Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga - Angelika Röbel - E-Book

Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga E-Book

Angelika Röbel

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Beschreibung

Nach dem Tod des dritten Kindes wanderte Franziska mit ihrer kleinen Familie nach Australien aus. Ein jüdischer Freund lieh das nötige Geld. Auf der Überfahrt war das Glück nicht auf Franziskas Seite. Angekommen im Land der Hoffnung erlebte sie das Auf und Nieder einer Farm. Doch das australische Outback war nicht der Garten Eden, von dem Franziska träumte. Der tägliche Kampf ums Überleben ging bis ans Ende ihrer Kräfte. Als Franziska schließlich dachte, endlich das Glück gefunden zu haben, entglitt es ihr buchstäblich wieder aus den Fingern. Nach vielen Jahren der Hoffnungslosigkeit findet Franziska ihre große Liebe wieder. Die inzwischen erwachsene Tochter Sabrina heiratet einen Aborigines Mischling. Damit bricht sie ein Tabu der Ureinwohner und der Gesellschaft. Zu allem Unglück drohen sie die Farm Mozzie zu verlieren. Sabrinas elfjähriger Sohn verfällt durch unverhoffte Ereignisse dem Genuss von Drogen. Das soll aber noch nicht das Ende der Unglückssträhne sein. Franziskas Träume vom Leben in Australien zerplatzen einer nachdem anderen. Und doch gibt es Hoffnung!

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Inhalt

Titelseite

Impressum

Widmung

Band 1: Australien – Land der Hoffnung

Ausweglos

1934

Hoffnungszeichen

Leben und Tod an Bord

Neue, fremde Gerüche

Tödlicher Widerstand

Australien

Glückliche Fügung

Die Farm Mozzie

Ein freier Tag

Alina und die Chance

Gefahrvolle Reise

Im Outback

Die Aborigines

Pferdeauktion

Der Pferdedieb

Mamdys Geständnis

Früh übt sich…

Gute und schlechte Nachrichten

1935

Deutschland mal anders – süß

Errungenes Glück

Feuer am Horizont

Große Sprünge

Alina ist im Unglück nicht allein

Nacht über Deutschland

1937

Lichterfest und Sonnenhitze

Abreise für immer!

Eine Urkunde zum Glück

Eine Idee reift

Ein großer Feigling

1938

Spurlos verschwunden

Bei den Aborigines

Geister

Ein Neubeginn

Herbe Enttäuschung

Auf geheimen Pfaden

Rivalen

Wunderbare Medizin

Wären Worte stärker als Glaube …

Das Ende der Odyssee

Der Rückzug

Zu späte Klarheit

Tierliebe

Geheime Absprache

Franziskas Errungenschaft

Enttäuscht

Ein wunderschönes Auto

Der Brief

Sharon und Peter

Vorbereitungen

Einschulung

Das Inferno auf Mozzie

Band 2: Das Ende eines Traumes

Lebenszeichen

1948

Reingelegt

Endlich – nach so langer Zeit

Die Bürgschaft

Wohin mit Cecilia

Der erste Urlaub

Das Geheimnis

Ersatz für Jeremy

Reinkarnation von Alina

Frischer Wind

Nun gerade

Das Komplott

Ein Freund

Quälende Träume

Große Enttäuschung

Der Zeuge

Die Geschichte der Aborigines

Ein ernstes Gespräch

Schlechte Nachrichten

Monate später

Gefahr in der Luft

Aufbruch

Eine schreckliche Vision

1955

Wo ist Alina?

Die Rechnung

Ein romantisches Plätzchen

Neuigkeiten

Der falsche Zeitpunkt

Fremde Menschen?

Zukunftspläne

Angst um Mozzie

Fakten

Große Pläne

1956

Kleine Kinder, kleine Sorgen! Große Kinder...!

Die Lösung

Wahre Freundschaft

Vorbereitungen

Dreimal – ‚Ja’ und ein besonderes Geschenk

Ein lieber Gast

Drohende Gefahr

Ein tragischer Unfall

Sorgen um Cecilia

D u n g l o e – Kleine Küstenstadt im Norden von Irland

1958

Wie die Zeit vergeht!

Gute und schlechte Nachrichten

Cecilia

1960

Aus großer Verzweiflung

Gute Ideen

1968

Entsetzliche Wahrheiten

Nur ein Spiel

In die Enge getrieben

Endlich Regen

Nächtlicher Besuch

Randys Abstieg

Sorgen ohne Ende

In guten Händen

Alte Liebe

Der erste Besuch

Alles gut gegangen, aber ...?

1970

Ein neuer Gedanke reift

1973

Endlich allein

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Ein großer Tag für Sydney

Zu viel Neues

Erste Zweifel

Erste Geheimnisse

Fliegen wie ein Vogel

Ein Angebot

Ein unangenehmes Gefühl

Erster Flug nach Darwin

Wut im Bauch

Wahre Gefühle oder Trotz?

1974

Wunder der Natur

Die Entscheidung

Ein klärendes Gespräch

Unheil kündigt sich an

Es ist alles sinnlos

Das Ende ihrer Träume

… und was sonst noch geschah !

1980

Ende

Nachwort

Quellenverzeichnis

Angelika Röbel

Unterm Kreuz des Südens

Eine australische Familiensaga

Engelsdorfer Verlag

Bibliografische Information durch Die Deutsche Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

eISBN: 978-3-86901-056-4

Copyright (2005) Engelsdorfer Verlag

Alle Rechte beim Autor.

www.angelika-roebel.de

www.engelsdorfer-verlag.de

Widmung

Dieses Buch widme ich meinen lieben Mann Roland, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand.

Ich möchte mich bedanken:

Bei meiner Mutter Ursula Röbel die mir die Zeit zum Schreiben ermöglichte und bei meinen Söhnen Yves und Nils die mir im Umgang und bei Problemen am PC sehr behilflich waren.

Bei der australischen Autorin Patricia Shaw. Sie ermutigte mich zum Schreiben.

Bei Susi Lubasch. Sie stellte mir einen Brief zur Verfügung, der unter der gleichnamigen Überschrift abgedruckt ist. Ein Brief, der etwas über Verzweiflung und großer Liebe aussagt.

Bei Katrin Hauer, die englische Texte aus dem Internet übersetzte.

Bei Anette Bauer (Elsner) und Heike Schulze die mein Manuskript lasen und korrigierten und deren ehrliche und kritische Meinung ich hoch schätze.

Ein besonders großer Dank und höchste Anerkennung geht an die neunzigjährige Marie Wipplinger. Als langjährige Deutschlehrerin übernahm sie gemeinsam mit ihrer fünfundsiebzigjährigen Freundin Isolde Koch, die ebenfalls als Lehrerin tätig war, die grammatische Korrektur. Es bereitete beiden große Freude, meinen Roman nach Fehlern zu durchforsten.

Auch ein Dankeschön an Dr. Kahl. Er stellte mir für das Cover ein Foto zur Verfügung, dass er auf seiner Australienreise selbst aufnahm.

Bei meinem Verleger Tino Hemmann vom Engelsdorfer Verlag. Seine Idee war es, meine beiden zusammengehörigen Romane, in einem Werk zu vereinen.

Das Buch, das man liebt, darf man nicht leihen, sondern man muss es besitzen.

(Friedrich Nitzsche)

Band 1

Australien – Land der Hoffnung

Ausweglos

1934

Der Wind brachte die eisige Kälte und wirbelte die Schneeflocken immer wieder auf. Der Friedhof lag auf einer kleinen Anhöhe, er war von Pappeln und Birken umsäumt. Unmittelbar vor hoch gewachsenen Tannenbäumen befanden sich zwei kleine Gräber. Freunde hatten gleich daneben eine weitere Grube ausgehoben. Trotz der Kälte waren viele Trauergäste aus dem Ort Jürgenstorf gekommen, um den kleinen zweijährigen Robert auf seinem letzten Weg zu begleiten.

Franziska und Martin Winter trugen heute ihr drittes Kind zu Grabe. Ihnen ist nur die dreijährige Sabrina geblieben. Tränen rannen über ihre Gesichter. Martin drückte seiner Frau liebevoll die Hand und reichte ihr ein trockenes Taschentuch.

Sabrina hatte heute Morgen gleich nach dem Aufstehen eine Blume mit einer großen Sonne für Robert, den alle liebevoll Robie nannten, gemalt. Sie legte das Bild auf den Sarg ihres Bruders. Der Vater beschwerte es mit einem Stein, damit es darauf liegen blieb.

Als Pfarrer Thörel seine Rede beendet hatte, wurde der Sarg in die dunkle Tiefe gelassen. Franziska glaubte nicht, dass sie diesen Tag überstehen würde, aber der Gedanke an ihre kleine Tochter gab ihr wieder Kraft. Der Weg nach Hause war nicht weit, aber bei der Kälte und dem Schneetreiben war er doch anstrengend. Franziska bückte sich zu Sabrina und sah sie an. Sie schob ihrem Kind die blonden Locken unter die Mütze, damit die Haare nicht nass wurden. Sabrina sah sehr blass aus, und die blauen Augen schauten die Mama fragend an. Martin hatte die gleichen Augen, ein Blau, als blickte man auf den Grund des Meeres. Sabrina war sehr dünn, und der dunkle Wollmantel wirkte viel zu groß an ihr. Franziska nahm ihre Tochter auf den Arm und drückte sie fest an sich, weil ihr weiter nichts blieb als dieses Kind.

Mathias starb zuerst. Er wurde nur ein Jahr alt und starb 1930 an Keuchhusten. Vor einem Jahr, auch im Januar, starb Maria im Alter von drei Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung, ebenso wie Robie. All das ging ihr durch den Kopf.

Martin unterbrach ihre Gedanken: „Komm, Franziska, gib sie mir, sie ist doch viel zu schwer für dich.“ Er nickte ihr aufmunternd zu und nahm ihr das Kind ab. Schützend hüllte er die Tochter in seinen Mantel ein, damit der kalte Wind ihr nichts anhaben konnte.

Franziska ging hinter ihrem Mann durch den tiefen Schnee. Was habe ich doch nur für einen guten Mann, dachte sie, er ist so lieb zu seiner Familie, voller Verständnis.

Martin war etwas größer als Franziska, schlank und hatte das gleiche blonde Haar wie Sabrina, nur hatte er keine Locken. Die hatte dafür Franziska, allerdings war ihre Haarfarbe kastanienbraun. Auch sie war sehr schlank, man könnte schon sagen dünn.

„Martin, was sollen wir tun, wir haben nun nur noch Sabrina. Was ist...?“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende aus Angst, es könnte eintreffen. Sie klopften sich den Schnee von der Kleidung und betraten ihr kleines Haus. Es war kalt darin, Franziska sah sich um, als wäre sie zum ersten Mal in diesem Raum. An der gegenüberliegenden Seite vor dem kleinen Fenster stand ein Tisch. Groß genug für sechs Stühle, aber sie waren nur noch zu dritt. Links neben dem Tisch standen ein Kohleherd und daneben ein Schrank. Neben dem Ofen waren einige Holzscheite gestapelt und ein paar Briketts. Martin hatte sie heute Morgen hereingeholt. Dem gegenüber stand eine Kommode, gleich neben der Schlafzimmertür. Im Schlafzimmer befanden sich vier Betten. Morgen werden es nur noch drei sein, dachte Franziska, Martin wird das Bett von Robie rausschaffen, und Sabrina bekommt das übrige Federbett dazu.

Martin zündete das Feuer im Herd und die Petroleumlampe an. Sie haben auch elektrisches Licht, aber es muss gespart werden. Keiner sprach ein Wort, jeder hing seinen Gedanken nach.

Nur Sabrinas Stimmchen unterbrach die Stille: „Mir ist kalt, Mami.“

Franziska wickelte die Kleine in eine Decke und setzte sie auf den Stuhl neben dem Ofen. „Bald wird dir warm Spätzchen, Papi hat schon Feuer gemacht.“

Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Wer kann das sein?“, fragte Martin und ging, um sie zu öffnen.

Doktor Wagner stand vor der Tür. „Ich wollte sehen, wie es euch geht“, sagte er und kam, ohne auf eine Aufforderung zu warten, in das Haus.

„Was meinst du wohl, wie es uns geht – gut natürlich, sehr gut, ausgezeichnet“, sagte Martin etwas zu laut. Er wandte seinen Kopf ab, um die Tränen zu verbergen.

Peter legte seinen Arm auf Martins Schulter und sagte: „Ich mache mir ehrlich Sorgen um euch und fühle mich schuldig, weil ich kein besserer Arzt bin.“

Franziska war über Martins Reaktion erschrocken und antwortete, bevor Martin noch etwas Unüberlegtes sagte. „Du hast getan, was du konntest. Es lag nicht an dir. Es war wahrscheinlich so vorbestimmt.“

Martin überlegte und kam zu dem Schluss, dass seine Frau Recht haben könnte: „Entschuldige, Peter, ich hatte mich soeben nicht unter Kontrolle. Glaube mir bitte, ich meinte nicht das, was ich sagte.“

„Ich weiß, ich habe doch Verständnis für euch.“ Nach einer kleinen Pause sprach er weiter. „Ich wollte euch einen Vorschlag unterbreiten, etwas, worüber ihr nachdenken solltet.“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Ich habe gehört, dass jetzt viele Menschen Deutschland den Rücken kehren.“ Peter unterbrach mit Absicht seine Rede, um die Reaktion der beiden abzuwarten. Doch er bemerkte, dass sie nicht begriffen, worauf er hinaus wollte. „Sie wandern aus, nach Amerika oder Australien.“

„Ja“, antwortete Martin „davon habe ich auch gehört, aber dazu braucht man Mut und viel Geld. Ich habe weder das Eine und schon gar nicht das Andere.“

„Was gehört schon für Mut dazu“, erwiderte Peter Wagner „wenn man schon alles verloren hat. Schaut euch an, wie lange wollt ihr warten? Bleibt ihr noch einen Winter hier, verliert ihr auch Sabrina.“

Über die klaren Worte des Arztes und Freundes erschrocken, schaute Franziska auf ihre Tochter. „Mein Gott, hoffentlich hat sie uns nicht verstanden“, flüsterte sie fast lautlos vor sich hin. Aber Sabrina hörte nicht auf das Gespräch der Erwachsenen. Sie spielte mit einer gestrickten Puppe und einem zerzausten Teddybär. Franziska wandte sich wieder dem Gespräch der Männer zu. Sie sagte: „Aber was können wir tun?“

Der Arzt meinte: „Verkauft Haus und Grundstück und wandert aus, am besten nach Australien. Dort ist das Klima für euch drei besser. Es soll zwar auch vier Jahreszeiten geben, aber eben alles verdreht. Das Jahr beginnt dort mit dem Herbst, dann kommt der Winter und danach der Frühling. Weihnachten ist im Sommer. Aber denkt nicht, dass es im Winter kalt ist, nein, da herrscht ein angenehmes, mildes Klima. Nachts können allerdings die Temperaturen empfindlich sinken, aber da kann man sich ja zudecken. Und in einigen Gebieten soll es dann auch noch die Regenzeit geben.“

Martin und Franziska erwiderten nichts dazu.

Er sprach weiter. „Es ist eine sehr lange Überfahrt mit vielen Entbehrungen, aber es wird sich für alle lohnen.“

Martin und Franziska waren immer noch still und sahen ihn ungläubig an. Sie konnten einfach nicht glauben, was sie da eben gehört hatten; weggehen – von hier – von der Heimat – einfach so ...?! Es trat eine unheimliche Stille ein. Man hörte nur das Holz im Ofen knistern und das leise Stimmchen von Sabrina, die immer noch mit ihrer Puppe und dem Teddybär spielte.

Peter Wagner setzte das Gespräch fort. „Bedenkt bitte, ihr beide seid Waisen, keiner von euch hat Verwandte, um die ihr euch Sorgen müsstet. Das einzige, was ihr zurücklasst, sind Freunde und drei Gräber, um die sich diese Freunde kümmern würden. Das Zurücklassen von Familienangehörigen ist für viele ein Hindernis, um eine richtige Entscheidung zu treffen. Aber bei euch ist das von vornherein anders, was hält euch noch hier? Äußert euch – was hält euch hier?“

„Wer würde unser ärmliches Häuschen kaufen wollen? Es hat doch niemand Geld im Überfluss, und wer es hat, kann sich etwas Besseres leisten. Was kostet eine Überfahrt? Es ist bestimmt sehr teuer und für uns unbezahlbar“, gab Martin zu bedenken.

„Martin“, antwortete Doktor Wagner, der jetzt aufgestanden war. Er legte seine Hand Martin freundschaftlich auf die Schulter. „Seit wann bist du ein Pessimist? Wenn du etwas wirklich willst, dann schaffst du es. Ich für meinen Teil, werde alles versuchen, um euch zu helfen.“

„Lass uns eine Nacht darüber schlafen, Peter“, gab Franziska zu bedenken.

Als der Arzt, Peter Wagner gegangen war, sprachen sie kein einziges Wort miteinander. Franziska bereitete nachdenklich das Abendessen vor. Sie kochte Lindenblütentee. Im Sommer hatte sie die Blüten mit Robie und Sabrina gesammelt. Was war das doch für ein Spaß gewesen. Sie hörte jetzt noch ihre zwei Kinder lachen. Zum Essen gab es Brot und selbst gemachtes Fett. Martin hatte inzwischen Sabrina gewaschen und für die Nacht vorbereitet. „So, mein kleiner Spatz, nun können wir essen“, sagte er liebevoll zu seiner Tochter und setzte sie an den Tisch. Er wickelte sie wieder in die Decke ein, weil der Ofen den Raum immer noch nicht erwärmt hatte.

Der Tee duftete gut, und schweigsam wurde gegessen. Als Sabrina an diesem Abend im Bett lag, setzten sich beide neben den Ofen und Franziska war es, die das Schweigen brach. „Martin, Peter hat Recht, was haben wir schon zu verlieren. Es kann nur besser werden. Das Klima, von dem Peter sprach, würde uns allen sehr gut tun. Stell dir vor, dort gibt es keinen Winter. Das bedeutet auch keine kalten Zimmer und keine kalten Füße mehr. Das muss ja das reinste Paradies sein“, schwärmte sie.

Martin sah sie an: „Meinst du wirklich, dass wir es versuchen sollen? Überlege dir auch, was uns alles unterwegs zustoßen könnte. Von der langen Schiffsreise abgesehen. Es ist ein fremdes Land, und wir sind völlig auf uns alleingestellt. Wir kennen nicht ihre Sprache, und kennen auch keinen, der uns helfen könnte. Meinst du immer noch, wir sollten es versuchen?“.

„Ja“, kam es prompt zurück.

„Also gut“, Martin nickte, „lass uns morgen mit Peter reden. Ich habe noch keine Ahnung, wie wir das schaffen könnten.

Die Holzscheite glimmten nur noch schwach, als sie, erschöpft von den Ereignissen des Tages, zu Bett gingen. Weder Franziska noch Martin konnten in dieser Nacht gleich einschlafen. Jedem gingen Probleme durch den Kopf.

Franziska dachte: Heute Morgen hatte ich das Gefühl, dass ich diesen Tag nicht überleben werde. Warum haben meine Kinder keine Chance zum Überleben? Jetzt habe ich wieder Hoffnung. Aber wie wird es auf so einem Schiff sein? Gibt es genug Betten oder Waschgelegenheiten, wo wird die Notdurft verrichtet? Hier ziehe ich den Mantel an und gehe über den Hof auf das Plumpsklo. Sie lächelte über ihren Gedanken. Na ja und dort? Auch wird die Überfahrt lange dauern, sodass eine Menge an Lebensmitteln und Trinkwasser mitgenommen werden muss. Das kann man ja gar nicht solange frisch halten! Dann sah Franziska sich in Australien und, und, ... und endlich schlief sie ein.

Martins Gedanken waren ähnlich. Er hatte Angst vor schweren Unwettern, sah Schiffe kentern und betrunkene Matrosen, die sich an seiner Frau vergriffen. Menschenmassen in dem Hafen von Australien, wodurch sie getrennt würden. Jeder suchte jeden. Martin schwitzte unter seiner Bettdecke vor Angst, sodass er diese wendete. Jetzt lag die kalte Seite auf ihm, es tat gut, und er schlief ruhig ein.

Doktor Wagner ging nach Hause. Unterwegs traf er Pfarrer Thörel. „Guten Abend Pfarrer, so spät unterwegs?“

„Ja, ich hatte einiges in der Kirche zu erledigen. Kommen sie von den Winters?“

„Ja.“

„Wie geht es ihnen?“

„Tja“, er hob die Schultern „ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich mit den Tatsachen abzufinden.“

„Ja, ja, es ist schon traurig, wie hart bei manchen das Schicksal zuschlägt, und trotzdem verlieren sie nicht den Glauben an Gott.

Nun wird es aber Zeit für mich. Gute Nacht, Doktor, wie sie wissen, habe ich noch einen weiten Weg bis nach Kittendorf. Wie oft habe ich bereits angefragt, ob man mir ein Zimmer hier im Ort geben könnte. Aber da stoße ich wahrscheinlich immer auf taube Ohren.“

„Ach, Pfarrer Thörel, einen Moment bitte, ich hätte da eine Idee. Würden Sie sich bitte etwas Zeit nehmen und mit zu mir auf einen Grog kommen? Ich glaube nämlich, ich könnte die Lösung für ihr Problem haben.“

Der Pfarrer blieb überrascht stehen. Er wirkte interessiert.

Hoffnungszeichen

Am späten Vormittag kam Peter zur Familie Winter. Er untersuchte Sabrina, da sie seit den frühen Morgenstunden stark hustete. „Ich will keine Panik verbreiten, aber so harmlos fing es bei Robie auch an.“

Martin griff nach Franziskas Händen, als suchte er Halt und sagte: „Wir haben uns gestern Abend lange unterhalten und glauben, dass die Idee von dir gut ist, wir wollen es versuchen.“

„Na prima, auch ich war nicht faul gewesen. Ohne auf eure Zustimmung zu warten, konnte ich erfahren, wer euch helfen könnte. Es gibt jemand, der an eurem Häuschen interessiert wäre.“

„Du meinst, dieses hier?“, sie machte mit ihren Armen einen großen Kreis, um ihren Besitz mit dieser Gestik einzugrenzen „will wirklich jemand kaufen?“

„Ja, und diesen Jemand kennt ihr sogar sehr gut.“ Peter amüsierte sich über die ungläubigen Gesichter.

„Also, kurz gesagt, seid ihr endlich auf der Gewinnerseite. Ihr wisst, dass unser Pfarrer täglich den weiten Weg, bei Wind und Wetter, zu Fuß macht. Im Sommer mag es ja gehen, da fährt er mit dem Fahrrad. Aber im Winter und in der Übergangszeit fällt es ihm sehr schwer. Er ist nicht mehr der Jüngste. Er trägt sich schon seit längerem mit dem Gedanken, hier ein Haus zu finden. Er findet es gut, dass euer Grundstück an das der Kirche grenzt. Daher hätte nicht nur der Pfarrer selbst, sondern auch die Kirche Interesse daran. Es ist doch allgemein bekannt, dass die nicht gerade arm sind.“

Martin und Franziska waren sprachlos. Sie hatten nicht geahnt, dass es so schnell gehen könnte. Natürlich wussten sie, dass sie alles nur ihrem gemeinsamen Freund Peter zu verdanken hatten. Er hatte ein gutes Gespür, wenn es an die Lösung von Problemen ging.

Als Pfarrer Thörel erfuhr, dass die Winters Haus und Hof verkaufen wollten, war er natürlich sehr interessiert daran. Am nächsten Tag fuhr er nach Reuterstadt-Stavenhagen, um sich beim Kirchenamt zu erkundigen. Und er hatte erreicht, dass sie das Grundstück mit dem Haus kaufen würden. Nach einer Objektsbesichtigung sollte mit dem Ehepaar ein Kaufvertrag ausgehandelt werden.

Zwei Tage später kam der Pfarrer mit einem Vertreter der Kirche. Sie sahen sich die Substanz des Hauses an und das dazugehörige Grundstück. Von dem schönen Garten wusste nur der Pfarrer, denn zurzeit lag alles unter einer dicken Schneeschicht versteckt. Der Pfarrer und der kirchliche Vertreter traten beiseite und sprachen leise miteinander. Als Beobachter könnte man sogar denken, sie diskutieren heftig.

„Das sieht nicht gut aus“, meinte Martin.

„Warte ab und urteile nicht vorschnell. Schließlich weiß Pfarrer Thörel, worum es bei euch geht. Vertrau ihm. Ich glaube, er versucht nur einen guten Preis für euch zu erzielen.“

Als dann endlich die beiden Männer auf die ungeduldig Wartenden zukamen, meinte der Pfarrer: „Tja, also wir sind zu folgendem Schluss gekommen. Die benachbarte Lage zur Kirche ist auf jeden Fall der ausschlaggebende Faktor, und das Häuschen selbst befindet sich in einem äußerst guten Zustand. Daher sind wir der Meinung – also wir haben uns geeinigt, dass für alles 10.000 Reichsmark ausreichend wären.“

Die Summe schlug wie eine Bombe ein. Peter dachte im ersten Moment, dass beide in Ohnmacht fallen. Franziska fand als Erste ihre Sprache wieder: „Ich glaube im Namen meines Mannes sprechen zu können, dass wir damit einverstanden sind, und wir fühlen uns sehr geehrt.“ Dabei sah sie Martin an, und ein Lächeln huschte über ihre Lippen.

„Entschuldigen Sie bitte“, sagte der fremde Herr „ich hatte versäumt, ihnen mein aufrichtigstes Beileid auszusprechen.“ Mit einem kaum sichtbaren Diener holte er das Versäumte nach und verabschiedete sich auch gleich von der Familie.

Als sie mit Peter allein waren, fragte Martin: „Reicht das für die Überfahrt?“

„Ich weiß es nicht genau, ich warte noch auf eine Nachricht aus Bremerhaven“, sagte Peter. Er versprach, sobald er eine Nachricht erhielt, ihnen das Ergebnis mitzuteilen. Bevor er ging, sagte er: „Der Husten sitzt sehr fest, das macht mir große Sorgen. Es wäre gut, wenn bald ein Schiff ablegen würde, mit dem ihr fahren könnt, weil die Zeit drängt.“

Der Pfarrer hatte es mit dem Umzug nicht eilig, sodass die kleine Familie in Ruhe alles Notwendige erledigen konnte.

Peter hatte immer noch nichts über die Preise der Überfahrt erfahren. Vor allem wollte er wissen, wann das nächste Schiff nach Australien ablegen würde. In der Zwischenzeit erledigten sie die Formalitäten, die notwendig waren, um das Grundstück der Kirche zu überschreiben. Ebenso die vielen Kleinigkeiten, die abgearbeitet werden mussten und viel Zeit in Anspruch nahmen. Pfarrer Thörel war ihnen, wann immer er benötigt wurde, stets behilflich. Bei den Behörden in Reuterstadt-Stavenhagen meldeten sie sich schon ab. Nur das Datum wurde freigelassen, und sie erhielten die erforderlichen Papiere, die sie für die Überfahrt benötigten. Auch packten sie einiges in Kisten, wie das Geschirr, an dem Franziska sehr hing. Sie hatten es zur Hochzeit von den Bewohnern des Waisenhauses bekommen. Ansonsten fanden nur Kleidungsstücke in den zwei Kisten Platz. Als Franziska davor stand, staunte sie nur, wie wenig doch mitnehmenswert war.

Endlich meldete sich Peter. Ganz außer Atem vom schnellen Laufen sagte er: „Mein Gott, ich hätte nicht erwartet, dass es so schnell gehen kann“, dabei rieb er sich sichtlich erleichtert die Hände. „Ihr müsst euch sogar beeilen, denn am 14. März legt ein Frachtschiff von Bremerhaven ab, mit dem Ziel Australien-Brisbane. Ihr habt nur zwei Wochen Zeit, um pünktlich dort zu sein.“

„Fein, wir haben bereits alles, was mitzunehmen ist, in zwei Kisten gepackt und sind eigentlich fertig“, erwiderte Franziska stolz.

„Aber ein Problem gibt es noch“, sagte Peter zögernd.

„Ich verstehe dich nicht. Erst redest du von Beeilung und nun sieht es aus, als weißt du nicht, wie es weitergehen soll.“

„Genau so ist es, Martin. Es ist mir tatsächlich nicht klar, wie ihr so schnell nach Bremerhaven kommen könnt. Ich dachte, es sei das Beste, wenn ihr per Anhalter fahrt, weil diese Art des Reisens am billigsten ist.“

„Aber wir haben doch das Geld!“

„Ja, Franziska, das habt ihr, davon soll die Überfahrt bezahlt werden. Außerdem habt ihr eine eigene Kabine, sofern ihr das Schiff pünktlich erreicht. Ich erfuhr, dass es auch noch preiswertere Überfahrten gibt, aber da fahren die Menschen zu Hunderten mit. Es ist demnach ein gewisser Luxus in diesem Preis mit eingeschlossen. Dazu kommt noch, dass man mir nicht sagen konnte, wann eine solche preiswertere Überfahrt möglich wäre. Und diese Zeit habt ihr nicht!“

„Gut fahren wir also mit etwas Luxus.“

Peter erzählte weiter: „Das Geld, was nach der Bezahlung der Überfahrt übrig wäre, ist zu wenig, um in Australien einen Neuanfang zu starrten.“

„Soll ich es so verstehen, dass wir nun hier bleiben sollen, aber ...“

„Nein“, fiel Peter ihm ins Wort, „ich möchte euch einen Vorschlag machen, aber bitte, bevor ihr mir widersprecht, lasst mich zu Ende reden.“ Er machte eine kleine Pause, um seinen Worten Bedeutung zu geben. „Also, das Geld, was euch übrig bleibt, könnt ihr nicht als, na sagen wir mal – Reisegepäck – mitnehmen. Es ist viel zu gefährlich und wie schon gesagt, ebenso zu wenig.“ Er sah in fragende Gesichter. „Ich habe mir folgendes gedacht. – Zu den 10.000,00 Reichsmark lege ich von meinen Ersparnissen noch 10.000,00 dazu. Ich überweise meins und das übrige von euch telegraphisch auf eine Bank nach Brisbane. Dort lasse ich ein Konto auf euren Namen einrichten. Wenn ihr dann an eurem Ziel seid, könnt ihr über das Geld verfügen und euch eine Existenz aufbauen. Ihr könnt es mir zurückzahlen, wenn ihr auf der anderen Seite der Welt Fuß gefasst habt. Lasst euch Zeit damit, es eilt nicht, ich vertraue euch. Außerdem glaube ich, dass mein Geld auf diese Weise sicher außer Landes kommt. Keiner weiß so genau, wie das hier noch endet. Es werden immer öfters Stimmen gegen die Juden laut. Da ich Jude bin, tut ihr mir damit eigentlich einen großen Gefallen, wenn ihr mein Angebot annehmt.“

„Womit haben wir nur soviel Glück und Güte verdient?“, war Martins Antwort auf diesen Vorschlag.

„Was heißt hier Glück“, erinnerte Peter „reichen dir nicht drei Beerdigungen?“

Franziska weinte.

„Um eure Gräber wird sich der Pfarrer kümmern. Ich helfe ihm dabei. Es kann sein, dass ich mich später auch irgendwie absetzen muss. Ich habe mir für die nächste Zeit eine Vertretung besorgt. Dadurch bin ich in der glücklichen Lage, euch bis nach Bremerhaven zu begleiten. Ich werde erst zurückfahren, wenn ihr auf dem Schiff seid und es abgelegt hat.“

Sie diskutierten noch lange an diesem Tag, und als sie abends am warmen Ofen saßen, fragte Franziska: „Wo hat er nur das viele Geld her? Ich meine, er ist nur vier Jahre älter als du. So viele Gelegenheiten zum Geldverdienen gibt es hier nicht!“

„Er erzählte mir, dass er eine Erbschaft gemacht hatte. Es war eine sehr alte Patientin. Sie hatte keine Angehörigen, lebte völlig allein und zurückgezogen. Damit er sich besser um sie kümmern konnte, zog er mit in ihr Haus und pflegte sie so gut er konnte. Als Dank dafür vererbte sie ihm das Haus und eine größere Menge Geld. Aber wie hoch der Betrag war, den sie ihm hinterlassen hatte, erwähnte er mir gegenüber nie. Ich bin stolz darauf, so einen edelmütigen Freund zu haben. Obwohl er sagt, dass wir ihm mit der Annahme des Geldes einen Gefallen tun, vermute ich, dieser Gedanke steht bei ihm erst an zweiter Stelle. Vielleicht sagte er es nur, weil er befürchtete, dass wir sein Angebot ausschlagen könnten. Na, wie auch immer, ich bin ihm dankbar dafür.“

„Ja, auch ich bin stolz auf so einen aufrichtigen Freund. Was meinst du“, fragte Franziska mit ängstlicher Stimme „könnten die kommenden Jahre wirklich gefährlich für Peter werden, weil er Jude ist?“

„Ich weiß es nicht genau, Franziska, aber man hört immer öfter, dass in Deutschland etwas Schlimmes passieren wird. Vor allem in den Großstädten werden die Stimmen gegen die Juden immer lauter. Dort werden sogar nachts ihre Geschäfte geplündert oder abgebrannt, und die Gestapo hilft nicht, im Gegenteil, sie schützt die Täter.“ Martin rieb sich nachdenklich sein Kinn und sprach weiter: „Vielleicht wäre es für Peter besser, wenn er mit uns auswandern würde. Aber er hat sicher schon selbst an diese Möglichkeit gedacht und hat gute Gründe hierzubleiben.“

„Wollen wir es ihm nicht wenigstens anbieten?“, meinte Franziska. „Vielleicht denkt er nur, dass er uns zur Last fallen könnte, bei einer so langen Reise.“

„Du hast Recht, ich werde ihn danach fragen.“

Die letzten Tage vergingen wie im Fluge. Peter fand nun doch noch eine günstige Mitfahrgelegenheit. Zum Abschied kamen viele Bewohner von Jürgenstorf. Man hörte von vielen, die ausgewandert sind, aber nach Australien war aus diesem Ort noch keiner aufgebrochen. Jedem war klar, es war ein Abschied für immer; sie wünschten sich gegenseitig viel Glück und Gesundheit.

Ein Fuhrwerk von Bauer Kopsch nahm die vier Personen und zwei Kisten mit bis nach Malchin. Es war sehr kalt auf dem Wagen. Inzwischen schneite es nicht mehr, aber der eisige Wind machte auf dem offenen Wagen allen zu schaffen. Am Abend waren sie in Malchin angekommen. Die Verwandten von Bauer Kopsch kümmerten sich liebevoll um die Reisenden und versorgten sie gut. Der Bruder von Herrn Kopsch organisierte noch an diesem Abend die Weiterfahrt.

Am nächsten Morgen gab es ein gutes Frühstück für alle: Brot und Eier mit Speck und heißen Kaffee. So gut und ausgiebig hatten Martin und Franziska schon lange nicht mehr gefrühstückt, und sie bekamen noch ein großes Proviantpaket mit. Da in Bremerhaven eine Ladung Viehfutter zur Abholung bereit lag, beauftragte Herr Kopsch einen Knecht, diese Lieferung dort mit dem Auto abzuholen. Der Goliat war ein Auto mit drei Rädern. Vorn war ein Rad und hinten zwei. Und die Ladefläche hatte kein Verdeck. Weiterhin war der Goliat von vorn bis hinten mit Sperrholzplatten verkleidet. Herr Kopsch erklärte dem Knecht Willi, dass er die vier Personen nach Bremerhaven mitnehmen sollte. „Du kennst die Übernachtungsmöglichkeiten bis dahin. Entscheide selbst, welche du nutzt. Warte in Bremerhaven, bis das Schiff abgelegt hat. Den Doktor bringst du wieder mit zurück.“

Alle saßen auf der Ladefläche in Decken eingewickelt. Die Straßen waren größtenteils stark verschneit, sodass das Auto nur langsam vorankam. Sie schafften ungefähr dreißig Kilometer die Stunde. Zweimal mussten Willi, Martin und Peter zur Schaufel greifen, um die Straße von höheren Schneewehen zu befreien.

In Schwerin klingelte Willi an einer Tür. Ein Mann öffnete, und sie wechselten ein paar Worte miteinander. Der Fremde kam auf das Auto zu und sagte: „Guten Tag, mein Name ist Peters, ich bin der Besitzer dieser Herberge. Kommen Sie bitte schnell herein, damit sie sich aufwärmen können. Meine Güte, da ist ja ein Kind dabei.“

„Ja, es ist meine Tochter, sie heißt Sabrina“ erklärte Martin stolz.

Es ist aber auch meine Tochter, dachte Franziska und verzieh im gleichen Moment ihrem Mann diese Nachlässigkeit.

„Geben Sie mir bitte das Kind, ich trage es ins Haus. Meine Frau kann gleich warmes Wasser in die Wanne füllen, damit das Kind keine Erkältung bekommt.“

Martin half seiner Frau von der Ladefläche. Alle, bis auf Willi, folgten Herrn Peters in das Haus. Willi verstaute noch das Gepäck im Schuppen.

„Lisa, schau, wen ich dir hier bringe – einen kleinen Schneemann oder besser gesagt, eine Schneefrau – sie ist durchfroren. Stecke sie schnell in die Badewanne.“

Frau Peters nahm ihrem Mann das Kind ab und ging mit Sabrina ins Bad. Die anderen machten es sich bequem und aßen einen Teller heiße Suppe. Sabrina aß ihr Süppchen später, und danach wurde sie gleich ins angewärmte Bett gebracht.

Familie Winter erzählte, wohin die Reise gehen sollte, und Familie Peters hörte gespannt zu.

Als Herr Peters am Abend die dritte Flasche Wein öffnete, wurde seine Zunge etwas locker. „Australien, hm, das wäre auch etwas für mich, aber ich glaube jedoch, in den nächsten Jahren wird es hier in Deutschland zu interessant, um wegzugehen.“

„Wieso?“, fragte Martin.

„Na ja, ich meine die Sache mit den Juden. Hier wird bald damit aufgeräumt werden. Es wird Zeit, denn die breiten sich hier aus wie die Pest.“

Doktor Wagner war sehr still geworden.

Franziska dachte: Hoffentlich merkt es keiner. Peter setzt sein Leben aufs Spiel, nur um uns zu begleiten. Ich weiß nicht, wie Juden aussehen oder an was man sie erkennt. Peter sieht doch aus wie jeder andere. Er hat schwarze Haare und braune Augen. Das einzige, was an ihm etwas anders ist, wäre seine Nase. Sie verkörpert das, was man sich unter einer typischen Hakennase vorstellt.

„Wollen wir ins Bett gehen?“, unterbrach Martin die Gedanken seiner Frau. Sie nickte, und beide standen auf.

Auch Peter erhob sich: „Ich werde ebenfalls schlafen gehen, aber vorher schaue ich noch zu Sabrina.“

Sie gingen nach oben auf ihre Zimmer.

Franziska sagte: „Peter ...“

„Pst“, machte Peter und legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Er nahm einen Zettel aus seiner Tasche und schrieb darauf.

Erwähnt die Sache mit keinem Wort. Es könnten überall Wanzen versteckt sein. Wir reden morgen im Auto darüber.

Martin nickte und steckte den Zettel in das Feuerloch.

Peter untersuchte Sabrina, aber sie schlief so fest, dass sie dadurch gar nicht wach wurde. „Die Lunge ist nicht frei. Ich werde morgen mit Willi reden, denn es ist unverantwortlich, sie weiter der Kälte auszusetzen. Es wäre besser, wenn sich Franziska mit ihr ins Fahrerhaus setzt.“

„Daran hätte ich heute früh selbst denken können“, erwiderte Martin.

Als beide im Bett waren, lagen sie still neben einander und schliefen mit ihren Gedanken bald ein.

Am nächsten Morgen kamen sie nur bis Ludwigslust, dann streikte das Auto. Da die dortige Werkstatt das entsprechende Teil nicht am Lager hatte, musste es erst in Hamburg bestellt werden. Somit wurde die Weiterreise zwangsweise unterbrochen.

Sabrina lag während dieser Zeit im Bett.

„Was machen wir, wenn das Teil nicht rechtzeitig hier ist?“, fragte Martin Willi.

„Keine Ahnung“, kam die Antwort kurz und knapp zurück. Willi war nicht gerade ein unterhaltsamer Mensch.

Sie machten das Beste aus dieser Situation und erledigten in der Stadt noch einiges. Franziska kaufte Obstkonserven, Zwieback, auch Schokolade. Peter hatte ihr erzählt, dass die Soldaten immer Schokolade als Proviant bei sich hatten. Er sagte, dass es als ‚Nervenfutter’ diente. Die Idee fand sie gut, denn man weiß ja nie. In einer Apotheke kaufte sie auf Peters Rat hin verschiedene wirksame Medikamente gegen Fieber und Husten.

Am Nachmittag des vierten Tages kam Willi mit einer frohen Botschaft: „Heute wird das Auto repariert, und morgen früh können wir weiterfahren.“

Franziska verstaute die Konserven in den Kisten. Zum Glück war in jeder noch ein wenig Platz vorhanden.

Endlich ging es weiter.

Ohne größere Probleme kamen sie in Bremerhaven an. Der erste Weg führte sie zur Hafenmeisterei.

„Guten Tag, mein Name ist Winter, und wir haben auf einen Ihrer Frachtschiffe für drei Personen gebucht.“

„Nun sagen Sie mir erst, wo es hingehen soll. Wir haben viele Schiffe, auf denen Fahrgäste buchen können.“

„Entschuldigung, wir wollen nach Australien, nach Brisbane“, sagte Martin.

Der Mann hinter dem Schalter suchte in seinen Unterlagen. Er ließ sich dabei sehr viel Zeit. Martin wurde unruhig, es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

„Wie war der Name?“

„Winter“, antworteten beide gleichzeitig.

„Ja, hier steht dreimal Winter. Sie legen am 14.März mit dem Frachter Marie-Ann ab. Sie machen Halt in Kapstadt, Colombo, Perth, Sydney und dann an Ihrem Ziel, Brisbane. Sie bezahlen Ihre Überfahrt direkt beim Kapitän. Sein Name ist, äh ... Moment äh, ach hier steht es, Kapitän Ignatz.“ Er übereichte Martin die Reiseunterlagen. „Sie haben noch einen Tag Zeit und finden bis zur Abreise im Überseeheim Unterkunft.“

„Könnten dort noch zwei Herren zusätzlich unterkommen?“

„Fahren sie auch mit?“

„Nein, sie haben uns hierher begleitet und wollen erst zurück, wenn wir abgelegt haben“, erklärte Martin.

„Natürlich, melden Sie sich bitte bei der dortigen Rezeption an.“

Auf dem Weg zum Überseeheim nahmen sie einen Umweg in Kauf, um sich die Schiffe anzusehen.

„Marie-Ann“, lass Peter laut vor, der als Erster das Schiff entdeckt hatte „was für ein Riese.“

„Ja“, meinte Franziska beeindruckt „so groß hätte ich es mir nicht vorgestellt.“

„Kommt, wir setzen uns einen Moment auf die Bank!“ meinte Martin etwas erschöpft, weil er die ganze Zeit Sabrina getragen hatte. Ein Glück, dass die Bank hier steht, dachte Martin, es wird Zeit, dass ich mich setzen kann. Hoffentlich merkt keiner, dass es mir nicht so besonders geht. Warum ist mir so schwindelig, irgendetwas stimmt nicht? Vielleicht geht es mir auf dem Schiff besser, die frische Seeluft wird mir sicher gut tun.

In der Menschenmenge entdeckten sie Willi, der seine Fracht abgeholt hatte und diese in einem speziellen Lager unterbringen wollte. Obwohl es kalt war, spürte man die Märzsonne angenehm im Gesicht. Seit heute früh war der Schnee fast weggetaut. Überall war Matsch und Schlamm. Nach der kleinen Pause ging es weiter. Hafenarbeiter liefen geschäftig hin und her, transportierten große Kisten mit Kränen, von den Schiffen und zurück. Zwischen den Arbeitern waren viele Auswanderer mit ihrem Gepäck zu erkennen.

Im Überseeheim nahmen sie nur ein Zimmer, weil es billiger war. Für Peter und Willi besorgte Martin zwei klappbare Feldliegen, die er im Zimmer aufstellen wollte.

Am Abend, als Franziska in der Gemeinschaftsküche das Essen vorbereitete, traf sie mit vier Frauen zusammen. „Fahren Sie auch nach Australien?“, wollte Franziska wissen.

„Australien – neiiin, wir wandern nach Amerika aus, dort ist es schon etwas zivilisierter als in Australien! Wir gehen in Quebec an Land und wollen weiter nach Norden – nach Kanada. Dort kommt es zwar hin und wieder zu Problemen mit den Indianern, aber wie ich hörte, ist es in Australien viiiel schlimmer.“

„Ja“, meinte die andere „die Ureinwohner sollen seeehr gefährlich sein!“

Franziska sagte gar nichts dazu und ging verwirrt mit ihren belegten Broten auf das Zimmer. Beim Essen sprach sie mit den Männern über die Äußerungen der Frauen.

„Klar“, meinte Peter „gibt es immer noch Überfälle, aber diese gibt es überall auf der Welt. Da könnte man nirgendwohin. In Australien sind es die Aborigines, in Nordamerika die Indianer und in Deutschland“, flüsterte er weiter „sind es die Nazis.“

Peter stellte zufrieden fest, dass sich der Husten bei Sabrina ein wenig gelöst hatte. Demnach hat die Medizin angeschlagen, aber vielleicht ist es auch die gute Seeluft hier.

In der Nacht wurde es wieder schlimmer. Damit die anderen ungestört schlafen konnten, wickelte Martin seine Tochter in eine Decke und setzte sich mit ihr auf die Bank im Flur. Es war sehr ruhig im Überseeheim, so dass Sabrina in seinem Arm einschlief. Martin schlief nur zeitweise. Als er wach wurde, bemerkte er wieder dieses eigenartige Schwindelgefühl, und das Atmen war schmerzhaft.

Eigentlich vermutete Franziska, dass sie nicht schlafen konnte, jedoch war das Gegenteil der Fall. Die Ereignisse der letzten Tage forderten ihren Tribut. Sie schlief durch bis vier Uhr. Es war dunkel, aber es kam ihr vor, als käme Helligkeit durch die Fenster. Sie stand auf, hing sich den Mantel um die Schultern und ging zum Fenster. Ah, es hatte wieder geschneit und sogar viel. Ihr Blick fiel auf den Hafen mit den vielen Lichtern und dem dunklen Meer dahinter. Es sah so schwarz und unheimlich aus.

Was wird hinter dem Hafen liegen, weit dahinter? Gibt es dort ein Land der Hoffnung? Sie drehte sich um, weil sie nach ihrer Tochter sehen wollte. Aber wo ist sie, Martin ist auch weg? Ah, Peter liegt da und schläft, dann ist zum Glück nichts Ernsthaftes passiert, dachte Franziska. Sie wollte trotzdem wissen, wo die beiden waren und schaute auf dem Flur nach ihnen.

Martin saß schlafend auf der Bank und hatte den Kopf an die Wand gelehnt. Auf der Bank lag Sabrina zugedeckt und hatte ihren Kopf auf Martins Oberschenkel liegen. Er erwachte: „Sie hatte stark gehustet, und damit ihr alle schlafen konntet, bin ich mit ihr raus gegangen.“

„Danke, Schatz, den Schlaf habe ich auch dringend gebraucht. Leg dich noch zwei Stunden ins Bett. Ich bleibe hier. Übrigens hat es die ganze Nacht geschneit. Ich bin vielleicht froh, wenn wir die Kälte hinter uns haben.“

Zehn Uhr waren sie mit allem fertig. Im Hafen waren heute viele Unruhen. Es wurden Parolen gegen die Juden laut. Willi holte seine Ware ab, und die anderen gingen an Bord der Marie-Ann.

„Peter, willst du nicht lieber mit uns kommen, du kannst es dir doch leisten, was ist, wenn das alles eskaliert?“

„Ach Martin, es ist nett von dir gemeint, aber so schlimm wird es schon nicht.“

„Hoffentlich hast du Recht, in Jürgenstorf merkt man ja davon noch nichts, aber hier in Bremerhaven kommt es einem vor, als läge die Gefahr bereits in der Luft.“

„Macht euch um mich keine Sorgen. Konzentriert euch lieber auf das, was vor euch liegt. So nun wollen wir den Kapitän suchen und eure Überfahrt bezahlen.“

Kapitän Ignatz stand an der Reling und begrüßte seine wenigen Gäste. Es kam noch ein weiteres Ehepaar an Bord. Später stellte sich heraus, dass es Juden waren. Sie hatten zwei große Söhne mit, ungefähr im Alter von fünfzehn Jahren. Sie wollten nur bis Kapstadt mitfahren.

Nach dem das Finanzielle erledigt wurde, suchten sie ihre Kabine auf. „Nummer dreizehn, hoffentlich ist das kein schlechtes Omen“ flüsterte Franziska mehr für sich, aber Martin hörte es.

„Seit wann bist du abergläubisch?“, scherzte er.

Peter äußerte sich nicht dazu. Ihm entging auch nicht, dass Martin anders war, irgendetwas überspielte er. Martin lachte und unterhielt sich mit den anderen, aber trotzdem schien er oft abwesend zu sein. Aber nicht so wie Franziska, die schon in Gedanken auf hoher See oder in Australien weilte. Als die Männer alleine waren, sprach Peter ihn daraufhin an: „Martin, ich mache mir deinetwegen Sorgen, hast du Probleme?“

„Ach, es ist nichts, mir geht es gut. Es ist die Aufregung auf das Kommende.“

„Das verstehe ich, Martin“, gab Peter zur Antwort.

Martin war froh, das Thema vom Tisch zu haben, und er dachte: Na, das würde mir fehlen, dass Peter was bemerkt. Franziska hat genug Sorgen wegen Sabrina. Sicher geht es mir besser, sobald wir in wärmere Gebiete kommen.

Als der Kapitän ein zweites Signal ertönen ließ, umarmte Peter Martin und sagte: „Es wird langsam Zeit für mich. Passt auf euch auf, und du besonders auf deine zwei reizenden Damen. Sie sind etwas ganz Besonderes. Ich habe dich schon immer darum beneidet.“

Peter ahnte nicht, dass er ein paar Jahre später, an gleicher Stelle das Land verlassen musste.

Franziska liefen die Tränen. Sie hatte einen Kloß im Hals und das Gefühl, er drücke ihr die Kehle zu. „Peter, pass auf dich auf. Geh kein Risiko ein und komm uns nach, wenn du der Meinung bist, es könnte gefährlich für dich werden. Peter, wir beide haben dich als Freund sehr lieb.“ Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und weinte die bittersten Tränen.

Martin umarmte beide.

„Versprochen! Schreibt mir, wie ihr angekommen seid. Es wird dauern, bis ich eure Post erhalte, aber ich freue mich jetzt schon auf Nachricht von der anderen Seite der Welt.“ Zu Franziska meinte er: „Die Medizin wird noch reichen, bis ihr in wärmere Gebiete kommt. Achte darauf, dass sie diese Medikamente regelmäßig einnimmt. Die salzhaltige Luft wird ihr sehr gut tun. Wenn es das Wetter zulässt, haltet euch auf dem Außenbereich der Decks auf.“

„Ich danke dir, Peter, für alles was du für uns getan hast. Ohne dich wären wir jetzt nicht hier“, sagte Martin zum Abschied.

Kapitän Ignatz kam und rief: „Besucher müssen jetzt von Bord. Sind Sie Doktor Wagner?“

„Ja.“

„Am Kai steht ein Fahrzeug, Sie werden dort erwartet.“

„Danke Kapitän.“

Als Peter von Bord der Marie-Ann ging, ertönte das dritte und letzte Signal. Es war das Zeichen für die Abfahrt. „Willi, können wir noch warten, bis das Schiff ausgelaufen ist?“

„Na klar, wir haben Zeit. Mir lag nur daran, dass Sie nicht in die tobende Menge da vorn geraten. Man kann ja nie wissen, was da passiert.“

Peter staunte nicht schlecht über die lange Rede von Willi.

Hafenarbeiter lösten die Taue und warfen sie auf das Deck des Schiffes, wo tüchtige Matrosen diese fachmännisch verstauten. An der Reling standen die wenigen Passagiere und winkten zum Abschied den Zurückgebliebenen.

Franziska schaute auf die verschneite Stadt. Es sah schön aus, und trotzdem dachte sie: Oh du Kälte, du nimmst mir niemand mehr weg, den ich liebe – nie mehr!

„Onkel Peter, Onkel Peter“, rief Sabrina.

Martin musste sie richtig festhalten, sonst wäre sie vielleicht hinuntergesprungen.

Peter schmerzte es sehr. Noch lange stand er dort und winkte mit seinem Taschentuch.

Als das Schiff kaum noch zu erkennen war, stieg er in das Auto ein.

Der Motor startete.

Leben und Tod an Bord

Man konnte Peter kaum noch erkennen, als die Drei an der Reling standen und winkten.

Ihre Kabine war klein, aber vorteilhaft eingerichtet. Es gab vier Kojen. Diese waren in die Wand eingearbeitet und jeweils zwei übereinander. Sabrina wollte unbedingt oben schlafen. Franziska musste schmunzeln.

„Worüber amüsierst du dich, Liebling?“

„Sehen sie nicht aus wie die Gitterbetten?“

„Ich glaube, du wirst diesen Schutzbalken noch schätzen lernen. Stell dir vor, wir geraten in einen Sturm“, Martin fasste den Querbalken an und rüttelte daran „mit diesem Ding fällst du dann wenigstens nicht aus dem Bett.“

Franziska zog nachdenklich ihre Stirn in Falten.

Hm, das wäre wirklich eine logische Erklärung dafür, dachte sie.

An der Wand gegenüber von den Kojen war ein langes Sideboard. Darüber hing ein großer Spiegel. Der Tür gegenüber war das Bullauge. Davor stand ein Tisch mit vier Stühlen, die man nicht verrücken konnte. Links neben der Tür befand sich ein Waschbecken und in der Ecke war eine Toilette mit Wasserspülung. Ah, Wasserspülung, ging Franziska durch den Kopf, und ich dachte an etwas Ähnliches wie ein Plumpsklo.

Nach dem zweiten Tag auf See wollte Franziska gar nicht aufstehen. Sie sehnte sich nach einem Fleckchen, das nicht schwankt. Aber so etwas gab es auf dem Schiff nicht. Nach dem Frühstück musste sie sich gleich übergeben und blieb daher im Bett liegen. Sie war seekrank.

Am darauf folgenden Tag erwischte es Martin.

Der Kapitän beauftragte den Matrosen Rainer, sich um das Ehepaar und das Kind zu kümmern.

Auch der anderen Familie an Bord erging es ähnlich. Sabrina störte das Schaukeln des Schiffes nicht. Zur Freude aller wurde sie von Tag zu Tag gesünder. Sie fühlte sich auf dem Schiff sehr wohl und kannte sich bald überall aus. Sabrina hatte das Herz vom Kapitän Ignatz im Sturm erobert. Er stand am Ruder und schaute sich die Untiefen auf den Karten an. Langsam ging die Tür auf, und ein blonder Lockenkopf schaute herein.

„Darf ich dir zusehen?“, fragte Sabrina.

„Na los, komm rein, du kannst mir helfen. Schau dir das große Steuerrad an, ich kann das gar nicht mehr alleine halten.“ Er ließ das Steuerrad los, sodass es sich ein Stück zurückdrehte. Sabrina erschrak und rannte auf das Steuerrad zu, um es mit Hilfe des Kapitäns wieder in die vorherige Position zu bringen.

„Du hast jetzt aber Glück gehabt, dass ich gerade da war und dir schnell helfen konnte.“

„Ja, das sehe ich auch so, du bist mir eine große Hilfe.“

„Was ist das?“ Sabrina zeigte auf das Fernrohr.

„Schau durch und sage mir, was du siehst.“

Es dauerte ein Weilchen, bis sie etwas sagte, denn es war das kindliche Staunen, was sie am Reden hinderte.

„Der Vogel ist ganz nah, die Wolken auch.“

„Na warte erst ab, wenn Land zu sehen ist. Da kannst du echt staunen. Wenn es soweit ist, sage ich es dir.“

„Wann wird das sein?“

„Wenn wir an den Kanarischen Inseln vorbeikommen.“ Ein Blick auf das Barometer sagte ihm, dass sich das Wetter bessern wird und somit eine ruhigere See zu erwarten war. Das ist gut für die seekranken Passagiere, dachte der Kapitän.

Sabrina strich sich eine widerspenstige Locke aus ihrem Gesicht und schaute den Kapitän an.

„Weißt du“, sagte sie „du siehst aus wie der Weihnachtsmann, bist du der?“

„Nein, der Weihnachtsmann hat doch einen viel längeren Bart als ich, und außerdem sind seine Haare weiß und meine sind grau.“

Ja, das überzeugte Sabrina, dass sie es nicht mit dem Weihnachtsmann zu tun hatte.

„Wie geht es heute deinen Eltern?“

„Ich weiß es nicht, als ich aufstand, schliefen sie noch, ich wollte nicht stören.“

„Das ist lieb von dir. Lass sie am besten in Ruhe, es wird ihnen sicherlich bald besser gehen.“ Der Kapitän hatte zwei Matrosen abgestellt, zur Pflege der beiden Familien. Da die See ruhig war, konnte er leicht auf beide verzichten. Matrose Rainer besaß medizinische Kenntnisse. Er kümmerte sich um das Ehepaar Winter.

Franziska öffnete die Augen. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war. Ach ja, ich bin doch seekrank, dachte sie, aber heute geht es mir besser. Sie wollte sich im Bett aufsetzen, doch im gleichen Augenblick griff sie sich an den schmerzenden Kopf. Alles drehte sich wieder.

Es klopfte an der Tür, und der Matrose trat ein. Franziska hatte ihn hin und wieder gesehen. „Guten Morgen, wie es aussieht, geht es Ihnen heute wesentlich besser. Ich wollte Sie soeben mit kaltem Wasser abreiben! Haben Sie schon Appetit auf ein leichtes Frühstück?“

„Mir ist noch etwas schwindelig, aber wenn ich liege, geht es mir gut. Hunger habe ich keinen, aber Durst.“

„Ihr Wunsch ist mir Befehl“, lächelte er „übrigens, nennen Sie mich bitte beim Vornamen, ich bin Rainer.“ Er ging aus der Kajüte und als er zurückkam, hatte er eine Tasse kalten Tee mitgebracht. „Aber jetzt muss ich mich um Ihren Mann kümmern. Frau Winter, ich möchte Sie ja nicht unnötig beunruhigen, aber ich habe den Verdacht, als ob es Ihrem Mann von Tag zu Tag schlechter geht.“

Franziska hörte seine Worte nicht. Das einzige, was sie wahrnahm, war die Tatsache, dass sie beobachtete, wie der fremde Mann die Bettdecke von ihrem Mann zurückzog und ihn mit kaltem Wasser abrieb. Sie lag genauso nackt unter der Decke wie Martin. Hat er mich auch gewaschen? dachte sie. Schamröte stieg ihr ins Gesicht. Rainer schüttete die Waschschüssel aus.

„Ich glaube, das können Sie ab heute wieder allein, oder?“

„Ja, äh – na klar“ stammelte Franziska, und hätte sich vor Verlegenheit am liebsten die Decke über den Kopf gezogen.

Rainer verließ den Raum und erst als Franziska sicher war, dass er nicht wieder zurückkam, stand sie langsam auf. Dabei hielt sie sich an den Möbeln fest, um nicht zu schwanken. Der kalte Tee tat ihr sehr gut, und sie fühlte sich gleich viel besser. Nachdem sie sich angezogen hatte, bürstete sie ihr Haar. Da sie noch schwach war, hielt sie sich beim Laufen an der Wand fest. An Martins Bett blieb sie erschrocken stehen. „Mein Gott, Martin, wie siehst du denn aus!“ Sie legte ihre Hand auf seine heiße Stirn und hatte das Gefühl, dass es ihm viel schlechter ging. Sie machte den Lappen nass, der auf seiner Stirn lag, und tupfte ihm damit den Schweiß von Gesicht und Hals. Plötzlich stellte Franziska fest, dass Sabrina fehlte. Sie verließ die Kajüte, um ihr Kind zu suchen. „Sabrina“, rief sie „Sabrina, wo bist du.“

Ein Matrose hörte sie rufen und sagte: „Beruhigen Sie sich, Frau Winter. Sabrina geht es gut, sie wird sicher das Schiff erkunden, oder sie sitzt beim Kapitän. Dort ist sie oft, die beiden unterhalten sich gegenseitig.“

„Könnten Sie mich bitte zu ihr bringen? Sie muss ihre Medizin einnehmen, Sabrina ist krank.“

„Was, sie ist krank? Also, davon habe noch nichts bemerkt. Der kleine Quirl machte auf mich einen sehr gesunden Eindruck.“

„Sie meinen sicher ein anderes Kind ...!“

Er schüttelte energisch den Kopf und unterbrach sie. „Kommen Sie, ich werde Sie zu dem Kind führen, das ich meine. Hier an Bord ist nur ein dreijähriges blondes Mädchen.“

Der Kapitän hatte Sabrina auf das Pult über dem Steuerrad gesetzt. Sie hatte die Kapitänsmütze auf dem Kopf. Diese war so groß, dass sie erst auf der Nase Halt fand.

Da Sabrina oft allein auf dem Schiff spielte, hatte sie aus Sicherheitsgründen eine Schwimmweste an.

„Schau mal durch das Fernrohr, da – da vorn, wo der Himmel ins Wasser fällt, was siehst du dort?“

Der Matrose brachte Franziska zu der Tür, die zur Brücke führte. Sie blieb stehen und betrachtete das Bild. Ihre Tochter saß vor dem Kapitän in einem putzigen Aufzug und schaute durch ein Fernrohr.

„Bäume sehe ich, ganz komische Bäume“, hörte sie Sabrina sagen und schaute in die gleiche Richtung. Allerdings sah Franziska nichts als Wasser.

„Das sind Palmen“, erklärte der Kapitän.

Sie öffnete nun die Tür vollständig, und durch das Quietschen drehten sich beide zu ihr um.

„Mami“, rief Sabrina aufgeregt, „ich sehe viele Palmen, aber nur, wenn man hier durchguckt.“

„Guten Morgen“, sagte Franziska, „ich suchte meine Tochter. Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich nicht um sie kümmern ...“

„Guten Morgen, Frau Winter“, unterbrach der Kapitän Franziska, „Sie brauchen sich für nichts zu entschuldigen. Sabrina und ich sind gute Freunde, und ich genieße ihre kindliche Unbefangenheit. Ich freue mich, dass es Ihnen wieder besser geht. Ist Ihr Mann auch auf den Beinen?“

„Leider, nein, ihm geht es noch sehr schlecht. Aber danke der Nachfrage. Mir geht es heute tatsächlich viel besser, so langsam gewöhne ich mich an das Schaukeln.“

„Schaukeln nennen Sie das, Frau Winter?“, lachte der Kapitän „na, dann warten Sie erst einmal ab, wenn wir um das Kap sind. Dann kann man vom Schaukeln reden. Ich habe aber nicht die Absicht, Ihnen Angst zu machen“, fügte er schnell hinzu, als er ihren erschrockenen Blick sah. „Das werden Sie schon schaffen, andere vor Ihnen haben es auch überstanden.“ Er nickte ihr aufmunternd zu.

„Sind Sie schon oft die Route gefahren?“

„Ja, es sind schon fast zwanzig Jahre. Man könnte sagen, dass ich die Strecke wie meine Westentasche kenne und doch ist es jedes Mal anders, andere Winde, Stürme auch die Strömungen sind nicht immer gleich. Je nach Sturm und Stärke der Strömung können sich auch die Untiefen verändern, sofern sie aus Sand sind. Aber das soll für uns alles kein Problem sein, bisher habe ich jedes Schiff heil in den Zielhafen bekommen.“ Kapitän Ignatz drückte auf einen Knopf und kurz darauf erschien ein Matrose. „Übernehmen Sie bitte das Steuer und halten Sie den angegebenen Kurs ein.“

„Aye, Aye Sir.“

Damit wandte sich der Kapitän zu Sabrina, die noch immer auf dem Pult saß und durch das Fernrohr schaute. Er nahm sie auf den Arm und sagte zu ihrer Mutter: „Kommen Sie, wir zwei“, dabei sah er zwinkernd zu Sabrina „zeigen Ihnen jetzt das Schiff, Sie wollen doch, oder?“

„Natürlich, danke, ich freue mich schon darauf.“

Er führte sie zum Bug des Schiffes.

„Sagen Sie, Kapitän, wo befinden wir uns derzeit?“

„Wir haben soeben die Kanarischen Inseln gesichtet. Sie liegen genau vor uns. Aber bei der Sicht heute kann man sie nur mit dem Fernrohr erkennen.“

„Ich hab sie gesehen“, plapperte Sabrina dazwischen.

„Darf ich auch mal durchschauen?“

„Aber natürlich. Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht selbst auf die Idee gekommen bin.“

Franziska lachte und stellte fest, dass sie schon lange nicht mehr so froh war. Sie spürte eine Erregung in sich aufkommen für das Unbekannte und Neue, was noch vor ihr lag.

Plötzlich fiel ihr Martin ein, dem es nun wirklich nicht gut ging. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie die Pflege einem Fremden überließ. Als sie nach der Besichtigung zu ihrem Mann kam, konnte sie sich davon überzeugen, dass er bestens versorgt war.

Am Abend schlief Sabrina schnell ein, dadurch hatte Franziska Zeit, sich zu ihrem Mann ans Bett zu setzen. Sie sprach leise zu ihm: „Warum geht es dir nur so schlecht, Martin? Eine Seekrankheit bei diesem Wetter muss doch vorbeigehen, oder wenigstens eine Besserung anzeigen.“ Sie war verzweifelt und machte sich große Sorgen um ihren Mann. Wenn Peter nur hier wäre, er könnte sicher helfen. Aber vielleicht ist er gar nicht seekrank, es könnte doch sein, dass ihm etwas anderes fehlt, überlegte sie. „Liebling, kannst du mich hören?“, fragte sie leise, um ihn nicht zu wecken, falls er schlief, „ich bin es, Franziska.“ Dabei kühlte sie ihm mit einem kalten Lappen die Stirn.

Martin öffnete kurz seine Augen und lächelte sie an. Als wäre diese kleine Geste über seine Kräfte gegangen, schlief er gleich wieder ein.

Am nächsten Morgen ging es ihm etwas besser. Er löffelte ein bisschen von der Fleischbrühe, aber er behielt sie nicht lange bei sich. Erschöpft und schweißgebadet legte er sich wieder hin. „Franziska, komm bitte zu mir, ich muss mit dir reden.“

Franziska legte seine Hand in die ihre. Sie war sehr warm.

„Franziska, als wir in Schwerin von dem Herrn Peters, dem Judenhasser, abgefahren sind, saß ich – hinten auf der Ladefläche. Mir – war sehr, sehr kalt – ich habe – mir dort – bestimmt etwas – weggeholt.“ Er sprach sehr stockend, und man merkte, dass ihm das Atmen und das Reden schwer fiel. „Ich sagte nichts, weil – ich froh war, dass ihr – beide vorn im Warmen sitzen konntet. Das – war mir sehr – wichtig. Von diesem – Tag an ging es – mir eigentlich – immer schlechter. Mir war – ständig schwindelig und – ich musste mich so – zusammenreißen – damit es niemand merkt. Willi hat es bestimmt – mitbekommen, aber – zum Glück – redete er nie viel. Ich hatte Angst, dass – sich durch mich – unsere Abfahrt verzögern würde. Ich dachte – mir, entweder ich oder Sabrina. Mir war wichtig, – dass Sabrina – in wärmere Gebiete kommt. Ich möchte, was immer auch mit mir passiert, du wie – geplant diese Reise nach Australien – fortsetzt. Nur dort – hat Sabrina eine Chance. Versprichst – du mir das – bitte?“

„Martin, was redest du da? Natürlich fahren wir nach Australien. Nichts in der Welt kann mich von diesem Ziel fernhalten. Sabrina, du und ich werden in Brisbane von Bord gehen.“

„Mach dir nichts vor, Franziska, sieh – den Tatsachen ins Gesicht, und behalte – stets dein Ziel vor Augen.“

„Ja, ich verspreche es dir“, antwortete Franziska mit Tränen in den Augen. Sie dachte sich: Was er nur für einen Quatsch redet, natürlich wird er wieder gesund. Als ich seekrank war, habe ich auch gedacht, ich müsste sterben. Aber der Gedanke an meine Familie gab mir Kraft. Sicher wird bei ihm eine Erkältung mit im Spiel sein, darum dauert es auch etwas länger, bis er die Seekrankheit überwunden hat.

Nach Tagen dauerte Martins eigenartige Seekrankheit immer noch an.

„Matrose Rainer weiß sich keinen Rat mehr.“ Kapitän Ignatz streifte gedankenvoll mit der Hand über seinen Bart. „Er weiß, dass ihr Mann eine schwere Lungenentzündung hat. Aber er hat hier nicht die richtigen Möglichkeiten, diese zu behandeln. Er möchte in Kapstadt einen Arzt zu Rate ziehen. Bis dahin müssen wir uns gedulden, und ich hoffe, dass wir rechtzeitig dort ankommen.“

Mit Martins Gesundheit ging es mal bergauf und die nächste Stunde wieder bergab. Mal schöpften alle Hoffnungen und plötzlich lag er wieder in Fieberkrämpfen. Durch das Fieber magerte er immer mehr ab und verlor Haare. Die Kopfhaut konnte man an einigen Stellen durchsehen. Es war schlimm, das Leid mit anzusehen, und keiner konnte wirklich helfen. Jeder war bemüht, ihm das Leben so erträglich wie möglich zu machen.

Inzwischen hatte das Schiff den Äquator passiert. In den Morgen- und Abendstunden, wenn es nicht zu heiß war, brachte man Martin auf das Freideck und bettete ihn in einen Liegestuhl. Allerdings nur in den Phasen, wo es ihm besser ging. In solchen Momenten war es vor allem Sabrina, die ihm viel Freude bereitete. Sie kletterte auf seinen Schoß und erzählte ihm, was sie schon alles von dem Kapitän gelernt hatte. Franziska beobachtete die beiden und hoffte, dass doch noch ein Wunder geschehen würde und sich alles zum Guten wendete. Aber auch sie sah, dass Martin immer schwächer wurde.

Sabrina wurde in der Nacht wach und bemerkte, dass ihre Eltern nicht im Bett waren. Sie hörte über sich mehrere Menschen laufen und ruhige Stimmen, die erzählten. Sie hörte auch jemand weinen. Wer ist da so traurig? dachte sie. Sabrina gab sich alle Mühe, die Stimmen zu erkennen. Die vom Kapitän erkannte sie. Aber durch das anstrengende Lauschen schlief sie schließlich wieder ein.

Franziska war glücklich an diesem Tag gewesen. Ihre Gebete wurden erhört, denn Martin ging es schon lange nicht mehr so gut wie heute. Er stand alleine auf und nahm Franziska in den Arm, küsste sie zärtlich. Franziska sehnte sich nach mehr. Es würde ihn zu sehr anstrengen, dachte sie und gab sich mit dem Kuss zufrieden. Beide gingen auf das Deck, um die frische Luft zu genießen. Das erste Mal seit Bremerhaven stand sie mit ihm an der Reling und genoss den Wind, die Sonne und die Nähe ihres Mannes.

Martin spürte dagegen, wie ihm die Beine zitterten. „Komm, Liebling, lass uns hinsetzen, das Stehen ist sehr anstrengend für mich.“

Sie hatten einen wunderschönen Tag zu dritt. Am Abend schaffte Franziska ihre Tochter zu Bett.

„Du freust dich heute, Mami?“

„Ja, ich bin so glücklich, dass es Papi endlich besser geht. Nun wird sicherlich alles gut.“ Sie gab ihre Tochter einem Gutenachtkuss und ging dann wieder zu ihrem Mann.

Als sie auf das Deck kam, erstarrte sie vor Schreck. Martin lag im Liegestuhl und hatte furchtbare Fieberkrämpfe. Da auf dem Deck ein angenehmer Wind wehte, ließ man ihn dort liegen. Der Kapitän saß bei ihm.

Martin sprach mit ihm unter hohem Fieber: „Sorgen – Sie – dafür, dass – dass meine Frau und – Sabrina – in – Bris – bane ankommen. Machen Sie ihr bitte – Mut, durchzu – halten.“

„Ja, das verspreche ich Ihnen, Herr Winter.“ Der Kapitän sah Franziska, die soeben gekommen war, ernst in die Augen, die mit Tränen gefüllt waren.

„Martin, bitte. Martin, ich liebe dich, ich brauche dich!“ Sie hielt seine Hand umklammert und küsste diese. Ein letzter Fieberkrampf durchzuckte Martins Körper. Franziska wollte ihn nicht loslassen, doch er war schon nicht mehr bei ihr.

Der Kapitän schloss Martins Augen.

Als man sie mit ihrem Mann für ein Weilchen alleine ließ, dachte sie an Martins Worte, die er immer wiederholt hatte, nämlich, die Reise, wie geplant fortzusetzen. Sie dachte schmerzvoll an die Hoffnung, die sie noch vor einer Stunde hatte. Es ging ihm doch heute so gut. Der Kapitän meinte, dass es ein letztes Aufflackern war. Dieses Phänomen stellt man oftmals bei Todgeweihten fest. Sie dachte an ihre Kinder, die sie in Jürgenstorf zurückgelassen hatte, zurück in ihren kalten