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Über Nacht war Krieg. Es konnte nun kein Zweifel mehr sein, über das, was im Entstehen war. Ich will mir aufschreiben was in der Folgezeit alles bei uns zu erleben ist. Mir graute nur vor der unendlichen Weite des rußischen Raumes. Ich ahnte wohl die vielen tausende Kilometer. Immer wollten wir schon dabei sein, wo Neues los ist, nun sind wir´s.
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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Im Gedenken an meinen Großvater
Vorwort
Einleitung
1941
21. Juni
22. Juni
23. Juni
24. Juni
25. Juni
26. Juni
27. Juni
28. Juni
29. Juni
30. Juni
1. Juli
2. Juli
3. Juli
4. Juli
5. Juli
6. Juli
7. Juli
8. Juli
9. - 10. Juli
11. - 12. Juli
13. - 15. Juli
16. Juli
17. Juli
18. Juli
19. - 20. Juli
21. Juli
22. Juli
23. Juli
24. - 27. Juli
28. Juli
29. Juli
30. Juli
31. Juli
1. August
2. August
3. August
4. - 5. August
6. August
7. August
8 . - 11. August
12. - 13. August
14. - 16. August
21. August
27. August
28. - 31. August
1. September
3. September
3. September
4. - 5. September
6. September
7. September
8. September
9. September
10. - 11. September
12. - 13. September
14. September
20. September
21. - 22. September
23. September
24. - 29. September
6. Oktober
2. Oktober
7. - 9. Oktober
10. Oktober
11. Oktober
13. Oktober
14. Oktober
15. Oktober
16. Oktober
17. Oktober
18. Oktober
19. Oktober
20. Oktober
21. Oktober
22. Oktober
28. Oktober
29. Oktober
30. Oktober
31. Oktober
1. - 2. November
7. November
8. November
9. November
10. - 13. November
14. - 18. November
22. November
23. - 25. November
26. - 27. November
28. November
2. Dezember
6. Dezember
8. - 10. Dezember
11. - 13. Dezember
23. - 25. Dezember
27. - 28. Dezember
29. - 31. Dezember
1942
1. Januar
2. Januar
3. - 20. Januar
25. Januar
5. Februar
7. - 8. Februar
9. Februar
15. Februar
22. - 24. Februar
28. Februar
11. - 16. März
19. - 30. März
7. - 20. April
1. Mai
4. Mai
Im Jahre 2004, nahezu 25 Jahre nach dem Tod meines Großvaters, erinnerte ich mich an sein Tagebuch, das mir als Erbe in die Hände fiel. Mein Großvater verstarb 1979, ein Jahr nach meinem Vater.
Nun, ich muss dazu sagen, dass ich erst jetzt die Zeit und die Muse dafür hatte, es zu lesen oder besser gesagt zu übersetzen. Denn das Tagebuch meines Großvaters ist in Altdeutsch geschrieben, wie es zur Zeit des 2. Weltkrieges üblich war.
Ich erinnerte mich noch, dass ich diese Schreibweise in der Schule gelernt hatte, aber später hatte ich keine Ahnung mehr davon. Also machte ich mich auf die Suche nach dem altdeutschen Alphabet. Mit Hilfe des Internets war das kein großes Problem. Somit lernte ich sehr schnell wieder, diese Schrift zu lesen und zu schreiben.
Jetzt, nachdem ich das Tagebuch vollständig, und wie ich hoffe, ohne Fehler, in unsere Schreibweise übertragen habe, weiß ich, warum mein Großvater zu Lebzeiten nie über den Krieg mit mir gesprochen hat. Denn von so schrecklichen Dingen erzählt man ganz sicher nicht seinen Nachkommen in jungen Jahren.
Das Tagebuch ist authentisch, wie ihr an den eingescannten Originalseiten ersehen könnt und ich weiß bis heute nicht, ob ich solche schrecklichen Geschehnisse überhaupt veröffentlich soll.
Heute ist dieses Tagebuch für mich beeindruckender denn je.
Es gab Momente, wo ich einfach Tage aussetzen musste, weil mich die Geschehnisse in einer Art beeindruckten, dass ich nicht wusste, ob ich überhaupt weitermachen sollte.
Ich kann nur sagen, hoffentlich erleben unsere Nachkommen nicht noch einmal solche unmenschliche Zeiten wie mein Großvater, der nicht nur im 2. Weltkrieg, sondern auch noch in russischer Kriegsgefangenschaft in Sibirien war. Er kehrte erst 1949 nach Hause zurück.
Mein Großvater hinterließ mir noch 2 Messer, die er aus Granatsplittern während seiner Gefangenschaft gefertigt hatte. Mich beeindruckt die Härte des Materials, die Schärfe der Klingen und zugleich die faszinierende Form.
Zudem habe ich noch ein Foto meines Großvaters im Anhang, das vermutlich von dem Marsch durch Russland oder aus seiner Gefangenschaft stammt.
Juni bis Oktober 2004 Wolfgang K. Hindelang
Fertigstellung November 2016
In der endgültigen Form habe ich ganz bewusst die alte Schreibweise mit „ß" wie im Original belassen.
Tagebuch ab
21. Juni 41
Uffz. E. Hindelang
(Unteroffizier Aemilian Hindelang)
F. P. 22669
(Feldpostnummer 22669)
EINLEITUNG
Anfangs Juni ging's von Rocaniec weg nach Majdan. Da mußten wir mit größter Geschwindigkeit noch eine Zufahrtstraße zur Grenze bauen. Vier km Betonspurstraße, das Übrige wurde aus Knüppeln gemacht. Ernsthaft dachte noch niemand an Krieg mit Rußland. Doch die letzten Tage waren schon alle Wälder voll Truppen, Geschützen und Panzern. Munitions- und Benzinlager entstanden über Nacht. Es konnte nun kein Zweifel mehr sein, über das, was im Entstehen war. Ich will mir aufschreiben was in der Folgezeit alles bei uns zu erleben ist.
21. JUNI
Am 21. Juni früh drei Uhr erfolgte der Abmarsch in Majdan zur russischen Grenze - 16 km - In einem Wald, 1200 m von der Grenze entfernt, zelteten wir. Jeder war gespannt, auf das, was kommt. Abends wurde uns noch verschiedenes vorgelesen, über das Verhalten im Feindesland und zugleich der Beginn des Vormarsches bekannt gegeben. Nun war kein Zweifel mehr. Schlafen konnte wohl keiner mehr. Mir graute nur vor der unendlichen Weite des rußischen Raumes. Ich ahnte wohl die vielen tausende Kilometer. Immer wollten wir schon dabei sein, wo Neues los ist, nun sind wir's.
22. JUNI
Am 22. Juni, ab 2 Uhr warteten wir auf den Beginn der Kampfhandlungen. Die Kampftruppen waren schon weg. Um 4 Uhr fiel der erste Schuß in Richtung Grenze. Von ferne hörten wir schon Artillerie. Wir erwarteten ungeduldig den Marschbefehl. Endlich 3/4 9 Uhr ging's weg, an die Grenze, da immer der Grenze entlang. Um 1315 Uhr wurde die Grenze, die durch einen hohen Maschendrahtzaun gebildet wurde, überschritten. Kilometerbreites Gebiet, das weder bebaut noch bewohnt war, wurde durchquert. Ein halbfertiger Tankgraben, den zu vollenden die Russen keine Zeit mehr hatten, wurde durchschritten. Immer weiter nach Rußland hinein. Eine sumpfige Straße wird schnell ausgebessert, dabei finden wir den ersten russischen Soldaten versteckt. Er war vollkommen naß, da er in einem Wassergraben steckte und fing gleich zu weinen an. Er hatte Angst, erschossen zu werden. Es war ein Pole und erst zwei Tage Soldat. Wir schickten ihn nach Hause. Froh den bösen Deutschen entronnen zu sein, rannte er davon. Wir marschierten weiter bis abends 21 Uhr. In einem Dorf Bolanka wurde in Scheunen ausgeruht. Marsch ca. 35 km.
23. JUNI
Früh 3 Uhr weckt uns heftiges Artilleriefeuer, doch wir denken nicht viel und schlafen weiter. Um 5 Uhr aber wird's Ernst. Es ist für uns höchste Zeit zu türmen. Maschinengewehrund Infanteriefeuer ist in nächster Nähe. Die Kugeln pfeifen uns um die Ohren. Wir wissen nicht was los ist und gehen zurück. Ich bin mehr erstaunt als erregt. Ein tolles Durcheinander entsteht. Aktive Truppen sind hinter uns schon in Stellung und wir kommen langsam aus dem Dorf hervor, aus dem sie schon die Russen erwarten. Ein Hauptmann, der erfährt, daß wir Baukompanie sind, wünscht uns zu allen Teufeln. Die Russen sind knapp hinter uns. Da beeilten wir uns doch besser und rannten wie die Hasen übers Feld. Ich fühlte namenlose Beschämung und ging in ohnmächtigem Zorn zurück. Ca. 3 km weit, da beobachteten wir den Kampf bis Mittag, dann konnten wir wieder vor. Der Feind war vertrieben, aber nicht von der Baukompanie. Um 15 Uhr erfolgte der Weitermarsch.
24. JUNI
Wir marschieren bis 24Juni früh drei Uhr. Versprengte Truppen und Baumschützen machten den nächtlichen Marsch nicht gerade angenehm. Wir sind ca. 50 km gelaufen, aber sehr viel Umweg. In einem Dorf wurde gerastet bis nachmittags 16 Uhr. Dann eine Stunde Marsch bis zu einem Wäldchen. Heftiges Artilleriefeuer ist ganz nahe zu beobachten. Am Rand des Wäldchens liegt ein erschossener Heckenschütze. Der erste Tote den ich sehe. Zahlreiche Brände sind zu sehen. Nach 1 1/2 Stunden geht's weiter zu einem Dorf, dort bleiben wir. Ca. 12 km.
25. JUNI
25. Juni früh 9 Uhr marschieren wir weiter, doch schon nach 5 km in einem Walde konnten wir nicht mehr weiter, der Gegner liegt ca. 3-4 km vor uns in dem Städtchen Krakowitsch und verteidigt sich äußerst erbittert. Große Verluste sollen auf beiden Seiten sein. Selbst Verwundete schießen, bis sie erledigt werden. Den deutschen Verwundeten sollen sogar die Köpfe abgeschnitten worden sein bis die Sanitäter wieder kamen. Der Kampf muß ganz furchtbar sein. Wir liegen hier faul herum. Was sollen wir auch viel helfen können, sind wir doch so gut wie waffenlos: 18 deutsche Gewehre, die übrigen haben Franzosenprügel und sehr wenig Munition dazu. Die Russen sind sehr gut bewaffnet mit mechanischen Waffen, die Artillerie ist modern und soll sehr gut schießen. Wir bleiben in dem Wald über Nacht.
26. JUNI
Wir haben polnische Fuhrwerke dabei. Sie hatten ohne Begleitung kein Futter zu holen. Einer befolgte das nicht und wurde in der Nacht, als er Gras für die Pferde holen wollte, von Feldposten erschossen. Da viele Russen die Uniform bei drohender Gefangennahme wegwarfen und als Zivilisten zu entkommen versuchen, wird bei der Nacht auf jeden ohne weiteres geschossen. Es war früh ½ 3 Uhr.
Da der Feind während der Nacht weit zurückgeschlagen wurde, marschierten wir um ½ 9 Uhr weiter nach Osten. Krakowitsch, das starke Kampfspuren aufwies, wurde durchschritten. Nun kommt das Schlachtfeld.
Sowas hab ich noch nicht gesehen. In bunter Reihenfolge liegen rechts und links der Straße tote Russen, Geschütze, Panzer, Traktoren und sonstiges Material aller Art. Furchtbar ist der Anblick der vielen Toten. In allen möglichen Stellungen liegen sie umher. Die Deutschen sind von der Truppe gleich bestattet worden. Ein wahnsinniges Durcheinander muß der Rückzug der Russen gewesen sein. Sie sind in großer Zahl gefallen. Ganze Batterien stehen noch mit dem Rohr nach Westen gerichtet, umher. Sehr viel Munition dazu. Die Geschütze sind alle neu. Sehr viele Autos, Panzer und Traktoren waren ineinander festgefahren und bildeten so für die Anderen ein Hindernis, das in der Eile nicht zu beseitigen war. So mußten viele stehen gelassen werden und fielen unversehrt in deutsche Hand. Die Toten sind sehr verstümmelt und sehen wie verbrannt aus. Die Straße ist gut aber es staubt furchtbar. Nach 5 km halten wir im Walde. Wir machen die Straße frei und beerdigen oder besser gesagt scharren Russen ein. Gefangene haben wir noch keine gesehen. Geschütze sind ganz modern; ebenso Maschinenpistolen und automatische Gewehre. Bewaffnet sind die Russen also sehr gut. Aber wie man sieht hilft's nicht viel. Eine neue Division geht vor. Das stellt man sich gar nicht vor, was da alles dabei ist. Da kann's keinen Widerstand von Dauer geben. Der Feind muß sehr weit zurück sein. Es ist kein Schuß mehr zu hören. Nach rechts und links wird von Truppen der Wald gesäubert. Wir legen uns ermüdet und voller Ekel zur Ruhe.
27. JUNI
Vormittags kam ich weit auf dem Schlachtfeld umher, das ist wirklich verheerend. Russen liegen in Massen umher. Ausrüstung aller Art. Überraschend groß ist die Zahl der automatischen Waffen. Die Toten sind infolge der