Unterfordert - Philippe Rothlin - E-Book

Unterfordert E-Book

Philippe Rothlin

4,5

Beschreibung

Das weit verbreitete, aber nach wie vor unterschätzte Phänomen beschrieben die Autoren Philippe Rothlin und Peter R. Werder erstmalig 2007: Boreout durch Langeweile und Unterforderung am Arbeitsplatz. Die Folgen des Boreouts sind ebenso alarmierend wie bei einem Burnout: Unzufriedenheit, Verlust der Lebensfreude und der Leistungsfähigkeit. Treffen kann es alle, die eintönige, wenig fordernde und unbefriedigende Tätigkeiten ausüben – und nichts dagegen unternehmen. Wie man dem entgehen kann, verrät diese aktualisierte und erweiterte Neuauflage anhand vieler konkreter Beispiele.

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
[email protected]
3., überarbeitete Neuauflage 2014
© 2014 by Redline Verlag,
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Die vorherige Auflage erschien unter dem Titel Diagnose Boreout im Redline Verlag.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München
Umschlagabbildung: shutterstock.com
Satz und E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
ISBN Print 978-3-86881-917-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-486-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-487-5
Weitere Informationen zum Verlag finden sie unter
www.redline-verlag.de

Inhalt

Titel
Widmung
Impressum
Inhalt
Vorwort zur dritten Auflage
Die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts: vom Burnout zum Boreout
Der Boreout – Begriff, Elemente und Entwicklung
Das Verhältnis des Boreout zum Burnout
Element 1: Die Unterforderung
Element 2: Das Desinteresse
Element 3: Die Langeweile
Wie entwickelt sich der Boreout?
Abgrenzungen
Boreout ist nicht gleich Faulheit
Mobbing in den Boreout
Boreout und innere Kündigung – das Gleiche?
Die Boreout-Strategien
Die Komprimierungsstrategie
Die Flachwalzstrategie
Die strategische Verhinderung
Die Aktenkofferstrategie und der HOL
Die Kollektiv-Zwang-Strategie
Der kleine Müller – und der große Müller
Die Spam-Strategie
Die »I don’t give a shit«-Strategie
Die Pseudo-Burnout-Strategie sowie die Lärmstrategie
Toll, diese Strategien – oder doch nicht?
Das Boreout-Paradox
Die Ursachen des Boreout
Spaß für alle...
…oder falsche Illusionen?
Die falsche Berufswahl
Der falsche Ort
Noch einmal: die Strategien
Bessere Alternativen zur Arbeit
Normal, aber schlecht
Die Symptome des Boreout
Lässt sich der Boreout von außen beobachten?
Wenn Menschen innerlich am Boreout leiden
Wer ist betroffen – und wer nicht?
Was schützt vor dem Boreout – Hierarchie oder Eigentum?
Boreout-Treiber am Schreibtisch
Wenig Chancen für den Boreout
Die Industrialisierung und die Spezialisierung: zwei Entwicklungen mit Folgen
Die verschiedenen Stadien des Boreout
Fünf Typologien
Scheinlösungen helfen nicht
An der Faulheit gibt es nichts zu entdecken
Mit Kontrolle gegen den Boreout?
Eigenverantwortung als Mittel gegen Boreout
Eigenverantwortung: Von Anfang an
Der qualitative Lohn
Arbeit als milde Krankheit
Die Elemente des qualitativen Lohns
Wir suchen Sinn
Wir beurteilen die Zeit
Wir verlangen Geld
Fassen wir zusammen
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Zu den Autoren
Dank

Vorwort zur dritten Auflage

2007:

Die erste Auflage dieses Buches wurde im Jahr 2007 veröffentlicht. Blenden wir kurz zurück: Es war dies das Jahr des Beginnes der weltweiten Finanzkrise, ausgelöst durch die sub-prime Krise in den Vereinigten Staaten. Hedge Fonds, ganze Banken gingen pleite und mussten gerettet werden, die Börsen taumelten wie seit 2001 nicht mehr. Es war der Beginn einer Weltwirtschaftskrise, einer schweren Rezession, der Beginn der Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen.

2014:

Blog-Eintrag eines Arbeitnehmers zu einem von einer Onlinezeitung veröffentlichten Artikel, in welchem es um neue Arbeitszeitmodelle ging: »Von den 8h30, die ich täglich im Büro sitze, arbeite ich maximal 6–7 Stunden wirklich konzentriert und effizient, der Rest ist dann Präsentismus, Kaffepause, dauernde Ablenkung durch unnötige Mails und andere Störungen, inneffiziente Sitzungen, Zeit überbrücken usw.«

Wer also gemeint hat, dass nach der großen Krise der Boreout ausgerottet wäre, hat sich getäuscht. Naheliegend wäre der Gedanke, zugegebenermassen: Die vorhandene Arbeit wird auf weniger Arbeitnehmer verteilt, der Stress steigt und jeder einzelne strengt sich dermassen an, dass Unterforderung und Desinteresse nicht den Hauch einer Chance haben. Aber wie gesagt: weit gefehlt. Der Boreout gedeiht weiterhin prächtig in den Unternehmen, so traurig das ist. Denn die ursächlichen Probleme und Auslöser des ­Boreout hängen nicht nur direkt vom Arbeitsvolumen ab, sondern von weiteren Faktoren: Falsche oder keine Delegation durch die Führungskräfte, eine möglichst breite Führungsspanne ist weiterhin ein Statussymbol (auch wenn nicht genügend Arbeit vorhanden ist), überbewertete Stellenbeschreibungen – aber auch Menschen selber, die einen Job übernehmen, der sie nicht im geringsten interessiert und fordert. Kurz: Die Treiber des Boreout haben sich nicht geändert – trotz Millionen Arbeitslosen, trotz Wirtschaftskrise. Der Schuh drückt weiterhin am Arbeitsplatz und die Realität spricht eine klare Sprache. Der Boreout hat sich als ernstzunehmendes Problem der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts durchgesetzt.

Bei der zweiten Auflage dieses Buches haben wir einige formelle Anpassungen sowie diverse kleinere Aktualisierungen vorgenommen. Zudem haben wir es um einige Textpassagen ergänzt, die sich thematisch an unserem zweiten Buch, der Boreout-Falle, orientieren und somit das vorliegende Buch mit zentralen, ausgesuchten Elementen ergänzen. So widmen wir beispielsweise ein Kapitel unseren Kritikern. Gerade ihnen hat die Realität ein Schnäppchen geschlagen. Sie verneinen auf fahrlässige Weise, dass Unterforderung am Arbeitsplatz ein Problem darstellt. Es ist nicht lustig, unterfordert zu sein – und Menschen, die arbeiten wollen, die man aber nicht lässt, sind nicht faul. Sie leiden an einem Boreout. Bei aller Verantwortung, welche wir dem Unternehmen in solchen Situation klar zuschieben, steht für uns die Eigenverantwortung im Zentrum. Das bereits bestehende Kapitel haben wir um einige Zeilen ergänzt. Aber auch einige neue Strategien, wie man das Nichts-Tun am Arbeitsplatz strategisch steuern und so sowohl seinen Chef wie auch seine Arbeitskollegen genüsslich und erfolgreich hinters Licht führen kann, fehlen nicht.

Boreout gibt es jetzt offiziell überall: Im Duden, im Internet, es gibt Kurse dagegen, Bücher wurden geschrieben, die erste Auflage dieses Buches wurde auf neun Sprachen übersetzt und unzählige Artikel wurden verfasst. Es hat zwar über 35 Jahre gedauert, bis zum Burnout die Diagnose Boreout hinzugekommen ist, aber auch hier gilt: Besser spät als nie.

Wir wünschen Ihnen viel Spass bei der Lektüre.

Philippe Rothlin und Peter R. Werder

Die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts: vom Burnout zum Boreout

Stress am Arbeitsplatz gehört heute einfach dazu. Wer nicht gestresst ist, ist scheinbar nicht wichtig. Deshalb wird Stress oft übertrieben dargestellt. Natürlich gibt es sie, die gestressten Arbeitnehmer, die vom Unternehmen ausgequetscht werden wie eine Zitrone. Aber es gibt auch das Gegenteil. Davon handelt dieses Buch. Aussagen zum Thema Stress sind also mit Vorsicht zu genießen – er gehört nicht nur einfach zum guten Ton, sondern ist sozial erwünscht und hat einen wesentlich höheren Unterhaltungswert als zum Beispiel Langeweile.

Das Thema Arbeitsstress dominiert viele Feierabendgespräche. Doch wenn es nicht beim oberflächlichen Geplänkel bleibt und die Unterhaltung eher in die Tiefe geht, stellt sich plötzlich heraus, dass viele Arbeitnehmer meilenweit davon entfernt sind, gestresst zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Sie sind unterfordert, desinteressiert und unendlich gelangweilt – keine Spur von Herausforderung oder Interesse an dem, was sie täglich tun. Gemäß einer Umfrage von Kelly Services, einem internationalen Personalvermittlungs-Unternehmen, liegt der gesamteuropäische Durchschnitt der Arbeitnehmer, die sich gestresst fühlen, bei 27 Prozent. Viele weitere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Schlüssen.

Uns interessieren in diesem Buch die restlichen 73 Prozent – jene Arbeitnehmer, die sich irgendwo zwischen »Stressaufkommen gerade richtig« und »unterfordert« verorten. Es geht also nicht um Stress, sondern um das Gegenteil davon: Es geht nicht um den Burnout, sondern um den Boreout. Unterforderung, Desinteresse und Langeweile als wesentliche Elemente der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts? Wahrscheinlich denken Sie jetzt, das sei in Zeiten der Globalisierung doch gänzlich unmöglich. Wir müssten doch eher über- statt unterfordert sein. Wer kennt denn schon Langeweile bei der Arbeit? Vergegenwärtigen Sie sich aber auch einmal Ihr berufliches Umfeld: Haben Sie keinen Arbeitskollegen, bei dem Sie nicht genau wissen, was er den ganzen Tag über tut? Was eigentlich seine Aufgaben sind? Der vielleicht sogar den Anschein erweckt, gestresst zu sein, es aber unter Umständen gar nicht ist? Vielleicht überzeugen Sie die Resultate der folgenden drei Umfragen:

•Eine Untersuchung der Gallup Organization besagt, dass sich in Deutschland 87 Prozent aller Beschäftigten gering oder gar nicht an ihr Unternehmen gebunden fühlen. Die Studie sieht die Ursachen unter anderem darin, dass sieben von zehn Befragten keine Position ausfüllen, die ihnen wirklich liegt.•Für Salary.com und AOL befragte Dan Malachowski im Jahr 2005 mehr als 10.000 Arbeitnehmer zum Thema Zeitverschwendung am Arbeitsplatz. Das Resultat: 33,2 Prozent dieser Gruppe sagten aus, sie hätten bei der Arbeit nicht genug zu tun, sind also unterfordert.•Eine weitere Untersuchung von Salary.com, die 2014 durchgeführt wurde, kommt zum Schluss, dass 26 Prozent der Befragten zwei oder mehr Stunden pro Tag Zeit verschwenden. Die Gründe: Langeweile und fehlende Anreize bei einem Drittel der Befragten

Mit anderen Worten: Unzählige Arbeitnehmer sind keinesfalls im Stress, obwohl immer so viel davon geredet wird, sondern verfügen tatsächlich über »Freizeit« bei der Arbeit. Und diese Zeitspanne ist nicht so gering, wie man meinen könnte. Um nochmals die Untersuchungen zu zitieren: Die unterforderten Arbeitnehmer erledigen an ihrem Arbeitsplatz und während ihrer Arbeitszeit täglich zwei und mehr Stunden private Dinge – Dinge, die nichts mit dem zu tun haben, wofür sie eigentlich bezahlt werden: Sie schreiben unzählige private E-Mails, surfen zum eigenen Vergnügen im Internet und nutzen das enorme Angebot an Websites, die dabei behilflich sind, die Präsenzzeiten am Arbeitsplatz irgendwie zu überbrücken. Da gibt es Sites mit Spielen, bei denen es beispielsweise für ein Rennen mit dem Bürostuhl Punkte gibt, Tipps zur Überbrückung von langweiligen Meetings – Bullshit Bingo ist in dieser Hinsicht wohl die bekannteste Unterhaltung – oder ganz einfach Facebook, Instagram oder Twitter. Manche der gelangweilten Arbeitnehmer entwickeln gar eine eigene Geschäftsidee und planen dann ihre zukünftige Selbstständigkeit am Arbeitsplatz. Dass all dies nicht mehr unter die Kategorie der kreativen Pausen am Arbeitsplatz fällt, erklärt sich wohl von selbst.

Es gibt Softwarefirmen, die können haargenau ausrechnen, wie viel Zeit sich mit schnelleren Programmen oder Rechnern sparen ließe. Auf 500 Mitarbeitende kommen dann schnell zwei Arbeitsstellen in einem Jahr – und das allein wegen der Wartezeiten, die durch zu langsame Hard- und Software entstehen. Trotz allem sprechen wir aber nur von ein paar Sekunden pro Tag und Mitarbeiter. Eine lächerliche Größe, verglichen mit der Zeit, in der viele Menschen ganz einfach nicht arbeiten und trotzdem im Büro sitzen. Da gehen täglich Stunden verloren, weil sie anderes tun, als sich der eigentlichen Arbeit zuzuwenden.

Salary.com und AOL haben ausgerechnet, dass die USA das oben beschriebene Phänomen über 750 Milliarden Dollar oder über 5.000 US-Dollar pro Arbeitnehmer und Jahr kostet. Gemäß der Gallup-Studie belaufen sich die Schätzungen des gesamtwirtschaftlichen Schadens in Deutschland auf über 250 Milliarden Euro. Auch wenn die Zahlen hoch gegriffen sind: Unterforderung, Desinteresse und Langeweile sind offenbar – der Globalisierung zum Trotz – wesentliche Elemente der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts und stellen in ihren Auswirkungen einen erheblichen Kostenfaktor dar.

Weil die vielen unzufriedenen Arbeitnehmer lieber private Dinge an ihrem Arbeitsplatz erledigen, statt gegen ihr missliches Gefühl anzuarbeiten, könnte man sich verleitet fühlen, ihnen selbst die Schuld für ihre Misere in die Schuhe zu schieben und sie gar als grundsätzlich faul zu bezeichnen. Davor sollten Sie sich jedoch hüten. Denn die genannten Umfragen zur Unzufriedenheit lassen auch erkennen, dass gerade unterforderte Arbeitnehmer die unzufriedensten sind – sie würden gerne mehr leisten. Doch entweder sind sie im falschen Beruf gelandet, oder ihr Unternehmen lässt sie genau dies nicht tun.

Paradoxerweise wendet der unzufriedene Arbeitnehmer verschiedene Verhaltensstrategien an, um beschäftigt zu wirken und sich zusätzliche Arbeit vom Leibe zu halten. Paradox ist dieses Verhalten deshalb, da genau diese Strategien den Zustand der Unzufriedenheit zementieren. Der Arbeitnehmer tut dies, weil er davon ausgeht, es sei erstrebenswert, bei der Arbeit wenig bis nichts zu tun. Die Wahrheit lautet jedoch anderes: Ein über längere Zeit andauerndes Nichtstun bei der Arbeit ist nicht mehr und nicht weniger als der blanke Horror. Immer nur vorzuspiegeln, man sei beschäftigt, wird mit der Zeit anstrengend und ist vor allem unbefriedigend. Herausforderung und Anerkennung fehlen. Seine Unzufriedenheit schleppt der Arbeitnehmer nach Arbeitsschluss auch noch mit nach Hause.

Ist ein Arbeitnehmer unterfordert, desinteressiert und unendlich gelangweilt und versucht zudem – paradoxerweise – diesen Zustand aktiv zu erhalten, dann leidet er eindeutig am Boreout.

Mit Hilfe der folgenden Fragen finden Sie heraus, ob Sie selbst oder Bekannte von Ihnen vom Boreout betroffen sind. Antworten Sie mit Ja oder Nein. Ein Ja setzen Sie immer dann ein, wenn Sie mehrmals im Monat die abgefragten Dinge tun oder empfinden.

Nr
Frage
Antwort
1
Erledigen Sie private Dinge während der Arbeit?
2
Fühlen Sie sich unterfordert oder gelangweilt?
3
Tun Sie ab und zu so, als ob Sie arbeiten würden – tatsächlich haben Sie aber nichts zu tun?
4
Sind Sie am Abend müde und erschöpft, obwohl Sie überhaupt keinen Stress hatten?
5
Sind Sie mit Ihrer Arbeit eher unglücklich?
6
Vermissen Sie den Sinn in Ihrer Arbeit, die tiefere Bedeutung?
7
Könnten Sie Ihre Arbeit eigentlich schneller erledigen, als Sie dies tun?
8
Würden Sie gerne etwas anderes arbeiten, scheuen sich aber vor dem Wechsel, weil Sie dabei zu wenig verdienen
9
Verschicken Sie während der Arbeit private E-Mails an Kollegen?
10
Interessiert Sie Ihre Arbeit nicht oder wenig?

Wenn Sie mehr als viermal ein Ja eingesetzt haben, leiden Sie am Boreout oder sind auf dem schlechtesten Weg dorthin. Mit diesem Buch können Sie in Erfahrung bringen, was das ist und was Sie dagegen tun können.

Der Boreout – Begriff, Elemente und Entwicklung

Der Begriff Boreout besteht aus den beiden englischen Wörtern »bore« – Langweiler – und »out« – außen. Die Kombination beider Wörter ergibt so etwas wie ein Ausgelangweilt-Sein. Demnach ist ein vom Boreout betroffener Arbeitnehmer gewissermaßen ein Ausgelangweilter. Das heißt selbstverständlich nicht, dass mit dem Ausgelangweilt- Sein die Langeweile beendet wäre und somit wieder Abwechslung und Spannung vorherrschen würden. Im Gegenteil: Die Langeweile wird dermaßen unerträglich, dass sich für den Betroffenen neue, viel schlimmere Dimensionen auftun.

Der Boreout als das Gegenteil des Burnout besteht aus den drei Elementen Unterforderung, Desinteresse und Langeweile am Arbeitsplatz. Damit verknüpft sind langfristig angelegte Verhaltensstrategien, die der Arbeitnehmer anwendet, um bei der Arbeit ausgelastet zu wirken und sich Arbeit vom Leibe zu halten. Einerseits hat jedes der drei erwähnten Elemente seinen eigenen Charakter und seine eigenen Wirkungen:

•Bei der Langeweile geht es um Lustlosigkeit und um einen Zustand der Ratlosigkeit, weil man nicht weiß, was man tun soll.•Die Unterforderung beschreibt das Gefühl, mehr leisten zu können, als von einem gefordert wird.•Und beim Desinteresse schließlich steht die fehlende Identifikation mit der Arbeit im Vordergrund.

Andererseits sind alle drei Elemente immer auch irgendwie miteinander verbunden und stehen in Wechselwirkung: Wer permanent unterfordert ist, den beginnt seine Arbeit zu langweilen. Wer sich konstant langweilt, der verliert früher oder später das Interesse an dem, was er macht. Die Boreout-Strategien sind in diesem Zusammenhang unentbehrlich. Denn wenn jemand sich bei der Arbeit langweilt, kann er dies nicht einfach so zur Schau stellen. Wer kann es sich erlauben, zum Beispiel einfach auf seinem Stuhl zu sitzen und Löcher in die Luft zu starren? Ein Arbeitnehmer kann dies keinesfalls. Er muss also zwangsläufig zu Verhaltensweisen greifen, die bei anderen den Eindruck erwecken, er sei beschäftigt und ausgelastet. Würde er diese Verhaltensweisen, genauer gesagt, diese Strategien nicht anwenden, stünde er in der Gefahr, entlassen zu werden.

Die Lektüre dieses Buches wird Sie in die Welt des Boreout führen – wie er entsteht und wie er aussieht. Sie werden nachvollziehen können, wie man sich fühlt, wenn man am Boreout leidet, sowie die daraus resultierenden Verhaltensstrategien und ihren paradoxen Charakter näher kennenlernen. Und zum Schluss werden wir Ihnen unsere Lösung vorstellen, die dabei helfen soll, aus dem Boreout- Schlamassel herauszufinden oder ihm vorzubeugen.

Der Boreout ist eine ernste Sache. Dennoch ist es bei der Beschäftigung damit wichtig, den Humor nicht zu verlieren, denn der ­Boreout hat paradoxerweise sogar lustige Seiten. Damit Sie auch etwas davon haben, wird ein Herr namens Alex Sie bei Ihrer Lektüre begleiten und Ihnen manch unterhaltsame Geschichte erzählen. Schließlich ist er ein profunder Kenner des Boreout. Alex wendet die Strategien bereits so perfekt an, dass er seinen Arbeitsprozess beliebig steuern und sich Arbeit vom Leibe halten kann. Sein Chef merkt nichts davon, der ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Alex ist 31 Jahre alt, arbeitet irgendwo auf dieser Welt in irgendeinem Büro – an irgendeinem Schreibtisch. Alex könnte fast überall auftauchen. In vielen von uns steckt etwas von Alex.

Das Verhältnis des Boreout zum Burnout

Obwohl der Boreout das Gegenteil des Burnout ist, stehen sie in einer engen Beziehung zueinander. Wie bei der Beziehung zweier Brüder gibt es neben den Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten. Zudem sind Brüder – selbstverständlich – miteinander verwandt. So verhält es sich auch beim Boreout und Burnout: Wer am Burnout leidet, ist gestresst, hat zu viel Arbeit und opfert sich bis zum Kollaps für das Unternehmen und seine Arbeit auf. Für Boreout-Betroffene hingegen existiert das Wort Stress nicht, sie sind meilenweit davon entfernt, sich bei der Arbeit auch nur ansatzweise verausgaben zu müssen. Vielmehr wissen sie meistens gar nicht, was sie überhaupt tun sollen. Das ist das Gegensätzliche unserer beiden Brüder. Gemeinsam haben sie viele der Symptome, die sich aufgrund der unbefriedigenden Situation am Arbeitsplatz bemerkbar machen. Das Verwandtschaftliche der beiden tritt schließlich klar zutage, wenn wir betrachten, wie sich die zwei Brüder in einem Team verhalten, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und dass sie ähnlich wie Yin und Yang in einer Beziehung zueinander stehen.

Betrachten wir deshalb den Boreout und den Burnout als Bestandteile eines Systems. Das System ist ein Team, das aus einem Chef und seinen Mitarbeitenden besteht. Dieses Team muss eine bestimmte Menge an Arbeit erledigen. Doch einige Personen des Teams neigen dazu, mehr zu arbeiten, als sie eigentlich müssten. Damit nehmen sie ihren Kollegen auch Arbeit weg. Mit der Zeit verausgaben sie sich derart, dass sie beginnen, am Burnout zu leiden. Ihre Kollegen wiederum haben das Problem, dass immer weniger Arbeit für sie übrig bleibt. Sie beginnen sich zu langweilen, sind unterfordert und desinteressiert. Die frei gewordenen Zeit nutzen sie für andere, private Dinge, an denen sie vorerst mehr Gefallen finden: im Internet surfen, Spiele spielen, Anrufe erledigen und ein Buch lesen oder sogar schreiben – wir haben es weiter oben schon aufgezählt. Sie leiden am Boreout. Gleichzeitig beginnen sie, den Eindruck zu vermitteln, stets beschäftigt zu sein. Das Ziel ist, sich zusätzliche Arbeit möglichst vom Leibe zu halten. Denn diese neue freie Zeit gefällt ihnen, zumindest zu Beginn – sie verfallen dem süssen Gift des Nichtstuns. Die Rechnung geht meistens auf: Weil sie ausgelastet erscheinen, erhalten sie entsprechend weniger Arbeit. Und genau diese Arbeit wird wieder durch die gestressten Arbeitnehmer erledigt, die dadurch noch gestresster werden. Es entsteht ein Kreislauf, der sich selbst am Leben erhält und durch das Verhalten der involvierten Personen eine Eigendynamik entwickelt.

Die vorangehende Grafik zeigt diese grundsätzlichen Zusammenhänge der Arbeitsverteilung in einem Team im Lichte der beiden Phänomene Burnout und Boreout. Hier beeinflusst das Verhalten des einen das Verhalten des anderen: Der Stress desjenigen, der am Burnout leidet, bedingt die Langeweile des Kollegen mit einem ­Boreout. Und umgekehrt. Eine Beziehung, in der Ursache und Wirkung in der Spirale oder im Teufelskreis verwischen.

Vergessen wir jetzt jedoch den Burnout und betrachten wir die einzelnen Elemente des Boreout einmal genauer. Wir werden sehen, was sie genau ausmacht, wie ein betroffener Arbeitnehmer Momente der Unterforderung, des Desinteresses und der Langeweile wirklich erlebt und was ihm dabei den lieben langen Tag durch den Kopf schwirrt.

Element 1: Die Unterforderung

Ein Arbeitnehmer ist unterfordert, wenn er das Gefühl hat, bei der Arbeit eigentlich mehr leisten zu können, als dies gerade der Fall ist. Anders ausgedrückt: Was vom Unternehmen an Arbeitsleistung gefordert wird, liegt unter den Möglichkeiten des Arbeitnehmers. Die Unterforderung besteht aus zwei Elementen, einem quantitativen und einem qualitativen.

Das quantitative Element betrifft das Wieviel an Arbeit. In diesem Falle hat der Arbeitnehmer einfach zu wenig zu tun, es gibt zu wenig Arbeit oder die vorhandene Arbeit ist auf die immer gleichen Personen verteilt, zu denen er nicht oder nur am Rande gehört. Eigentlich erwartet man, dass es so etwas in einer von Stress und Verdichtung dominierten Arbeitswelt gar nicht gibt. Doch die bereits zitierten Umfragen bestätigen, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer über zwei Stunden Stunden pro Tag mit Surfen oder Plaudern »verplempert«. Die Befragten liefern die Erklärung, warum sie über so viel freie Zeit am Arbeitsplatz verfügen, gleich mit: Ein Drittel von ihnen gab an, der Grund sei der Mangel an genügend Arbeit.

Das qualitative Element betrifft das Was , den Inhalt der Arbeit. Für einen unterforderten Arbeitnehmer ist das, was er erledigen soll, zu einfach, oder er bekommt keine wirkliche Verantwortung, etwas zu gestalten oder zu verändern. Er könnte aber aufgrund seines Wissens und seiner Fähigkeiten mehr für das Unternehmen leisten. Die Betonung liegt auf »könnte«, denn das Unternehmen lässt ihn nicht. Stattdessen muss er die wenig herausfordernden Aufgaben übernehmen, Routinearbeiten, immer das Gleiche, während die wirklich spannenden und verantwortungsvollen Tätigkeiten auf den Schreibtischen anderer Personen landen, oft auch bei den Chefs höchstpersönlich.

Wie fühlt sich der unterforderte Arbeitnehmer? In erster Linie unzufrieden. Gemäß den Umfragen von Kelly Services und Gallup stellen die unterforderten Arbeitnehmer mit 44 Prozent die größte Gruppe der Unzufriedenen, sie sind in der Summe noch unzufriedener als die gemäß eigener Aussage gestressten Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer fühlt sich nutzlos, da er sein Bedürfnis, seine Fähigkeiten einzusetzen, nicht befriedigen kann. Wer auf Dauer keine Möglichkeit hat, sich zu profilieren, wird schnell unterschätzt und erhält keine Bestätigung. Klar: Nicht jeder hat damit ein Problem. Diejenigen, die kein Bedürfnis nach Sinnstiftung haben, können gut mit der Unterforderung umgehen. Andere jedoch bekommen schnell ein Problem, wenn ihnen immer zu wenig oder das Falsche zugemutet wird. Für diesen unterforderten Arbeitnehmer stiftet die Arbeit schnell keinen Sinn mehr. Eine vormals positive Grundeinstellung wird ersetzt durch die »Es-bringt-ja-ohnehin-nichts«-Einstellung.

Auch Alex tut immer dasselbe. Tagein, Tagaus. Zwar meinten bereits die alten Römer, die Wiederholung sei die Mutter der Studien. Aber für Alex ist sie eben auch die Mutter seiner Unterforderung.