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Hermann Wissmann unternahm im Auftrag der Afrikanischen Gesellschaft zusammen mit Paul Pogge von 1880 bis 1883 eine Expeditionsreise von der Atlantik-Küste im portugiesischen Angola aus quer durch das Kongo-Gebiet bis zur ostafrikanischen Küste am Indischen Meer. Unter unmenschlichen Bedingungen gelang es ihm, mit seinen afrikanischen Trägern durch den dichten Urwald und trockene Savannen durch die unterschiedlichsten Gebiete der indigenen Völkerschaften nach Osten zu kommen. Von dort kehrte er nach Deutschland zurück, während sich Paul Pogge wegen gesundheitlicher Probleme bereits vorher von ihm verabschiedet hatte, um westwärts heimzukehren und unterwegs verstarb.- Rezession: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!
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Seitenzahl: 721
Veröffentlichungsjahr: 2022
Hermann Wissmann
Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost – Band 208e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski
Band 208e in der gelben Buchreihe
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort des Herausgebers
Der Autor Herrmann Wissmann
von West nach Ost
Vorwort
Erster Teil – Von Loanda nach Zansibar – Erstes Kapitel: Von der Heimat zum freien Innern Afrikas
Zweites Kapitel: Nach Kimbundu
Drittes Kapitel: In Kimbundu und durch das Land der Kioque
Viertes Kapitel: Bis Lubuku
Fünftes Kapitel: In Lubuku
Siebtes Kapitel: Bis zum Lomani
Achtes Kapitel: Bis zum Lualaba
Neuntes Kapitel: In Nyangwe
Zehntes Kapitel: Zum Tanganjika-See
Elftes Kapitel: Der Tanganjika-See
Zwölftes Kapitel: Bis Mirambo
Dreizehntes Kapitel: Bei Mirambo
Vierzehntes Kapitel: Tabora und Tibbu-Tib
Fünfzehntes Kapitel:Bis Mpwapwa
Sechszehntes Kapitel:Bis zur Heimat
Einleitung
Erstes Kapitel: Vom Lualaba bis Lubuku
Zweites Kapitel: Lubuku
Drittes Kapitel: Aufenthalt in Lubuku
Viertes Kapitel: Rückreise von Mukenke bis zur Küste
Brief des deutschen Konsuls, Herrn Wenninger, an die Afrikanische
Anhang – I – Praktische Winke zum Reisen und Aufenthalt im äquatorialen Afrika
II Meteorologische Beobachtungen
Meteorologische Beobachtungen von Dr. Pogge in Mukenge
III Meteorologische Beobachtungen
Meereshöhen von Wissmann's Beobachtungsorten
IV Astronomische Ortsbestimmungen
Die maritime gelbe Buchreihe
Weitere Informationen
Hermann Wissmann: Unter deutscher Flagge quer durch Afrika
Impressum neobooks
Vorwort des Herausgebers
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.
Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.
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2022 Jürgen Ruszkowski
Ruhestands-Arbeitsplatz
Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers
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Der Autor Herrmann Wissmann
Hermann Wilhelm Leopold Ludwig Wissmann, seit 1890 von Wissmann (* 4. September 1853 in Frankfurt (Oder); † 15. Juni 1905 in Weißenbach bei Liezen, Steiermark) war ein deutscher Abenteurer, Afrikaforscher, Offizier und Kolonialbeamter.
https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/wissmann.html
Hermann Wilhelm Leopold Ludwig von Wissmann, geboren am 4. September 1853 in Frankfurt/Oder; gestorben am15. Juni 1905 in Weißenbach bei Liezen, Steiermark. Der Sohn eines Regierungsrates schlug nach Gymnasiumbesuch die Militärlaufbahn ein. Im Dienst der Afrikanischen Gesellschaft wurde er nach Afrika entsandt, wo er mehrere Forschungsreisen durchführte; zusammen mit Hermann Pogge gelang ihm die erste Durchquerung Zentralafrikas in der West-Ost-Richtung. 1895 wurde er zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika ernannt, musste aber schon im nächsten Jahr das Amt aus Krankheitsgründen niederlegen.
* * *
Hermann Wilhelm Leopold Ludwig Wissmann erblickte das Licht der Welt am 4. September 1853 als Sohn des Regierungsrates Hermann Wissmann und seiner Frau Elise, geb. Schach von Wittenau, in Frankfurt/Oder. Da der Vater beruflich oft versetzt wurde, wuchs Hermann mit seinen drei Geschwistern in Langensalza, Erfurt und Kiel auf. In Berlin kamen 1869 für die Familie schwere Zeiten durch Krankheit und Tod des Vaters. Hermann wurde in eine Pension nach Neuruppin gegeben, um dort das Gymnasium zu besuchen.
Gymnasium in Neuruppin – Foto: T.marcusson
Da er Offizier werden wollte, wechselte er ins Kadettencorps, bestand die Fähnrichs-Prüfung und wurde dem Mecklenburgischen Füsilier-Regiment Nr. 90 zugeteilt und in diesem nach Absolvierung der Kriegsschule 1874 zum Offizier befördert.
In Rostock verlebte er als Leutnant fröhliche Jahre, landete 4 Monate in Festungshaft wegen eines Duells, bei dem sein Gegner angeschossen wurde, erhielt aber auch wegen Rettung dreier Menschen vor dem Ertrinken den Kronenorden.
Er kam mit den Bürgern und Fischern der Stadt genauso gut aus wie mit den Kameraden, wenn seine Vorgesetzten über den "tollen Wissmann" auch manches Mal den Kopf schüttelten.
Hier in Rostock lernte der junge Leutnant 1879 den Afrikaforscher Dr. Paul Pogge kennen, dessen Expedition zur Erforschung des Kongogebietes er sich anschließen wollte. Ein Onkel, Arzt in Stettin, war ein Schulkamerad des Kriegsministers von Kameke. Er veranlasste diesen, um Urlaub vom Militär für seinen Neffen einzukommen. Aufgrund seiner Rettungsmedaille und des Kronenordens wurde er ihm bewilligt. Jetzt musste noch der Vorsitzende der Afrikanischen Gesellschaft Dr. Gustav Nachtigal, Erforscher von Togo und Kamerun, dazu gehört werden und der stellte harte Bedingungen. Astronomische und meteorologische Kenntnisse, geologische, zoologische und Vermessungsarbeiten und eine Menge handwerklicher Fähigkeiten wurden verlangt, körperliche Ausdauer war Voraussetzung.
1880 war es soweit. Wissmann erhielt von Kaiser Wilhelm I. einen Urlaub von 2 Jahren, den er auch überschreiten durfte.
Kaiser Wilhelm I.
Und so startete die Expedition Dr. Pogge/Wissmann mit der winzigen Summe von 20.000.- Mark ausgestattet, mit der „MONTEVIDEO“ von Hamburg nach Lissabon und von dort mit dem Dampfer „BENGO“ nach Luanda/Angola (Portugiesisch-Westafrika). Der Beginn mit unwilligen Trägern gestaltete sich mühsam.
Paul Friedrich Johann Moritz Pogge (* 27. Dezember 1838 zu Zierstorf; † 17. März 1884 in St. Paul de Luanda) war ein deutscher Landwirt und Forschungsreisender.
Es musste an jeglichem Komfort wie z. B. Moskitonetzen gespart werden, es wurde auf Eingeborenenart auf Reitstieren gereist. Dann stießen sie auf das Volk der Baschilange mit ihrem Häuptling Mukenge und seiner Schwester Sangula-Meta. Diese hielten Dr. Pogge und Wissmann für Geister verstorbener Vorfahren und beschlossen, sie zu begleiten.Nachdem man den unbekannten Sankuru im Kongogebiet entdeckt hatte, machten sich die Baschilange auf den Heimweg und nahmen den inzwischen schwerkranken Dr. Pogge mit an die Küste zurück, wo er später in Luanda verstarb.
Wissmann musste nun auf sich allein gestellt in einer abenteuerlichen und teils gefährlichen Reise den Indischen Ozean erreichen. Die verbliebenen schwarzen Träger hielten tapfer durch, allen voran der Angolaner Humba mit der deutschen Flagge, die er quer durch Afrika bis nach Sansibar getragen hat.
Wissmanns großes Einfühlungsvermögen in die ihm fremde Welt, seine richtige Menschenführung der Schwarzen, seine sichere Beurteilung der Verhältnisse, sein Mut und seine Unerschrockenheit retteten ihn immer wieder aus brenzligen Situationen. Sie verschafften ihm Respekt und Freundschaft großer Häuptlinge, die Hilfe arabischer Händler als ihm am Ende der Reise die Mittel ausgingen, so dass er ohne Blutvergießen in Daressalam an der Ostküste ankam. Seine Tagebücher und späteren Bücher geben einen spannenden Eindruck von dieser Riesenleistung.
William O’Swald (* 11. Juni 1798 als Johann Carl Heinrich Wilhelm Oswald in Berlin; † 31. August 1859 in Hamburg) war ein deutscher Kaufmann.
In Sansibar wurde der abgerissene Forscher vom Hamburger Handelshaus O´Swald aufgenommen, seine Schulden bei den arabischen Händlern bezahlt und dann ging es über Kairo, Konstantinopel und Wien nach Lauterberg, wo seine Mutter mit den zwei Schwestern ihren festen Wohnsitz genommen hatte. Welch´ ein Ereignis für den kleinen Kurort Lauterberg! Hermann von Wissmann fühlte sich hier bei seiner Familie und überhaupt im Harz schnell heimisch.
Nach dem tropischen Afrika bot sich ihm beste Erholung bei Jagd, Wandern und Kartenspiel. Wenn er am Stammtisch im Hotel „Schützenhof“ von seinen Erlebnissen erzählte oder an den Ereignissen im Ort teilnahm, gehörte er für die Bevölkerung dazu. Da viele Menschen aus ganz Deutschland den Afrikaforscher aus der Nähe sehen wollten, belebte sich der Kurbetrieb erheblich.
Doch bald rief König Leopold II von Belgien den Leutnant Wissmann, um das Kassaigebiet, einen der größten Nebenflüsse des Kongos, zu erforschen. Auf Anraten des deutschen Kronprinzen Friedrich Wilhelm trat Wissmann 1883 von Hamburg aus diese Expedition an.
König Leopold II. von Belgien
Bedingung war, die deutsche Flagge zu führen und nicht von der belgischen Kolonialverwaltung behelligt zu werden.
Wilhelm II als Kronprinz
Ludwig Wolf (Mediziner) (* 29. Januar oder 30. Juni 1850 in Hagen am Teutoburger Wald; † 26. Juni 1889 bei Ndali, Dahomé)
Curt Karl Bruno von François (* 2. Oktober 1852 in Luxemburg; † 28. Dezember 1931 in Königs Wusterhausen war Offizier der deutschen Schutztruppe in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ost-Afrika.
In seiner Begleitung befanden sich Stabsarzt Dr. Ludwig Wolf, Hauptmann Curt von Francois, die beiden Leutnants Hans und Franz Müller I und II, der Schiffszimmermann Bugslag und die Büchsenmacher Schneider und Meyer. Franz Müller und Meyer überlebten die Strapazen nicht. Reichliche Geldmittel, ein von Krupp geschenktes Geschütz, 500 Gewehre und ein zerlegbares Stahlboot erleichterten die Durchführung des Unternehmens.
Wieder im Land der befreundeten Baschilange angelangt, wurde eine feste Station Lualaburg angelegt. Der Häuptling Kalamba und seine Schwester Sangula-Meta zogen wieder mit auf Forschungsreise. Damit war das lästige Trägerproblem gelöst und ein Heerbann von 200 Mann setzte sich ins Unbekannte, den Lulua abwärts in den mächtigen Kassai, in Bewegung. Vorweg das Stahlboot „PAUL POGGE“ mit Wissmann an Bord.
Es wurde eine aufregende Fahrt mit teils freundlichen, teils feindlichen, sogar menschenfressenden Stämmen an den Ufern, mit Gewitterstürmen und Nebel. Nach einem Vierteljahr erreichte man den Kongo und Leopoldville. Das Kassai-Problem war gelöst. Wissmann musste auf Madeira Heilung von schweren Asthma-Anfällen und Malaria suchen.
Dr. Wolf brachte die treuen Baschilange nach Lubuku zurück. Es war gelungen, eines der größten hydrographischen Systeme Innerafrikas zu erforschen.
Nachdem von Wissmanns Gesundheit wieder hergestellt war, machte er sich an den zweiten Teil der Durchquerung. Auf seiner alten Route von 1881 traf er jetzt überall auf die Spuren der Sklavenjagd und des Sklavenhandels, auf ausgerottete Stämme und verwüstete Landstriche. Alle großen Sklavenjäger Ostafrikas lernte er persönlich kennen, was für sein späteres Wirken wichtig sein sollte. Er ahnte auch die Gefahr eines arabischen Widerstandes, was in Daressalam niemand glauben wollte.
Mit seinem treuen Bugslag, zwei schwarzen Jungen, die er aus der Sklaverei als Diener freigekauft hatte, seinem Fahnenträger Humba und Dolmetscher Germano ging die kleine Karawane vom Nyassa-See weiter zum Tanganjika-See, musste sich auf schottischen Missionsstationen von Fieberanfällen erholen und erreichte über den Sambesi den Indischen Ozean. Hier wurden die angolanischen Begleiter auf einem portugiesischen Kriegsschiff nach Luanda zurückgeschickt. Wissmann mit seinen zwei schwarzen Jungen und dem Bootsmann Bugslag fuhr nach Sansibar.
Carl Peters, * 27. September 1856 – † 10. September 1918
Dort lernte er Dr. Karl Peters von der Ostafrikanischen Gesellschaft kennen und kehrte reich an Erfolgen nach Deutschland zurück. In Kairo hatte er noch die traurige Nachricht erhalten, dass sein jüngerer Bruder Ernst, Doktor der Chemie, bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen war.
In Lauterberg wurden seine exotischen Mitbringsel bestaunt, vor allem Moanso und Sankuru, die beiden schwarzen Jungen. Sie blieben bei seiner Mutter und wurden zu Kantor Bendler in die Schule geschickt. Beide wurden getauft auf die Namen Reinhold und Friedrich Wilhelm. Beide kehrten später nach Afrika zurück. Moanso blieb noch lange mit Kantor Bendler in Briefkontakt.
Der Araberaufstand brach 1889 an der Küste aus und vernichtete die Besitzungen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, die diese vom Sultan von Sansibar erworben hatte.
Nur die Städte Daressalam und Bagamoyo konnten sich gegen die Aufständischen behaupten, die unter der Leitung des Halbarabers Buschieri um ihre Haupteinnahmequelle, den Sklavenhandel, mit allen Mitteln kämpften. Kaiser Wilhelm II ernannte den allen hierbei als geeignet erscheinenden Wissmann zum Reichskommissar. Er wurde zum Hauptmann befördert und Bismarck schickte ihn mit dem Bemerken: „Ich gebe Ihnen nur den einen Auftrag ‚Siegen Sie!‘“, mit allen Vollmachten nach Sansibar.
Otto von Bismarck
Hier stellte er eine Truppe aus 25 deutschen Offizieren, 7 Proviantmeistern und 56 Unteroffizieren, zwei türkischen Offizieren und 20 Mann, 600 Sudanesen, 30 sudanesischen Artilleristen, 100 Zulus, 80 Askaris und 40 somalischen Schiffsleuten zusammen.
Askaris
Den Kern der Truppe bildeten die sudanesischen Soldaten, die im ägyptisch-türkischen Heer nach preußischem Reglement ausgebildet waren und jetzt nur durch ihre eigenen Offiziere befehligt wurden. Den Weißen wurde größtes Taktgefühl befohlen und so schaffte es diese „Wissmanntruppe“ innerhalb eines Jahres mit dem zahlenmäßig weit überlegenen und gut ausgerüsteten Gegner fertig zu werden. Buschieri wurde von der Bevölkerung ausgeliefert und wegen vieler Grausamkeiten gehenkt, andere Anführer waren gefallen.
Der große Häuptling Bana Heri ergab sich mit seinem Volk, er bekam von Wissmann seinen Säbel zurück und wurde ein guter Freund der Deutschen. Wissmanns überlegene Kriegsführung und sein diplomatischer Umgang mit den Schwarzen wurde von Freud und Feind anerkannt. Er selbst sagte dazu: „Afrikanern kann man durch Waffengewalt imponieren, noch mehr aber imponiert ihnen Klugheit und dadurch gewinnt man sie.“ Im Volksmund nannte man ihn jetzt „das Schwert“ oder „der Herr mit fünf Köpfen“.
Ohne Unterschied beglückwünschte die ganze deutsche Presse Hermann von Wissmann, dem vom Kaiser der erbliche Adel verliehen wurde. Viele Orden folgten, u. a. der „Afrikanische Dienststern“ des belgischen Kongostaates, der „Strahlende Stern von Sansibar“ des Sultans und ein Ehrensäbel desselben, den er mit Erlaubnis des Kaisers zur preußischen Uniform tragen durfte.
Deutschland hatte jetzt seine erste Kolonie in Ostafrika und Gouverneur der zivilen Verwaltung in Daressalam wurde Freiherr von Soden.
Julius Freiherr von Soden (* 5. Februar 1846 in Ludwigsburg; † 3. Februar 1921 in Tübingen [1]) war ein deutscher Beamter und Politiker, unter anderem Gouverneur der Kolonien Kamerun und Deutsch-Ost-Afrika.
Major von Wissmann als Reichskommissar und Führer der Schutztruppe hatte sich die endgültige Bekämpfung des Sklavenhandels und den Bau von Schiffen auf dem Nyassa- und Tanganjika-See zum Ziel gesetzt. Es entstanden der Hohenlohe-Hafen und die neue Station Langenburg. Auf der Werft in Mpimbi wurde das von Krupp in Teilen gelieferte Patrouillenboot „HERMANN VON WISSMANN“ zusammengebaut, später die „HEDWIG VON WISSMANN“. Im Laufe der Zeit befuhren 15 Schiffe die Seen. Die „HEDWIG VON WISSMANN“ wurde am 8. Februar 1916 vor Lulanga am Tanganjika-See von belgischen Booten beschossen und stark beschädigt. Das Boot wurde von der Besatzung selbst versenkt.
Patrouillenboot „HERMANN VON WISSMANN“
Das Gros der Boote auf dem Victoria-See, dem Tanganjika-See und dem Küstengebiet vor Daressalam versenkte sich aufgrund der aussichtslosen Lage im Sommer 1916 selbst.
„HEDWIG VON WISSMANN“
Noch aber war das Verhältnis zu den englischen Nachbarn gut und man unterstütze sich gegenseitig. So wurde der berüchtigte Stamm der räuberischen Waremba, der mit fast 5.000 Mann die englische und französische Mission bedrohte, vernichtend geschlagen und dabei viele gefangene Sklaven befreit. Wer von diesen keine Familie mehr hatte, ging mit nach Langenburg, Waisenkinder nahmen die Missionsstationen auf. Der Sklavenhandel war zwar noch nicht ganz beseitigt, aber sehr eingedämmt, als Major von Wissmann 1894 nach Europa zurückkehrte.
In Berlin stritt man darüber, dass die Niederschlagung des Araberaufstandes statt 2 nun 9 Millionen Mark gekostet hatte, da niemand die Kosten eines Überseekrieges im Voraus hatte schätzen können. Der Zahlmeister Merkel (Peter Merkel, * 20.12.1867 in Öls – 03.02.1908 in Muansa) fiel gleich dem Tropenklima zum Opfer, so dass die Truppe sich selbst bei der Rechnungsführung helfen musste.
Große Schwierigkeiten bereiteten dabei die Schwankungen der einheimischen Währung, der Rupie, so dass zum Schluss eine Endsumme von 10.000 Mark nicht belegt werden konnte. In der Reichstagssitzung 1895 wurden durch den Bericht des Direktors des Kolonialamtes alle rehabilitiert.
Diese Intrigen und Eifersüchteleien kümmerten die Lauterberger überhaupt nicht. Hermann von Wissmann erholte sich bei seiner Mutter von Krieg und Tropendienst. Die Universität Halle ernannte ihn zum Ehrendoktor. Auf der Jahreshauptversammlung des Harzklubs in Wernigerode wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft angetragen. Den Höhepunkt des damaligen Aufenthalts bildete seine Verlobung mit Hedwig Langen aus Köln, die er mit ihrer Familie in Kairo kennengelernt hatte. Mit 500 Gästen wurde im Schützenhaus eine Nacht, einen Tag und noch eine Nacht gefeiert.
Inzwischen war Fürst zu Hohenlohe-Langenburg dritter Kanzler des Deutschen Reiches geworden. Er schätzte Hermann von Wissmanns Verdienste und Können außerordentlich und ernannte ihn 1895 zum Kaiserlichen Gouverneur für Ostafrika. Da gerade der Sohn Hermann geboren wurde, folgte Frau von Wissmann etwas später nach. Die älteste Schwester Marie übernahm solange die Repräsentationspflichten in Daressalam.
Als Gouverneur führte Hermann von Wissmann ein Jagdrecht nach deutschem Muster ein, um die reiche Tierwelt Afrikas zu erhalten. Immer wieder aufflackernde Rebellionen, auch gegen Engländer, mussten teils durch Verhandlungen, teils mit Waffengewalt niedergeschlagen werden. Oft genügte der Name „Wissmann“, dass die Rebellen auseinanderliefen und schließlich friedlich angesiedelt werden konnten. Nachdem der Sklavenhandel langsam ausgerottet wurde, erholte sich das Land sichtbar.
Aber nach 10 Jahren Tropendienst war Hermann von Wissmann den gesundheitlichen Anstrengungen nicht mehr gewachsen und so kam er 1896 um seine Entlassung ein. Unter Belassung eines Rates 1. Klasse wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt, aber um auf seinen Rat nicht verzichten zu müssen, wurde er dem Direktor der Kolonialabteilung zugeteilt.
Nach zwei großen Reisen, die Hermann von Wissmann nach Sibirien, in die Mongolei und nach Südafrika führten, ließ sich die Familie, die inzwischen noch um drei Töchter bereichert war, in Weißenbach in der Steiermark nieder. Hier pendelte er die nächsten Jahre zwischen seinem Gutsbetrieb, Lauterberg, seinem Dienstort Berlin und London, wo er an den Wildschutzbestimmungen mitarbeitete, hin und her.
Bei einer Ansitzjagd in Weißenbach am 15. Juni 1905 löste sich ein Schuss aus Wissmanns ungesicherter Doppelbüchse und tötete ihn auf der Stelle. Die Trauer war bei der Familie, den Freunden und in ganz Deutschland groß. Zur Beisetzung auf dem Kölner Melaten-Friedhof fand sich eine hochrangige Trauergemeinde ein, und man beschloss, auf Anregung von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, dem Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft und der Offiziere der Schutztruppe, ein Wissmann-Denkmal zu errichten.
Johann Albrecht, Herzog zu Mecklenburg-Schwerin, * 8. Dezember 1857 in Schwerin; † 16. Februar 1920 in Wiligrad bei Schwerin.
Den gleichen Gedanken hatte man auch in Lauterberg gefasst und tat sich mit den Afrikanern zusammen, da auf allgemeinen Wunsch das Denkmal im Lauterberger Kurpark stehen sollte.
Dem Aufruf zu einer Spendensammlung folgte man in ganz Deutschland, vom Kaiser bis zum Lauterberger Stuhlarbeiter. Es kamen über 52.000 Mark zusammen, allein aus Lauterberg 8.000 Mark. Durch Ausschreibung bei den Bildhauern waren 52 Entwürfe zusammengekommen. Die Wahl fiel auf den Fürther Johannes Götz, tätig in Berlin-Friedenau.
Johannes Götz (geb. 4. Oktober 1865 in Fürth; gest. 9. November 1934 in Potsdam) war ein Fürther Bildhauer und berühmter Kunstprofessor in Berlin.
In Bad Lauterberg steht nun Wissmann in der Uniform der Schutztruppe mit dem Säbel des Sultans von Sansibar auf dem 300 Zentner schweren Findling aus der Steinernen Renne bei Wernigerode. Vorn am Stein (zur Teichseite hin) steht einfach „Wissmann“. Auf der Rückseite (am Weg) ist eine Bronzetafel eingelassen mit der Inschrift: „Deutschlands großem Afrikaner Hermann von Wissmann, geboren den 4. September 1853, gestorben 15. Juni 1905, das dankbare Vaterland“. Später wurde sein Wahlspruch in den Sockel eingemeißelt: „Inveniam viam aut faciam“ (Ich werde einen Weg finden oder machen). Noch später kam eine Bronzetafel dazu, die an seine überragende Bedeutung bei der Bekämpfung der Sklaverei erinnert.
Am 4. September 1908, Wissmanns 55. Geburtstag, konnte trotz mancher Schwierigkeiten beim Aufstellen der schweren Granitblöcke das Denkmal eingeweiht werden. Noch einmal trafen sich in Bad Lauterberg alle Freunde und Bewunderer des großen Afrikaners. Vom Kaiser wurde der Chef des Stabes vom Kommando der Schutztruppen im Reichskolonialamt, Oberstleutnant Quade, entsandt, weiter kam Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg, Reichskanzler von Bülow schickte Oberregierungsrat Gleim aus dem Kolonialamt, der König von Belgien schickte Kommandant Bastien, der das Andenken des Toten und seiner ehemaligen Expeditionskameraden mit einer französischen Ansprache ehrte.
Adolf Friedrich, Herzog zu Mecklenburg-Schwerin, (* 10. Oktober 1873 in Schwerin; † 5. August 1969 in Eutin; vollständiger Name: „Adolf Friedrich Albrecht Heinrich“) war Afrikareisender, Gouverneur der deutschen Kolonie Togo, war vorgesehen als erstes Staatsoberhaupt des geplanten Vereinigten Baltischen Herzogtums und war von 1949 bis 1951 erster Präsident des Deutschen.
Die Enthüllungsfeier gestaltete sich zu einem großen internationalen Fest, an dem weite Kreise teilnahmen. Das Denkmal und der Rest des Geldes, etwa 5.200 Mark, wurden dem Flecken Bad Lauterberg zur Pflege der Anlage im Wissmann-Park übergeben.
Bernhard Heinrich Martin Karl von Bülow, ab 1899 Graf, ab 1905 Fürst von Bülow (* 3. Mai 1849 in Klein Flottbek; † 28. Oktober 1929 in Rom), war ein deutscher Politiker und Staatsmann. Seit 1897 war er Staatssekretär des Äußeren und von Oktober 1900 bis Juli 1909 Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs.
Otto Gleim, * 22. April 1866 in Kassel – † 1929
Im gleichen Jahr weihte der Bezirkshauptmann Rudolf Graf Schönfeld bei Weißenbach in der Steiermark ein kleines Denkmal ein, das mit dem Reliefbild Wissmanns, vom Bildhauer Hackstock aus Wien modelliert, geschmückt war. Es trägt die Inschrift: Dem kühnen Forscher Deutschlands größtem Afrikaner. 15. Juni 1808
Auch Daressalam sollte auf Wunsch von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft und Regent des Herzogtums Braunschweig, einen Gedenkstein bekommen. Aber die vielen Spenden erlaubten ein Denkmal in großem Stil.
Das Modell des Bildhauers Adolf Kürle aus Berlin-Grunewald, das vielen bei der Auswahl auch sehr gut gefallen hatte, wurde nach Daressalam transportiert und dort 1909 enthüllt. Auf der Vorderseite des Denkmals stand die Inschrift „Hermann von Wissmann, geb. 4. September 1853, gest. 15. Juni 1905“. Auf der Rückseite waren seine Taten verzeichnet, auf der linken Seitenwand stand eine arabische Würdigung, auf der rechten eine gleiche in Suaheli.
Zur Einweihung fanden sich die Europäer, die Schutztruppe, die alten Sudanesen und Askaris, der Sultan von Sansibar und die arabische Bevölkerung ein. Viele hatten in noch persönlich gekannt und kamen, ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Nach dem verlorenen Weltkrieg 1918 nahmen die siegreichen Engländer das Denkmal mit nach London, gaben es dann weiter an die Hamburger, die es vor der alten Universität, dem ehemaligen Reichskolonialamt, aufstellten. 1968 rissen es Studenten bei Protestaktionen vom Sockel, und es landete im Keller der Sternwarte. In Daressalam würde man das Denkmal heute gerne wieder aufstellen, denn man erinnert sich immer noch daran, dass Wissmann Ostafrika, heute Tansania, vom Sklavenhandel befreit hat. http://www.studentenbund-berlin.de/wissmann.htm
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Hermann Wissmann: Unter deutscher Flagge quer durch Afrika
von West nach Ost
von 1880 bis 1883
https://www.projekt-gutenberg.org/wissmann/afrika/afrika.html
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Hermann Wissmann: Unter deutscher Flagge quer durch Afrika
von West nach Ost
Hermann Wissmann: Unter deutscher Flagge quer durch Afrika
von West nach Ost
Ausgeführt von Paul Pogge und Hermann Wissmann
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Mit vielen Abbildungen nach den Skizzen Hermann Wissmanns
Ausgeführt von Rudolf Hellgrewe
Martin Reinhold Robert Rudolf Hellgrewe (* 6. Oktober 1860 in Hammerstein, Westpreußen; † 5. September 1926 in Berlin) war ein deutscher Landschaftsmaler und Illustrator von Reiseliteratur. Er lebte in Berlin, wo er an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin lehrte und sich später zum wohl bekanntesten Kolonialmaler entwickelte.
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Dem Andenken Paul Pogges gewidmet von Hermann Wissmann
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1889 im Verlag von Walther & Apolant in Berlin erschienen
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Vorwort
„Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost“ habe ich nachfolgende Schilderung der von Dr. Pogge und mir in den Jahren 1880–1883 in Afrika ausgeführten Reisen benannt.
Dr. Paul Pogge
Ist es doch die erste deutsche Durchquerung Afrikas in äquatorialen Breiten, und die erste überhaupt von West nach Ost.
Es war allmählich dahin gekommen, dass man alles Vertrauen zu Unternehmungen von der Westküste aus verloren hatte, da die Hoffnungen der von Westen ausgehenden Reisenden nie erfüllt wurden. Aber alle diese Unternehmungen hatten uns vorgearbeitet, und gestützt auf sie und auf die Idee des Ehrenpräsidenten der Geographischen Gesellschaft zu Berlin, Herrn Geheimen Rats Professor Bastian, mit Hilfe Eingeborener die bisherige Sperre nach dem Innern zu überwinden, war es uns vorbehalten, auch von Westen aus den Weg zum unbekannten Innern Afrikas zu öffnen und so die interessanten, selbst von Arabern noch unberührten Gebiete zu erschließen.
Adolf Bastian (* 26. Juni 1826 in Bremen; † 2. Februar 1905 in Port of Spain, heute Trinidad und Tobago) war ein deutscher Arzt und Ethnologe.
Erst jetzt, 5 Jahre nach Beendigung der vorliegenden Reise, komme ich dazu, unsere Erlebnisse und Beobachtungen zu veröffentlichen. Im Jahr 1883 nach Deutschland zurückgekehrt, übernahm ich nach ganz kurzem Aufenthalt in der Heimat die aus vielen Gründen dringend gewordene Erforschung des südlichen Kongobeckens für Seine Majestät, den König der Belgier (1883–1885), und, nachdem ich darauf einen kurzen Aufenthalt auf Madeira zu meiner Erholung genommen, ging ich 1886 abermals nach Afrika, um nicht durch längeres Fernsein große Vorteile zu verlieren, und führte die zweite Durchquerung von der Mündung des Kongo zu der des Sambesi aus (1886–1887).
Als ich zu dieser meiner dritten Reise aufbrach, waren meine Begleiter auf der zweiten, zur Erforschung des südlichen Kongobeckens unternommenen Reise nach Deutschland zurückgekehrt und sofort zur Bearbeitung unserer gemeinsam gemachten Erfahrungen geschritten. So entstand nach meiner Heimkehr (1887) bald das Werk „Im Innern Afrikas“ – so bitte ich es zu erklären, dass dasselbe weder der Zeit, noch der Sachlage entsprechend vor der Herausgabe dieses Buches erschien; so bitte ich schließlich zu entschuldigen, wenn hier Beobachtungen sich wiederholen, welche in dem erschienenen Werk bereits gegeben sind – sind doch auch viele Früchte meiner ersten Reise mir und meinen Kameraden auf der zweiten zugutegekommen.
Ein besonderer Ansporn war es für mich, das vorliegende Werk, sobald es meine Zeit erlaubte, in Angriff zu nehmen, um in demselben, soviel es in meinen Kräften steht, der aufopfernden Tätigkeit eines der größten deutschen Forscher, Dr. Pogge, der dieselbe mit seinem Tod besiegelt hat, ein verdientes Denkmal zu setzen, ein Denkmal seiner Taten und einen Denkstein dankbarer Erinnerung an alles, was ich ihm und seiner großen Erfahrung schulde.
Dr. Paul Pogge
Die Erzählung der weiteren Erlebnisse Pogges, von unserer Trennung im Zentrum des Kontinents bis zu seinem Tode, hat, um den Gang meiner Erlebnisse nicht zu unterbrechen, im zweiten Teil stattgefunden – warum dieselben weniger ausführlich sind, als man wünschen muss, wird in dem Vorwort des zweiten Teils erklärt. –
Gustav Nachtigal (* 23. Februar 1834 in Eichstedt (Altmark); † 20. April 1885 vor der Küste Westafrikas) war ein deutscher Afrikaforscher und Beamter im auswärtigen Dienst.
Den Namen Dr. Nachtigal's, derzeitigem Vorsitzenden der Afrikanischen Gesellschaft in Berlin, in deren Auftrag wir reisten, gebührt mein erster Dank. Denselben tiefgefühlten Dank spreche ich an dieser Stelle im Namen meines verstorbenen Freundes und in meinem Namen den Herren Dr. von Danckelmann (Alexander Sylvester Flavius Ernst Freiherr von Danckelman, auch Danckelmann, (* 24. November 1855 in Gordemitz; † 30. Dezember 1919 in Schwerin) war ein deutscher Geograph), Dr. Kersten, Dr. Kiepert, Dr. Dewitz und Dr. von Martens aus für das Interesse, mit dem sie sich unserer Beobachtungen angenommen haben – dem inzwischen verstorbenen Herrn Professor Zöppritz, der dasselbe getan, kann ich nur ein dankbares Andenken bewahren.
Karl Jakob Zöppritz (* 14. April 1838 in Darmstadt; † 21. März 1885 in Königsberg i. Pr.) war ein deutscher Mathematiker, Physiker und Geograph.
Ich habe mich bemüht, sämtliche Namen in deutschen Lettern auszudrücken, und ist mir dies bis auf einen Fall gelungen: unsere Sprache hat kein Zeichen für ein weiches sch, wie es in den romanischen Sprachen existiert, und habe ich mir dadurch zu helfen gesucht, dass ich ein lateinisches g [hier als ʒ bzw. Ʒ dargestellt] an die Stelle dieses Buchstabens gesetzt habe.
Um jeden Irrtum zu vermeiden, sei erklärt, dass der Begriff „äquatorial“ stets die Breitenausdehnung bezeichnet, während unter dem Ausdruck „zentral“ die Längenrichtung zu verstehen ist.
Möge den Farben „schwarz-weiß-rot“, die wir zum ersten Mal durch Afrika führen durften, daselbst eine segenbringende Zukunft beschieden sein!
Funchal, Madeira, im Mai 1888
Hermann Wissmann
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Erster Teil – Von Loanda nach Zansibar – Erstes Kapitel: Von der Heimat zum freien Innern Afrikas
An der Küste
Im Jahr 1879 beabsichtigte die Afrikanische Gesellschaft zu Berlin, von zwei Seiten aus gegen das südlich vom Äquator liegende unbekannte Innere Afrikas, das südliche Kongobecken, vorzudringen, und plante zu diesem Zweck zwei verschiedene Unternehmungen. Die für den Osten bestimmte Expedition, die aus vier Deutschen bestand, verließ noch 1879 Deutschland. Für die vom Westen operieren sollende war der durch seine Reise zum Muata-Jamvo ins Lunda-Reich bekannt gewordene Doktor Pogge ausersehen.
Dr. Paul Pogge war am 27. Dezember 1838 zu Ziersdorf geboren und in Mecklenburg erzogen, hatte Jura studiert, dann ein größeres Gut gepachtet, da ihm das seine, Ziersdorf in Mecklenburg, nicht genügende Beschäftigung bot. Als eifriger Jäger hatte er im Jahr 1871 eine Reise nach Natal unternommen, war von dort jedoch, von seinen Jagderfolgen nicht befriedigt, heimgekehrt.
Einer im Jahr 1874 von der Afrikanischen Gesellschaft in Berlin nach Westafrika ausgesandten Expedition hatte er sich als Freiwilliger angeschlossen, nachdem er die Landwirtschaft aufgegeben hatte, zu Jagd- und Sammelzwecken. Der Führer dieser Expedition erkrankte dicht an der Küste, bald darauf das zweite Mitglied der Expedition, und so ging Pogge mit dem der Expedition als Geographen zugeteilten österreichischen Lieutenant Lux ins Innere.
Anton Erwin Lux (* 23.Dezember 1847 in Venedig; † 31. Mai 1908 in Stockerau) war ein österreichischer Artillerieoffizier und Afrikareisender.
Als auch dieser schon von Kimbundu heimkehrte, führte Pogge allein die Expedition weiter, erreichte die Mussumba des mächtigen Lunda-Königs und war der erste Europäer, der Nachricht aus diesem Teil des zentralen Afrikas brachte.
In Rostock, meiner Garnisonstadt, lernte ich Pogge kennen und bald seine allgemein Achtung und Liebe erzeugende, bei so großen Verdiensten bewunderungswürdige Anspruchslosigkeit schätzen.
Die Beschreibungen der epochemachenden Reisen Schweinfurts, Stolleys, Livingstones und anderer hatten schon früher einen tiefen Eindruck auf mich gemacht; noch mehr ließen Pogges lebhaft und einfach natürlich geschilderte Reiseerlebnisse den Wunsch in mir wach werden, mit zu arbeiten an dem Werke der Erforschung des noch so wenig bekannten Weltteils.
Da Pogge noch nicht seine Erforscher-Laufbahn beendigt zu haben schien, gab ich mich der Hoffnung hin, unter seiner Meisterschaft mich in die neue Tätigkeit hineinzuleben.
Georg August Schweinfurth (*29. Dezember 1836 in Riga, Gouvernement Livland, Russisches Kaiserreich; † 19. September 1925 in Berlin) war ein russisch- baltendeutscher Afrikaforscher.
Henry Morton Stanley
David Livingstone
Bei dem derzeitigen Präses der Afrikanischen Gesellschaft, dem leider 1884 verstorbenen Dr. Nachtigal, erfuhr ich die Bedingungen, unter denen ich als Geograph für die nächste Expedition in Aussicht genommen werden könnte.
Dr. Gustav Nachtigal
Sechsmonatliche astronomische und meteorologische Studien in der Seemannsschule zu Rostock, neben den meinem Stand geläufigen Fertigkeiten in topographischen Aufnahmen, befähigten mich zu geodätischen Arbeiten.
Otto Kersten (* 23. Dezember 1839 in Altenburg; † 22. November 1900 ebenda) war ein deutscher Afrikaforscher, Chemiker und Geograph.
Unter der gütigen Leitung des Herrn Dr. Kersten, früheren Begleiters des in Ostafrika auf seiner Reise zum Kilimandscharo ermordeten Barons von der Decken, suchte ich meine Kenntnisse zu vervollkommnen.
Karl Klaus von der Decken, auch Carl Claus von der Decken (* 8. August 1833 in Kotzen, Brandenburg; † 2. Oktober 1865 in der Nähe von Baardheere, Somalia) war ein deutscher Entdecker.
Auf der Universität zu Rostock konnte ich zoologische und geologische Studien machen, und daneben bemühte ich mich, durch Lektüre bedeutender Reiseschilderungen und naturwissenschaftlicher Werke mich im Allgemeinen zu belehren.
Da Pogge meine Begleitung ebenfalls erwünscht war, wurden wir für die von Westen ausgehende Unternehmung als die ersten Kandidaten betrachtet und uns angeboten, noch im Jahr 1880 die Reise anzutreten, wenn wir mit der vom Reich gewährten Summe von 20.000 Mark die gesteckten Ziele erreichen zu können glaubten. Pogge allein konnte über diesen Punkt urteilen und entschied sich, wohl wissend, dass unter diesen Verhältnissen manche sehr nötigen Vorbereitungen uns versagt bleiben mussten, zusagend.
Es wurde uns von der Afrikanischen Gesellschaft folgender Auftrag erteilt:
Wir sollten von Angola aus zur Mussumba (Residenz des Muata Jamvo; zwischen den beiden Zuflüssen des Lulua, dem Kallandschi und Luisa; (1896)) des Lunda-Reiches gehen, eine wissenschaftliche Station daselbst gründen und von da aus Vorstöße in die noch unbekannten Gebiete, hauptsächlich nach Norden, machen; es sollte vornehmlich Pogge obliegen, die Station, die die Afrikanische Gesellschaft stets durch ablösende Expeditionen halten wollte, einzurichten, den ihm schon bekannten Muata-Jamvo für weitere Unternehmen günstig zu stimmen, und botanisch und zoologisch zu sammeln, während ich mit der geodätischen Aufnahme des Weges und der von der Mussumba aus zu erreichenden Gebiete betraut wurde.
Unsere ganze Ausrüstung wurde in Deutschland besorgt nach Pogges Angaben. Erstaunen wird es, dass wir manche dem Reisenden unentbehrlich erscheinenden Effekten, als Zelte, Reisebetten, Moskitonetze und anderes, deshalb nicht anschaffen konnten, weil wir den größten Teil der geringen Summe in Reisegeld für das Innere, d. h. für in Afrika nötige Tauschartikel, anlegen mussten, wenn ein Erfolg möglich sein sollte. Gering war unsere Ausrüstung in Waffen: sie bestand in drei leichten Expressdoppelbüchsen und zwei Schrotgewehren für uns, sowie sechs Chassepotkarabinern für unsere Leute, zu denen später noch auch als Waren im Innern brauchbare Steinschlossflinten traten. An Konserven und Getränken nahmen wir nur das Notwendigste mit für den Fall von Krankheiten; Fleischkonserven gar nicht.
Es wurden uns von der Gesellschaft für jedes weitere Jahr 20.000 Mark ausgesetzt, wir aber waren der Hoffnung, dass wir schon vor Ablauf des ersten Jahres so weit im Innern des Kontinents sein würden, dass wir auf die nächste fällige Summe nicht mehr zu rechnen brauchten.
Nachdem mir allerhöchsten Orts ein zweijähriger Urlaub allergnädigst bewilligt war, verabschiedeten wir uns von unseren Freunden und Verwandten und bestiegen am 19. November 1880 in Hamburg das Schiff „BUENOS-AYRES“, das uns nach Lissabon bringen sollte.
Nicht allzu leichten Herzens sah ich als vollkommener Neuling im Reisen die Elbmündung, das letzte Stückchen deutschen Bodens, allmählich den Blicken entschwinden. Der Abschied von all' meinen Lieben hatte mich doch sehr ergriffen.
Die frische Brise auf hoher See verweht aber schnell Grübeleien, und schönes Wetter vermittelt außergewöhnlich schnell ein Freundschaftsverhältnis unter der Reisegesellschaft. Da wir seefest waren, konnten wir die schönen Küsten von Dover und später, nachdem wir im biscayischen Meerbusen von einer stürmischen Brise tüchtig durchgeschüttelt waren, die pittoreske Küste Spaniens bewundern.
Am fünften Tag unserer Reise bekamen wir das von einem wundervoll gezackten Bergkamm stolz auf die See herabblickende Schloss Zintra in Sicht und fuhren einige Stunden später in den mächtigen Tajo ein.
Amphitheatralisch an das rechte Ufer angelehnt liegt Lissabon. Reizend ragen die hellen Häuser aus dem saftigen Grün der Gärten hervor und entzücken den vom nordischen Winter kommenden Reisenden. Ehrwürdige Reste maurischer Architektur mit ihren vielen Türmchen und Zinnen erweckten Erinnerungen an die Geschichte Portugals. Hoch über dem Häusergewirr thronend erhebt sich das Schloss des Königs und weiter oberhalb die stolz dominierende Felsenzitadelle.
Nach lebhafter Verhandlung mit den auf Passagiere wie auf einen guten Fang lauernden Bootsleuten betraten wir die Hauptstadt des einst alle Meere des Erdballs beherrschenden Portugal. Die Stadt verliert bei näherer Besichtigung. Besonders vermisst der Nordländer im Innern Reinlichkeit. Auffallend viele Bettler drängen sich an den Fremden und werden geradezu zur Plage.
Nach 10tägigem Aufenthalt schifften wir uns auf dem „BENGO“ ein, der uns in 40 Tagen nach Loanda bringen sollte. Nach einer vom schönsten Wetter begünstigten Fahrt erreichten wir das reizende Madeira mit seinen wunderbaren Gärten und gewaltigen, die von Vulkanen aufgetürmten Berge trennenden, wildromantischen Schluchten.
Als wir uns wieder einschifften, war die See unruhig, der Himmel bleigrau geworden, so dass wir durch die Brandung gehend ein unfreiwilliges, aber nachdrückliches Bad nahmen. Am Nachmittag entwickelte sich ein schwerer Sturm; wir versuchten noch bis zum Abend unseren Kurs zu halten, waren aber, als eine hohe See die Fenster zertrümmernd in den Maschinenraum geschlagen war, gezwungen abzudrehen und nach Nordwesten vor dem Sturm herzulaufen. Da das Schiff stark überladen war und die See von hinten fortwährend weit übers. Deck schlug, wurde eine bedeutende Ladung Wein und Petroleum über Bord geworfen, um das Schiff zu heben. Nachdem wir so 48 Stunden unserem Kurs entgegen in den Ozean hinausgetrieben waren und endlich die Maschine, die unklar geworden war, wieder funktionierte, wurde der Versuch gemacht, in den Wind zu drehen. Der bei der gewaltigen Dünung kritische Moment des Wendens gelang, und wir stampften noch weitere 24 Stunden mit halber Kraft gegen die See an, bis uns das Wetter erlaubte, mit voller Kraft unsere Richtung zu verfolgen. Die Verluste waren außer der über Bord geworfenen Ladung sämtliches Vieh, das den heftigen Stößen erlegen war.
Mit 3tägiger Verspätung erreichten wir die Gruppe der Cap-Verde-Inseln. Zuerst legten wir in St. Vincente, einem ganz nackten, aber imposanten, schroff felsigen Eiland, dem besten Hafen der Welt, an, dann auf St. Jago, wo wenigstens einige Palmenhaine und Gärten die sterile Eintönigkeit unterbrechen.
3 Tage später liefen wir Bolama, die Hauptstadt der Kolonie (Neu-?) Guinea, an, eine portugiesische Besitzung mit französischen Kaufleuten, französischer Sprache und französischem Geld. Nur einige schwarze Soldaten und, wie überall, ein mächtiges Zollhaus erinnern an das Mutterland.
Nach 9tägiger Reise ankerten wir vor Prinzipe. Hoch und steil, einem spitzen Bouquet vergleichbar, erhebt sich die von üppigster Tropenflora überwucherte Insel aus dem Meer. Schmutz und Verfall in der Stadt kontrastieren leider auch hier mit der großartigen, prächtigen Natur.
Ähnlich, wenn auch nicht so malerisch schön, aber vielleicht noch reicher, ist die nächste Station, die Insel St. Thomé. Hier blieben wir 3 Tage im Haus eines Herrn Costa, dessen Gemahlin, eine Deutsche, uns mit der größten Liebenswürdigkeit aufnahm. Wir verlebten nach heimischer Sitte die Silvesternacht und hörten, gewiss zum letzten Mal für lange Zeit, deutsche Musik.
Mit Loanda, wo wir am 7. Januar eintrafen, war unser erstes Ziel erreicht.
In Folge Pogges Kenntnis der Verhältnisse und des freundlichen Entgegenkommens der portugiesischen Behörden gelang es uns bald, diese bedeutendste europäische Niederlassung an der Westküste Afrikas, deren Glanzperiode in die Zeit der Sklaverei zurückfällt, zu verlassen und uns nach dem Quanzafluss einzuschiffen. Wir fuhren dicht an der Küste entlang nach Süden, passierten bald die der Schifffahrt sehr gefährliche Barre des Quanza und liefen in den Fluss ein.
Die erste Tagereise ging zwischen dicht bewaldeten Ufern; Mangrowendickichte und dahinter üppiger Urwald begleiteten uns. Am zweiten Tag änderte sich die Szenerie. Schroff in den Fluss vorspringende Kalksteinfelsen, mit Lianen überwuchert, von dem bizarren Affenbrotbaum gekrönt, ließen uns ein anderes Bild afrikanischer Landschaft bewundern. Am dritten Tag erweiterte sich der Fluss. Seeartige Lagunen, mit Palmendickichten umstanden, Papyrussümpfe, viele kleine Inseln und Bänke gaben ein stets wechselndes, reizvolles Bild.
Hier hatten wir die echte Heimat der Krokodile vor uns, deren wir viele sahen und einige erlegten. Großartig ist die Vogelwelt in den von animalischem Leben wimmelnden Sümpfen. Der wunderliche Schlangenhalsvogel, der Schattenvogel, Riesenkraniche und Königsfischer, vielerlei Reiher und Störche, Sumpf- und Wasserhühner bevölkern die Inseln. Bunte Webervögel und kleine grüne Papageien schwingen sich von einem Ufer zum anderen, schön gezeichnete Adler ziehen ihre Kreise, oder hocken stolz und dreist am dichten Ufer. Affenherden spielen in den Bäumen, und ab und zu zieht eine Schildkröte ihre schnurgerade Linie über den Wasserspiegel.
Es ist bedauerlich, dass am Tage die intensive Hitze und des nachts zahllose Moskitos den Genuss an der schönen, reichen Natur stören. Wir hörten die ersten, weit schallenden Laute des gewaltigen Hippopotamos durch die stille Nacht ertönen.
Ein anderes mächtiges Tier, das aber äußerst selten sichtbar wird, bewohnt neben dem Flusspferd die Lagunen des Quanza, es ist dies eine Sierenenart, eine Seekuh, von der ich Teile des Gerippes sah. Es war bisher noch nicht gelungen, ein vollständiges Gerippe zu erwerben, um zu bestimmen, welcher Familie das gewaltige Wassersäugetier angehört.
In Dondo angekommen, wurden uns sofort Träger zugeführt, so dass wir nur 2 Tage in dem verrufenen Fiebernest zu rasten brauchten. Pogge zahlte im „Inferno do mundo“, wie die Portugiesen Dondo nennen, mit einem 2tägigen Fieber dem afrikanischen Klima seinen ersten Tribut, und auch ich lernte die sich jedem Neuling in den Tropen bietenden Annehmlichkeiten in Form von Schlaflosigkeit, Moskitos, Ratten und dem „roten Hund“, einer peinigenden Hautkrankheit, kennen.
In der schon oft beschriebenen Hängematte, Tipoia, reisten wir nach Osten weiter. Viel hatte ich mit meinen Trägern, die sich über mein großes Körpergewicht beklagten, auszustehen. Mehrfach ließ man mich recht unsanft fallen. Als ich einmal bei einer derartigen Gelegenheit die mir beim Sturz entfallenen Sachen aufnahm, worunter auch ein Revolver war, flohen meine Leute mit Angstgeschrei seitwärts in die Büsche, glaubend, ich wolle sie für ihre Ungeschicklichkeit bestrafen. Erst nach langer Zeit waren sie durch mein Gelächter und die Versicherung, dass ich nichts Böses im Schilde führe, aus dem Dickicht hervorzulocken.
Der Charakter der Gegend ist sehr gleichförmige, mehr oder weniger bewaldete Savanne. Der Weg zieht sich durch Höhenzüge, die, mit wild durcheinander liegenden Gneis-Trümmern gekrönt, aussehen, als ob sie Burgruinen trügen.
Eine Nacht rasteten wir in dem Dorf des Häuptlings Dumbo a Pepo.
6 Tage vorher hatten Bailunda-Leute, die vom südlichen Ufer des Quanza herüber gekommen waren, eine Karawane hier ausgeplündert und einen Träger ermordet. Die Räuber hatten sich in Sicherheit gebracht, ohne dass die schwachen Patrouillen, die die Straßen sichern sollen, imstande gewesen wären, etwas auszurichten, und das ist der betretenste Handelsweg in Angola. Ist doch auch das Gebiet zwischen Loanda und Ambriz dicht an der Küste für die portugiesische Regierung unpassierbar, und südlich des Quanza ebenfalls die Macht des Mutterstaates nur nominell.
Am 21. begegneten uns die von Malanʒe gesandten Reitstiere; von nun an wurde die Tipoia kaum mehr benutzt.
Morgens und abends gingen wir zu Fuß, und nur während der heißesten Stunden des Tages wurde geritten. Nachdem mich mein Reitstier bei der ersten Bekanntschaft mit einem Fußtritt begrüßt hatte, dann beim Versuch aufzusteigen mich umrannte, und, als ich glücklich im Sattel, mich mit gewaltiger Kraft auf der anderen Seite herabgeworfen hatte, wurden wir gute Freunde, und ich will bei späterer Gelegenheit die großen Vorzüge dieses besten Reittieres für afrikanische Verhältnisse preisen.
Am Nachmittag des 21. tauchte die Felseninsel Pungo a Ndongo, aus dem welligen Savannenmeer schroff aufsteigend, vor uns auf. Durch einen 60 m tief eingeschnittenen Engpass, einen der drei möglichen Zugänge zu der natürlichen gewaltigen Festung, steigt man zur Stadt hinauf, die wie in einem Krater zwischen den ringsum 70 bis 80 m senkrecht aufsteigenden Felsen liegt.
Die Schluchten sind üppig bewachsen, die Felsen nackt.
Die seit Jahrtausenden spülende Kraft des Wassers, der das Konglomerat von Gneis und hartem Sandstein, aus dem die wunderlichen Felsengebilde zusammengesetzt waren, widerstanden hatte, hatte das Felsennest geschaffen.
Bei Pungo a Ndongo
Bei Gelegenheit des Abmarsches versuchten unsere Träger eine nochmalige Bezahlung zu erpressen, wie Pogge schon vorausgesehen hatte. Nachdem der Sprecher der Unzufriedenen unsanft zur Tür hinausbefördert war, nahmen die Leute resigniert ihre Lasten auf und folgten Pogge, der voranritt. Ich blieb noch einen Tag länger, da mich die zoologischen Verhältnisse interessierten.
Große Herden von Pavianen, Cynoscephalus, aus denen ich ein besonders starkes Männchen herausschoss, Klippschliefer, verwilderte Ziegen und Kaninchen bevölkern die unzugänglichen Felsen und veranlassen gleichzeitig die Anwesenheit von Leoparden, die man häufig erlegt. Groß ist die Verschiedenartigkeit der Eidechsen, die in praller Sonne auf den dunklen, heißgebrannten Steinen unbeweglich liegen. Unzählige Schwalben nisten in den Felsenlöchern.
In östlicher Richtung setzen sich inselartig gleiche Felsengebilde, die aber nur eine ähnliche Höhe wie in Pungo a Ndongo in den Pedras Ʒingas erreichen, bis zum Quanza fort.
Der Weg bis nach Malanʒe führt durch wellige Savannen, deren Bäume unseren Obstbäumen ähneln, steigt dann steil nach Osten an bis zum Plateau von Malanʒe, das auf 1.100 bis 1.200 m Höhe liegt. Mit diesem Plateau ist gleichzeitig nach dem Innern zu die äußerste Grenze des Affenbrotbaumes erreicht. Vereinzelt soll derselbe im Tale von Kassanʒe noch einmal vorkommen.
In Malanʒe war uns ein geräumiges Haus von Herrn Custodio de Souza Machado, bei dem wir die Waren für das Innere kaufen wollten, zur Verfügung gestellt. Da genügende Waren noch für uns von der Küste unterwegs waren, und die Träger nicht vor Ende der Regenzeit, also erst Mitte Mai ins Innere gehen, so richteten wir uns vorläufig häuslich ein.
Am 8. Februar traf ganz überraschend aus dem Innern kommend Herr Dr. Buchner ein.
Max Joseph August Heinrich Markus Buchner, auch: Maximilian Buchner, (* 25. April 1846 in München; † 7. Mai 1921 in München) war ein deutscher Arzt, Ethnograph.
Derselbe war im Auftrage der Afrikanischen Gesellschaft im Lunda-Reich gewesen und trug durch seine Mitteilungen viel dazu bei, dass wir später unseren Auftrag abänderten. Ich kannte Herrn Dr. Buchner schon vom Jahre 1874, da wir gleichzeitig in Magdeburg eine kurze Haft wegen Zweikampfes abgebüßt hatten und Zimmernachbarn gewesen waren.
Die Freude des Wiedersehens unter so veränderten Verhältnissen war eine große. Zu lebhaftem Dank verpflichtete er mich dadurch, dass er mir aus dem Schatz seiner Erfahrungen manchen Wink gab und mich durch wirklich praktische Einführung in astronomische und topographische Arbeiten am besten für meine Arbeiten im Innern vorbereitete.
Am 20. desselben Monats kam auch vom Norden der Major von Mechow mit seinen zwei Begleitern, Bugslag und Theus, nach Malanʒe zurück, so dass wir am 22. März den Geburtstag Seiner Majestät unseres Kaisers in dem entfernten Winkel der Zivilisation in zahlreicher Gesellschaft Deutscher feiern konnten.
Die Erfolge beider Herren, die viel zur Kenntnis West- und Zentralafrikas beigetragen haben, sind längst bekannt.
Friedrich Wilhelm Alexander von Mechow (* 9. Dezember 1831 in Lauban; † 15. März 1904 in Jugenheim) war ein schlesisch-preußischer Major, Sammler und Afrikaforscher. Mechow erhielt seine Erziehung im Kadettenkorps, nahm 1866 am Deutschen Krieg und 1870/71 am Krieg gegen Frankreich teil, wo er in der Schlacht bei Wörth schwer verwundet wurde.
Unsere Zeit verging mit Einkäufen von Waren, Anwerben von Trägern, Zureiten von Reitstieren, meteorologischen Beobachtungen und Einarbeiten mit unseren Instrumenten.
Um einen Überblick zu geben über die im Westen des Kontinents gangbaren Handelsartikel, für uns hauptsächlich Waren zum Einkaufen von Lebensmitteln für unsere Leute, will ich die Liste der mitgenommenen Waren folgen lassen:
600
Stück
gestreiften Calicos à 32 Ellen;
100
"
desgl. schlechtester Sorte;
50
"
Baumwollenzeug à 40 Ellen;
400
Pfund
Pulver in Tönnchen zu 3 Pfund;
400
"
verschiedene Glasperlen;
120
Ellen roten Flanell;
24
Steinschlossflinten;
12
bunte Regenschirme;
200
Pfund Salz
und einige Kleinigkeiten.
Germano de Jose Maria
Als Dolmetscher begleitete uns Germano de Jose Maria, ein Neger aus Mozambique, der als Diener eines portugiesischen Offiziers in Lissabon gewesen war, und dann Händler in Angola wurde.
Lunda-Menschen
Er hatte schon mehrfach deutsche Forscher und auch Pogge auf seiner Reise ins Lunda-Reich begleitet, war fleißig, stets dienstbereit, und für einen Neger mutig, aber leider nicht allzu zuverlässig.
Die Karawane bestand aus 81 Trägern, Leuten aus Angola, Ʒingas und Massongo, einem Koch und 6 Dienern. Wir hatten alle Leute zunächst nur bis Kimbundu, dem äußersten von einem weißen Händler bewohnten Orte, angenommen für den Preis von 5.000 Reis, nach unserem Geld ca. 22 Mark, welche Summe noch dazu in Waren zu in Malanʒe gangbaren Preisen ausgezahlt wurde. Wir hatten uns außerdem verpflichtet, den Leuten für je 12 Tage Waren zur Ration in der Höhe von 4 Ellen Zeug pro Mann zu geben, sie in Krankheitsfällen zu behandeln und ihnen in Kimbundu frei zu stellen, uns weiter zu begleiten.
Die Lasten hatten wir zu schwer gemacht, sie wogen durchschnittlich 42 Kilo, jedoch erreichten einige die Höhe von 50. Der Reisende tut nicht gut, Westküsten-Leuten mehr als 37 Kilogramm für längere Reisen zu geben. Im Osten nehmen Träger höchstens 30 Kilo. Die portugiesischen Kaufleute in Angola belasten ihre Träger mit 50 bis 60 Kilo.
Die Ausrüstung eines Trägers in Angola besteht aus Messer, Beil, Patronentasche, Tragkorb, Mohamba genannt, Kochtopf und Kürbisflasche. Im Lager halten stets die Träger je nach ihrem Stamm zusammen und vereinigen sich 3 bis 4 zu einer Genossenschaft, die sich zusammen ihre Hütten baut, abkocht und gelegentlich vertritt. Oft nehmen Träger noch im Knabenalter stehende Verwandte zur Aushilfe beim Tragen und zu sonstigen Dienstleistungen mit, Weiber dagegen nur sehr selten.
Für Pogge, mich und den Dolmetscher Germano schafften wir 6 Reitstiere an; der meinige, Malucko, ein wirklich edles Tier, war ein Geschenk von Dr. Buchner. Es ist ein unschätzbarer Vorteil des Reisenden von Westafrika, dass er ein solch' vorzügliches, in der Wildnis durch nichts anderes ersetzbares Reittier zur Verfügung hat. Der Reitstier geht alle Gangarten, Schritt, Trab, Galopp und Carrière, die letzteren beiden jedoch nur auf kurze Strecken, da ihm der lange Atem, wie dem Pferd, nicht zur Verfügung steht. Der Stier nimmt bald im Schritt die Schnelligkeit der Karawane an. Durch seine große Ruhe ist er geeignet, schwere Sümpfe zu passieren, durch die Sicherheit des Doppelhufs so steile Böschungen zu erklettern und hinabzusteigen, wie ein Einhufer dieses nicht imstande wäre. Es ist leicht, einen Stier zum Springen abzurichten; nach kurzer Zeit schon nahm Malucko Hindernisse, die einem Pferd Ehre machen würden. Ich maß einst im Urwald einen mächtigen gestürzten Stamm, der einen Durchmesser von 1,15 m hatte, den er mit einem Angalopp von 3 Sprüngen sicher nahm. Ein einziges Mal bin ich in den 7 Jahren meiner Reisen mit einem Stier gestürzt. Ich sprang über einen Baumstamm, hinter welchem ein tiefes, mit Laub angefülltes Loch war, in das der Stier hineinfiel.
Fallgruben oder Stellen, wo der Boden künstlich umgestaltet ist, scheint der Stier zu wittern und ist an Stellen, die er nicht übersehen kann, sehr vorsichtig.
Am schwersten wird ihm die Passage glatter, von Wasser überspülter Felsen.
Ich überschwamm einst im Sattel einen 60 m breiten Fluss.
Der Ortssinn des Tieres ist großartig, auf einem Ausflug mit dem Stier kann man sich nicht verirren, da das Tier zurückgewandt genau seiner Spur folgt.
Als ich den Stier erhielt, war er so böse, dass er bald in Malanʒe sich den Namen „Malucko“, d. i. der Wahnsinnige, erwarb. Oft nahm er Menschen an, und zweimal verwundete er ernstlich Neger. Das Zureiten des ganz Verwilderten nahm viele Mühe, aber nur kurze Zeit in Anspruch. Am längsten dauerte das Satteln, dann stieg ich mit Sporen, Peitsche und einer Keule in den Sattel, 2 Leute hielten an dem gereifelten Eisen, das er in der Nase hatte, den Kopf in die Höhe, 4 Leute zogen an dem Schweif und einige auf jeder Seite an den Bügeln. Kaum saß ich im Sattel, so flogen auch schon von den gewaltigen Bewegungen des kräftigen Tieres die Leute nach allen Seiten. Fünf Minuten ging es nun im Galopp mit hohen Sprüngen vorwärts, dann, als die Luft ihm kurz ward, begann er mit den Hörnern nach dem Schenkel zu stoßen, wogegen Hiebe mit der Keule auf die Hörner, nur wenige Tage angewandt, völlige Abhilfe schafften. Nach 10 Tagen ging der Stier schon ruhig, und einen Monat später war er so zahm, dass er wie ein Hund mir folgte, auf meinen Ruf herankam, sich von mir satteln ließ und, wenn wir bei Tisch saßen, so lange hinter mir stand und mich mit der Nase anstieß, bis er ein wenig Salz erbettelt hatte. Stets blieb er gegen Neger böse. Man legt dem Reitstier den gewöhnlichen englischen Pferdesattel auf; an einem durch das Nasenbein gestoßenen Eisen sind an jeder Seite die Zügel angebracht.
Schon näherte sich die Zeit des Abmarsches in das Innere, als Pogge durch furchtbares Zahnweh gezwungen war, sich 3 Zähne ausziehen zu lassen. Vor Entfernen des letzten derselben wurde er gewarnt, bestand jedoch darauf und legte dadurch den Grund zu furchtbaren Leiden, die er im Innern auszustehen hatte, denn bei der Manipulation wurde die eine Seite des unteren Kinnbackens vollständig zerbrochen.
Die während der 4 Monate unserer Anwesenheit in Malanʒe gemachten meteorologischen Beobachtungen, Höhenmessungen und Ortsbestimmungen finden sich im Anhang dieses Werkes.
Am 1. Juni war die Karawane vollzählig, und am 3. war der Tag des lang ersehnten Abmarsches nach Osten zu gekommen. Buchner geleitete uns eine Tagereise weit. Er war der letzte Landsmann, den ich sah, bis ich in Ostafrika nach 2 Jahren die ostafrikanische Expedition, die vor uns Deutschland verlassen hatte, wiedertraf.
Durch eintönige Baumsavannen ging es bis zum Quiʒe und in dessen Tale entlang nach Sanza, der äußersten portugiesischen Niederlassung in Angola. Der erwähnte Fluss fließt in einem nur wenig eingeschnittenen Sandsteinbett nach Westen dem Quanza zu. Gewaltige, mit schwarzer Verwitterungskruste bedeckte harte Sandsteinblöcke erschienen einem früheren Reisenden als Basalt. Wunderliche Felsenformationen und Riesentöpfe fanden sich am Ufer. Von Sanza abmarschierend, passierten wir die Grenze von Angola und betraten das Gebiet der unabhängigen Massongo, die sich weit nach Süden dehnen, aber schon so viel von der Halbzivilisation ihrer westlichen Nachbarn angenommen haben, dass dem Reisenden nichts charakteristisch Eigentümliches bemerkbar wird.
* * *
Zweites Kapitel: Nach Kimbundu
Schwarz-weiß-rot voran!
Angola-Negertypus
Mit dem Betreten des unabhängigen Afrikas entfalteten wir die deutsche Flagge, die ein findiger Angola-Neger, namens Humba, trug. Stolz wehte schwarz-weiß-rot uns jetzt voran als Zeichen, dass wir den Bereich des Schutzes, den bis hierher nur eine europäische Macht ausüben konnte, verlassen hatten und jetzt auf eigene Kraft dem freien Innern gegenüber angewiesen waren. Da frühere Expeditionen wohl ohne Fahne in diesem Teil Afrikas marschiert waren, wurde die unsrige von den Eingeborenen als eine Art Fetisch betrachtet, und wirklich schien sie ihre Zauberkraft zu bewähren, denn unter ihrer Führung gelang es zum ersten Mal, vom Westen aus über die Grenze des Verkehrs der Neger hinaus ins unbekannte Innere zu stoßen und die Verbindung mit dem Osten zu gewinnen.
An einem der ersten Tage unserer Reise unternahm ich einen Jagdausflug, um mit einigen Wildtauben die Einförmigkeit unseres Menus zu unterbrechen. Das unschuldige Unternehmen wäre fast verhängnisvoll geworden. Inmitten eines zu Jagdzwecken durch zeitgemäßes Brennen kurzgrasig gehaltenen Platzes stand ein dicht belaubter Baum, dessen Zweige sich bei meiner Annäherung vom Wind nicht gerechtfertigt bewegten. Im dichten Laub gewahrte ich einen Leoparden, der dies Versteck wie die Eingeborenen zu benutzen schien, um durch das junge Gras angezogene Antilopen zu belauern. Obgleich ich nur die Flinte und nur Schrot Nr. 3 bei mir hatte, wollte ich doch die gute Gelegenheit nicht vorübergehen lassen und näherte mich dem Baum behutsam bis auf 15 m. Da ich wegen dichter Belaubung nur einige Bewegungen der schönen Katze wahrnehmen konnte, ohne einzelne Teile unterscheiden zu können, zögerte ich und visierte mehrfach, ohne abzudrücken. Plötzlich ertönte der Angstschrei eines Menschen aus dem Laub. Ein Gewehr fiel zu Boden, und ein Eingeborener, Songo-Neger, mit einer mantelartig umgehängten Leopardenhaut, ließ sich blitzschnell zu Boden gleiten und starrte mich fahlgrau vor Schrecken an. Bald überzeugte ihn mein freundliches Lachen und meine Gesten von dem Irrtum, und der schlanke, athletische Jäger, ein guter Typus eines Mannes aus dem oberen Songo, begleitete mich zum Lager, wo die Erzählung der von ihm ausgestandenen Todesangst ein schallendes Gelächter unserer Leute hervorrief. Wäre diese Episode tragischer geendet, so würden lange Verhandlungen und mindestens eine hohe Zahlung unsererseits viel Zeit und Waren gekostet haben. –
Täglich spielten sich im Lager nicht enden wollende, mit Einschüchterungsversuchen und Drohungen verbundene Betteleien von Dorfhäuptlingen ab, denen Pogge, der mit seinem graumelierten mächtigen Bart den Negern großen Respekt einflößte und überall für meinen Vater galt, mit unerschütterlicher Ruhe und Geduld begegnete. Zuvörderst kommt ein Neger, der mit lärmender Beredsamkeit die Macht und den Reichtum seines „Soba“ ins Unglaubliche übertreibt. Dann folgt der Große selbst mit gravitätischem Schritt und gewichtiger Miene; eine Zipfelmütze oder ein ausrangiertes Militärkaskett bedeckt das edle Haupt. Eine schon ganz mit Palmöl beschmierte Uniform, meistens rot, englischen Ursprungs, umhüllt den nackten Oberkörper und ein Hüftentuch aus bunten Taschentüchern die Beine. Der Regenschirm in allen Farben des Regenbogens darf nicht fehlen.
Hinter ihm wird ein magerer, mit Zetergeschrei und Seitensprüngen sich wehrender Ziegenbock daher gezerrt. Dieser und ein Körbchen mit Maniokmehl sind die fürstlichen Geschenke. Nun lässt sich der Herr des Landes auf einer Strohmatte im Lager nieder. Im Halbkreis um ihn gruppieren sich seine Getreuen. Diese berühren auf ein Zeichen des Ministers oder Vorschreiers mit der Stirn die Erde, drücken die innere Handfläche auf den Boden, reiben sich mit haften gebliebenem Sand die Brust und klatschen dann im Takt dreimal laut und immer leiser werdend in die Hände.
Nun beginnt die feierliche Rede des Häuptlings selbst, zu deren Schluss er seine Geschenke überreichen lässt. Da Pogge meistens nicht mehr als Gegengeschenk bewilligte, als den Wert des Geschenkes, so erhielt der Häuptling für gewöhnlich nur 4 Ellen Calico und einige Flaschen halb mit Wasser verdünnten Schnapses, den wir zu diesem Zweck mit uns führten; dies ist Reisenden jedoch nicht anzuraten, da der Genuss desselben die Eingeborenen stets nur zu Mehrforderungen und zu größerer Frechheit veranlasst. Es werden nun die Geschenke, oder besser gesagt die Bezahlung, betrachtet, nachgemessen und bekrittelt, dann gibt der Häuptling seine Unzufriedenheit zu erkennen, scheitert jedoch meist daran, dass Pogge und ich uns in unsere Hütten begeben und den Unzufriedenen unbekümmert schreien lassen. Geht der Soba, wenn auch unzufrieden tuend, mit dem Geschenk ab, dann ist die Sache als erledigt anzusehen; gibt er sie jedoch zurück, so bedeutet dies Feindschaft oder wenigstens nicht Freundschaft, je nach der mehr oder weniger Respekt einflößenden Karawane, und kann man dann noch immer durch eine kleine Zugabe das Verhältnis wieder herstellen, wenn es geraten erscheint.
Ein schon gebrauchtes einfaches Zelt, das ich durch Zufall an der Küste erstanden hatte, zertrennte ich und verschenkte die Stücke desselben unter die Träger, da in demselben bei Tage eine derartige Hitze und bei Nacht eine so fühlbare Kälte herrschte, dass es völlig unbrauchbar war.
Es sind Laubhütten, im Westen Fundo genannt, die kontraktlich von den Trägern täglich herzustellen sind, jedem Zelt weit vorzuziehen. Eine solche Hütte wird aus 10 bis 20 m langen Stangenhölzern hergestellt, die zuckerhutartig zusammengestellt werden, durch Gabeln oder Bast oben zusammengehalten, mit Zweigen oder Palmblättern belegt und schichtenweise mit Gras überdeckt. Das Fundo ist frisch und kühl, strömt einen kräftigen Laubgeruch aus, ist völlig regendicht, wenn man von innen Stellen, durch die das Tageslicht eindringt, bezeichnet und überdecken lässt, und schützt des nachts, mit einer Tür versehen, auch besser gegen die empfindliche Kälte, als ein Zelt. Zelte mit doppeltem Dach sind einigermaßen erträglich und deshalb einem Fundo vielleicht vorzuziehen, weil sie in kurzer Zeit nach dem Beziehen des Lagers fertig sind, während der Bau eines Fundos 1 bis 3 Stunden in Anspruch nimmt, je nach dem mehr oder weniger nahe vorhandenen Material und dem Fleiß der Leute.
Will man für längere Zeit ein Fundo anfertigen lassen, so benutze man nicht Palmblätter, da diese innerhalb einiger Tage mit Eintreten des Vertrocknens von Millionen kleiner Raupen angenagt werden und dann das Innere der Hütte mit Exkrementen der kleinen Tiere buchstäblich bedeckt wird.
Schon jetzt, nur 5 Tage nach dem Abmarsch von Matanʒe, machten einige unserer Leute den Versuch, zu streiken. Ein alter Träger aus Angola stieg, als wir uns schon zur Nachtruhe niedergelegt hatten, auf einen inmitten des Lagerplatzes befindlichen Termitenhaufen und hielt an die durch seine Zurufe wach gewordenen Träger eine Ansprache, in der er aufforderte, uns gleich von vornherein so zu gewöhnen, dass wir Rationen verteilten, wenn die Träger dieses wünschten, und nicht an jedem 12. Tag, wie dies höchst ungeschickter Weise in Malanʒe von ihnen zugestanden sei.
Germano unterrichtete uns, noch während der Alte sprach, vom Inhalt seiner Rede, und es gelang mir, den mich nicht Bemerkenden mit einer schallenden Ohrfeige von seiner Rednerbühne derartig plötzlich zu entfernen, dass ich die Lacher auf meiner Seite hatte.
Bei dem nächsten Marsch beobachtete ich die praktische Art des Führers, ein Verirren nachfolgender Träger zu verhindern. Der Wegkundige verschloss von unserer Straße abführende Steige mit einem Strich, den er mit dem Stock quer über den Seitenpfad zog. Da in Gegenden, wo von den Eingeborenen keine Feindseligkeiten zu erwarten sind, Nachzügler oft stundenlang zurück sind, so ist diese Maßregel sehr angebracht. Im Osten wird der Weg, der von dem Hauptsteig seitwärts zu bewohnten Gegenden abführt, durch Ausheben von Boden mit einem Hackenschlag bezeichnet.
Bei dem kleinen Dorf des Soba-Moau trennten sich die Karawanenstraßen. Wir biegen nach Südosten ab, während geradeaus der Weg nach Kassanʒe, dem reichen Tal des Quango, dem Land der handelslustigen, weitreisenden Bangala führt.
Kassanʒe gehörte früher zu Angola. Die Bangala sind eine Kreuzung ausgewanderter Kalunda-Stämme, die sich, nach Westen wandernd, auf die im Quango-Tal wohnenden Tupende warfen, dieselben teils vertrieben, teils sich mit ihnen mischten. Das rücksichtslose Auspressen von portugiesischen Kaufleuten brachte die Bangala, von denen es früher hieß, dass sie zahm wie Ziegen seien, zur Erhebung. Viele Portugiesen wurden erschlagen, die Besatzung vertrieben und alles an portugiesische Kultur Erinnernde zerstört. Zwei militärische Expeditionen von Angola aus misslangen, und die Bangala wurden frei, unabhängig, allmählich stolz auf ihre Macht und kriegerisch. Seit jener Zeit erlauben sie Reisenden nicht mehr, auf dem Weg nach dem Innern durch ihr Land zu gehen, da sie, selber Händler, sich nicht durch Weiße den Handel im Hinterland verderben lassen wollen. Reisenden, die von dem Innern aus nach der Küste kommen und sich als Nichthändler ausweisen, wie früher Dr. Pogge und Dr. Buchner, legen sie kein Hindernis in den Weg.
Ein lichter Hochwald nahm uns auf, der in der Nähe der vielen kleinen Bäche, die alle sich dem Quiʒe zuwenden, dichter und üppiger wird, während bisher die Ufer aller Wasserläufe sumpfig waren und keinen Baumwuchs zeigten. In diesem Wald fällt dem Europäer Mangel an Schatten auf. Es ist früher schon dadurch erklärt worden, dass die Stellung der Blätter eine senkrechtere sei, oder dass die Bäume spärlichere Belaubung hätten; ich konnte aber keinen Unterschied zwischen diesen und unseren heimischen Bäumen in der erwähnten Beziehung finden und glaube, dass die Schattenlosigkeit nur durch den senkrechteren Stand der Sonne bedingt wird. Nur ganz dicht belaubte Bäume spenden in Afrika Schatten.