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Unternehmensethik zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die Diskussion über eine ethisch verantwortungsvolle Unternehmensführung hat seit den 1980er-Jahren eine außergewöhnliche Dynamik entwickelt und boomt bis heute wie kaum ein anderes Wirtschaftsthema.
Grund hierfür sind die zahlreichen ungelösten Konflikte zwischen Wirtschaft und Ethik, die sich seit Längerem in den Problemfeldern Umwelt, Arbeit, Verteilung und Konsum niederschlagen, zuletzt aber auch auf die Bereiche Information und Demokratie übergegriffen haben.
Das Buch beleuchtet das Megathema „Corporate Social Responsibility“ aus einer kritisch-konstruktiven Sicht und beantwortet unter anderem folgende Fragen:
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Diskussion über eine ethisch verantwortungsvolle Unternehmensführung hat seit den 1980er-Jahren eine außergewöhnliche Dynamik entwickelt und boomt bis heute wie kaum ein anderes Wirtschaftsthema.
Grund hierfür sind die zahlreichen ungelösten Konflikte zwischen Wirtschaft und Ethik, die sich seit Längerem in den Problemfeldern Umwelt, Arbeit, Verteilung und Konsum niederschlagen, zuletzt aber auch auf die Bereiche Information und Demokratie übergegriffen haben.
Das Buch beleuchtet das Megathema „Corporate Social Responsibility“ aus einer kritisch-konstruktiven Sicht und beantwortet unter anderem folgende Fragen:
Handeln Unternehmen wirklich – in zunehmender Weise – gesellschaftlich unverantwortlich? Wie lässt sich diese Behauptung begründen? Und warum diese Hinwendung zur Corporate Social Irresponsibility?
Und konstruktiv weitergefragt: Was eigentlich bedeutet ethisch verantwortungsbewusste Unternehmensführung? Wie lässt sie sich konkret umsetzen? Und mit welchen Konsequenzen ist dabei zu rechnen?
Eine Reise über die Grenzen zwischen Ordnungsethik, Unternehmensethik und Managementethik – mit dem Ziel, Möglichkeiten für Lösungen trotz Schwierigkeiten zu entdecken.
Jürgen Weibler ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der FernUniversität in Hagen. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen des Personalmanagements sowie der Organisation und gilt als einer »der renommiertesten deutschen Experten in Sachen Mitarbeiterführung« (WirtschaftsWoche Online). Auf www.leadership-insiders.de unterstützt er die Führungspraxis bei der Gestaltung erfolgreicher Führungsbeziehungen.
Thomas Kuhn ist Privatdozent für Betriebswirtschaftslehre der Universität St. Gallen (HSG). Er beschäftigt sich mit Fragen der Wirtschafts-, Unternehmens- und Führungsethik.
Macht. Maßlosigkeit. Moral Einsichten zum Zusammenspiel von Wirtschaft und Gesellschaft
von Thomas Kuhn und Jürgen Weibler
Kapitel 1 Warum die Unternehmensethik einem »ungeliebten Kind« gleicht
Kapitel 2 Was eigentlich heißt »ethisch« … und warum sind moralische Entscheidungen immer misslich?
2.1 Abgrenzung der Begriffe Moral und Ethik
2.2 Bedeutsame Ansätze der Ethik
2.3 Moralität zwischen Güterabwägung und Dilemma
6Kapitel 3 Warum boomt das Thema »Unternehmensethik« ohne Unterlass?
3.1 Wirtschaftsethisches Problemfeld »Umwelt«
3.2 Wirtschaftsethisches Problemfeld »Arbeit«
3.3 Wirtschaftsethisches Problemfeld »Verteilung«
3.4 Wirtschaftsethisches Problemfeld »Konsum«
3.5 Wirtschaftsethisches Problemfeld »Information«
3.6 Wirtschaftsethisches Problemfeld »Demokratie«
3.7 Ansätze zur Lösung wirtschaftsethischer Konflikte
Kapitel 4 Ethische Verantwortung von Unternehmen als Folge von Markt- und Politikversagen
4.1 Neoliberalismus – oder: Wohlstand und Gerechtigkeit infolge marktlicher Steuerung?
4.2 Ordoliberalismus – oder: Wohlstand und Gerechtigkeit infolge staatlicher Rahmensetzung?
4.3 Die Notwendigkeit einer Unternehmensethik als Resultante des Markt- und Politikversagens
Kapitel 5 Theorien der Unternehmensethik – oder: Was so alles als ethisch verantwortungsbewusste Unternehmensführung galt und gilt
5.1 Tradierte Verständnisse von Unternehmensethik
5.2 Vorherrschende Verständnisse von Unternehmensethik
5.3 Kritische Verständnisse von Unternehmensethik
7Kapitel 6 Praktiken der Unternehmensethik – oder: Corporate Social Responsibility in den guten alten und schlechten neuen Zeiten
6.1 »Implizite« CSR als Merkmal der Sozialen Marktwirtschaft
6.2 Gamechanger: Finanzialisierung, Renditedruck und Corporate Social Irresponsibility
6.3 »Explizite« CSR als Merkmal des globalen Finanzkapitalismus
Kapitel 7 Gestaltungen der Unternehmensethik – Was muss sich ändern?
7.1 Unternehmensethik und Unternehmensziel
7.2 Unternehmensethik und Unternehmenskultur
7.3 Unternehmensethik und Unternehmensstrategie
7.4 Unternehmensethik und Unternehmensstruktur
Kapitel 8 Unternehmensethik und Managementethik – Ohne moralischen CEO keine ethische CSR
8.1 Responsible Leadership-Orientierungen
8.2 CEO-Ideologie und CSR-Engagement
8.3 Moralische Person und moralischer Manager
Kapitel 9 Drei Cases statt einem! – Was zu erkennen an der Zeit ist
Literatur
Endnoten
Stichwortverzeichnis
Die Diskussion über eine ethisch verantwortungsbewusste Unternehmensführung boomt seit den 1980er-Jahren in der betriebswirtschaftlichen Theorie, aber auch in der unternehmerischen Praxis in einem höchst außergewöhnlichen Maße – und wie vielleicht kein anderes Thema. Dies ist zunächst einmal insofern überraschend, als mit einigem Fug und Recht behauptet werden kann, dass die Unternehmensethik für den Mainstream der Betriebswirtschaftslehre tatsächlich ein eher »ungeliebtes Kind«1 darstellt, und selbiges wohl auch für Teile der Unternehmenspraxis angenommen werden kann. Dass die Auseinandersetzung mit dieser Thematik dennoch so vehement ausfällt, ist vor allem der öffentlichen Wahrnehmung von immer neuen und potenziell auch immer gravierenderen Vorkommnissen und Entwicklungen geschuldet, die ihren Ursprung in unternehmerischen Handlungsweisen haben, welche von größeren Teilen 10der Gesellschaft als unmoralisch, unethisch oder einfach unverantwortlich apostrophiert und kritisiert werden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Stichworte wie Managervergütungen und Dumpinglöhne, Standortschließungen und Massenentlassungen, Leistungsverdichtung und Burnout, Lobbyismus und Parteienfinanzierung, Umweltschädigung und Risikoproduktion, Desinformation und Übervorteilung von Kunden sowie anderes mehr. Zu solchen häufig als illegitim erachteten Handlungsweisen kommen scheinbar zunehmend aber auch Handlungsweisen hinzu, die eindeutig illegal sind. Exemplarisch hierfür sind die Skandale um die US-Unternehmen Enron2 und WorldCom, aber auch die gesetzeswidrigen Geschehnisse rund um die Deutsche Bank3 oder die VolkswagenAG4. Einen besonderen Höhepunkt hat die kritische Sicht der Gesellschaft auf das Handeln von Unternehmen sicherlich im Jahre 2008 erreicht, als das Streben nach »Gewinn ohne Verantwortung«5 seitens zahlreicher Banken die globale Finanzmarktkrise auslöste, welche mit weitreichenden Negativfolgen für die nationalen Wirtschaften und Gesellschaften einher ging. Zentrale Triebfeder der Debatte über eine ethisch verantwortungsbewusste(re) Unternehmensführung ist somit der verbreitete Eindruck und Vorwurf, dass (v. a. Groß-)Unternehmen häufig und in zunehmendem Maße in einer gesellschaftlich unverantwortlichen Weise agieren. Die Forderung nach (mehr) Corporate Social Responsibility (CSR) ist so gesehen ein Reflex auf die allgemeine Wahrnehmung einer verbreiteten Corporate Social Irresponsibility (CSI).
11Triebfeder der Debatte über eine ethisch verantwortungsbewusste(re) Unternehmensführung ist der verbreitete Eindruck, dass (v. a. Groß-) Unternehmen häufig und in zunehmendem Maße in einer gesellschaftlich unverantwortlichen Weise agieren.
Die unternehmerische Praxis – und mit ihr die betriebswirtschaftliche Theorie6 – befinden sich damit in einer Art andauernden Legitimationskrise7 und sind gefordert, dieser in einer überzeugenden Weise zu begegnen. Die Auseinandersetzung mit dem »ungeliebten Kind« Unternehmensethik wird damit obligatorisch, will man seine wissenschaftliche Daseinsberechtigung bzw. seine gesellschaftliche »licence to operate« nicht dauerhaft beschädigen oder gar gefährden. Die Debatte über ethisch verantwortungsbewusste Unternehmensführung wurde seitens der Theorie und Praxis so gesehen zwar eher zögerlich und tendenziell reaktiv angegangen; dafür wird sie zwischenzeitlich jedoch auf breiter Front und auf vielfältige Weise geführt. Ausdruck dessen sind – neben einer schier unüberschaubaren Zahl an Publikationen und Verlautbarungen zum Thema – auch die diversen Termini, die die einschlägige Diskussion bislang produziert und lanciert hat: So einerseits die deutsch-sprachigen Begriffe »Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmensführung«8 und Unternehmensethik9, sowie andererseits die bekannten Anglizismen Business Ethics, Corporate Social Responsibility (CSR), Corporate Citizenship (CC), Corporate Sustainability (CS) und weitere mehr. Eine Aufgabe für sich ist es dabei, diese verschiedenen Begriffe jeweils zu definieren und inhaltlich voneinander abzugrenzen. Dieser – u. E. letztlich eher auf Facetten abstellenden und damit nur begrenzt erkenntnisförderlichen – Aufgabe wollen wir uns im vorliegenden Text allerdings entziehen und 12stattdessen davon ausgehen, dass alle diese Begrifflichkeiten dem Grundproblem einer ethisch verantwortungsbewussten Unternehmensführung zuzuordnen sind, wobei wir diesen Begriff in den folgenden Ausführungen regelmäßig mit zwei (Schlüssel-)Begriffen synonym setzen, nämlich Unternehmensethik und Corporate Social Responsibility (CSR).
Was sind nun aber wesentliche Erkenntnisse und Ergebnisse der zwar noch juvenilen, dafür aber überaus extensiv (und kontrovers) geführten Diskussion über Unternehmensethik? Handeln Unternehmen wirklich – und in zunehmender Weise – unverantwortlich? Wie ließe sich diese These begründen? Und warum handeln Unternehmen gesellschaftlich unverantwortlich? Und um von der diagnostizierten Unverantwortung auf die postulierte Verantwortung überzuleiten: Was konkret bedeutet ethisch verantwortungsbewusste Unternehmensführung? Wie lässt sie sich umsetzen? Mit welchen Konsequenzen ist sie verbunden? Diesen – und weiteren korrespondierenden – Fragestellungen wollen wir in den folgenden Ausführungen nachgehen und dabei gedanklich wie folgt vorgehen: Zunächst möchten wir im Sinne eines ethischen Propädeutikums (Kapitel 2) grundlegende Erkenntnisse vermitteln, die der Moralphilosophie entstammen und für das Verständnis der unternehmensethischen Problematik u. E. unverzichtbar sind. Wir grenzen uns damit bewusst von dem erkennbaren Trend innerhalb der Debatte ab, Unternehmensethik weitgehend ohne Rückgriff auf Erkenntnisse der Ethik – gleichsam möglichst betriebswirtschaftlich10 – zu diskutieren. Kapitel 3 widmet sich der Frage, warum dem Thema Unternehmensethik – zudem aber auch dem allgemeineren Thema Wirtschaftsethik – in der jüngeren Vergangenheit eine solche Bedeutung zu Teil wird. Wir führen dies auf sechs empirisch bedeutsame Konflikte zwischen »Wirtschaft« und »Ethik« zurück, nämlich auf die Problemfelder Umwelt, Arbeit, Verteilung, Konsum, Information und Demokratie (Abschnitte 3.1–3.6). Vor diesem Hintergrund werden 13sodann die zentralen Ebenen der Erklärung (Ordnungsethik, Unternehmensethik und Individualethik) sowie grundlegende (ebenenspezifische) Ansätze zur Lösung der wirtschaftsethischen Konflikte kurz vorgestellt (Abschnitt 3.7), um diese im Weiteren ausführlicher zu betrachten.
Im Mittelpunkt von Kapitel 4 steht dabei zunächst der Zusammenhang zwischen Systemethik und Unternehmensethik. Die These ist hier, dass durch die empirischen Defizite der systemethischen Gestaltungsparameter – sprich: durch das evidente Marktversagen sowie das zunehmende Politikversagen – (v. a. Groß-)Unternehmen erhebliche Machtpotenziale zuwachsen, die aus ethischer Sicht in einer verantwortungsbewussten – und eben nicht rein egoistischen – Weise genutzt werden sollten. Kapitel 5 fokussiert sodann die wichtigsten Ansätze der Unternehmensethik und unterscheidet zwischen tradierten Verständnissen, die heute zunehmend seltener vertreten werden (»Ethik des Gewinns«, »Unmöglichkeitstheorem«), vorherrschenden Verständnissen, die gleichsam den Mainstream der Debatte repräsentieren (hier v. a. der sog. Business Case for Corporate Social Responsibility), sowie – nicht zuletzt – kritischen Verständnissen, die der vorherrschenden Diskussion über Unternehmensethik skeptisch gegenüber stehen und auf eine fundamentale (paradigmatische) Wende in der Art der Unternehmensführung hinauslaufen (Stichwort: »Entthronung des Gewinns«).
Diesen Ausführungen, die eher den wissenschaftlich-theoretischen Teil der Diskussion über CSR nachzeichnen, folgen in Kapitel 6 Ausführungen, die einen tiefgreifenden Wandel der praktizierten Corporate Social Responsibility beschreiben und als Übergang von einer »impliziten« hin zu einer »expliziten« CSR bezeichnet werden. Kapitel 7 widmet sich zunächst grundlegend dem Zusammenhang von Unternehmensethik und Unternehmensziel, um vor diesem Hintergrund – mit starkem Anwendungsbezug – ausgewählte Konzepte zur Umsetzung 14von Unternehmensethik vorzustellen, die den Bereichen Unternehmenskultur, -strategie und -struktur zuzuordnen sind. In Kapitel 8 wird schließlich der Zusammenhang zwischen Unternehmensethik und Managementethik verdeutlicht und die besondere Bedeutung eines individualethisch begründeten Responsible Leadership herausgestellt. Mit einigen Bemerkungen zum (defizitären) Stand und zu erforderlichen Weitungen der Diskussion schliessen unsere Darlegungen (Kapitel 9).