räumten ihm kaum Überlebenschancen ein. Er musste wiederauferstehen.

Diese Rückkehr von den Toten nach zwei Tagen Koma ohne Sauerstoffzufuhr muss für die Seinen derart traumatisch gewesen sein, dass der Vorfall im Namen eines unausgesprochenen Schweigegelübdes von keinem in der Familie je wieder erwähnt wurde. Er hatte einfach niemals stattgefunden.

 

Seine Mutter schiebt sich auch weiterhin schützend zwischen ihn und die Realität, die Geschehnisse und das Ereignis, zwischen Leben und Tod. Während dieser ganzen Periode ununterscheidbarer Perspektiven, die nichts als galliges Erbrechen kennt und seinen Körper im Trommelfeuer bedrohlicher Fieberattacken beutelt, hört er, wie sie ihn unermüdlich beruhigt: Hab keine Angst, aber nicht doch, du musst dich nicht fürchten. Ob sie mit diesen Gebeten, diesen Sprechgesängen, die sie, schlaflos über sein Bett gebeugt, rastlos wiederholt, am Ende gar die Angst beschwört, die fortan tief in ihm sitzt und sich in jede Faser seines Körpers krallt – dieses Körpers, der mit all seinen Fasern so lange und seltsam vibriert hat, bevor er gleichsam versteinerte und sich allem entzog –, Körper und Fasern, abwesend auf unbestimmte Zeit.

Dennoch wird man ihm später erzählen, dass sein Ohnmachtsanfall im Hof nur von ganz kurzer Dauer war und dass er, mit frischem Wasser besprengt, rasch wieder zur Besinnung kam.

Trotz der unablässigen Beteuerungen bezüglich der Harmlosigkeit seiner Ohnmacht und der Unmöglichkeit von Folgeschäden, bleibt er außer Stande, die lärmende, wirre Sequenz, die der familiären Aufgeregtheit, dem hektischen Herbeistürzen und Zusammenströmen der Nachbarn vorausgegangen war, zu visualisieren, wohingegen er noch immer die gellenden Schreie, das Gebrüll und die Rufe im Ohr hat, sorgsam abgespeichert und abrufbar. All das kann er hören, doch zu sehen vermag er nichts.

Ein leerer Bildschirm überdeckt all seine damaligen unterschwelligen Wahrnehmungen, die von seinem alptraumartigen, wie in Zeitlupe erlebten Sturz im Hof herrühren, im Arm seiner Mutter, die ihn so fest umschlang, dass ihm die Luft wegblieb. Obwohl er bislang nichts zu erkennen vermag, glaubt er zuversichtlich, dass dort eines Tages dank einer unvermuteten Anamnese eine erste Nacherzählung dessen aufscheint, was ihn für immer prägen sollte und von diesem frühkindlichen, unvergänglichen Anblick eines Erdbebens herrührt.

 

Auf dem, was sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht als sein persönliches Palimpsest bezeichnen lässt, skizziert seine Mutter einen ersten orakelnden Entwurf, der sich im Nachhinein, unter den darüber abgelegten, durchgeblätterten Schichten, als Vorbereitung auf das erweisen wird, was sie erst kürzlich, einander umklammernd, erlebt hatten.

Im gemächlichen Tempo traditioneller Episodengeschichten – jener Geschichten, welche gemeinhin Könige einlullen und ihren Gemahlinnen das Leben retten – wird seine Mutter so manchen rhetorischen Trick anwenden und den passenden Erzählstil finden, um ihm alles zu ersparen, was sie sich an widrigen Folgen der alleinigen, wiewohl zeitverschobenen Erwähnung des erlittenen Schockes ausmalt.

Ihm zuliebe würde sie in der Stille weiter Dorfnächte am Saum eines von Leichtigkeit und Wohlbehagen erfüllten Schlummers eine vielgestaltige Mythologie zum Leben erwecken, die, den Tiefen der Zeit entsteigend, die sanfte Kühle und unbeschreiblich glatte Rundung der Gebetssteine besaß.

Vom sagenhaften kosmischen Stier mit seinen riesigen trichterförmigen Nüstern war die Rede, der irgendwo in der unendlichen Weite des Himmels lebte und mit jedem seiner Hufe einen der vier Kardinalpunkte umfing. Ob man sie wohl sehen, gar beobachten kann, diese vier himmlischen Hufe und Beine, die sich hoch über Galaxien, Sonnen und Monden erstrecken und so ganz alleine die Schöpfung abstützen und dazu das, was jenseits der Schöpfung liegt?

Sie flüsterte ihm unter der Bettdecke zu, dass es Dinge gibt, die so riesig, ja dermaßen riesig sind, dass sie dadurch unsichtbar werden. Oder umgekehrt Dinge, die uns so nah sind, dermaßen nah, dass sie für immer unterhalb unserer Wahrnehmung bleiben und dabei ebenso rätselhaft wie der galaktische Stier.

Und ihm war, wenn er der mütterlichen Erzählung folgte, als erkunde er unter Anleitung der Zauberstimme einen fantastischen Raum, der sich fortwährend weiter ausdehnte. Dort schnaubte, schnaufte und erbebte zutiefst, stieß mit Horn und Huf die wundersamste aller unendlichen Kreaturen – eine Kreatur, die, so die Worte seiner Mutter, niemals schlief, sondern seit Erschaffung der Welt, seit sich erste Anzeichen von Leben zeigten, Wache hielt. So musste man sich diese einzigartige Stütze wohl als strotzend vor Kraft und ewiger Jugend vorstellen, in stämmiger Grätsche über der kosmischen Leere, deren höchst scheuer und einsamer Bewohner er war.

 

Von der Trägheit des Sommers und der Ferien angesteckt, plätscherte die Erzählung, die so schwungvoll begonnen hatte, nunmehr geruhsam mäandernd, sich bald hierhin, bald dorthin verästelnd, dahin.

Stets pünktlich zur Schlafenszeit wieder aufgenommen, trug sie zur Verfertigung eines kosmischen Weltbildes bei, in dem die Fantasie es sich erlauben konnte, ungehindert zu schweifen. Er hütete sich freilich, dieser Versuchung vorbehaltlos nachzugeben. Sein unstillbarer Wissensdurst, seine beharrlichen und detaillierten Fragen bestärkten die Eltern in ihrer optimistischen Einschätzung, da sie eine offenkundige Besserung seines körperlichen und emotionalen Befindens verrieten.

In der Tat schwand die Erinnerung an den erlittenen Schock, wie stark auch immer er gewesen sein mochte, im Verlauf der sich zahllos reihenden Episoden, die seine Mutter wie in weiser Voraussicht zu therapeutischen Zwecken gespeichert hatte, zunehmend dahin. Das Vergessen trat jetzt wie von selber ein, so dass die Vorstadien, Ursprünge und selbst die eigentlichen Gründe für das Erzählen der Geschichten völlig aus seinem Bewusstsein schwanden und nur das kindliche Ergötzen am trostreichen Redefluss der inspirierten Erzählerin blieb.

 

Während diese ihr Sujet immer weiter ausschmückte, geriet sie unversehens in den Bereich der Einzelheiten und musste Erklärungen ersinnen, die für ein Kind, das sie mit neugierigen Fragen bestürmte, überzeugend und verständlich waren.

Für sie war es bestimmt ein Sprung ins Ungewisse, ein völlig neues Abenteuer, dem sie sich, schon aus Prinzip, weder entziehen konnte noch wollte.

Sie fing ganz vorne an, indem sie das Erdbeben, die seismische Erschütterung, klar und deutlich beim Namen nannte, und zwar bei einem Namen, der das Naturphänomen mit zwei griffigen Silben umfing, deren jede mit einem summenden »s« begann.

Der kompakte Name mit dem zweifachen stimmhaften Reibelaut, den er zum allerersten Mal vernahm und seiner Mutter gleich mehrfach nachsprach, dieser Name zog ihn sogleich in seinen Bann. Er musste ihn sich für immer einprägen, ihn jeder Faser seines Körpers einschreiben, ihn eingravieren in Zunge und Gaumen.

Das Wort, gleich doppelt mit einem sehr kurzen, aber betonten und sirrenden Lispeln ausgestattet, war trotz seines Klangs auf keinen Fall mit einer banalen Lautmalerei zu verwechseln, die hier völlig fehl am Platze wäre. Es beschwor im Gegenteil auf der Stelle das Bild einer rissigen, aber rasanten, sich munter schlängelnden Verschiebung herauf. Wie ein Blitz, der im Zickzack über den Erdboden schießt, so dachte er bei sich.

Elementare Bilder, die sich ihm unauslöschlich ins Gedächtnis eingruben, waren das – ursprüngliche Bilder, von der Art, die sich weder retuschieren noch bei anderem Licht betrachten lassen, weil sie schon immer, lange vor jeder Geschichte, da waren. Bilder der Frühzeit, denen eine endlose Reihe anderer folgte, die ihnen an Intensität, Frische und Strahlkraft doch niemals gleichkommen sollten.

 

Wenn die Erde nun bebt und bis ans Ende aller Zeiten immer wieder erbebt, dann, flüsterte sie ihm ins Ohr, ist daran der Große Stier zwischen den Sternen schuld. Er bringt sie zum Beben, er macht, dass sie über die Stränge schlägt und sich manchmal ganz vergisst. Weißt du, das passiert immer dann, wenn der Große Stier es leid ist, die Erde immer auf demselben Horn zu tragen, und, um das Horn zu entlasten, beschließt, die Erde aufs Nebenhorn zu verlagern. Er macht das in zwei Anläufen. Erst senkt er mit einem Ruck den Kopf, um das ermattete Horn von seiner Last zu befreien, dann hebt er mit einem zweiten Ruck den Kopf wieder an, damit das andere Horn den Platz seines Zwillings einnehmen kann. Und während eben dieser Gewichtsverlagerung – die du dir als akrobatisches Meisterstück denken musst, das sich, schneller als jeder Wimpernschlag, in einer Zeit abspielt, die kein Mensch je messen kann – wird die Erde von einem großen Beben gepackt. Sie zittert und bebt, als hätte sie Angst, das zweite Horn könne seine Position verfehlen und sie, die arme Erde, ihrer Stütze beraubt, wäre in alle Ewigkeit zum Sturz ins bodenlose Nichts verdammt.

Und außerdem erbebt sie, aber das ist nicht dieselbe Angst, infolge der Erschütterung, die tief in ihrem Innern widerhallt und ihr Andocken an das tragende Horn besiegelt, ihre glückliche Landung auf dem schnaubenden Träger – denn der Stier, der wie festgeschmiedet auf seinen Trittpunkten steht, schnaubt im qualvollen Gefühl der Dringlichkeit, zur stabilen Balance zurückfinden zu müssen.

Dieses Erschauern, das die Erde nicht unterdrücken kann, und die vielfachen Echos des Stiergebrülls dringen bis zu uns, und während der Zeit, die es braucht, bis das neue Horn die ihm genehme Position und der Stier zwischen den Sternen seine alte bequeme Stellung gefunden hat, erschauern und beben wir unsererseits im Takt all der Erschütterungen und Erdstöße, die derart ungeheuerlich sind, dass ihnen nichts widerstehen kann, und alles rundum bebt mit.

Danach tritt dann diese gewaltige Stille ein, wie eine Welle bricht sie über uns herein und ist der Stille so ähnlich, die oben in den Himmeln herrscht, inmitten derer sich endlos unsere Erde dreht, durch deren Nabe statt einer Achse das Horn des kosmischen Stieres führt. Und dann, ja und dann beruhigt die Erde sich langsam und fängt wieder normal zu atmen an.

3

Er schläft tief und fest im Badezimmer, ganz zusammengerollt und ohne das Geringste vom ausgelassenen Treiben um ihn herum mitzubekommen. Seine Mutter hat ihm am Fuß eines Stapels von Koffern – Koffer all jener Gäste, die man geladen hatte, um die Rückkehr von einer Pilgerreise zu feiern – ein notdürftiges Nachtlager errichtet. Er erinnert sich, dass er heftig geschüttelt und zugleich barsch angefahren worden ist, steh auf, steh auf, los, mach schnell, dass unsanft Arme und Hände nach ihm griffen und ihn, den verstört und schlaftrunken Protestierenden, unsanft unter der Gepäcklawine hervorzogen, die ihn unter sich begraben hatte, ohne dass er davon aufgewacht wäre. Eben diese oder auch andere Arme und Hände verspürt er nun im Rücken, wie sie ihn energisch, los, schnell, schnell, dem Tor entgegenschieben, dessen geöffnete Flügel man in der Dunkelheit kaum erkennen kann. Gellende Rufe, Frauenkreischen und Kindergeheul, das Geräusch schlagender Türen und galoppierender Schritte begleiten diese beängstigende, überstürzte nächtliche Flucht, deren Gründe er nicht kennt. Er erinnert sich, lange mit klopfendem Herzen und weichen Knien inmitten einer enormen, lärmenden Menschenmenge von kaum erkennbaren Umrissen gelaufen zu sein. Allmählich verlangsamt sich das Tempo der Flucht, und mit der Zeit bilden sich draußen, vor der Stadt, auf freiem Feld wieder kleine Gruppen heraus, deren jede für sich, dicht an dicht, auf nacktem Boden kampiert. Der Anblick, der sich ihm beim ersten, noch zitternden Licht der Dämmerung bietet, ähnelt dem einer kurzen Rast während eines schier endlosen Trecks. Bilder wie aus einem Western steigen in ihm auf. Doch nirgends die Spur eines kriegerischen Angriffs oder einer feindlichen Belagerung. Weit und breit keine Rothäute in Sicht, die sich johlend auf sie stürzen.

Der Tag schreitet voran, und im Verlauf tuschelnder Beratungen organisiert sich das Leben im Lager neu. Gleich einem Aufatmen, oder einem lang unterdrückten Schaudern, beginnt sich etwas zu regen. Dann taucht trommelnd ein Ausrufer auf, der ihnen mitteilt, die Bevölkerung könne nunmehr heimkehren und werde über den weiteren Verlauf der Dinge unterrichtet.

Dies war der zweite Schlag ans Tor seiner Lebensgeschichte, der in jener Herbstnacht des Jahres 1954 erscholl. Bei der zeitverschobenen Replik auf sein erstes Erdbeben handelte es sich um das verheerende (1.500 Tote, 1.200 Verletzte) nächtliche (1 Uhr 11) Erdbeben (12 Sekunden Dauer) vom 9. September, dessen Epizentrum in Orléansville, dem damaligen El Asnam, lag.

Algerien stand damals kurz vor dem Ausbruch (1. November) eines langen Befreiungskrieges, der erst acht Jahre später, im Juli 1962, enden sollte und 132 Jahre französischer Kolonialherrschaft zum Abschluss brachte. Sehr viel später, denn im ersten Moment fand sich niemand, um der mythischen Bedeutung des Erdbebens nachzugehen, sollte es nicht an Interpretationen fehlen, die es im Nachhinein als Vorboten größter Umwälzungen und höchst wundersamer Ereignisse deuten sollten. Doch die ersten Kommentare, die er zu Ohren bekam, sozusagen brandaktuell, gingen in eine ganz andere Richtung. Es war, wie seine Umwelt ihm einzutrichtern versuchte, vom Zorn Gottes die Rede, auf den die gerechte und wohlverdiente Strafe folge, die unterschiedslos all jene (das heißt die Einwohner von Orléansville) getroffen habe, die vom rechten Weg abgewichen seien, die Gotteslästerer und Ungläubigen in der zerstörten Stadt. Diese Strafe wurde, gleich einer Neuauflage des kathartischen Feuers, das einst Sodom und Gomorrha verschlang, den Überlebenden als warnendes Exempel ans schreckstarre Herz gelegt und wuchs sich zugleich zur ständigen Bedrohung unter ihren Füßen, ihrer Schlafstatt aus.

 

Neuerlicher Szenenwechsel. Es ist Sommer 1975. Eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen sich die Familie vollständig versammelt. Ferien an einem der Strände von Oran. Durch seine Erinnerung weht eine laue Brise voll Blütenduft, Bote einer glücklichen Zeit. Es begann zu dunkeln. Sie wollten die ersten Sterne abwarten, auf Sternschnuppen hoffend, ihren guten Stern, wer weiß. Sie warteten in einer Atmosphäre des Friedens, dem nichts etwas anhaben zu können schien.