Unheilig - Corinna Siebert - E-Book

Unheilig E-Book

Corinna Siebert

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Beschreibung

Im Jahr 2010 feierten Unheilig ihr zehnjähriges Jubiläum, und gleichzeitig war es ihr bislang erfolgreichstes Jahr. Die Single "Geboren um zu leben" kam auf Platz 1 in den Charts und verkaufte sich mehr als 1,2 Millionen Mal; Unheilig gewann den Bundesvision Song Contest und trat mehrfach in Fernsehsendungen auf - ihr Erfolg ist bis heute ungebrochen, polarisiert aber einige ihrer langjährigen Fans aus der Schwarzen Szene. Diese inoffizielle Biografie über Unheilig erzählt die einzigartige Erfolgsgeschichte der Band und ihres vielseitigen Sängers, der Produzent, Songschreiber, Komponist und Sänger in seiner Person vereint. Es werden alle wichtigen Stationen in der Karriere des "Grafen" aufgezeigt, von seinen ersten musikalischen Gehversuchen bis zum großen Durchbruch mit dem Album "Große Freiheit, das sechsfach mit Platin ausgezeichnet wurde. Doch wer ist der Mensch hinter dem Pseudonym der "Graf"? Dieses Buch wagt den Blick hinter die Kulissen und beschäftigt sich auch mit den Liedtexten und den einzelnen Alben. Zusätzlich gibt es eine kleine Einführung zu den musikalischen Wurzeln des "Grafen", die im Gothic und der Neuen Deutschen Härte liegen.

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CORINNA SIEBERT

UNHEILIG

DER GRAF – GEBOREN UM ZU SINGENDIE INOFFIZIELLE BIOGRAFIE

CORINNA SIEBERT

UNHEILIG

DER GRAF – GEBOREN UM ZU SINGENDIE INOFFIZIELLE BIOGRAFIE

Heel Verlag GmbH

Gut Pottscheidt

53639 Königswinter

Tel.: 02223 9230-0

Fax: 02223 9230-13

www.heel-verlag.de

[email protected]

© 2011 by Heel Verlag GmbH

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlages nicht erlaubt, das Buch und Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten.

Autorin: Corinna Siebert

Cover Design: Axel Mertens

Lektorat: Sabine Arenz

Satz und Gestaltung: Noch & Noch, Menden

Bildnachweise: Coverfoto © Getty Images

Konzertfoto © Nick kaem321

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Czech Republic

ISBN 978-3-86852-393-5

Dieses Buch ist ohne Mitwirkung der Band Unheilig entstanden.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Unheilig – Eine Erfolgsgeschichte

Die Menschen hinter Unheilig

Weggefährten

Die Kraft der Worte

Zwischen den Zeilen

Große Freiheit

Der Graf – Versuch einer Annäherung

Die Grafschaft

Ästhetik der Bilder

Der Graf und seine Fans

Die Musik – Veröffentlichungen

Musikalische Wurzeln – Vom Gothic und der Neuen Deutschen Härte

Diskografie

Vorwort

Liebe Freunde von Unheilig,

dieses Buch richtet sich vor allem an die neuen Fans, die vielleicht erst in den letzten Jahren auf die Musik von Unheilig aufmerksam geworden sind. An jene neuen Fans, die womöglich erst mit der Veröffentlichung von „Geboren um zu leben“ zu Unheilig-Fans geworden sind und nun feststellen, dass sie offensichtlich einiges verpasst haben.

Mit der Ballade „Geboren um zu leben“ trifft uns der Graf mitten ins Herz. Mit diesem Song hat er ganz offensichtlich einen Nerv getroffen, denn nicht ohne Grund stürmt die Single Anfang letzten Jahres unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung direkt auf Platz 3 der deutschen Singlecharts.

Vielleicht ist es die Mischung aus Melancholie und grenzenloser Hoffnung, die aus diesem Lied spricht. Vielleicht sind es die Worte, die für die heutige Zeit ungewöhnlich offen und aufrichtig klingen. Mit Sicherheit aber ist es die unverwechselbare, tiefe und sonore Stimme des Grafen, die die Menschen im Innersten berührt und einfach nicht mehr loslässt.

Doch das musikalische Spektrum, das sich hinter dem rätselhaften Bandnamen „Unheilig“ verbirgt, beschränkt sich nicht nur auf die ruhigen und eingängigen Balladen. Auch in den Texten seiner anderen Songs verarbeitet der Graf seine Träume und Gedanken und lässt uns an seinen tiefsten Sehnsüchten teilhaben. In den vergangenen nunmehr elf Jahren seiner Karriere gibt es so vieles mehr an der Musik von Unheilig und in der Person des Grafen zu entdecken und zu erleben.

Entgegen aller Gerüchte, die über dieses Buch bereits im Vorfeld in Umlauf waren, den vielen Versprechungen, die in Ankündigungen und Artikeln zu dieser Veröffentlichung bei verschiedenen Anbietern erschienen sind, wird dieses Buch keine spektakulären Skandale über den Grafen offenbaren. Wer das Buch mit dieser Erwartung kauft, wird sicherlich enttäuscht werden.

Nein, dieses Buch enthält keine sensationellen neuen Enthüllungen, jedenfalls nicht, was das Privatleben des Grafen betrifft. Wir beteiligen uns weder an den Spekulationen über den bürgerlichen Namen des Grafen noch an Überlegungen zu seinem Familienstand, seinen Beziehungen, seiner Schuhgröße oder seinem Sternzeichen noch zu sonstigen Details aus seinem Privatleben, die der Graf nicht längst selbst in seinen zahlreichen Interviews bereitwillig preisgegeben hat. Denn es ist ja nicht so, dass er uns nichts verraten würde. Ganz im Gegenteil. Selten erlebt man einen Star, der so offen und zwanglos über seine Gefühle, Sehnsüchte und Ziele spricht.

Und – mal ganz ehrlich – warum interessiert es die Leute (und damit meine ich vor allem die Presse) so brennend, ob der Mann nun Anton, Julius oder Bernd heißt? Was ist so wichtig daran und was um Himmels willen sagt das über einen Menschen aus? Richtig – rein gar nichts.

Dieses Buch soll vielmehr eine Art Überblick über das bisherige Schaffen dieses Ausnahmekünstlers bieten. Es möchte sich behutsam dem Phänomen Unheilig nähern und ein wenig hinter die Worte und Gesten jenes Mannes schauen, der es geschafft hat, so viele Menschen mit seiner Musik zu verzaubern. Den Fans, die die Karriere des Grafen von Anfang an verfolgt haben, wird das Buch vielleicht etwas weniger geben – aber, wer weiß, lasst euch überraschen.

Ihr aber, die ihr all das nachzuholen habt, was es an wertvollen musikalischen Werken in den Jahren vor dem großen Durchbruch von Unheilig zu hören und über den Werdegang dieses einzigartigen Sängers und Produzenten zu erfahren gibt, ihr werdet in diesem Buch hoffentlich einen Leitfaden durch die Entwicklungsgeschichte des Grafen und seiner unheiligen Musik finden.

Also, macht euch bereit und lasst euch entführen in die Welt der Träume …

Unheilig – Eine Erfolgsgeschichte

Das musikalische Jahr 2010 wird vor allem von einem Mann dominiert: Der Graf, Gesicht und Mastermind der Band Unheilig, stürmt die Charts und erobert sämtliche Radio- und Fernsehkanäle. Auf einmal war er da. Wie aus dem Nichts schien er plötzlich aufgetaucht zu sein und verzauberte mit der Ballade „Geboren um zu leben“ die Herzen Tausender von Menschen, die praktisch über Nacht zu Unheilig-Fans wurden.

Platz 3 der Single-Charts, Platz 1 der Album-Charts, Gold- und Platinstatus in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Gewinner des Bundesvision Song Contest und schließlich die Verleihung eines der begehrtesten deutschen Medienpreise, dem Bambi. Mehr ist kaum möglich. Unheilig haben es geschafft!

Kaum jemand weiß zu diesem Zeitpunkt, dass der Graf, wie sich der Künstler nennt, der sich hinter dem rätselhaften Bandnamen Unheilig verbirgt, bereits seit zehn Jahren musikalisch äußerst aktiv ist und längst eine feste Größe in der alternativen Musikszene darstellt. In einer Zeit, in der Castingstars einen großen Teil der Charts und der Verkaufsranglisten bestimmen und eine neue Generation in dem Glauben aufwächst, jeder könne ein Superstar werden, ist die Musik häufig zur lieblos produzierten Massenware geworden. Nachdem auch das deutsche Fernsehen Anfang des neuen Jahrtausends dieses Format für sich entdeckt hat, werden wir Sommer für Sommer mit neuen Supertalenten und Popstars überhäuft, hinter denen eine ganze Maschinerie aus Management, Marketingstrategen und so genannten Vocal-Coaches steht. Mit Unheilig finden nun die altmodischen Werte in unsere schnelllebige Popkultur zurück.

Nein, der Graf und Unheilig waren nicht einfach plötzlich da, wie wir es im Zeitalter der Castingshows gewohnt sind. Die bis dato vor allem in der Gothic-Szene bekannte Band des Grafen hat sich langsam und mühsam hocharbeiten und ihren Erfolg hart erkämpfen müssen. Und dieser Erfolg ist vor allem dem unermüdlichen Ehrgeiz des Sängers und seinem unerschöpflichen Glauben an die Musik zu verdanken.

Schon vor ihrem großen Durchbruch mit dem Album Große Freiheit schafften es drei ihrer Alben in die Charts: Moderne Zeiten von 2006 erreicht Platz 76, Puppenspiel aus dem Jahr 2008 kommt sogar auf Platz 13 und das Live-Album zur Puppenspieler-Tournee Puppenspiel Live – Vorhang auf! kann sich ebenfalls eine Chartplatzierung sichern. Stetig wächst seither ihre Fangemeinde, auch über die Grenzen der Schwarzen Szene hinaus. Und als Unheilig schließlich der Wechsel zu einem Majorlabel gelingt, nimmt ihre Karriere einen sensationellen Verlauf.

Die Presse überschlägt sich mit Superlativen, und die Fans überfluten die Homepage der Band mit begeisterten Lobeshymnen und rührenden Liebesbekenntnissen. Ihre Biografie liest sich wie das Drehbuch zu einer einzigartigen Erfolgsstory. Die Botschaft dieses Films könnte lauten: Ausdauer und unermüdliche Arbeit machen sich irgendwann bezahlt. Man muss nur Geduld haben, fleißig sein und vor allem immer daran glauben.

Oder, wie wohl einige kritische Stimmen aus der deutschen Gothic-Szene die Erfolgswelle und die derzeitige Medienpräsenz von Unheilig quittieren würden: Passt auf, wem ihr was versprecht und verratet nie eure Ideale.

Der umtriebige Graf hatte sich von Anfang an vorgenommen, sich nie auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Seit 2001 bringt er im regelmäßigen Zweijahresrhythmus ein neues Album heraus. Dazwischen werden Maxi-Singles, EPs, Live-Alben, DVDs und Weihnachts-Editionen veröffentlicht und nicht zu vergessen, die zahlreichen Live-Konzerte und Festival-Auftritte, die der Graf Jahr für Jahr vor einem immer größer werdenden Publikum spielt, einschließlich oftmals stundenlanger Autogrammstunden für seine Fans.

Im Mai 2010 ging die Band des charismatischen Sängers und Produzenten auf ihre schon lange im Voraus ausverkaufte Große-Freiheit-Tournee, um ihr mit Abstand erfolgreichstes Album vorzustellen. Und bereits Anfang August war der Auftakt für insgesamt 24 Konzerte ihrer Jubiläumstour, die bis in den Januar diesen Jahres andauern sollte.

Wie alles begann

Wir schreiben das Jahr 1999. An der Seite von Grant Stevens, Textdichter, Sänger und Songwriter u. a. des bekannten Holsten-Bier-TV-Spots „Everlasting Friends“ und dem Hit-Produzenten José Alvarez-Brill, gründet der noch unbekannte Graf, wie er sich schon damals nennt, die Band Unheilig.

Im Oktober 2000 erscheint bereits ihre erste Single „Sage Ja!“ unter dem Label Bloodline und platziert sich direkt über mehrere Wochen in den deutschen DAC-Charts (Deutsche Alternative Charts). „Sage Ja!“ ist ein düsterer Song, in dem der Graf noch sehr stark mit „dem Bösen“ kokettiert und damit vor allem die deutsche Gothic-Szene begeistern kann. Sein tiefer und bedrohlicher Gesang erinnert an Bands wie Rammstein, und die Nosferatu-Inszenierung des Grafen in dem Videoclip zu „Sage Ja!“ strotzt vor theatralischer Gothic-Ästhetik.

„Die Thematik von ‚Sage ja‘ passt, finde ich, exzellent zur Einstellung der Szene, wenn man sie beschreiben möchte. So eine Art Aufruf für die, die nicht verstehen, was die Szene ist. Allerdings sind diese Themen immer Grundlage von Liedern. Ob Hip-Hop, Pop oder Rock, das findet man überall“, erklärt der Graf in einem Interview mit benrocks.de.1

Erst im Februar 2001 folgt dann das, von ihrer damals noch relativ überschaubaren Fangemeinde lang ersehnte, Debüt-Album von Unheilig. Phosphor ist eine facettenreiche Mischung aus traditionellem Synth-Rock und Gothic, getragen von der markanten und unverwechselbaren Stimme des Grafen. Die auf Phosphor zur Hälfte noch in englischer Sprache verfassten Texte stammen aus der Feder von Grant Stevens, während der Graf für die deutschen Texte und überwiegend für die Musik verantwortlich ist.

„Er brachte mir bei, mit meiner Stimme umzugehen“, berichtet der Graf von der ersten Zusammenarbeit mit Grant Stevens in einem Interview mit dem Terrorverlag.2 Aus diesem Debüt wird ihre zweite Single „Komm zu mir“ ausgekoppelt, die neben dem Titeltrack einen Remix von „Die Macht“ sowie von „Willenlos“ enthält.

Noch im selben Jahr spielen Unheilig auf zahlreichen Gothic- und Dark-Wave-Festivals, darunter das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig, das neben dem M’era Luna Festival mit über 20.000 Besuchern eines der größten Festivals der Alternative Musikszene und der Schwarzen Szene ist. Außerdem stehen das Zillo Open Air in Losheim am See, das Doomsday Festival in Dresden sowie das Woodstage Summer Open Air auf ihrem Programm. Mit jedem Auftritt wächst die überwiegend schwarz gekleidete Fangemeinde um Unheilig und ihren charismatischen Frontmann.

Viele der Festivalveteranen und Szenebesucher, die wegen Acts wie den Sisters of Mercy, den Inchtabokatables oder Christian Death gekommen waren, hatten nun Gelegenheit, diese neue Formation für sich zu entdecken. Nicht zuletzt durch die schon damals beeindruckende Bühnenpräsenz des Grafen ging dieser Plan auf.

So ist der Gothic-Rock von Unheilig anfangs vor allem den Lesern einschlägiger Szenemagazine oder den Besuchern von Dark-Wave-Festivals ein Begriff, die sich über frischen Wind in der Szene freuen.

Schon früh werden Unheilig mit erfolgreichen Künstlern wie Witt und Rammstein in Verbindung gebracht, was ein weiterer Beweis dafür ist, dass auch die Underground-Musikpresse sie von Anfang an ernst nimmt. Und diese schmeichelhaften Vergleiche sind in der Tat nicht zu weit gegriffen. Mitunter erinnern einzelne Stücke von Unheilig auch an die erfolgreiche Hamburger Synthie-Pop-Wave-Band Wolfsheimund ihren Sänger Peter Heppner, der unter anderem auch mit dem Produzenten und ehemaligen Unheilig-Mitglied José Alvarez-Brill zusammenarbeitet. Die Mischung aus treibendem Gitarren-Hardrock und düsteren Gothic-Elementen überzeugt aber vor allem durch den prägnanten und ausdrucksstarken Gesang des Grafen.

Ende des Jahres 2002 veröffentlichen Unheilig ein weiteres Album. Frohes Fest erscheint passend zur Vorweihnachtszeit am 28. Oktober und enthält ausschließlich Weihnachtslieder. Die ungewöhnlichen Interpretationen, die eher unheimlich als weihnachtlich anmuten und sicherlich auch mit einem Augenzwinkern zu verstehen sind, bewegen sich musikalisch zwischen Techno, Neuer Deutscher Härte und Gothic-Rock. So gelingt es Unheilig, mit gespenstischen und teilweise sogar tanzbaren Darbietungen von Klassikern wie „Kling Glöckchen“ oder „O Tannenbaum“ auch jenen Zynikern die Weihnachtszeit zu versüßen, die bislang mit den ruhigen und besinnlichen Originalen eher wenig anfangen konnten.

Und auch wenn sich im Gesang des Grafen noch deutliche Rammstein-Anleihen feststellen lassen, beweist er mit diesem Album doch vor allem seine außerordentliche Experimentier- und Risikofreude. Während die Presse kaum ein gutes Haar an dieser Veröffentlichung lässt, sprechen die Verkaufszahlen für sich. Im Lauf der Jahre erlangt das Album sogar eine Art Kultstatus, sodass 2009 eine Neuauflage mit einem überarbeiteten Cover und den remasterten Stücken erscheint.

Nur sechs Monate später, am 7. April 2003, wird bereits das zweite reguläre Album von Unheilig mit dem deklamatorischen Titel Das 2. Gebot veröffentlicht. Nur knapp schlittern sie mit dieser Scheibe an den Charts vorbei. Anders als bei ihrem Debüt werden hier nun alle Titel auf Deutsch gesungen und zeigen musikalisch wie lyrisch eine deutliche Weiterentwicklung der Band. Die gefühlvolle Stimme des Grafen und die Tiefgründigkeit seiner Texte haben mit diesem Album den Stil von Unheilig geprägt. Trotz jeder Menge biblischer Metaphern wirkt die Sprache auf Das 2. Gebot persönlicher als noch beim Vorgänger, was vor allem daran liegen mag, dass der Graf seine Texte nun ausschließlich selbst schreibt. Die Kombination aus harten Metal-Gitarren, elektronischen Techno-Elementen und der unverwechselbaren Stimme des Grafen bildet das Fundament für die zwölf Stücke dieses konzeptionell geradlinigen Albums. Wie es inzwischen zur festen Unheilig-Tradition gehört, erscheint Das 2. Gebot in einer limitierten Erstauflage mit Bonus-CD, die neben der Promo-Single „Maschine“ und zwei Remixen zwei weitere, bis dahin unveröffentlichte Songs enthält, inklusive einer Coverversion des New-Wave-Klassikers „This Corrosion“ aus dem Jahre 1987 von den Sisters of Mercy.

Während der Produktion am 2. Gebot tun sich zwischen Produzent, Plattenfirma und Sänger jedoch einige inhaltliche und musikalische Differenzen auf, die Ende 2002 schließlich zur Trennung führen. Also beschließt der Graf, das Unheilig-Unternehmen alleine weiterzuführen und agiert seither als Produzent, Songschreiber und Sänger in einer Person, was seinem Erfolg aber ganz und gar nicht zu schaden, und dem Arbeitseifer sowie der Eigensinnigkeit des Workaholics nur entgegenzukommen scheint.

Der Graf nabelt sich ab

„Nach dem ganzen Hin und Her war mir klar, wenn es mit Unheilig weitergehen sollte, will ich nie mehr von anderen Produzenten oder Musikern abhängig sein. Ich habe gemerkt, dass viele, die dabei waren, nicht meine Hingabe zur Musik aufbringen können. Ich entschloss mich dazu, die weiteren Stücke selber zu produzieren und alleine weiterzumachen und andere Musiker nur noch für Live-Aktivitäten hinzuzunehmen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es das Beste war, was mir passieren konnte. Unheilig bin ich und einige Menschen im Hintergrund, ohne die es Unheilig nicht geben würde“, erklärt der Graf in einem E-Mail- Interview mit dem Terrorverlag am 10. Juli 20033. Für die Live-Auftritte von Unheilig holt sich der Graf nun die Unterstützung von Gastmusikern.

Inzwischen gehören drei feste Live-Musiker zu seinem Unheilig-Team: Gitarrist Christoph Termühlen, genannt Licky, sorgt bereits seit 2002 für den kraftvollen unheiligen Sound. Ebenso Keyboarder Henning Verlage, ehemaliges Mitglied der Band Neuroticfish, der seit 2003 dabei ist und dem Grafen neuerdings auch mit seinen Qualitäten als Produzent zur Seite steht. Im Jahr 2009 kommt schließlich Schlagzeuger Martin Potthoff, genannt Potti, hinzu und gehört nun ebenfalls zur festen Live-Formation von Unheilig.

Im Februar 2003 stehen Unheilig zusammen mit der österreichischen Formation L’Âme Immortelle sowie der Frankfurter Rockband ASP auf der Bühne. Auf einer Tournee durch insgesamt elf europäische Städte stellen sie ihr neues Album vor und können immer mehr Fans für sich gewinnen.

Welche Single aus dem 2. Gebot ausgekoppelt werden soll, überlässt die Band ihren Fans. Eine Vorgehensweise, der Unheilig bis heute treu geblieben sind. Auf der offiziellen Webseite der Band dürfen ihre Fans über den Song abstimmen. Heraus kommt der Titel „Schutzengel“, der am 21. Juli 2003 auf einer EP veröffentlicht wird. Neben der Albumversion enthält sie eine Orchester-Variante des Titeltracks, eine Radio-Edit-Version des Songs „Vollmond“ sowie vier weitere brandneue und bisher unveröffentlichte Titel.

Außerdem produziert der emsige Graf im Laufe des Jahres Remixe von Stücken der befreundeten Bands Terminal Choice und Neuroticfish. Ebenfalls im selben Jahr produziert er zusammen mit Henning Verlage das Depeche-Mode-Tribute-Album Project for the Masses – Just can’t get Enough, das im Herbst 2003 auf den Markt kommt.

Am 8. Februar 2004 erzählt der Graf dem Terrorverlag von seiner Leidenschaft für die Band und seiner Motivation für ein Tribute-Album: „Ich bin mit Depeche Mode aufgewachsen und sie waren eine der ersten Bands, die mein musikalisches Interesse geweckt haben.“4

Bereits im Jahr 2002 hatte der Graf, damals gemeinsam mit dem Produzenten José Alvarez-Brill, einen Remix des Depeche Mode Stücks „Dream on“ angefertigt. Das Ergebnis gefiel ihm so gut, dass er sich entschied, zusammen mit Keyboarder und Produzent Henning Verlage, den er auf einem gemeinsamen Konzert mit Neuroticfish kennengelernt hatte, ein Album zu produzieren, das den Stil von „Dream on“ weiterführen sollte. Jeder der beiden hat etwa acht Songs vorbereitet, die Grant Stevens dann einsingen sollte.

„Wir hatten alle sehr viel Spaß daran, da die Songs von DM einfach genial sind“, erzählt der Graf im gleichen Interview weiter. Sogar an einem X-Box-Game ist Unheilig in diesem Jahr mit einem Song beteiligt.

Am 16. Februar 2004 erscheint das dritte reguläre Unheilig-Album Zelluloid ebenfalls in einer limitierten Erstauflage inklusive zweier Bonus-Tracks und Poster. Das Album, das der Graf nun in Eigenregie produziert hat, wirkt reifer und schlüssiger als die beiden Vorgänger. Mit dem Satz „Willkommen in meinem Leben“ lädt der Graf uns zu diesem knapp 75-minütigen Werk ein, das vor allem von sehr persönlichen Erinnerungen aus dem Leben des Grafen erzählt. Die regelrechten Klanggewitter aus elektronischen Sounds und breiten Gitarrenwänden in Stücken wie „Fabrik der Liebe“ oder „Tanz mit dem Feuer“ werden immer wieder sanft von ruhigeren Klängen unterbrochen und machen auch dieses Album zu einem facettenreichen Hörerlebnis.

„Ich will die Musik ja auch transportieren“5

Wenige Tage nach der Veröffentlichung von Zelluloid, am 23. Februar 2004, starten Unheilig zusammen mit der Berliner Synth-Rock-Band Terminal Choice ihre Deutschlandtournee. Hier kann der Graf erneut seine außerordentlichen Live-Qualitäten unter Beweis stellen. Er überzeugt das Publikum sowohl musikalisch als auch durch seine charismatische Ausstrahlung und seine eindrucksvolle äußere Erscheinung. Der kahlgeschorene Schädel, schwarz lackierte Fingernägel und die weißen Vampirkontaktlinsen unterstützen die mystische und geheimnisvolle Aura des Grafen.

„Ich will die Musik ja auch transportieren“, erklärt der Graf 2004 in einem Interview mit Gothicworld. „Aber ich könnte auch nie auf der Bühne ohne Kontaktlinsen und mit einem gewissen Styling stehen. Da würde ich mich unwohl, ja unsicher fühlen. Das ist einfach eine Art, womit ich das Ganze transportieren kann. Es ist jetzt keine Rolle, die ich spiele, eher so ein zweites Ich. Das ich dann aber auch voll und ganz ausleben kann. Und dieses Klischeehafte ist durchaus okay. Da habe ich auch kein Problem mit, auch wenn man mir das oft vorwirft. Aber mir macht das einfach nur Spaß. Im Grunde sind das aber auch schon die Klamotten, in denen ich normalerweise rumrenne. Ich muss mich einfach wohl fühlen. Aber ich will nicht ausschließen, dass ich irgendwann vielleicht mal Anderes anhaben werde.“ Inzwischen hat der Graf seine weißen Kontaktlinsen längst abgelegt, aber dazu später mehr.

Nur den wenigsten Künstlern gelingt es bereits nach drei Jahren, von ihrer Kunst leben zu können. Doch der Graf gehört zu diesen glücklichen Ausnahmen, wie er im selben Interview mit Gothicworld gesteht: „Es ist zwar nicht so, dass ich stinkreich bin, aber leben kann ich davon. Es kommt ja immer darauf an, was man Leben nennt. Ich könnte aber einfach gar nicht mehr nebenbei einen ‚normalen‘ Job machen. Wenn ich mit einem Album anfange, dann bin ich wie ein Verrückter. Ziehe das durch und irgendwann komme ich aus dem Studio raus …“

Dass Unheilig nun einen immer höheren Bekanntheitsgrad erreichen, mag wohl auch an der Promotion ihrer Agentur Hardbeat Propaganda liegen, mit der sie seit der letzten Veröffentlichung zusammenarbeiten.

Kurz nach Erscheinen ihres dritten Albums kommt eine weitere EP auf den Markt. Auch dieses Mal dürfen die Fans entscheiden und wählen den Song „Freiheit“ auf den ersten Platz ihrer Liste von Lieblingssongs, dicht gefolgt von „Sieh in mein Gesicht“, das aus diesem Grund ebenfalls mit veröffentlicht wird. Die EP „Freiheit“ erscheint am 18. Oktober 2004 und enthält neben dem Titelsong ebenfalls drei bisher unveröffentlichte Stücke. Außerdem sind die Bands Terminal Choice und Neuroticfish mit je einem Remix von „Freiheit“ sowie Staubkind, die Band des Terminal-Choice-Gitarristen Louis Manke, mit einem Remix von „Sieh in mein Gesicht“ vertreten.

Mit Gastspiel erscheint im Januar 2005 das erste Unheilig-Live-Album. Die erste CD des Doppel-Albums mit dem Titel „Das Konzert“ ist ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Auftritten der Band, die während der Tournee aufgezeichnet wurden, während die zweite CD mit dem Titel „Die Zugaben“, wie der Name schon sagt, sechs Zugaben umfasst. Das knapp eineinhalbstündige Album überzeugt vor allem durch seine erstaunlich gute Klangqualität, die die Live-Atmosphäre perfekt transportiert.

Obschon das Album keine neuen Stücke enthält und sich deshalb der Kritik aussetzen muss, eher eine Art Best-Of zu sein, was zu diesem Zeitpunkt noch zu früh wäre, taugt die CD doch mindestens als Erinnerung für die vielen Fans, die diese Tournee besucht haben und sich immer wieder gerne in die berauschende Live-Stimmung zurückversetzen lassen. Außerdem liefert Gastspiel einen guten Querschnitt aus der bisherigen Unheilig-Produktionsschmiede.

Ebenfalls im Jahr 2005 erscheint erstmalig eine DVD von Unheilig. Die Mitschnitte einiger Konzerte, die der Graf während der Zelluloid-Tournee passend zum Albumtitel auch filmisch hat dokumentieren lassen, werden im Mai unter dem Namen Kopfkino veröffentlicht. Neben Live-Mitschnitten sind auf der DVD noch einige zusätzliche Features enthalten, wie zum Beispiel ein Interview mit dem Grafen oder der Videoclip „Grafs Zitate“, in dem er unter anderem die Intention erklärt, die hinter dem Bandnamen Unheilig steht:

„Am Anfang ist es immer so, du suchst dir einen Namen aus, der eine gewisse Stärke hat. Und mir war es extrem wichtig, dass der Name auch eine Aussage hat, wo die Leute auch erst mal drüber nachdenken müssen …“, erzählt der Graf. Zwischendurch sehen wir ihn in seinem Anzug über grüne Wiesen streifen oder nachdenklich auf einem Felsvorsprung in eine Caspar-David-Friedrich-Landschaft blicken.

„Ich steh zu dem, so wie ich bin, also kann ich mich auch ruhig so nennen (…) Der Name Unheilig wird viel zu oft für irgendetwas missbraucht, wofür er eigentlich gar nicht steht (…) Jeder Mensch versucht sich in einer gewissen Weise auch selber zu finden und gerade dann sucht man sich auch seine eigene Religion. Das braucht man noch nicht mal Religion zu nennen, das ist vielleicht auch nur eine Lebenseinstellung (…) Jeder soll aus der Musik von Unheilig was für sich persönlich herausziehen, was ihn aufbaut, wodurch er sich besser fühlt, dann wär ich superglücklich.“ Und das ist ihm, wie wir inzwischen wissen, millionenfach gelungen.

Im Sommer 2005 gehen Unheilig ins Ausland und spielen einige Konzerte in Russland und Spanien. Nach Russland sollen sie im Laufe ihrer Karriere noch häufiger zurückkehren. In einem Interview mit Linda Holzer auf Schwarzeseiten.de erzählt der Graf von dem Unterschied zwischen einem deutschen und einem russischen Publikum: „Also in Russland ist es ganz extrem, da wirst du von der Bühne gezerrt, da greifen die nach dir und schmeißen dir alles auf die Bühne. Die sind also noch offener, als man es hier von Deutschland kennt. Also Unterschiede gibt es da immense, das finde ich schon, grade wenn du in ein anderes Land gehst. Eigentlich bisher aber nur positive, nichts Negatives, ganz im Gegenteil (…) Ich singe die ganz normalen Lieder auf Deutsch. Also in Russland war es dann so, die haben das sogar auf Deutsch mitgesungen und in den Pausen ‚Dankeschön‘ gesungen, also da war ich dann wirklich platt, das ist wirklich Wahnsinn.“6

Im weiteren Verlauf des Jahres 2005 widmet sich der Graf im Studio seiner neuen Schöpfung.

Mit Tempo in die modernen Zeiten

Frisch aus dem Studio bringt der Graf am 20. Januar 2006 mit Moderne Zeiten das fünfte Album aus dem Hause Unheilig auf den Markt. Und mit diesem Werk sollte der Band um den eifrigen Künstler nun endlich der lang ersehnte und wohl verdiente Einstieg in die deutschen Album-Charts gelingen, den sie mit Das 2. Gebot und Zelluloid nur um ein Haar verpasst haben. Auch wenn es „nur“ Platz 76 wird, bedeutet das einen Riesenerfolg für die Band. Ein großer Schritt in Richtung Goldene Schallplatte ist damit getan.

Es folgen Anfragen für Trailer von verschiedenen Fernsehsendern, und der Privatsender Premiere spielt sogar bereits vor der offiziellen Veröffentlichung des neuen Albums den Song „Ich will alles“ in mehreren Trailern. Damit ist für die optimale Promotion des Albums gesorgt und die limitierte Erstauflage ist bereits im Vorfeld ausverkauft. Neben den Stücken des regulären Albums enthält die Limited Edition wieder zwei brandneue Songs: „Sonnentag“ und „Tag der Sieger“.

Im Interview mit Nightshade vom 16. Februar 2006 spricht der Graf über seinen ersten Chart-Erfolg: „Man weiß ja, wie diese ganzen Charts funktionieren. Das hängt z. B. damit zusammen, in welchem Monat du eine CD veröffentlichst. Also wenn du im Sommer veröffentlichst, dann geht so was eher, als wenn man Anfang des Jahres etwas herausbringt, wo natürlich der Spiegel von den Neuveröffentlichungen aller Bands so hoch ist, dass man nicht von vorneherein damit rechnen kann. Wir haben uns trotzdem dazu entschieden, das am Anfang des Jahres zu machen, weil so ein Album ja auch eine gewisse Haltbarkeit haben soll. Dann hat man das ganze Jahr vor sich, man kann eine Tour machen, man kann viele Festivals spielen.“7

Bis auf die lyrischen Aussetzer in dem Song „Lass uns Liebe machen“ kann der Graf mit diesem Album erneut seine besonderen Qualitäten als Songschreiber unter Beweis stellen. Insbesondere sein Gespür für gefühlvolle und tiefgründige Balladen beeindruckt Fans und Musikpresse gleichermaßen.

In Anlehnung an den gleichnamigen Stummfilm-Klassiker von Charly Chaplin („Modern Times“ aus dem Jahre 1936), allerdings deutlich weniger drastisch, thematisiert dieses vierte reguläre Studio-Album von Unheilig die fortschreitende Technik und die Angst der Menschen, in dieser modernen, sich immer weiter selbst beschleunigenden Gesellschaft, unterzugehen. Wie schon in dem Stück „Maschine“ aus dem Jahr 2003 geht es um den Verlust von Individualität in der modernen Gesellschaft. In dem Song „Phönix“ betrauert der Graf die Natur, die der Stadt weichen musste, in „Goldene Zeiten“ erinnert er sich an eine bessere Welt, und die berührende Ballade „Sonnentag“ handelt ebenfalls von Vergänglichkeit. Mit kraftvollen Beats, Techno-Sounds und breiten Metal-Gitarren ist dieses Album zwar etwas härter als sein Vorgänger, wirkt aber insgesamt ausgereifter und zeigt erneut eine deutliche Weiterentwicklung des Unheilig-Stils.

Im Frühjahr 2006 touren Unheilig dann erstmalig als eigenständige Headliner durch Deutschland und stellen ihr neues Album vor. „Ich freue mich natürlich super, dass man jetzt endlich auch mal als Letzter spielen und auch mal länger spielen kann und dass man nicht abhängig davon ist, dass noch eine Band nach dir spielt, die das eigentliche Aushängeschild des Abends dann ist. Da kann man dann gerade mal so 45 Minuten spielen, wobei das bei Terminal Choice auch länger war. Aber die größte Veränderung sieht man jetzt eigentlich an der Tour, dass man endlich auch mal alleine auf Tour gehen und einen eigenen Support mitnehmen kann und eine schöne lange Spielzeit hat. Die Resonanz der Fans hat sich auf jeden Fall vervielfacht – das ist auch Wahnsinn“, schwärmt der Graf in dem Interview mit Linda Holzer auf Schwarzeseiten.de.

Auf der so genannten Goldene-Zeiten-Tournee werden Unheilig von Secret Discovery und Maren Noel supportet, und Unheilig-Fans diskutieren noch heute die musikalischen Qualitäten der damaligen Newcomerin. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.

„Grundsätzlich wollten wir auch eine Band oder einen Künstler haben, der noch sehr unbekannt ist und der auch mal die Chance haben soll, vor einem größeren Publikum zu spielen“, erklärt der Graf in demselben Interview die Wahl von Maren Noel als Vorgruppe. „Ich habe mir auch gedacht, dass es auch eine schöne Einstimmung für die Leute ist, wenn es mit etwas Ruhigerem beginnt, grade weil auch Secret Discovery noch dabei sind, die ja eine wesentliche Steigerung sind, und wenn wir dann auf der Bühne sind, geht es halt weiter mit Rock (…) Natürlich ist es bei Maren Noel so, dass es nicht jedermanns Geschmack ist …“, so der Graf weiter.

Im selben Jahr erscheint eine weitere Unheilig-EP. Auch hier dürfen die Fans im Internet abstimmen, welche Stücke auf der EP zu hören sein sollen. Die Liste wird angeführt von „Astronaut“ und „Mein Stern“. Die EP Astronaut erscheint in einer limitierten Erstauflage am 9. Juni desselben Jahres mit verschiedenen Versionen der Stücke „Astronaut“, „Mein Stern“ und „Ich will alles“ sowie drei neuen bisher unveröffentlichten Songs. Und auch diese EP ist schlagartig ausverkauft.

Wieder folgen zahlreiche Festival-Auftritte. Im Sommer 2006 gastieren Unheilig auf nahezu allen relevanten Bühnen der Alternative-Music- bzw. Gothic-Szene. Dazu gehören das Westschacht Festival, das Amphi Festival, das Battle of Metal, das Wave-Gotik-Treffen sowie das Nova Rock Festival.

Zur Überraschung und Begeisterung der Fans stellen Unheilig beim M’era Luna Festival in Hildesheim gemeinsam mit Project Pitchfork ihr Stück „Ich will leben“ vor, in dem der Graf ein Duett mit Peter Spilles, dem Sänger der Hamburger Formation singt. Die gleichnamige Single erscheint am 15. September 2006 und erreicht einen sensationellen Platz 3 in den Deutschen-Alternative-Charts (DAC).

Bevor sie von September bis Oktober 2006 gemeinsam mit Project Pitchfork auf die Orkus Festival II Tour aufbrechen, haben Unheilig noch einen Auftritt der ganz anderen Art: In der Pro-7-Doku-Soap „Frank – Der Weddingplaner“ überrascht Moderator und Weddingplaner Frank Matthée sein Brautpaar mit einem Auftritt ihrer Lieblingsband. Für das sichtlich gerührte Brautpaar, das offenbar aus der Gothic-Szene stammt, spielen Unheilig in der Sendung die Stücke „Mein Stern“ und „Astronaut“. Bereits eine Woche zuvor wird dieses besondere Highlight der Doku-Serie von Stefan Raab in der Sendung „TV Total“ angekündigt, in der Frank Matthée zu Gast ist. Nach diesem ungewöhnlichen Unheilig-Konzert entfachen in der Szene die ersten Diskussionen über das Für und Wider eines derartigen Fernsehauftritts des Grafen. Im Interview mit dem österreichischen Musikportal Austriancharts.at erklärt der Graf: „Letzten Endes liegt es, glaube ich, daran, dass man sich immer mehr Fans erspielt und sich das irgendwann rumspricht. So wirst du auch interessant für’s Radio oder Fernsehen und bekommst die Möglichkeit, dort eine Plattform zu erhalten.“8

Gewissermaßen als Dankeschön an die Fans, die ihre Goldene-Zeiten-Tournee so zahlreich besucht und den Grafen von Beginn an mit sehr viel Hingabe unterstützt haben, erscheint am 13. Oktober 2006 ein zweites Unheilig-Live-Album in einer auf 3000 Exemplare streng limitierten Auflage, die sofort vergriffen ist. Die Doppel-CD Goldene Zeiten enthält einen kompletten Konzertmitschnitt von ihrem Auftritt in Nürnberg sowie den exklusiven Bonus-Track „Wellenbrecher“. Außerdem sind auf diesem Sammlerstück zwei Remixe des Songs „Goldene Zeiten“ sowie die Albumversion von „Ich will leben“, dem Song, den Unheilig gemeinsam mit Project Pitchfork aufgenommen haben, vertreten.

Ende des Jahres folgt dann die obligatorische Weihnachtstournee, auf der der Graf unter anderem die unheiligen Weihnachtslieder des Albums Frohes Fest aus dem Jahre 2002 zum Besten gibt und die seit der letzten Tournee wieder massiv angewachsene Fangemeinde verzaubert. Die Tour beginnt am 14. Dezember 2006 und endet erst am 6. Januar des folgenden Jahres.

Im Jahr 2007 geht die Mission des Grafen weiter. Im Sommer tritt er mit seiner Formation beim legendären Wacken Open Air auf, wo er nicht nur eingefleischte Fans begeistern kann. Er schafft es sogar, das überwiegend aus kritischen Metal-Kennern bestehende Publikum, das normalerweise legendäre Rock-Größen wie Iron Maiden oder Motörhead gewohnt ist, für sich zu gewinnen. Unterdessen arbeitet der Graf schon fleißig an seinem neuen Album Puppenspiel, da im März 2008 bereits die nächste Tournee geplant ist, die so genannte Puppenspieler- Tournee.

Der erste große Durchbruch

Das fünfte reguläre Studio-Album von Unheilig, Puppenspiel, erscheint im Februar 2008 und steigt direkt auf Platz 13 der deutschen Album-Charts ein. Mit diesem Chart-Erfolg verdienen sich Unheilig nun endlich ihre erste Goldene Schallplatte. Und das nicht nur, weil die maßgebliche Mindestverkaufszahl für Gold seit dem 1. Januar 2003 bei Alben auf 100.000 und bei Singles auf 150.000 Exemplare herabgesetzt wurde. Weiter erreichen Unheilig mit der Single-Auskopplung „An deiner Seite“ mit Platz 64 ihre bis dahin beste Platzierung in den deutschen Single-Charts. Die Single enthält neben der Albumversion einen Radio-Mix, einen Pinelli-Radio-Mix, eine Pinelli-Orchester-Version sowie eine Live-Aufnahme des Titelsongs.

Puppenspiel ist ein weiteres Konzeptalbum von Unheilig. Nach Zelluloid, das sich mit dem Genre Film auseinandersetzt und Moderne Zeiten, das die Technisierung unserer modernen Gesellschaft thematisiert, werden wir mit Puppenspiel in die Welt des Theaters und der Illusionen entführt. Der Titel weckt auch Assoziationen zu dem surrealen Film „Being John Malkovich“ aus dem Jahr 1999, dessen Protagonist ein Puppenspieler ist, der sich auf reichlich skurrile Weise Zugang in den Kopf eines Menschen, nämlich John Malkovich, verschafft.

Auch auf dem Album werden diese gegensätzlichen Perspektiven aufgezeigt: Die des lenkenden Puppenspielers, der alle Fäden in der Hand hält, ebenso wie die Perspektive der willenlosen Marionette, die sich ferngesteuert und willenlos der Obrigkeit fügt. „Die grundsätzliche Idee zu Puppenspiel trage ich schon ziemlich lange in mir“, erzählt der Graf im Februar 2008 in einem Interview mit Hell-Zone9.

„Die Gegebenheiten des Lebens mit dem Bezug des Theaters oder jeglicher anderen Darstellungsform der Bühne zusammenzubringen, reizte mich schon seit einigen Jahren. Allerdings empfand ich immer wieder, dass die Zeit dafür noch nicht reif war und widmete mich daher immer wieder anderen Themen, wie sie sich auf den Vorgängeralben befinden.“

Insgesamt schlägt das Album deutlich härtere Töne an und zeigt sich erneut rockiger als das Vorgänger-Album Moderne Zeiten. Auch wirken die Stücke klarer produziert und die Stimme des Grafen klingt kraftvoller und selbstbewusster denn je. Die musikalische Bandbreite erstreckt sich über Neue Deutsche Härte, Gothic-Rock-Pop, Industrial und Hardrock und überzeugt erneut durch die Vielseitigkeit und die ausgesprochene Spielfreude des Grafen. Aber auch die ruhigen und gefühlvollen Balladen kommen auf diesem Album nicht zu kurz. Stücke wie „Spiegelbild“ oder „Puppenspieler“ haben Ohrwurm-Charakter, ohne dabei fantasielos oder abgestanden zu wirken. Ganze sechs Wochen kann sich das Album in den deutschen Charts halten.

Auch die Puppenspieler-Tournee, die Unheilig gemeinsam mit Down Below & Goja Moon ROCKAH bestreiten, wird ein voller Erfolg. Sämtliche Konzerte sind ausverkauft und die Plattenverkäufe schnellen in schwindelerregende Höhen. Bereits im März erscheint die CD zur Tournee mit dem Titel Schattenspiel in einer auf 3333 Einheiten limitierten Fan-Edition. Sie enthält die Live-Versionen einiger Unheilig-Hits, wie „Schutzengel“ oder „Sage Ja“ sowie mehrere ausgewählte Songs der beiden Support-Bands. Ein besonderes Bonbon dieser Fan-Edition ist der Track „Dornröschen“, in dem der Graf sein bisher schlummerndes Talent als Märchenonkel offenbart. Außerdem dürfen die Fans erneut auf der offiziellen Webseite der Band ihre Lieblingssongs aus dem Album auswählen, die dann auf einer EP veröffentlicht werden sollen. Die EP Spiegelbild erscheint im Juli 2008 und enthält neben dem Titeltrack einen Remix der Düsseldorfer Band Die Krupps, eine Orchester-Version der Ballade „An deiner Seite“ sowie die neuen Stücke „Schlaflos“, „Die alte Leier“ und „Hexenjagd“.

Aufgrund einer schweren Kehlkopfentzündung des Grafen müssen einige der Termine der Puppenspieler-Tournee abgesagt werden, und für mehrere Wochen steht die große Ungewissheit im Raum, ob der Graf je wieder singen wird. Der Arzt verordnet ihm zunächst zwei Wochen Sprechverbot, damit die Entzündung abschwillt. Erst danach will er eine Prognose stellen. In dieser Zeit des Bangens und Wartens fällt der Graf nach eigenen Aussagen in ein tiefes seelisches Loch. Doch mit viel Disziplin und Stimmübungen erholt er sich schließlich und die abgesagten Konzerte werden im Mai nachgeholt. Beim M’era Luna Festival im Sommer 2008 spielen Unheilig erstmalig auf der großen Bühne. Ein weiteres Highlight in der Karriere des Grafen.

In einem Interview während des Festivals mit Sebastian Tittel von UR-Radio erzählt der Graf, wie er sich damals nach seinem ersten Arztbesuch gefühlt hat: „Du gehst dann erst mal nach Hause, bist völlig am Boden zerstört und beginnst irgendwann darüber nachzudenken, was du mit deinem Leben noch so machen kannst, wenn du nicht mehr auf die Bühne darfst und aufhören musst, Musik zu machen. (…) Es war für mich wirklich die Hölle. Vor allem war es vorher, wie gesagt, ganz toll und dann kam das, wodurch ich in ein tiefes Loch gefallen bin und am Boden zerstört war. Ohne meine Familie hätte ich das auch nie geschafft. Und auch gerade die Leute, mit denen ich musikalisch sehr eng zusammenarbeite, seien das Plattenfirma, Management oder die anderen beiden, waren für mich da. Das war toll. Und dann natürlich die ganzen Fans, die E-Mails und Briefe geschrieben, Geschenke und Genesungswünsche geschickt haben. Ich habe die alle bekommen und jeden Morgen gelesen, denn das hat mir etwas gegeben und war für mich wichtig und gut.“

Und dafür werden die Fans natürlich belohnt. Schon Ende September erscheint Puppenspiel Live – Vorhang auf!. Nach der ersten erfolgreichen Live-DVD Kopfkino kommt nun die zweite Unheilig-DVD in den Handel. Und auch diese Veröffentlichung wird mit Platz 3 der Media Control DVD Charts zu einem großen Erfolg. Für die geplante DVD wird das Konzert in der schon Wochen vorher ausverkauften Columbia-Halle in Berlin aufgenommen, das aufgrund der großen Nachfrage vom Columbia-Club in die Halle verlegt wurde, wo Unheilig die knapp 2000 begeisterten Fans zum Kochen bringen. Die Special-Edition enthält neben dem Konzert in Berlin, das am 30. März 2008 aufgezeichnet wurde, eine zusätzliche DVD mit Konzertmitschnitten von der Goldene-Zeiten-Tournee aus dem Jahr 2006.

„Die DVD ist richtig klasse geworden und die Bildqualität ist auch einfach Hammer“, schwärmt der Graf in einem Interview mit Carpe Noctem TV vom 12. September 2008. Außerdem enthält die DVD noch einen Backstage-Bericht, und das Bonusmaterial besteht aus dem aufwändig gedrehten Videoclip „An deiner Seite“ sowie einem entsprechenden Making-Of.

Auch auf der Audio-CD Puppenspiel Live – Vorhang auf!, die am 3. Oktober auf den Markt kommt, zeigt der Graf, dass seine Stimme nicht nur im Studio überzeugen kann. Dieses inzwischen bereits dritte Live-Album von Unheilig schafft es auf Platz 35 der deutschen Album-Charts und setzt somit die schier unerschöpfliche Erfolgsserie der Band fort. Wie bereits auf der DVD bietet die Setliste auch hier einen umfangreichen Überblick über die besonderen Highlights der letzten Alben. Die ausgewogene Mischung aus härteren Stücken wie „Sieh in mein Gesicht“, „Maschine“ oder dem Klassiker „Sage Ja“ aus dem Jahre 2000 und emotionsgeladenen Balladen wie „Mein Stern“ oder „Astronaut“ kann die Vielseitigkeit und den Facettenreichtum der Band perfekt transportieren.

Nachdem die Maxi-Single bereits im März als limitierte Fan-Edition veröffentlicht wurde, erscheint am 14. November 2008 eine offizielle Ausgabe der Single „An deiner Seite“ als 2-Track-Version. Auf besonderen Wunsch des Grafen kommt die Single in zweifacher Ausführung auf den Markt. Dieses sehr persönliche und überaus emotionale Stück schrieb der Graf für einen Freund, dem er durch die Veröffentlichung ein Denkmal setzen wollte: „… mein Herzenswunsch war, dieses Lied als Single für einen sterbenden Freund zu veröffentlichen. Ich wollte ihm so zeigen, dass ich ihn niemals vergessen werde, egal wo er ist. Durch mein Handeln hatte ich das Gefühl, etwas in dieser aussichtslosen Situation für ihn und seine Familie zu tun, und ich konnte ebenso der Hilflosigkeit, die mich in dieser Zeit übermannte, entfliehen“, erklärt der Graf kurz nach Veröffentlichung der Single (nachzulesen bei vertigo.fm10). „ ‚An deiner Seite‘ erzählt mittlerweile nicht nur seine Geschichte, sondern steht für so viele Menschen, die ihre eigene Geschichte damit in Verbindung gebracht haben und das ist wunderschön. Jedoch gehören gerade diese wundervollen Momente der letzten Monate, die dieses Lied ausgelöst hat, ebenso zu diesem Lied, wie mein ursprünglicher Grundgedanke“, so der Graf weiter.

Ebenfalls im November haben Unheilig ihren zweiten Fernsehauftritt in der Doku-Soap „Frank – Der Wedding-Planer“ beim Privatsender Pro7. Dieses Mal spielen Unheilig auf der Festung Königstein in der barocken Friedrichsburg für das Brautpaar Maxi und Thomas, das in der Wave- und Gothic-Szene zu Hause ist. Bei diesem „Privatkonzert“ für die Hochzeitsgesellschaft geben Unheilig die Balladen „Mein Stern“ und „An deiner Seite“ zum Besten. Entgegen aller Befürchtungen ist die öffentliche Resonanz überwiegend positiv. Außerdem hat der Auftritt den Nebeneffekt, dass die Single „An deiner Seite“ daraufhin auf Platz 64 in die deutschen Singlecharts einsteigen kann.

Nachdem sich der Graf von seiner Kehlkopfentzündung erholt hat, können Veranstalter und natürlich vor allem die Fans aufatmen. Der Graf ist wieder da und kann auf der Bühne wieder zu neuer Form auflaufen. Die Ticket-Nachfrage steigt daraufhin umso mehr, und kleine Konzerte müssen aus Platzmangel in größere Hallen verlegt werden. So auch beim „Unheilig & Friends“-Konzert am 20. Dezember 2008, das zunächst im Kölner „Tanzbrunnen“ stattfinden sollte. Nachdem es sofort ausverkauft ist, verlegt der Veranstalter das Konzert, das Unheilig gemeinsam mit den befreundeten Bands Staubkind und Eisbrecher spielt, in die Expo-Halle XXI. Trotz des deutlich größeren Rahmens ist auch dieses Konzert mit 4000 Tickets umgehend ausverkauft.

Auf dem Weg zur Großen Freiheit

Im Jahr 2009 geht es für Unheilig turbulent und arbeitsam weiter. Den Sommer über spielen sie erneut bei allen namhaften Festivals. Mit dabei sind das Feuertanz Festival in Abendberg, das Amphi Festival in Köln und das Summer Breeze Festival in Dinkelsbrühl, um nur einige zu nennen. Als Unheilig beim Zita Rock Festival in der Zitadelle in Berlin Spandau auftreten, werden sie erstmalig von Schlagzeuger Martin Potthoff („Potti“) unterstützt, der seitdem zur festen Live-Formation von Unheilig gehört.

Im weiteren Verlauf des Jahres erscheint das Re-Release des Albums Frohes Fest aus dem Jahr 2002. Außerdem spielt die Band drei Konzerte im Rahmen von „Unheilig & Friends“, die in Hannover, Leipzig und Bochum stattfinden, diesmal mit den Bands Eisbrecher, Down Below sowie Staubkind. Mit mehr als 10.000 Besuchern übertreffen die Veranstaltungen in diesem Jahr alle Erwartungen. Die „Unheilig & Friends“ – Konzerte haben inzwischen Tradition und sind besonders bei Eltern unter den Unheilig-Fans sehr beliebt, denn bei diesen besonderen Events wird vor allem auf Familienfreundlichkeit Wert gelegt. Es wird eine Kinderbetreuung bereitgestellt, und bis zum Alter von zehn Jahren haben alle Kinder freien Eintritt, ebenso alle Erwachsenen ab fünfundsechzig. Neben dem musikalischen Erlebnis der Konzerte wird der ganzen Familie ein volles Unterhaltungsprogramm geboten, und mit Zauberern, Bauchrednern und Hüpfburgen kommt regelrechte Jahrmarktatmosphäre auf.

Am 6. September 2009 spielen Unheilig beim Zeltfestival Ruhr