....und danach kommt die Angst - Karl-Heinz Baaken - E-Book

....und danach kommt die Angst E-Book

Karl-Heinz Baaken

4,9

Beschreibung

Ein emotionaler und sehr persönlicher Erlebnisbericht über einen erlittenden Schlaganfall und die Angst danach. Der Autor war zur Zeit des SA im Jahr 2014 55 Jahre alt, keine Anzeichen sprachen eigenlich für einen Schlaganfall. Begleiten sie ihn auf seine Reise, bis zum heutigen Tag. Erleben sie was im Krankenhaus und in der REHA danach geschah. Weinen und Lachen sie mit ihm, lernen sie Patienten, Menschen und Typen kennen, welche ihm begegneten. Ein fesselndes, persönliches Erlebnis über Krankheit, Ängste, Sorgen und Hoffnungen.

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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Für meine Frau, meinem Sohn, die mir eine große Stütze waren und sind. Für alle die mir nahestehen.

Danke.

Der Autor wurde 1958 in einem kleinen Dorf am linken Niederrhein geboren. Da er sehr bodenständig ist, hat er diese Region nie verlassen. Karl-Heinz Baaken ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohnes. Im Jahr 2014 erlitt er einen ischämischen Infarkt, einen Schlaganfall. Von diesem, und der Angst danach, möchte er in seinem Buch berichten.

Inhaltsverzeichnis

Anstelle eines Vorwortes

Schlaganfall und Aufnahme ins Krankenhaus

Noch 5 Minuten bis zum Schlaganfall

Krankenhausaufenthalt

Neuropsychologische Untersuchung im Krankenhaus

MRT-Untersuchung

Ein paar Tage später

Meine Reha

Besuche während meiner Reha-Zeit

Die sportliche Betätigung als Therapie

Training auf dem Fahrrad

Ein neuerlicher Besuch beim psychologischen Dienst

Wieder zu Hause

Die Visite

Mein Grad der Behinderung

Der VdK

Der Weg zurück in die Arbeitswelt

Wie ging es weiter?

Immer wieder diese Angst

Der Schellong-Test oder die Kipptischuntersuchung

Kurzes Intermezzo am Rande

… und schon wieder Krankenhaus

Planung für den nächsten Urlaub

Krankenhaus, wieder einmal Krankenhaus

Der nächste Besuch beim Hausarzt

Termin beim Psychologen

Eine letzte Geschichte noch

Heute, und wie geht es mir jetzt?

Was ich zum Schluss noch sagen möchte, mein Epilog

Anstelle eines Vorwortes

Und schon wieder ein Buch über einen Schlaganfall. Es gibt viele Bücher über dieses Thema, von Prominenten oder unbekannten Menschen, wie ich es einer bin, geschrieben. Wer möchte so etwas schon lesen? Ich selbst möchte es lesen, denn ich selbst habe es geschrieben, Wort für Wort, Zeile für Zeile. Keinen Ghostwriter, keinen hinter dem ich mich verstecke. Es sind meine eigenen Gedanken, meine eigenen Ängste und Sorgen, aber auch meine Freuden. Mit diesem Buch habe ich mich meiner Angst vor einem erneuten Schlaganfall gestellt, und es hat mir gutgetan, es zu schreiben.

Vorab, sicher vorkommende Rechtschreibfehler oder Mängel in der Grammatik, bitte ich, mir zu verzeihen. Ich bin kein Schriftsteller, bin kein Lektor, ich bin ein Mensch mit Fehlern, wie alle anderen auch.

Das Buch ist aber auch für jeden anderen vielleicht lesenswert. Für Menschen, die das Gleiche oder ein ähnliches Schicksal erlitten haben, für diejenigen, die wie ich mit der Angst zu kämpfen haben, dass es sie wieder „erwischt“. Für Angehörige, die daran interessiert sind, weil sie einen lieben Menschen aus ihrem Umfeld pflegen, weil auch bei diesem „die Angst später kommt“.

In diesem Buch halte ich keine Rückschau auf mein „Leben davor“, und wenn, dann nur am Rande. Dieser persönliche Erlebnisbericht fängt mit dem Tag des Schlaganfalls an. Vielmehr blicke ich nach vorn, was ich durch diesen Schicksalsschlag geworden bin, was ich danach noch konnte bzw. jetzt wieder kann. Auch wenn manchmal traurige Momente vorkommen, es ist ein positives Buch, zumindest habe ich versucht, es Ihnen positiv näherzubringen.

Manche werden am Ende des Buches vielleicht fragen: Über welchen Schlaganfall schreibt er denn da? Das war doch ganz bestimmt keiner.

Doch, es war einer. Ich hatte das Glück, dass es in den Augen vieler „gut“ ausgegangen ist, dass ich meine Beine, meine Arme wieder ohne Probleme bewegen kann. Ich habe meine Sprache wiederbekommen, meine Wortfindungsstörungen sind bis auf leichte Aussetzer verschwunden. Ich bin dankbar und glücklich.

Wenn Sie immer noch möchten, folgen Sie mir in die Welt der Krankenhäuser, in die REHA-Klinik und zu vielen Untersuchungen. Folgen Sie mir, wenn ich mich über kleine und große Fortschritte gefreut habe, und immer noch freue.

Doch folgen Sie mir auch, wenn ich vor Angst und Sorge oft nicht schlafen konnte.

So wie ich alles erlebt habe, so habe ich es geschrieben.

Sie finden in diesem Buch auch Auszüge aus Entlassungsberichten oder Gutachten. Bei diesen habe ich mir erlaubt, diese so wie es dort geschrieben steht zu übernehmen.

Schmunzeln, lachen und weinen Sie mit mir. Und ja, ich wünsche Ihnen viel Spaß und gute Unterhaltung beim Lesen dieses Buches.

Schlaganfall und Aufnahme ins Krankenhaus

15.07.2014, gegen 21.00 Uhr

An diesem Tag geschah es, plötzlich und unerwartet.

Plötzlich? Unerwartet? Ja, wie bei vielen anderen auch, kam es für mich unerwartet. Obwohl einige Warnzeichen bei mir vorhanden waren. Mein linkes Bein wollte seit Tagen oft nicht so, wie es hätte sein sollen, Beklemmungen im Brustbereich, Nachtschweiß mit Angstzuständen, die einen nicht mehr einschlafen ließen.

Bei einem Besuch bei meiner Schwester fiel mir der Autoschlüssel aus der linken Hand; bemerkt habe ich es nur, weil er auf dem Asphalt aufschlug. Sofort danach ein Schwindelgefühl, sodass ich mich erst mal auf die Treppenstufen zu ihrem Haus setzen musste. „Hey, geht schon wieder“, war meine Antwort auf die besorgten Fragen meiner Frau, meiner Schwester und ihres Mannes. Erst mal ein Glas Sekt, ist doch sicher nur der Kreislauf, also den aufkommenden Verdacht beiseiteschieben, geht ja schon wieder gut und einen netten Abend mit Schwester, Schwager und Frau verbringen, denn wer denkt schon an einen Schlaganfall? So was bekommen doch nur alte Menschen, oder?

Ich bin doch der Macher, immer Sport getrieben, o. k., geraucht wie ein Schlot, und mit dem Sport ist es wohl auch schon ein paar Jahre her, aber trotzdem. Ich bekomme so was nicht.

Doch ich selbst war doch auch schon 55 und wurde, und werde noch heute, von meinem Sohn liebevoll des Öfteren als „alter Mann“ betitelt. Na gut, mit seinen 27 Jahren hat er auch das Recht dazu, oder?

Der „alte Mann“ hat die Vorzeichen nicht beachtet und der „unerwartete“ Tag rückte immer näher.

Stehe voll im Berufsleben als Ansager und Servicemitarbeiter bei der Deutschen Bahn AG, und das im Früh-, Spät- und Nachtdienst. Meine Frau und ich, wir leben unser Leben, unser Sohn ist vor einiger Zeit ausgezogen, hat nach seinem Gewinn bei „Wer wird Millionär“ seine erste eigene Wohnung in E. bezogen. Bevor Sie fragen, nein, zur Million hat es nicht gereicht, aber ein schönes Sümmchen für ihn alleine hat er gewonnen. Wir fliegen einmal im Jahr in den Urlaub, meistens in die Türkei, einfach mal Strandurlaub, einfach mal genießen und den Akku aufladen. Auch in diesem Jahr haben wir unseren Urlaub dort verbracht, ohne Warn- und Vorzeichen, dass etwas „passieren“ könnte. Nein, es war einfach nur ein schöner, erholsamer Urlaub.

Doch der Schlaganfall rückt näher, immer näher. Etwas, was man vielleicht hätte aufhalten können, wenn man auf die Warnzeichen gehört und sie beachtet hätte.

Am 15.07.2014 hatte ich Spätdienst als Ansager bei der Deutschen Bahn AG. Spätdienst bedeutet von 13.00 – 20.00 Uhr.

Ein Tag zum Vergessen. Fast alle Züge hatten Verspätung, mehrere Zugverbindungen fielen sogar ganz aus. Da redest du dir einen Wolf, besonders deswegen, weil unser Bahnhof nicht mehr mit einem Servicemitarbeiter besetzt ist. Ich gönne so etwas keinem, steht mal an so einem Tag mit roter Mütze auf dem Bahnsteig. Horror pur!

Doch ein Gutes hatte es auch, der Dienst ging sehr schnell vorbei. Meine Ablösung kam zum Nachtdienst, ein wenig rumgeflachst, Dienst übergeben, und schon ging es ab in den Feierabend.

Im Zug nach Hause noch ein wenig gelesen, den erbosten Fahrgästen zugehört, bin in Zivil ja auch nicht als Eisenbahner zu erkennen, es wurde geschimpft und gespottet über die Sch…bahn und die Beamten, eben typisch Bahn halt, immer mit Verspätung. Ich hatte Glück und kam unerkannt und unbeschadet an mein Ziel. Jetzt noch schnell aufs Fahrrad und zack, ich bin zu Hause.

Was liegt heute denn noch an? Ist doch schon 20.30 Uhr. Meine Frau war zu ihrem Stammtisch, Krabbelgruppe genannt. Vier Mädels, die sich treffen, seit unsere Kinder noch gekrabbelt haben. Na, ist doch spitze, dachte ich mir, kochst dir noch ein Süppchen, genießt es vor dem Fernseher im Wohnzimmer und schaust die Ankunft unserer frisch gebackenen Weltmeister, die an diesem Tag aus Brasilien zurückkamen. Gut, man muss nicht alle Spieler mögen, aber Weltmeister werden wir auch nicht alle Tage.

Also, Jacke und Schuhe aus, Arbeitstasche in die Ecke und die Mikrowelle angeschaltet. Mikrowellengerichte, das kann ich. Da ich alles andere als ein Koch bin, mir würde sogar das Wasser anbrennen, wenn ich es kochen würde, geht´s am besten aus der Mikrowelle, wenn ich mal allein zu Hause bin. „Bling“, sagt das Gerät, Suppe ist fertig. Den Teller, ganz vorsichtig, mit spitzen Fingern ins Wohnzimmer getragen, auf den Tisch gesetzt, mich selbst aufs Sofa, Suppe gelöffelt und gleichzeitig Fernsehen geschaut, das Leben ist schön.

Noch 5 Minuten bis zum Schlaganfall

Weiß man die Zeit, trotz Warnzeichen, wann der Schlag einen trifft? Nein, keiner, der je einen Schlaganfall hatte, weiß vorher, wann es einen „erwischt“.

Die Suppe ausgelöffelt, mit dem Gedanken an die Zigarette nach dem Essen noch einmal wohlig auf dem Sofa ausgestreckt, es gibt doch noch Beamte, die hart arbeiten. Doch halt, eben noch den Teller und den Löffel in die Spülmaschine, damit es nachher keine Meckerei gibt. Also vor der Zigarette den Teller geschnappt, aufgestanden und …….. BAM!

Mir wurde auf einmal so ganz komisch im Kopf, mein linkes Bein gehorchte mir nicht mehr, und zack lag ich mit Teller auf dem Teppich, meine linke Hand gehörte nicht mehr zu mir, sondern lag mit zusammengekrümmten Fingern auf meiner Brust. Der erste Gedanke: Was ist das denn jetzt schon wieder? Der zweite Gedanke: Schlaganfall. Nein, ich doch nicht. Mit aller Willenskraft, die mir blieb, zog ich mich mit der rechten Hand am Couchtisch hoch, mein linkes Bein wollte immer noch nicht so wie ich, aber das wollen wir doch mal sehen, mein Körper gehört mir! Aufstehen, los aufstehen, ich bin hier der Chef, also los?

Wie sagt man so schön? „Alles, was man will, schafft man auch!“ Wackelig und auch voller Fragen schaffte ich es wieder, mich aufrecht hinzustellen. Einige Male mit dem linken Bein so gut ich konnte auf den Teppich gestampft, sehr gut funktionierte es leider nicht, die Hand mit meiner Rechten etwas massiert, wollen doch mal sehen, wer hier das Sagen hat. Doch was wollte ich eigentlich? Der Teller in die Spülmaschine? Keine Ahnung, was ich wollte, was läuft denn da im Fernsehen? Irgendwelche fremden Menschen, die gefeiert wurden, wozu, wofür?

Ach ja, du wolltest doch in die Küche, aber warum? Mit schwankenden, unsicheren Schritten setzte ich mich in Bewegung. Warum hängt mein Mundwinkel? Doch ein Schlaganfall? Die mir selbst gestellten Fragen verschwanden im Nirgendwo, eine Lethargie, ja irgendwie schon ein Glücksgefühl, setzte ein. Ein Glücksgefühl? Nein, doch wohl eher ein Scheißegal-Gefühl. Wo wollte ich hin? Ach ja, in die Küche. Doch was will ich denn da? Auf meinem Weg dorthin kam ich im Flur an einem großen Spiegel vorbei, schaue hinein, sehe meinen Mundwinkel herabhängen, will einen klaren Satz sprechen, ich kann mich verstehen, doch warum brauche ich so lange, bis die Worte meine Lippen verlassen? Der letzte einigermaßen klare Gedanke war … „Scheiße, hat es dich doch erwischt.“

Hab mich in die Küche geschleppt und an den Tisch gesetzt. Meine Frau müsste doch gleich nach Hause kommen, und dann? Ich könnte sie ja anrufen. Handy raus, ihre Nummer ist ja abgespeichert, wird ja nicht so schwer sein. Mit dem Smartphone in der Hand, ich kam mir vor wie ein Neandertaler, der zum ersten Mal so ein Ding in der Hand hält, wie funktioniert das? Ah, da ist ja das Symbol für Telefon, ich drück da mal drauf, und nun? So viele Fragen, mein Kopf platzt bald, ich überlege und finde keine Lösung. Später, viel später erst hab ich gesehen, was ich alles gedrückt habe. Doch mit dem Handy telefonieren? Unmöglich, ich schaff es einfach nicht. Warum eigentlich nicht? Bist du jetzt blöde? Kannst das Ding doch im Schlaf bedienen. Mein Kopf ist wie in Watte gepackt, keine Schmerzen, doch unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen oder gar zu Ende zu denken.

„Festnetz, 112 wählen, das ist die Lösung.“ Das Telefon liegt doch da, mit jeder Menge Zahlen darauf. Wie war doch die Nummer, die ich unbedingt wählen wollte? Mann, reiß dich doch mal zusammen, wirst doch wohl noch anrufen können. Welche Nummer? Ach ja, die 112.

Ich sehe die 1, ich sehe die 2 auf der Tastatur, doch mein Gehirn bringt es nicht zusammen, die Gedanken verschwinden im Nichts, warum will ich überhaupt jemand anrufen? Eine große Müdigkeit befällt mich ganz plötzlich, Telefon und anrufen ist nicht mehr wichtig, ich hab es einfach vergessen. Sinke mit dem Kopf auf den Tisch, möchte nur noch schlafen, schlafen ist schön, dann hat man auch nicht so wirre Gedanken, die alle ins Nichts führen.

Werde wach, sitze im Dunkeln in der Küche, warum in der Küche? Was will ich hier? Höre von fern die Stimme meiner Frau, obwohl sie doch neben mir steht. Auf ihre Frage, was los sei, warum ich hier im Dunkeln sitze, kann ich nur schleppend „ich weiß auch nicht“ antworten. Sollen wir zum Krankenhaus fahren? Warum nur immer diese Fragen? „Was soll ich denn dort?“, frage ich mit einem dümmlichen Grinsen in meinem Gesicht zurück. Meine Frau ist wohl „nur“ 161 cm groß, doch was sie will, das will und bekommt sie. Packt mich, zieht mich vom Küchentisch hoch, „kannst du laufen?“. Klar doch, geht alles wieder. Doch warum werde ich dann gestützt auf dem Weg zum Auto, das Gott sei Dank genau vor der Tür steht?

Bis zum Krankenhaus sind es ca. 5 Minuten Fahrtzeit. Ab in die Aufnahme, es geht wohl alles ganz schnell, nachdem meine Frau das Wort Schlaganfall erwähnt. Ich weiß von der Aufnahme eigentlich gar nichts mehr, irgendwie liegt alles im Dunkeln. Mir wurde es alles einige Tage später erzählt. Eine Ärztin stellt mir Fragen, schon wieder diese Fragen, mir geht es doch gut, kann laufen, kann sprechen. Ich kenne meinen Namen, weiß, wie alt ich bin, doch auf die Frage, wo ich arbeite, kann ich nur Bundesbahn antworten, obwohl wir jetzt doch als Deutsche Bahn AG bezeichnet werden. „In welcher Stadt arbeiten Sie bei der Bahn?“ Was soll diese Frage denn jetzt? Weiß ich doch, oder? Trotz Überlegen, ich komme nicht auf den Namen. „Wie viel ergibt 8 + 2, wie viel ergibt 3 + 3?“ Rechenaufgaben? Bin ich hier in der Grundschule, halten die mich für blöde? Doch obwohl ich mein Gehirn anstrenge, die Lösung der Aufgaben finde ich nicht.

„Wie viel ist 5 x 5, Herr Baaken?“ Na 25, ist doch ganz einfach. „Und 8 x 2?“ Na 16, mir war einfach nicht bewusst, dass ich weder addieren noch subtrahieren, jedoch multiplizieren und dividieren konnte. Dazu muss ich sagen, ich war nie ein Genie in Mathe, aber addieren bis zur 10 fiel mir bis dato relativ leicht. Ich soll meine Hände nach außen drehen, beide zur gleichen Zeit. Ha, denke ich, denke ich überhaupt noch, oder reagiere ich nur noch? Ok, wenn sie es dann so haben möchte, ich bin doch ein freundlicher und zuvorkommender Mensch. Doch warum macht es die linke Hand nicht so, wie sie es haben will? Zeigen Sie mir mal die Zähne, strecken Sie die Zunge raus. Nun geht es aber los, aber in Ordnung, blöde und dümmlich grinsen kann ich ja. Ihre Diagnose, „Herr Baaken, Sie hatten einen Schlaganfall.“ Einen Schlaganfall?

Hatte ich mir das nicht schon gedacht, als meine Gedanken noch in geordneten Bahnen liefen? Gehört habe ich es wohl, doch umsetzen oder etwas damit anfangen, überhaupt nicht. Und irgendwie war es mir auch egal, wollte nur noch schlafen und meine Ruhe haben. Vorher aber noch zum CT. Ich hab es alleine geschafft, in die besagte Abteilung zu gelangen. Den Kopf leer, und doch voller Fragen, wartete ich, bis ich an die Reihe kam. Doch was ist ein CT überhaupt?

Die Computertomografie (CT) ist ein modernes Schnittbildverfahren, durch das ein detaillierter Blick in den menschlichen Körper möglich wird, bei mir war es nun der Kopf. Während der Untersuchung liegen Sie meist in Rückenlage, seltener in Bauchlage auf einer schmalen Liege, die sich langsam in die ringförmige Öffnung (Gantry) des Gerätes hineinbewegt. Die Gantry ist mit ca. 70 cm relativ weit und ringförmig (keine "Röhre"), weshalb Sie sich nicht eingeengt fühlen und keine Platzangst haben müssen. Während der Untersuchung können Sie über eine Wechselsprechanlage jederzeit mit dem Arzt bzw. der Röntgenassistentin sprechen, falls Probleme auftreten.

Die Untersuchung selbst ist völlig schmerzfrei und dauert, je nach Aufwand, 2 bis 10 Minuten. Sie sollten während der Untersuchung so entspannt und ruhig wie möglich liegen.

Mittlerweile hatte meine Frau auch die Anmeldung abgeschlossen. Trotz Schlaganfall, Bürokratie ist Bürokratie, und wir sind ja schließlich in Deutschland, wo alles seine Ordnung haben muss. Endlich, alles war erledigt, ich war aufgenommen, erste Diagnose war gestellt und mein Bett auf der Stroke Unit wartete auf mich.

Krankenhausaufenthalt

Stroke Unit? Was ist das denn jetzt schon wieder? Für alle, die es noch nicht wissen sollten, kommt hier eine kurze Erklärung.

Zitat Wikipedia: Die Aufnahme des Patienten sollte auf eine Spezialstation für Schlaganfallpatienten, einer sogenannten Stroke Unit (Schlaganfalleinheit) erfolgen. Das erste Ziel dort ist es, dem Patienten eine rasche und optimale Diagnostik zu bieten, um die optimale Therapie festzulegen. Die weitere Behandlung basiert auf einer intensiven laufenden Überwachung des Patienten. Kontinuierlich werden die Basisparameter von Blutdruck, Puls, Temperatur, Blutzucker und Atmung kontrolliert. Die enge Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Disziplinen wie Neurologen, Internisten, Neurochirurgen und Radiologen ist ein weiterer Vorteil der Schlaganfall-Einheit, wie auch die frühzeitige Einleitung einer längerfristig angelegten Rehabilitation (Krankengymnastik, Ergotherapie, Physiotherapie, Sprachtherapie.

Auf so einer Stroke Unit lag ich nun, und ganz langsam kam ich zur Ruhe. Obwohl ich ein Langzeit-EKG, eine Blutdruckmanschette um den Oberarm, eine Kanüle am rechten Arm, die zu einem Tropf mit einer klaren Flüssigkeit führte und damit in meinen Körper gelangte – erst am nächsten Tag erfuhr ich, dass es sich um eine Lyse, oder besser Thrombolyse, handelte, welche u. a. bei einem ischämischen Schlaganfalls eingesetzt wird –, sowie irgendeine Klammer am Zeigefinger trug, die den Sauerstoffgehalt meines Blutes überwachte, konnte ich endlich schlafen. Ich glaube, ich schlief mit dem Gedanken, morgen ist wieder alles gut, ein. Doch genau kann ich es nicht sagen, denn meine wirren Gedanken fuhren immer noch Achterbahn. Auch die Hilferufe einer älteren Frau, die mit mir im gleichen Zimmer lag (später erfuhr ich, dass sie in dieser Nacht verstorben ist), oder das Hin und Her der Pflegekräfte störten mich kaum noch, endlich keine Fragen mehr beantworten müssen, auf die ich eh keine Antwort wusste.

Moment. Eine ältere Frau im gleichen Zimmer? Wirft er jetzt schon wieder alles durcheinander? Nein. Stellen Sie sich die Stroke Unit wie eine Intensivstation vor, ob Männlein, ob Weiblein, hier wird jeder aufgenommen, der einen Schlaganfall hatte oder wenn der Verdacht naheliegt, einen solchen oder eine TIA, den Vorboten eines Schlaganfalles, erlitten zu haben.

Ich schlief ein mit der Ungewissheit, was jetzt noch alles auf mich zukommen würde.

Am nächsten Morgen, ich werde wach und wundere mich kurz über die gesamten Geräte, an denen ich hänge. Da war doch was, oder? Irgendwie kommt mir wieder der Gedanke, Schlaganfall?! Da waren doch gestern einige Untersuchungen, an die ich mich erinnern kann. Zur Toilette müsste ich auch mal dringend, und wo ist die ältere Frau, die ich heute Nacht um Hilfe rufen hörte? Hatte ich alles nur geträumt? Heute Morgen bin ich ganz allein im Zimmer. Irgendwo muss doch hier auch eine Klingel sein, wie gesagt, der Drang, auf die Toilette zu müssen, wurde immens. Da baumelt doch was vor meinem Gesicht mit einem roten Knopf, mal draufgedrückt, schauen, was geschieht.

Prompt erschien auch eine Schwester, Schwester M., die mich freundlich fragte: „Guten Morgen Herr Baaken, wie geht es Ihnen?“ Eine Frage aus dem Lehrbuch für Krankenschwestern und Pfleger? Ich habe sie aber doch bewusst und ehrlich aufgenommen. „Gut“, antwortete ich, „aber zur Toilette müsste ich trotzdem.“ Schwester M. befreite mich von allen störenden Kabeln und dem Tropf, sodass ich aufstehen konnte. „Muss ich Sie stützen? Können Sie alleine laufen“? Klar doch, kann ich!

Auf dem Weg ins Bad war ich doch noch ein wenig wackelig auf den Beinen, aber der erste Erfolg war da, ich konnte alleine laufen. Nun aber wieder schnell in mein Bett, war wohl doch etwas zu viel für mich, der Weg von und zum Bad. Sofort wurden wieder alle Kabel angeschlossen, auf meine Frage, warum das alles sein muss, wurde mir freundlich geantwortet: „Visite kommt gleich, dann können Sie alles fragen und werden vom Chefarzt Professor K. umfassend informiert.“ Vom Chefarzt? Da ich das Glück habe, Beamter zu sein, und damit privat versichert, kommt für mich eine Chefarztbehandlung infrage. Doch, ganz ehrlich, es hat mich noch nie interessiert, oft ist es mir sogar ein wenig peinlich zu sagen: „Ich bin Privatpatient.“

Mittlerweile war auch meine Frau wieder da, mit Wäsche für den Krankenhausaufenthalt, und ganz wichtig, meinem eBook-Reader. Warum es noch ganz wichtig wurde, dass meine Frau da war, zeigte sich spätestens bei der Visite, die kurz danach in mein Zimmer kam. Professor K. sprach sehr freundlich mit mir, aber zu meinem Leidwesen auch sehr, sehr leise. Da ich mittlerweile Hörgeräte trage, diese natürlich nicht dabei hatte, verstand ich, wenn überhaupt, nur die Hälfte. Gott sei Dank hat meine Frau sehr gute Ohren und konnte mir nachher berichten, dass ich mit Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruckmessungen, einer Kanüle zur erwähnten Thrombolyse und der Klammer an meinem Finger, um den Sauerstoffgehalt meines Blutes zu überwachen, [???].

Doch zuerst standen wieder diese komischen Übungen an. Strecken Sie bitte die Arme aus, Handflächen beide nach oben. Meine linke Hand wollte immer noch nicht so, aber es war schon bedeutend besser als gestern Abend. Auch Zähne zeigen, Zunge raus und Stirnrunzeln war wieder angesagt. Neu war diesmal, dass ich den Satz „Heute ist ein schöner Tag“ sagen sollte. Das gelang mir zur Zufriedenheit der Ärzte hervorragend. Trotz allem, die Diagnose war und ist ein Schlaganfall. Auf unsere Fragen, besser auf die Fragen meiner Frau, wie es denn nun weitergeht und was die Bewegungen mit den Armen und der Satz „Heute ist ein schöner Tag“ bezwecken sollten, wurde uns aufgezeigt, dass diese Bewegungen und einzelnen Sätze zeigen sollen, ob das Gehirn schon oder noch immer auf „Befehle“ reagiert. Außerdem erfuhren wir die nächsten Schritte meiner Behandlung. Ich würde für mindestens 72 Stunden auf der Stroke Unit verbleiben. Wie bitte? 72 Stunden an all diesen Geräten? Ich merkte schon, meine Ungeduld kehrte zurück, ich empfand die Ungeduld als gutes Zeichen für mich und meine Heilung.

Ein CT vom Kopf, das schon gestern bei meiner Aufnahme gemacht wurde, erbrachte folgendes Ergebnis:

kein Anhalt für eine intra- oder extraaxiale Blutung. Nun, wer kann sich unter diesen Erläuterungen, wenn man kein Mediziner ist, schon etwas vorstellen? Ich werde mein Bestes tun, um es zu erklären. Diese Begriffe sollen einem deutlich machen, dass man keinen Hirntumor hat. Nun, das war ja schon einmal eine positive Nachricht. Des Weiteren sollte noch eine CT-Angiografie der Halsschlagadern gemacht werden. Was soll das denn nun wieder sein? Die CT-Angiografie ist ein bildgebendes Verfahren in der Medizin, mit dessen Hilfe Blutgefäße im Körper dargestellt werden können.

Mir hätten die medizinischen Begriffe damals auch nichts gesagt, aber Internet und Wikipedia sei Dank, dort findet man (fast) alles. Nun denn, bei dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass ein beidseitiger Karotis-Interna-Verschluss unmittelbar an der Karotisgabel vorliegt. Kurz und nicht gut, bei mir war es Mediainfarkt rechts mit ACI-Verschluss, ein Mediainfarkt ist ein ischämischer Schlaganfall.