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Liebe, Verwirrung, Rührung … all diese Gefühle stürmen auf Angela ein, als Jubal ihr einem rot blühenden Weihnachtsstern schenkt. Sicher, der attraktive, engagierte Tierarzt hat sich von ihr getrennt, um eine Frau aus besseren Kreisen zu heiraten. Und eigentlich war Angela entschlossen, ihn nie wiederzusehen und für immer zu vergessen. Doch als sie jetzt in Jubals verführerische Augen blickt, keimt gegen jede Vernunft Hoffnung in ihr auf. Gewinnt er mit seinem wunderschönen Geschenk, das man ja auch "Stern der Liebe" nennt, ihr Vertrauen zurück?
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2011
IMPRESSUM
BIANCA erscheint 14-täglich in der Harlequin Enterprises GmbH
Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Anzeigen:
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© 2008 by Stella Bagwell
Originaltitel: „The Christmas She Always Wanted“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: SPECIAL EDITION
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BIANCA
Band 1807 (23/2) 2011 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer
Fotos: mauritius images
Veröffentlicht als eBook in 11/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
ISBN: 978-3-86349-028-7
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
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Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
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Stella Bagwell
Unser Stern der Liebe
1. KAPITEL
„Wie sehe ich aus? Kann ich so die Gäste bedienen?“ Angela Malone drehte sich vor der Köchin der Sandbur-Ranch im Kreis und machte aus Spaß einen Hofknicks.
Nachdenklich musterte Cook ihre junge Küchenhilfe. „In dem kleinen Schwarzen siehst du wie eine Prinzessin aus, wenn du die Schürze abnimmst. Aber da wir heute Abend ein Barbecue servieren, solltest du sie lieber anbehalten.“
Angela lächelte nervös. Das sogenannte kleine Schwarze war nur ein schlichtes Baumwollkleid. Außerdem befürchtete sie, dass ihr ein Missgeschick unterlaufen könnte. Sie hatte zwar die letzten zwei Jahre im Cattle Call Café gearbeitet und Erfahrung als Kellnerin gesammelt, aber gelegentlich war das Essen auf ihrer Kleidung statt auf dem Tisch gelandet, den sie gerade bediente.
Doch diese Zeiten waren hoffentlich vorbei. Sie war aufgestiegen, seit ihre Freundin Nicci Saddler Garroway ihr die Anstellung auf der Ranch in Südtexas verschafft hatte. Nun war sie die Assistentin der Köchin im sogenannten großen Haus, in dem die Matriarchin Geraldine Saddler und ihr Sohn Lex residierten. Außerdem überwachte sie die Arbeit der Zimmermädchen, erledigte Einkäufe und kümmerte sich im Allgemeinen um alle Arbeiten, die nicht von den Haushaltshilfen ausgeführt werden konnten.
„Wahrscheinlich hast du recht mit der Schürze“, überlegte Angela laut. „Aber ich möchte in Ms Saddlers Augen präsentabel sein. Offensichtlich gibt sie heute ein richtig vornehmes Galadinner.“
Cook war groß, dünn und Anfang siebzig. Ihr schwarzes Haar wies nur vereinzelte Spuren von Grau auf, und sie pflegte sich die Lippen ebenso leuchtend rot zu bemalen wie die Fingernägel. „Sei nicht so nervös. Du hast in deinem Leben schon so viele Tische bedient.“ Sie rückte die Haarspange zurecht, die Angelas dichtes braunes Haar zurückhielt, und tätschelte ihr die Wange. „Hübsch wie ein Frühlingsmorgen. Geh die Appetithäppchen servieren, bevor Geraldine nachsehen kommt, warum wir so trödeln. Husch!“
„Ich bin schon unterwegs.“ Lächelnd nahm Angela das Tablett, stieß die Schwingtür mit einer Schulter auf und eilte den langen Korridor entlang, der in den vornehmen Salon führte. Der Duft von geräucherten Shrimps, fangfrisch aus San Antonio geliefert, wehte ihr vom Tablett in die Nase und machte ihr bewusst, dass sie seit dem Frühstück um fünf Uhr früh nichts gegessen hatte.
Wegen der Dinnerparty hatte sie schon den ganzen Tag lang alle Hände voll damit zu tun, bei der Zubereitung unzähliger raffinierter Gerichte zu helfen und darauf zu achten, dass alle Räume von den Hausangestellten gesäubert und mit frischen Blumen versehen wurden.
Als sie sich dem Salon näherte, hörte sie Stimmengewirr und Gelächter. Im Hintergrund ertönte Countrymusic. Im Geist summte sie die Melodie mit und malte sich aus, den Walzer in den Armen eines netten Mannes zu tanzen, den es nicht kümmerte, dass sie alleinerziehende Mutter war.
Sie verdrängte diese Wunschvorstellung, holte tief Luft und betrat den Salon, der bereits voller Gäste war.
Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg zu dem langen Tisch, der in der Nähe der Bar gedeckt war. Gerade wollte sie das Tablett zu den anderen Vorspeisen stellen, da ertönte hinter ihr Geraldines Saddlers Stimme. „Angie? Wenn das die Shrimps sind, dann bringen Sie sie bitte hierher. Auf dem Couchtisch ist genügend Platz.“
Angela machte kehrt und durchquerte den Raum bis zur Mitte, wo ein Sofa und mehrere Polstersessel um einen niedrigen Tisch gruppiert standen. Vorsichtig stellte sie das Tablett auf das polierte Eichenholz.
„Diese Shrimps müssen Sie unbedingt probieren, Jubal“, drängte Geraldine. „Sie zergehen auf der Zunge.“
Angela erstarrte. Ihr Herz klopfte wild. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet er der neue Tierarzt hier und der Grund für diese Party ist! Widerstrebend hob sie den Kopf, und dann starrte sie in das Gesicht, das sie seit fünf Jahren verzweifelt zu vergessen versuchte.
Jubal. Sie wusste nicht, ob sie den Namen flüsterte oder nur mit den Lippen formte. Auf jeden Fall spürte sie das Blut in den Kopf schießen und hörte ein lautes Rauschen in den Ohren.
Sie sah einen erschrockenen Ausdruck über sein Gesicht huschen, aber sie wartete nicht ab, ob er zu ihrer Bekanntschaft stehen wollte. Hastig entschuldigte sie sich bei Geraldine und floh förmlich aus dem Raum.
Völlig außer Atem erreichte sie die Küche. Ihre Knie fühlten sich so weich an, dass sie nur noch auf einen Stuhl sinken konnte.
Cook eilte zu ihr. „Mädchen, was hast du denn? Du siehst aus, als müsstest du dich übergeben.“
Angela rang nach Atem und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Ich … es geht mir gut. Ich glaube, ich habe nur zu lange nichts gegessen.“
„Seltsam. Wieso fällt dir gerade jetzt ein, dass du Hunger hast?“ Cook schürzte die roten Lippen. „Was ist da drinnen passiert?“
„Nichts.“
„Hast du das Tablett fallen lassen? Bist du über jemanden gestolpert?“
Sie war tatsächlich gestolpert und gefallen – allerdings schon vor fünf Jahren. „Es ist alles okay. Ich fühle mich nur ein bisschen zittrig.“ Angela schloss die Augen und versuchte, die Panik zu dämpfen. Wie konnte sie in den Salon zurückkehren und fünf Gänge servieren, wenn er an dem Tisch saß?
„Hier. Iss das.“ Cook stellte Salzgebäck und einen Teller mit marinierten Schwarzaugenbohnen auf den Tisch. „Ich mache inzwischen die Salate fertig.“
Angelas Kehle war wie zugeschnürt, aber sie zwang sich, etwas sogenannten Texas Caviar auf einen Cracker zu häufen und in den Mund zu stecken.
Nach einigen Bissen stand sie auf und trat an die lange Arbeitsfläche. Es war kein geeigneter Augenblick, um sich von ihren Gefühlen überwältigen zu lassen.
Cook warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Zuerst warst du ganz rot im Gesicht, und jetzt siehst du so weiß wie die Wand aus. Vielleicht sollte ich lieber Miss Nicci holen, damit sie dich mal untersucht. Sogar junge Leute können Herzanfälle kriegen.“
Angelas Herz war tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen, aber auf eine ganz andere Art und Weise. „Es geht schon wieder. Nicci wird in ihrer Freizeit ständig wegen irgendwelcher Notfälle gestört. Ich will ihr diese Dinnerparty nicht verderben.“
„Aber …“
„Mach dir keine Sorgen um mich. Aus medizinischer Sicht ist bei mir alles in Ordnung.“ Sie erkannte, dass es leichter war, sich Cook anzuvertrauen, als die Wahrheit zu verbergen. „Ich habe im Salon bloß jemanden entdeckt, den ich lange Zeit nicht gesehen hatte. Weil ich dachte, ihm nie wieder zu begegnen, hat es mich aufgewühlt. Das ist alles.“
Anstatt mit persönlichen Fragen zu nerven, schlug Cook taktvoll vor: „Soll ich Alida rufen, damit sie heute Abend für dich einspringt?“
Alida war eine Hausangestellte, die schon seit mehreren Jahren für die Familien Saddler und Sanchez arbeitete. Momentan passte sie auf Angelas Tochter Melanie auf, und so sollte es auch bleiben. „Nein, danke. Es ist alles gut so, wie es ist.“
Vergeblich versuchte Jubal Jamison, sich auf das Gespräch an dem Couchtisch zu konzentrieren. Er war noch immer erschüttert von dem unverhofften Wiedersehen mit Angela. Er hatte nicht erwartet, ihr schönes Gesicht je wiederzusehen, nachdem sie vor fünf Jahren aus Cuero verschwunden war. Was trieb sie auf dieser Ranch? Anscheinend war sie eine Angestellte. Das hatte ihm niemand mitgeteilt. Natürlich nicht. Niemand auf Sandbur weiß, dass sie die Liebe deines Lebens war.
Was sollte er nun tun? Weglaufen? Ihr noch einmal den Rücken zukehren?
Diesmal nicht, schwor er sich im Stillen. Diese Gelegenheit, wieder mit ihr Kontakt aufzunehmen, durfte er sich nicht entgehen lassen. Außerdem war er bereits nach Sandbur umgezogen, wo gerade eine supermoderne tierärztliche Praxis eingerichtet wurde. Eine kostspielige Hightech-Ausrüstung war aus Dallas unterwegs und musste jeden Tag eintreffen.
Als zu Tisch gerufen wurde, folgte er wie ferngesteuert den anderen Gästen in den Speisesaal. Kurz darauf fand er sich zur Rechten von Geraldine Saddler am Kopfende der festlich gedeckten Tafel wieder.
Der Raum war lang, die niedrige Decke mit massiven Balken aus Zypressenholz überzogen. Eine lange Reihe von Bogenfenstern bot einen wundervollen Ausblick auf den Garten. Weiße Lichterketten zierten die Stämme der mexikanischen Palmen und kündeten von dem bevorstehenden Weihnachtsfest. Auf dem langen Tisch standen edle Blumenarrangements.
Jubal war in begüterten Verhältnissen aufgewachsen, aber er musste zugeben, dass die gesellschaftlichen Ereignisse in seinem Elternhaus im Vergleich zu dieser Feier bescheiden ausfielen. Trotzdem wirkten Geraldine und ihre Familie sehr bodenständig und leger.
Zu schade, dass man das von seinen Eltern nicht sagen konnte. Andernfalls hätten sie mehr Verständnis für seine Beziehung zu Angela bewiesen. Doch sie waren nicht für die Trennung verantwortlich. Die ging leider allein auf sein Konto. Und er zahlte seitdem einen hohen Preis dafür.
Mit jedem Gang, den Angela servierte, steigerte sie sich immer mehr in eine ohnmächtige Wut. Denn Jubal ignorierte sie während des gesamten Mahls. Eine höfliche Begrüßung war alles, was sie von ihm erwartete. Aber selbst dazu war er nicht Gentleman genug. Er besaß nicht einmal den Anstand, um auch nur Hallo zu murmeln. Dabei war seine furchtbare Ehefrau überraschenderweise nicht anwesend.
„Zum Teufel mit dem Kerl!“, schimpfte sie vor sich hin, während sie in die Küche stürmte. Dort verkündete sie: „Die Gäste stürzen sich gerade auf das Dessert.“
Cook saß an dem langen Pinientisch und hielt die knochigen Finger um einen Kaffeebecher gelegt. In ihrem hohen Alter hätte sie erschöpft sein müssen. Stattdessen sah sie zufrieden aus. „Es wird trotzdem noch eine Weile dauern, bevor sie das Haus verlassen. Aber du musst nicht darauf warten. Geh nach Hause zu deiner Kleinen. Ich sorge dafür, dass alles aufgeräumt wird.“
Angela setzte sich auf die Bank gegenüber. „Ich lasse dich nicht allein in diesem Chaos. Und wieso siehst du eigentlich so glücklich aus? Bist du gar nicht müde?“
Cook lächelte. „Natürlich bin ich müde. Aber es macht mich immer froh, gutes Essen für Geraldines Freunde auf den Tisch zu bringen. Diese berühmten Fernsehköche hätten es nicht besser machen können.“
„Ach so. Du bist stolz auf deine Leistung. Zu Recht. Ich wünschte nur …“ Angela verstummte abrupt und seufzte.
„Was denn, Kind?“
„Dass meine Mutter wie du wäre. Sie hat als Köchin in einem Restaurant gearbeitet und sich immer beklagt, dass es eine niedere Arbeit sei.“
„So ein Unsinn!“, rief Cook entrüstet. „Sie hätte zum Psychiater gehen sollen. Ich habe gegenüber den Gästen da draußen überhaupt keine Minderwertigkeitskomplexe.“ Sie deutete mit dem Kopf in die Richtung des Salons, wo die Party noch immer in vollem Gang war.
„Ich auch nicht. Aber es gibt ohnehin nicht viel, was sie glücklich macht.“ Angela wusste nicht, ob ihre Mutter immer noch im Mustang Café kochte, oder ob ihre Eltern überhaupt noch auf der Farm bei Cuero lebten. Sie hatte nichts mehr von ihnen gehört, seit sie aus der Familie ausgestoßen worden war.
Seufzend stand sie auf und machte sich an die Aufräumungsarbeiten. Das Wiedersehen mit Jubal war schon schlimm genug, auch ohne dass sie über ihre Eltern grübelte, die ihr zu einem Zeitpunkt eiskalt den Rücken gekehrt hatten, als sie am meisten Hilfe gebraucht hätte.
Eine halbe Stunde später war die Ordnung in der Küche wiederhergestellt, sodass die beiden Frauen Feierabend machen konnten. Angela schnappte sich einen Karton mit Essensresten, die mindestens drei Mahlzeiten für zwei Personen ergaben, und verließ das Haus durch die Hintertür.
Über einen beleuchteten Fußweg ging sie zur Westseite, wo ihr Kleinwagen unter einer Eiche parkte. Gerade stellte sie den Karton auf den Rücksitz, als ein leises Knirschen auf dem Kies hinter ihr ertönte. Sie blickte über die Schulter und sah Jubal. Er war allein und kam direkt auf sie zu.
Sie schloss die Tür und drehte sich zu ihm um. Ihr Herz klopfte wild. Er hatte ihr so unerträglich wehgetan, dass sie abgrundtiefen Hass für ihn empfinden sollte. Aber sosehr sie es auch versuchte, sie konnte ihn nicht verabscheuen. Schließlich besaß sie das kostbarste Geschenk von ihm, das ein Mann einer Frau geben konnte.
„Hallo, Angie.“
Nur ein schwacher Lichtschein vom Haus drang zu der Stelle, an der sie standen. Sie konnte sein Gesicht kaum erkennen, aber das machte nichts. Sie hatte alles deutlich in Erinnerung behalten: die gerade Nase und das markante Kinn, die goldenen Pünktchen in den grünen Augen, das dichte braune Haar, das ihm in die hohe Stirn fiel. Seine Züge wirkten zu eindrucksvoll, um sie je zu vergessen. Sie schluckte schwer. „Hallo, Jubal.“
Er hielt die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt. Angela musterte seine Gestalt und stellte fest, dass er körperlich so fit wie eh und je wirkte. Seine Schultern waren breit, seine Schenkel muskulös, seine Hüften schmal wie bei ihrer ersten Begegnung, als er wegen einer kranken Ziege auf die Ranch ihres Vaters gekommen war.
Nach längerem Schweigen eröffnete er: „Ich habe eine ganze Weile auf dich gewartet und gehofft, dass du mir nicht entwischt bist. Drinnen hatte ich keine Gelegenheit, mit dir zu sprechen.“
Sie empfand Kummer und Zorn zugleich. „Ich habe ja auch bloß fünf Gänge serviert. Da war ich wohl nicht lange genug am Tisch, als dass du mich ein einziges Mal hättest ansehen und mir Hallo sagen können.“
Er atmete tief durch und strich sich mit einer Hand über das Gesicht. Angela sah ihm sein Unbehagen an. Offensichtlich wusste er nicht, wie er mit dieser Begegnung umgehen sollte. Nun, sie wollte und konnte kein Mitleid aufbringen. Er hat sich schließlich selbst gebettet und hoffentlich sehr schlecht gelegen.
„Anscheinend willst du keine Nachsicht mit mir üben.“
„Warum sollte ich?“
„Ich habe es wohl nicht anders verdient. Es tut mir leid, dass ich dich nicht früher begrüßt habe. Aber dich so unverhofft zu sehen … verdammt, das war ein Schock für mich. Was machst du hier auf Sandbur? Ich hätte nie erwartet, dich an so einem Ort anzutreffen.“
Nur mit Mühe schaffte Angela es, ihr Temperament zu zügeln. Glaubte er etwa, dass sie nur so zum Spaß Dinnergäste bediente? „Ich arbeite hier. Und du? Stellst du dich auf Du und Du mit den Reichen?“ Gespielt betroffen schlug sie sich eine Hand vor den Mund. „Oh, entschuldige, du gehörst ja zu den Reichen. Das hatte ich ganz vergessen.“
Er runzelte die Stirn, trat näher und forschte in ihrem blassen Gesicht. „Ich hätte erwartet, dass du mich mit irgendwelchen Gegenständen bewirfst, aber nicht mit diesem Sarkasmus.“
Unverhofft brannten Tränen in ihren Augen. Sie war kein rachsüchtiger Mensch. Warum benahm sie sich ihm gegenüber so schäbig? „Ich bin kein Kind mehr, Jubal, sondern eine erwachsene Frau. Und ich schätze, dass ich die Dinge – und die Menschen – inzwischen anders sehe.“
Wie wahr, dachte sie, damals war ich noch ein unbedarfter gefühlsbetonter Teenager. Bitterkeit war ein Fremdwort für sie gewesen, bis er beschlossen hatte, ihre Beziehung zu beenden und sich einer anderen Frau zuzuwenden. Nun vertraute sie niemandem mehr blind.
Jubal zog die Hände aus den Hosentaschen und verschränkte die Arme vor der Brust. Unwillkürlich heftete sie den Blick auf seine Hände. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend fiel ihr auf, dass sein Ringfinger nackt war. Es rief ihr in Erinnerung, dass Evette an diesem Abend nicht an seiner Seite war. Wo mochte sie stecken? Es war ein wichtiger Abend für Jubal und somit unerklärlich, warum die Salonlöwin nicht das Rampenlicht mit ihrem Ehegatten teilen wollte.
„Ich hatte keine Ahnung, dass du hier bist“, erklärte er. „Sonst hätte ich dich früher schon mal besucht.“
Fünf Jahre waren ohne ein Lebenszeichen von ihm vergangen, und für das Wiedersehen an diesem Abend war allein der Zufall verantwortlich. Daher fiel es Angela schwer zu glauben, dass er sie aufgesucht hätte. Folglich triefte ihre Stimme vor Sarkasmus, als sie nachfragte: „Ach, wirklich?“
Seinem grimmigen Gesicht nach zu urteilen war ihre Anwesenheit auf der Ranch ein Ärgernis für ihn. Nun, ihn um sich zu haben, ließ auch sie nicht gerade in Jubelstürme ausbrechen.
„Ich bin nicht der miese Schuft, für den du mich hältst, Angie.“
Sie hörte weder Zorn noch Boshaftigkeit aus seiner Stimme, aber es gab für ihn auch keinen Grund dafür. Schließlich hatte er bekommen, was er wollte. Es fiel ihr schwer, ein Schluchzen zu unterdrücken.
In rauem Ton erklärte sie: „Ich bin vor zwei Monaten zum Arbeiten hergekommen. Gerüchteweise habe ich gehört, dass die Ranch einen ansässigen Tierarzt eingestellt hat, aber bis heute Abend wusste ich nicht, dass du das bist. Aber keine Sorge. Ich werde dir oder deiner Familie keine Probleme machen und keine alten Geschichten aufwärmen.“
Verlegen senkte er den Blick auf seine Stiefelspitzen. „Darüber mache ich mir keine Sorgen.“
Angela wartete darauf, dass er weitersprach. Da er es nicht tat, beschloss sie, die Flucht nach vorn anzutreten. „Und wo steckt Evette? War sie etwa nicht in der Stimmung, zu deiner Party zu erscheinen?“
Er begegnete ihrem Blick, und etwas in seinen Augen ließ ihr Herz schneller schlagen.
„Ich bin nicht mehr mit Evette verheiratet.“
2. KAPITEL
„Wir haben uns ungefähr ein Jahr nach der Hochzeit getrennt“, erklärte Jubal ruhig.
Seine Miene wirkte dabei so ausdruckslos, als redete er über das Wetter und nicht über ein lebensveränderndes Ereignis.
Angela dagegen war total aufgewühlt. Er war kurz nach Melanies Geburt geschieden worden. Hätte sie davon gewusst, was wäre dann passiert? Hätte sich etwas geändert? „Eigentlich müsste ich wohl sagen, dass es mir leidtut, aber das kann ich nicht.“
Er zuckte eine Schulter, als wäre die Angelegenheit völlig bedeutungslos für ihn. „Schon gut. Mitleid würde schließlich nichts ändern.“
Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, weil er sich so gleichgültig gab. Konnte er sich denn nicht denken, dass ihre ganze Welt eingestürzt war, als er eine andere Frau geheiratet hatte? Oder kümmerte es ihn einfach nicht?
Es war kaum zu fassen, dass der Vater ihres Kindes, den sie fünf Jahre lang nicht gesehen hatte, nun vor ihr stand und mit ihr über das Scheitern seiner Ehe mit einer anderen Frau sprach. Es erschien ihr wie eine lächerliche Szene aus einer Seifenoper. Und es machte sie unglaublich wütend. In bitterem Ton bestätigte sie schließlich: „Stimmt. Die Dinge sind nicht mehr zu ändern.“
Er verzog das Gesicht. „Evette gehört zu den Menschen, die nicht aufhören, bis sie ihren Willen durchgesetzt haben. Und dann ist das Spielchen für sie vorbei.“
Hatte die Tochter des Bürgermeisters ihn so behandelt? Wie ein Spielzeug? Eine Schachfigur? Die Vorstellung bekümmerte Angela noch mehr. „Was ist mit eurem Kind? Lebt es bei dir oder bei ihr?“
Abrupt verwandelte sich sein Gesicht in eine starre Maske. „Sie hat es im sechsten Monat verloren.“
Oh Gott, wie furchtbar!Für ihn, aber auch für mich. Angela hatte sich kampflos in die Trennung gefügt, damit er sein Kind ungestört mit Evette aufziehen konnte. Die Erkenntnis, dass ihr Verzicht ganz umsonst erfolgt war, traf sie wie ein Tiefschlag. Ihr Herz war längst gebrochen, doch nun erst fühlte sie sich, als würde es in winzige Stücke gerissen.
„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Dass ich Mitleid mit dir habe? Oder mit mir? Mit uns allen? Ich kann dir unmöglich erklären, wie ich mich jetzt fühle.“ Sie schüttelte den Kopf, drehte sich zu ihrem Auto um und murmelte vor sich hin: „Ich fahre jetzt lieber nach Hause.“
Jubal konnte sie nicht gehen lassen. Seit fünf Jahren verfolgten ihn die Erinnerungen an sie bei Tag und bei Nacht. Er hatte versucht, Angie zu vergessen und sich einzureden, dass es besser war, sie ihr eigenes Leben führen zu lassen. Dennoch beschäftigte ihn ständig, wo sie sein mochte und was aus ihrer Beziehung geworden wäre, wenn sich die Dinge anders entwickelt hätten.
Seit dem unverhofften Wiedersehen im Salon schlugen seine Gefühle Purzelbäume. Jetzt verspürte er den Drang, sie zu berühren, um sich zu überzeugen, dass sie real und nicht bloß ein Ausbund seiner Fantasie war. „Angie, warte! Können wir nicht noch ein bisschen reden?“
„Worüber denn?“
Ihm schoss durch den Kopf, dass sie noch attraktiver geworden war. Ihr herzförmiges Gesicht war schmaler und ausdrucksvoller, die helle Haut wirkte noch glatter und zarter. Die braunen Augen erschienen ihm nun dunkler und sinnlicher, die rosigen Lippen voller.
Die Zeit ändert vieles, dachte er. Doch das Bedauern, das er mit sich herumschleppte, und die Leidenschaft zu ihr, die noch immer in ihm loderte, waren unvermindert ausgeprägt. Er räusperte sich. „Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?“
Angela blickte ihn über die Schulter an. Ihre zusammengepressten Lippen verrieten, dass sie nicht mit ihm reden wollte. Und der Gedanke wirkte niederschmetternd auf ihn.
Schließlich erwiderte sie knapp: „In Goliad.“
So nah und doch so fern …
Die Entfernung zwischen ihnen hatte keine dreißig Minuten betragen. Erstaunlich, dass sie sich nicht schon früher ganz zufällig über den Weg gelaufen waren. Hätte er gewusst, dass sie ganz in seiner Nähe war, hätte er sie dann aufgesucht?
Nein, das wollte er nicht glauben. Er hatte sich entschieden, Evette zu heiraten und zu der Mussehe zu stehen. Angela zu verlassen, war ihm unglaublich schwergefallen. Hätte er sie danach wiedergesehen, wäre es ihm vermutlich nicht gelungen, sich ihr fernzuhalten. Und nach der Scheidung? Da hatte er sich wie ein totaler Versager gefühlt und sich eingeredet, dass sie ohne ihn besser dran war.
„Aha. Dann hattest du wohl Zeit genug, um viele nette Leute hier in der Gegend kennenzulernen“, bemerkte er hintergründig.
„Einige. Die Saddlers und die Sanchez’ gehören zu den Nettesten.“
Trotz ihrer Arbeitskleidung und der abgespannten Gesichtszüge sah sie in seinen Augen wundervoll aus. Unwillkürlich rückte er näher zu ihr. „Bestimmt. Aber darauf will ich nicht hinaus. Ich versuche herauszufinden, ob du verheiratet bist.“
Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte etwas in ihren Augen auf. Doch dann wurde ihr Gesicht geradezu unheimlich ruhig. „Nein. Ich bin immer noch Single. Nicht, dass es dich etwas angeht. Und jetzt muss ich wirklich nach Hause.“
Sie öffnete die Fahrertür, doch bevor sie einsteigen konnte, war Jubal an ihrer Seite und packte sie am Arm. Dass sie nicht liiert war, rief Hoffnung in ihm hervor. Daran wollte er sich klammern – ebenso wie an Angela. Mit leiser und rauer Stimme sagte er: „Angie, es tut mir leid wegen heute Abend. Und dass ich dir so viel Kummer gemacht habe.“
Sie schloss die Augen, wie um ihn aus ihrem Leben auszuschließen. „Ich will nichts davon hören. Deine Entschuldigungen sind zu lahm und kommen zu spät.“
Jubal spürte einen Stich. Früher einmal hatte sie ihm blind vertraut, ihn respektiert, ihn geliebt. Er wollte die alte Angie zurück. Und so versuchte er, diplomatisch zu sein. „Hör mal, da wir beide hier arbeiten, sollten wir versuchen, zivilisiert miteinander umzugehen.“
Sie öffnete die Augen und starrte ihn kalt an. „Sandbur ist eine riesige Ranch. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass wir uns öfter über den Weg laufen.“
Das heißt so viel wie: Ich will nichts mit dir zu tun haben.