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Gedichte entstehen meistens nicht in den Stationen des Lebens, sondern auf den Strecken dazwischen. In sechs Jahrzehnten gibt es genug solche Strecken, um schließlich eine Sammlung von Gedichten herauszugeben. Dabei reichen die Stimmungen von satirisch bis melancholisch, von philosophisch bis erotisch. Einfach das Leben halt!
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Seitenzahl: 90
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Cui dono lepidum novum libellum?
Frühling
Traumschmelze
Leben
Lenz
November
An den Bruder
Sonett
Jahreswechsel
Sonett
Fast
Wiedersehen
Heidegras
Flut
Crescendo
Impromptu
Goldenes Kalb
Ave amata
Ufer
Erinnerung 1
Erinnerung 2
Epiphanie
Hymnus
Neue Liebe
Porzellan
Ihr Lied
Wiedersehen
Steirisches Requiem
Gehalten werden
Liebschmelze
Für dich
Fuchs und Traube
Abend
Die Veronikalieder
Zum Tod von Veronikas Vater
Fremd
Ohne dich zu sein
Oiseaux tristes
Eurydike
Wild wund
Dichterschule: Suizid
Auf halbem Weg
Chloe
Kathedrale von Sevilla
Natürlich die Bäume
Märchenpotpourri
Meine Gasse
Irgendwann
Wenn ich ein Vöglein wär
Das Lied vom Putsch
Verkehrte Welt
Glaubensverlust
Mücken im Wind
Der alte Wolf
Ich träume manchmal winters
Danach
Dämmerung
Verbunden
Wir
Heimgekommen
Nocturne
Lied der Stadt
Die Vater-Sonette
Sinnlos
Lied für eine Gehetzte
Zufrieden
Heimat
Dahin
Es kommt die Zeit
Stadtmorgen
Septetten
Some English poems
The poet
Man
Sitting by the waterfall
To the ancient poet
To Ovidius
Rain, pour down
Misty reason
The cry
Little grew the day
The life we live
A song for you
About the un-girl
You
Cage-bird
Sexual act
The more you want me
Paradise regained
Greece
The rain of memory
To myself
Mating season
Waking up
Rigor mortis
Me – you – us
The jester 1
The jester 2
Farewell
Es wird immer wieder behauptet, ein gutes Gedicht brauche keine Erklärung. Ein Gedicht müsse durch sich selbst verständlich sein. Dem muss ich widersprechen. Es ist doch so, dass man Gedichte zu einem hohen Prozentsatz für sich selbst schreibt, mit dem Vokabular, mit all den Symbolen und Chiffren, mit dieser ganzen Geheimsprache, die einem so vertraut ist, dass Erklärungen tatsächlich überflüssig sind. Wenn man aber den Schritt wagt, mit seinen Gedichten an ein Leserpublikum heranzutreten, dann will man, dass Kommunikation entsteht, und die ist nur möglich, wenn die Texte mit ihren Andeutungen, Symbolen und Subtexten vertändlich sind.
Deshalb habe ich es für angebracht erachtet, hin und wieder kurze erklärende Kommentare zu meinen Gedichten hinzuzufügen.
Ich wünsche fruchtbare Lektüre!
W.T.
Wem schenke ich das lächerliche neue Büchlein? Mit diesen Worten widmete der römische Dichter Catull seine Gedichtsammlung seinem Gönner Cornelius Nepos. In meinem Gedichtzyklus kommt auch versteckt Ovid vor, der seine Gedichte aus der Verbannung nach Rom schickte. Diesen beiden Dichtern verdanke ich sehr viel Inspiration.
jahrhundertwein – und ich vergeh im denken.
ich bin nur ich, soweit ihr es erlaubt.
oder noch weniger? nie hätte ich geglaubt,
wie tief sich fremde spuren in mich senken.
doch hab ich nie aus blinder gier geraubt.
goldregen floss auf meine ausgestreckten hände
und wolken zogen an ein fernes dunkles ende,
ich trug sie fort, und trage noch – antik, verstaubt.
da kommt es, dass ich sie für mich verwende.
ich stehe auf der spitze einer pyramide
und gehe bröckelnd ein mit meinem liede
hinein, hinab in sand und wüstenbrände.
jahrhundertwein – und ich vergeh im denken:
wem soll ich meine armen verse schenken?
der eine hatte gold an seinen armen.
an mir klebt staub und stein.
ich wollte scholle sein
und mich um alle welt erbarmen.
der zweite streute herben weihrauch ein.
ich blase staub aus lichternen gedanken
und weise kaum mich selber in die schranken,
geschweige denn das unrecht und die pein.
der dritte hatte myrrhe in den pranken.
ich weiß kaum was das ist.
als armer komponist
gerate ich nur allzu leicht ins wanken.
man spricht von königen und manchmal auch von weisen.
mich werden höchstens meine eigenen verse preisen.
das epos ist noch immer ungeschrieben.
mein stift und auch mein wille ist zu klein
um humus und geburt für größeres zu sein
als das, woran die worte selber kleben blieben.
das hat mit feigheit nichts zu tun. o nein –
es soll nur jede meiner kurzen zeilen
sich gerne fügen. lang herum zu feilen
macht schmutzig. dazu bin ich mir zu fein.
vielleicht in ein paar jahren werd ich eilen
von drang zu sturm, vom singen zum geschrei.
ich fürchte nur, die melodien vergehen dabei,
die ich so liebe, wenn sie in mir weilen.
ich will im leben lieber groß sein und ertrinken
statt in der tinte einer falschen wahrheit zu versinken.
erkennst du dich wieder beim lesen?
habe ich dich zu arg missbraucht?
ich warte bis dein zorn verraucht.
du bist früher nicht so roh gewesen.
du hast mir die seele eingehaucht,
hast mir den stift in die hand gezwungen.
stundenlang hab ich mit dir gerungen
und bin dann doch in dein meer getaucht.
ich habe deine weisen gesungen
bis mir der atem versagte, und dann
habe ich erst gewusst was ich kann:
es ist mir ein eigenes lied gelungen.
du – das ist: ihr – das ist: ich habe gelernt
und bin jetzt weiter als je von euch entfernt.
es hat einer einst sein buch nach rom geschickt.
ich schicke dich wie ein kind von mir.
meine blicke und gedanken folgen dir
wie wenn eine mutter aus dem fenster blickt.
bist du auch fort, bist du doch noch hier.
deine seiten, deine zeilen sind in meinem denken.
wohin wirst du jetzt deine schritte lenken?
ich steh da, dich im sinn, setz mich hin und frier.
in den künetten des lebens dich zu versenken –
lass es sie nur getrost versuchen.
du bist nicht gemacht für die geisteseunuchen
die sich verkaufen und dich verschenken.
du bist da, ich bin du, und – je ferner, je leiser –
schreien wir, zugvogelgleich, uns die hälse heiser.
die tage werden wieder länger
ich freue mich wie ein lampion
im lachen meiner clownerie zerschmilzt
der schnee
die stadt hat lauter silberdächer
der frühling richtet seine schmiede ein
das land ist gut, wohl wert dass sich die sonne
sein unterwinde
die blinden scheiben meines fensters
eröffnen sich, ich werde frei
der atem strömt mit lebenspendender
kälte durch mich
die tage werden wieder länger
ich bin in meiner ernsten maske fröhlich
im herzen bin ich faun, in meinen liedern
ruht die nymphe
jetzt sind die straßen meiner stadt voll feuchtem schmutz
der regen wäscht nicht – er verteilt
die erste wärme hat nun endlich uns ereilt
ich knarre morsch
von meinen träumen rieselt der verputz
durch eine nasse nacht beeilen nasse leute sich
kaum flackert irgendwo ein licht der lust
wie schmiedeeisern liegt ein reifen um die brust
die träume ziehen hin
auf die, die bleiben, stürzt die meute sich
ich brauche eine, die, bevor die hunde kommen,
den letzten traum, den ich gebäre, unter ihre röcke nimmt
und dort verbirgt, denn hier wird ganz bestimmt
kein traum
von irgendjemand aufgespürt und weggenommen
wenn der nebel aus den wäldern aufsteigt
weiß dampfend
die gipfel umspielt
umweht die gipfel
dann gehe ich gern zwischen den stämmen
unter den stämmen gehe ich gern
den knarrenden stämmen.
ich gehe gern wo niemand ist
fast keiner
wo so wenige menschen gehen
dass die wenigen einander grüßen.
das ist nicht so sehr
eine frage des ortes.
wenn die nebel steigen
wenn es geregnet hat
dann muss man gehen
dort muss man hingehen.
ich denke mir da das leben
irgendein leben
- leben –
denke ich mir als grünes reptil.
schlingend und speiend denke ich es mir –
ja, schlingend
oder brennend, und wir
springen durch den feuerreifen
den fischen nach und lohnenden brocken.
am dümmsten ist
ob es sich auszahlt,
und dann
ob es die anderen tun,
dagegen
ob es die anderen sehen.
seltsam dass ich dort
wo niemand hört
am schönsten singe
am liebsten.
ich singe dort wo –
dann wenn ich mich selbst nicht hören kann.
ich werde selbst einmal verderben.
wen schert’s?
doch das ist ein gedankensprung.
eines stillen tages kam die wolke
und stahl sich über unser firmament
der horizont begann in ihrem schatten
zu schmelzen wie der frühlingsschnee
da blühte alles auf was du mir zeigtest
denn froh und nah schien uns der tag
die wurzel aber die uns beide säugte
zerschlugst du mit der wucht der schritte
ich leiste mir
- ein buntes blatt im auge –
herzensfröhlichkeit
fällt nebel ein
bemühe ich
metaphern nicht
nebel ist nebel ist nebel
nur wenn die sonne
früh am morgen
wolkensäume rötet
fällt mir ein grabstein ein
der mir den blick
auf jenen horizont
einmal verstellen wird
Dieses Gedicht muss um 1980 entstanden sein, damals war es aktuell.
du bist ein baum, ich war es auch,
in einem weiten feld.
durch lüfte segelst du als rauch,
niemandem zugesellt.
ich war so stolz, jetzt bist es du,
ein felsatoll im meer,
ein adler, der in aller ruh
nicht fragt: wohin? woher?
weißt, irgendwie hast du ja recht.
und doch, es kommt die zeit,
wo man sich fesseln lassen möcht
in froher zweisamkeit.
ein haus, wo du hineingehörst,
ein mensch, der dich beschützt.
man spürt die kalten füße erst,
wenn man im warmen sitzt.
Unter allen Gedichtformen ist mein großer Liebling das Sonett, deshalb habe ich es auch unzählige Male verwendet und variiert, und zwar in der Form, in der auch Shakespeare es geschrieben hat, mit dem typischen gereimten Zweizeiler am Schluss.
ein lächeln ist mit früchten in den sand gefallen,
die bäume der allee vergilben mit der zeit.
der herbst wird schön. in mir und auch in allen
ist jeder atemzug zum äußersten bereit.
die rosen, die kaum blühten, sind vergangen,
die schritte, die ich kannte, sind dahin.
der herbst wird still. die lieder, die mir klangen,
verlieren nach und nach den alten, klugen sinn.
in weiten eines ozeans lass ich mich treiben,
und doch bin ich nicht lustlos und gepeinigt.
an keinem ort, der mich erinnert, will ich bleiben,
und dennoch bin ich nicht von schmerz gesteinigt.
aber es ist kein wunder, dass ich mich nicht schwere:
wo nichts gewesen ist, da bleibt auch keine leere.
die kerzen flackern, und für die stille
haben wir keine zeit.
du drängst mich aus der nische meiner
behaglichen beschaulichkeit.
das jahr, das, als es herbstete,
anfing zu blühen,
stürzt rasend auf das ende zu.
schon bald wird es verglühen.
noch ist es kalt und sturm geht
durch die nebligen gassen.
unsere lippen werden rau und feucht,
wenn wir einander verlassen.
darf ich dir winter jetzt und weihnacht sein,
dann sei so gnädig
und sei mir du im nächsten jahr ein heißer