Urlaubstrauma Deutschland - Heike Abidi - E-Book

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Heike Abidi

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Beschreibung

Urlaub in Deutschland ist langweilig? Absolut nicht! Denn was gibt es Exotischeres als ein Monster im See, tierische Abenteuer im Todesstreifen, wildgewordene Jungrinder, einen Trip zum Oktoberfest oder einen Campingausflug, der zum Survival-Training mutiert? Und das ist nur die Spitze des Eisbergs … Zwischen Ostsee und Südtirol, Sachsen und Pfalz, Donau und Saarschleife bietet Deutschland reizvolle Landschaften für Entspannung oder Abenteuer – und das Beste daran: Die Anreise ist schnell und günstig. Oft hat man das Ziel sogar schon erreicht, bevor der Magen knurrt oder die Blase drückt. 24 Autorinnen und Autoren erzählen von ihren skurrilsten und lustigsten Urlaubserlebnissen in der Heimat. Der Ferienwahnsinn liegt oft viel näher, als man denkt und sorgt auf Ihrer nächsten Reise garantiert für Unterhaltung!

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Vorwort

Urlaub in Deutschland ist langweilig? Nein, um schöne Ferien zu verbringen, müssen Sie nicht Tausende Kilometer verreisen, denn unser Land bietet so unglaublich viele unterschiedliche Möglichkeiten.

Sie wollen keine langen Anreisen, in kein Flugzeug steigen oder stundenlang im Stau stehen? Sie möchten nicht mit Hunderten anderen Touristen wie die Sardinen in der Dose eng am überfüllten Strand liegen oder um einen Platz am überfüllten Poolbereich kämpfen?

Geben Sie »Urlaub in Deutschland« in die Suchmaschine ein und plötzlich wird Ihnen klar, dass Sie zwar den einen oder anderen Ort, Hügel oder Badesee kennen, jedoch noch nie in Thüringen oder auf der Zugspitze waren. Dann bleiben Sie doch einfach hier und gönnen sich einen Urlaub in unserem Land!

Kein Problem, wenn der Reisepass abgelaufen ist, hier brauchen Sie ja nur Ihren Ausweis. Sprachprobleme gibt es ... eher selten. Und das Wasser aus der Leitung können Sie getrost trinken und zum Zähneputzen benutzen. Nirgendwo gibt es so herrliches Brot in riesiger Auswahl, das Bier schmeckt sowieso am besten und für die Gourmets unter uns findet sich eine Vielzahl regionaler Spezialitäten. Die Weinstraße in der Pfalz führt Sie durch historische, schnuckelige Dörfer, wo sie so manche Weinprobe genießen können. Und es gibt noch unzählige andere Urlaubsmöglichkeiten hierzulande: Entspannen am Meer. Wandern in den Alpen oder in den Mittelgebirgen. Skifahren in Oberhof. Traumhafte Schlösser. Glasklare Seenplatten. Ritterburgen. Historische Baudenkmäler. Abwechslungsreiche Natur. Radfahren an der Ostsee. Segeln auf der Nordsee, Strandurlaub am Bodensee. Städtereisen in die Metropolen Berlin, Hamburg oder München … Deutschland hält all dies und noch viel mehr für Sie bereit.

Packen Sie einfach Ihre Familie ins Auto und fahren Sie los. Egal, ob Urlaub auf dem Bauernhof, Sommerrodelbahn, Skiurlaub, wunderschöne Bergpanoramen oder Spaziergänge am Wattenmeer. Wer sich im Urlaub erholen möchte, dem bietet unser Land Erholung für Geist, Körper und Seele. Kommen Sie mit uns auf die Reise!

KAPITEL 1

Es lebe das kühle Nass – Ferien am, im und auf dem Wasser

Natürlich kann man auch Wanderurlaub machen. Oder die Wüste durchqueren. Oder einfach mal ins Grüne fahren. Aber ganz ehrlich: So richtig in Urlaubsstimmung gerät man erst am Wasser. Es muss ja nicht immer gleich der Ozean sein. Die Nordsee reicht auch. Notfalls eben ein Baggersee. Oder zumindest ein Fluss! Nur wenn das flüssige H2O von oben kommt, ist es im Urlaub weniger erwünscht …

Zehn Gründe, warum Sie in Deutschland Urlaub machen sollten

Es ist wie jedes Jahr. Alle fahren weg, von Katmandu bis Kanada, und erzählen dann zu Hause die tollsten Geschichten von ihren Erlebnissen. Aber muss es denn gleich ein Dschungelurlaub in Neuguinea sein oder eine Shopping-Tour in New York?

Auch ohne Fernreise lässt es sich prima Urlaub machen. Und das bedeutet nicht gleich, dass man daheim auf der Couch bleiben muss. Oder darf.

Unser Land hat in puncto Erholung ziemlich viel zu bieten. Wie attraktiv Deutschland als Reiseziel ist, beweisen diese zehn Punkte:

1. Die Pause vom Alltag

Ein echter Urlaub, der beginnt im Kopf.

Das Wichtigste am Urlaub ist doch, mal was Neues zu sehen und nicht erreichbar zu sein. Weg von zu Hause, raus aus dem Alltag mit all seinen Pflichten und Aufgaben. Aber dazu muss man nicht gleich in einen Flieger steigen und irgendwo um Strandplätze und Pool-Liegen kämpfen (was man übrigens auch in Deutschland tun kann). Ein echter Urlaub, der beginnt im Kopf. Also schalten Sie einfach mal Ihr Handy ab und fahren Sie los. Viele schöne Flecken Erde warten ganz in Ihrer Nähe auf Sie.

2. Die Sprache

Natürlich, im Urlaub will man ja auch Fremdsprachen lernen und andere Kulturen entdecken. Doch Hand aufs Herz, außer englischen Trinkliedern und russischen Flüchen ist doch selten mehr drin. In der Heimat ist das anders, da versteht jeder jeden. Zumindest theoretisch. Und wer’s richtig exotisch mag, der findet ein erstaunliches Fremdsprachenpotenzial in abgelegenen Gegenden, beispielsweise im Vogtland oder in Unterfranken.

3. Jede Menge Genuss

Urlaub, das ist auch die Zeit des Schlemmens und Sich-verwöhnen-Lassens. Nur kriegen wir in der All-inclusive-Unterkunft auch wirklich das Essen vorgesetzt, das wir gern hätten? Hier werden die Erwartungen schnell enttäuscht, gerade wenn es um die lokalen Küchengewohnheiten geht. Klarer Pluspunkt für die heimische Küche – (meistens) weiß man genau, was man kriegt. Und vor allem, wo es herkommt.

4. Nicht zu vergessen: die Kultur

Kein Urlaub ohne Kultur. Daher verwundert es nicht, dass viele besser über kretische Höhlen und französische Châteaus Bescheid wissen als über die Sehenswürdigkeiten der eigenen Region. Also einfach mal unter die japanischen Reisegruppen mischen und rein in die Museen und Ruinen!

5. Hauptsache Erholung

Echte Urlaubserholung definiert sich nicht selten durch Ausgehen, Ausschlafen und Ausspannen. Um das zu tun, gibt es gleich nebenan mehr als genug. Entscheidend ist, dass man es einfach konsequent macht und nicht nur davon träumt. Und das können wir zu Hause so flexibel und schnell haben, wie wir nur wollen. Verbrennen Sie einfach mal Ihre To-do-Listen und legen Sie den Urlaubsschalter in Ihrem Kopf um. Oder planen Sie einen Aufenthalt in einem ruhigen Kurort.

6. Das gewohnte Klima

Manchmal haben wir die Regenwolken und die Saukälte einfach nur satt und wollen dem ewigen Schmuddelwetter mal Ade sagen. Wie viel besser ist’s da doch in der Karibik oder am Mittelmeer! Doch Vorsicht: Das kann seine Tücken haben, vom Sonnenbrand bis hin zum klimaanlagenbedingten Schnupfen. Da hat das eigene Wetter zu Hause den entscheidenden Vorteil, dass wir daran gewöhnt sind. Und wenn man gemeinsam auf das Wetter schimpfen kann, dann ist das doch ein prima Anknüpfungspunkt für jede Unterhaltung.

7. Apropos Unterhaltung

Einer der wichtigsten Bestandteile jedes Urlaubs ist natürlich das Unterhaltungsprogramm. Vor allem wenn man Kinder hat. Vom Fernseher bis hin zu Buchläden, von Kinos bis zum Animationsclub. Dass man sich da natürlich in der eigenen Sprache leichter tut, ist selbsterklärend und birgt den klaren Vorteil, nichts zu verpassen: vom Staffelfinale der Lieblingsserie bis zum pünktlich erscheinenden Buch des Stammautors.

8. Jetlag, nein danke!

Je weiter die Reise, desto größer der Stress.

Es gibt eine Faustregel bei Fernreisen, die besagt: Je weiter die Reise, desto größer der Stress. Insbesondere wenn man mit dem Nachtflug in einer Zeitzone landet, die einen gefühlt acht oder neun Stunden zurückwirft. Dann ist der erste Urlaubstag meist schon im Eimer. Dies kann im eigenen Land nicht passieren, es sei denn, man reist in die verschlafenste Provinz. Aber da ist es dann weniger ein Zeitunterschied von Stunden, sondern eher einer von Jahrzehnten. Und das macht die Reise dann doch wieder erholsam.

9. Von wegen Abenteuer

In jeder Fernreise steckt auch ein bisschen unserer Abenteuerlust. Unbekannte Orte entdecken, da fühlt sich mancher gleich wie Indiana Jones. Nur ohne Hut und Peitsche. Aber wie viele Regionen Deutschlands kennen Sie wirklich? Oder in Ihrer Nachbarschaft? Setzen Sie sich doch einfach mal in Ihr Auto, schalten Sie das Navi ab und machen Sie einen ziellosen Road­trip. Wer weiß, wo Sie dieses Abenteuer hinführt?

10. Um damit angeben zu können?

Wir und angeben? Niemals. Obwohl, so ein kleines bisschen schmeichelt es uns ja doch. So artet manche Urlaubserzählung in einen regelrechten Wettbewerb mit klarem Münchhausen-Effekt aus. Je exotischer die Reise, desto größer der Erzählerstolz. Aber ganz ehrlich, müssen es denn wirklich Timbuktu oder Tokio sein? Völlig zu Unrecht gilt da unser eigenes Land als etwas verstaubt. Denn bei unserem Urlaub geht es ja um uns und nicht um die Bewunderung durch andere. Tun Sie also, was Ihnen und Ihren Lieben Spaß macht. Dann wird jeder Urlaub toll, ganz egal, wo Sie ihn verbringen.

Haben Sie Hunde?

»Was denkst du?«

Meine Frau schaute mich zweifelnd an.

Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Auf den ersten Blick schien die Unterkunft okay. Solange man nicht genauer hinsah. Ein großer Raum mit dunkler Holzvertäfelung, ein wenig abgewetzt. Da, wo die Paneele ausgespart waren, etwa unter den Fenstern, lugte eine gewöhnungsbedürftige Samttapete hervor. Das Muster konnte man kaum noch erkennen, da die vielen Jahre, in denen sie schon da kleben musste, es ausgeblichen hatten. Und dann dieser dicke Teppich. Braungrüne Ornamente, Fransen an den Seiten, ein paar Wasserflecken. Ich hoffte, dass es Wasserflecken waren. Das Zimmer hätte auch ein Puff aus den Zwanzigerjahren sein können. Besonders wenn man das Gemälde über dem Sofa betrachtete, auf dem drei dicke Elfen nackt um einen Baum tanzten. Keine Ahnung, ob das die richtige Ferienunterkunft für uns war. Als solche war sie uns nämlich vermietet worden.

Die Kinder saßen auf dem breiten Doppelbett und freuten sich, endlich angekommen zu sein. Sie hatten Anlauf nehmen müssen, um dort hochzukommen, und waren nun so tief eingesunken, dass gerade noch ihre Oberkörper hervorschauten. Ich war gespannt, wie mein lädierter Rücken die erste Nacht überstehen würde.

»Ist okay«, murmelte ich, etwas unsicher. »Oder nicht?« Zögernd schielte ich zu meiner Frau.

»Ja, doch.« Sie nickte, etwas zu heftig. »Mal was anderes. Also bleiben wir?« Fragendes Grinsen.

Es war Mitte August. Ein Wunder, dass wir überhaupt noch eine Unterkunft in Ostseenähe gefunden hatten.

Was blieb uns sonst übrig? Es war Mitte August. Ein Wunder, dass wir überhaupt noch eine Unterkunft in Ostseenähe gefunden hatten. Wer hätte auch ahnen können, dass ich tatsächlich ein paar freie Tage zur Ferienzeit herausschinden konnte. Wo sonst in meiner Firma im Sommer absolute Urlaubssperre herrschte. Insofern war es noch ein kleiner Gewinn, den wir hier abgesahnt hatten. Gut, das Zimmer entsprach nicht unbedingt der klassischen Vorstellung eines Ferienappartements. Neben seiner zweifelhaften Einrichtung lag es an der Straße – Kopfsteinpflaster! – und die in der Anzeige behauptete Strandnähe war ein dehnbarer Begriff (eine halbe Stunde im Stechschritt).

Aber es war gemütlich, genauso wie die Wirtin, eine breitschultrige, pausbäckige Matrone, die uns eben den Schlüssel aushändigte.

»Fühlen Sie sich wie zu Hause«, forderte sie uns freundlich auf, was meine Frau und ich mit einem gequälten Lächeln erwiderten. Drei Hunde folgten ihr auf dem Fuß, zwei Pekinesen, die wie wandelnde Wischmopps aussahen, und irgendwas, was wohl auch ein Hund war, bei dem aber beim besten Willen nicht zu erkennen war, welche Rassen da mitgemischt hatten.

Die Kinder hatten angefangen, auf dem Bett Trampolin zu springen. Meine Frau wies sie an, das besser nicht zu tun. Sie fürchtete, das alte Gestell könnte unter ihnen zusammenbrechen. Ich hatte Angst, dass sie sich eine Gehirnerschütterung zuziehen würden, wenn sie runterfielen.

Ich verzog mich für ein paar Minuten ins Bad. Das Klo war ein Thron, einsam vor der nackten Wand stehend, von dem aus ich meine Beine baumeln lassen konnte. Während ich saß, schaute ich mich um. Es war ein (vor langer Zeit) gekalkter Raum mit einem angeplatzten Mini-Waschbecken in der einen und einer Duschecke mit einem gelben (ehemals weißen) Vorhang in der anderen Ecke. Die Nische war so schmal, dass ich mir Gedanken machte, wie ich meinen kompletten Körper unter die Dusche bekommen sollte. Übermäßig gelenkige Schlangenmenschen waren klar im Vorteil. Spinnenweben in den Ecken. Wenigstens keine Fliegen, sagte ich mir. Unter dem kleinen Fenster (eine Gefängniszelle hatte wahrscheinlich mehr Licht) führte eine beeindruckende Ameisenstraße vorbei und als ich spülen wollte, stellte ich fest, dass ich kurz zuvor mehr Druck auf der Blase gehabt hatte als diese Wasserspülung.

Was für eine Bruchbude!

Als ich meiner Frau von dem Bad erzählte, wurde sie ein wenig blass (»Und wo deponiere ich unsere Waschsachen?«), richtete sich dann aber tapfer auf und meinte: »Egal, wir haben gesagt, wir bleiben. Wenigstens macht das Wetter mit.«

Das Wetter machte tatsächlich mit, wohl aus Mitleid mit uns. Wir brauchten auch nur 25 Minuten zum Strand, dafür fast eine Stunde am Abend zurück, weil die Kinder keine Lust mehr zu laufen hatten und sich abwechselnd schieben und ziehen ließen. Um ehrlich zu sein, trieben meine Frau und ich sie auch nicht gerade zur Eile an. Keiner von uns verspürte einen brennenden Drang, zurück in unser Appartement zu kommen.

Als kleiner Trost erwies sich die Tatsache, dass wir gleich nebenan einen China-Imbiss entdeckten, in dem wir eine weitere Stunde totschlagen konnten.

Als wir uns später dem Unausweichlichen stellten und unser Quartier aufsuchten, bemerkten wir zwei Dinge, die uns bei der Ankunft nicht aufgefallen waren: Das Deckenlicht funktionierte nicht. Und der Geruch des Chinesen drang, offenbar über die mit dem Restaurant verbundene Decke, bis in unser Zimmer vor. Im Schein zweier Nachttischlampen öffneten wir für eine Weile eines der Fenster, was dazu führte, dass wir jedes Wort der Gäste im Imbiss – und der Fußgänger auf der Straße davor – mitbekamen.

Zum Glück sollten unsere Kinder in einer Extra-Kammer hinter dem Elternschlafzimmer nächtigen. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn die Wirtin ihr Putzzeug vorher noch weggeräumt hätte, da ich finde, ein Eimer und ein Schrubber müssen nicht zwangsläufig am Kopfende eines Kinderbettes stehen. Die Frage erübrigte sich aber nach kurzer Zeit sowieso, denn unsere Kinder weigerten sich stur, in diesem Zimmer zu schlafen. Der Grund: eine große Spinne, die beim Einschalten des Lichts hastig an der Decke entlanggeflitzt war.

Na ja, vielleicht vergraulten wir auf diese Weise wenigstens ein paar der penetranten China-Gäste.

Wir hofften, das Thema nach dem Duschen (schließlich waren wir noch voller Salzwasser) noch einmal ansprechen zu können. Aber da gab es schon das nächste Problem: Unser Großer schnitt sich den Fuß an einer scharfkantigen, abgebrochenen Fliese auf. Wenn wir ihn hätten ermorden wollen, hätte das Theater nicht größer sein können. Na ja, vielleicht vergraul­ten wir auf diese Weise wenigstens ein paar der penetranten China-Gäste. Meine Frau war hin- und hergerissen zwischen mütterlicher Routine (»So schlimm sieht es doch gar nicht aus.«), Fürsorge (»Was, wenn er sich eine Blutvergiftung holt?«) und Verärgerung (»Diese Mistbude!«). Als Vater war ich wie in solchen Momenten immer abgemeldet. Und so blieb es bis zum späten Abend. Genauer gesagt, bis in die Nacht. Denn natürlich nutzte unser Sohn seine Kriegsverletzung (genau genommen war es nicht mehr als ein Kratzer), um zu erklären, dass er nun unbedingt bei Mama übernachten musste. Was seine Schwester zur Schlussfolgerung veranlasste, dass sie ebenfalls mit ins Ehebett musste.

Wer blieb übrig?

Ich machte es mir auf einer der provisorischen Kinderliegen bequem, die so schmal waren, dass ich nachts nicht vergessen durfte, mich mit äußerster Vorsicht umzudrehen, wenn ich nicht rausfallen wollte. Das Bettzeug war offensichtlich ebenfalls für Kinder gedacht, das Kopfkissen nicht größer als ein Waschlappen.

Als gegen elf der Lärm aus dem Restaurant endlich abebbte, schaffte ich es, für ein paar Minuten zu schlafen. Dann begann einer der Hunde über uns zu winseln. Ich weiß nicht, ob es schlimmer gewesen wäre, wenn er richtig drauflosgebellt hätte. Aber dieses unterdrückte, hohe Fiepen, das sich wie eine glühende Nadel in die Gehörgänge piercte, erschien mir in diesem Moment als Gipfel der Pein. Und nicht nur mir: Nach einer Viertelstunde Folter zischte meine Frau aus dem Nebenzimmer, ob ich mal »was dagegen machen« könnte.

»Was denn?«, raunte ich genervt zurück.

»Keine Ahnung. Geh hoch und sag, dass wir nicht schlafen können.«

Genauer gesagt, konnten meine Frau und ich nicht schlafen. Die Kinder schnarchten selig.

»Und was soll sie dann machen? Den Hund aus dem Fenster schmeißen?«

»Keine Ahnung. Vielleicht kann sie ihn ja in ein anderes Zimmer bringen oder so was.«

Oder so was …

In Shorts und T-Shirt schlappte ich die alte, morsche Treppe, die wohl nicht nur die beiden Weltkriege, sondern wahrscheinlich schon die Französische Revolution miterlebt hatte, nach oben und klopfte zögerlich gegen die Tür. Das Winseln von drin verwandelte sich augenblicklich in ein heiseres Bellen, in das die anderen beiden Kläffer sofort einstimmten. Wenn die Kinder jetzt nicht wach wurden, waren sie tot.

Von innen fummelte jemand an der Türverriegelung und kurz darauf stand die Vermieterin vor mir. Sie trug Lockenwickler im Haar und hatte offenbar schon geschlafen. Schön für sie.

»Ja?«

Von Schuldbewusstsein keine Spur.

»Ihr Hund«, begann ich unschlüssig.

»Welcher? Lulu?«

Keine Ahnung, welcher. Lulu und Konsorten schnüffelten bereits geschäftig um meine Beine herum und ich musste dem Drang widerstehen, zuzutreten.

»Unsere Kinder haben ein wenig Angst, weil er so laut heult. Sie denken, er hat Schmerzen.«

Die Kinder ließen sich immer als Ausrede benutzen und für jede Art Entschuldigung prima vors Loch schieben.

Ein Leben als Vater war ein Leben voller Kompromisse. Es hatte jedoch einen klaren, stets einsatzbereiten, von mir gern genutzten Vorteil: Die Kinder ließen sich immer als Ausrede benutzen und für jede Art Entschuldigung prima vors Loch schieben. Verschlafen und zu spät auf Arbeit? Das Kind war schuld. Überstunden? Geht nicht, kranke Kinder daheim. Abends mit den Kumpels noch lange um die Häuser ziehen? Ich muss nach Hause, die Kinder sind um sechs Uhr wach! Spenden zur Weihnachtszeit? Sorry, aber die Kinder brauchen neue Winterschuhe. Oder wie jetzt: Ihr Hund bellt und die Kinder können nicht schlafen.

»Lulu hat Angst im Dunkeln«, klärte mich die Wirtin auf. »Wir haben sie erst vor Kurzem aus dem Tierheim geholt.«

Es käme wahrscheinlich nicht gut an, wenn ich gestehen würde, dass mir das total egal war.

»Vielleicht lassen Sie eine Nachttischlampe brennen?«, meinte ich verständnisvoll.

»Machen wir schon.«

»Dann noch eine?«

Meine Kinder, verdammt noch mal! Es war zwei Uhr in der Nacht.

»Ich versuche es mal«, flüsterte die Dame und wir standen uns für einen Moment in stillschweigendem Einvernehmen gegenüber. Zwei um ihren Nachwuchs besorgte Eltern.

Es schien zu funktionieren.

Zehn Minuten später lag ich auf meiner Liege und lauschte der Ruhe im Haus. Die Hunde schliefen, meine Kinder schliefen. Auch meine Frau schlief. Nur ich nicht. Ich lauschte dem Schnarchen der Vermieterin, die ihr Schlafzimmer offenbar genau über dem meinen hatte. Täuschte ich mich oder wackelte die Gardine im Takt?

Ich lag da und überlegte.

Keine Woche würde ich hier aushalten. Nur – wie sollte ich das meiner Familie beibringen? Wenn ich morgen früh ankündigen würde, dass wir wieder nach Hause fahren, würden sich die Kinder aus dem Fenster stürzen (was bei der Höhe kein großes Problem wäre) oder einfach weglaufen. Die Kleine hatte das schon einmal gemacht, als wir zwei Tage früher vom Ponyhof abfahren wollten. Außerdem konnte ich mir für den Rest des Jahres anhören, dass ich der Familie den Urlaub vermiest hätte. Als Sündenbock stand Papa ohnehin ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Es müsste irgendetwas passieren, was mir die Entscheidung abnehmen würde. Ein Schneesturm oder so was. Eine Überschwemmung. Flutwellen. Ich glaube, während ich einschlief, schickte ich ein leises Stoßgebet in die verbleibende Nacht. Ich wünschte es mir wirklich sehr!

Anscheinend hatten mich die Ereignisse des vorangegangenen Tages doch mehr mitgenommen, als ich gedacht hatte. Jedenfalls schlief ich am nächsten Morgen länger als geplant und wurde erst schrittweise wach, während ich meine Kinder aus dem anderen Zimmer quengeln hörte: »Das juckt!«

»Ich weiß«, antwortete meine Frau und klang ein wenig genervt. »Bei Mama auch.«

Verschlafen rappelte ich mich auf und taumelte rüber zu ihnen.

»Was ist denn hier los?«

Meine Frau zog unserer Tochter das Hemd am Rücken hoch. Er war mit roten Punkten gesprenkelt.

»Das ist los!«

»Was ist das?«

Meine Tochter sah aus, als wären über Nacht die Windpocken ausgebrochen. Oder Röteln.

»Flöhe. Das ganze Bett ist voller Flöhe!«

Erst jetzt bemerkte ich, dass nicht nur meine Tochter davon übersät war, sondern dass sich auch unser Sohn fortwährend kratzte. Genau wie meine Frau.

»Was für Flöhe?«

Schon während ich sie stellte, merkte ich, wie blöd die Frage klang. Aber irgendwas musste ich ja sagen.

»Keine Ahnung!« Meine Frau riss angesäuert die Decken vom Bett und untersuchte das Laken. »Wahrscheinlich Hundeflöhe. Diese wandelnden Bettvorleger sind ja geradezu prädestiniert dafür.« Sie beugte sich nach unten und untersuchte das Bett.

»Na, bitte!« Ein Triumphschrei. »Hier und hier und hier.«

Tatsächlich, jetzt sah ich sie auch. Kleine, fast unsichtbare schwarze Punkte, die sich wie von Geisterhand bewegten, wenn man sie berührte.

In meiner Brust machte sich ein Gefühl der Beklemmung breit. Schuldbewusst schielte ich zu meinen sich kratzenden Kindern und zu meiner mit dem Bettzeug ringenden Frau. Nicht, dass ich wirklich glaubte, etwas von diesem Elend ausgelöst zu haben. Aber es war schon eigentümlich.

»Hier bleiben wir keine Nacht länger.«

Meine Frau hatte sich entschieden, das Geschwätz von gestern zu vergessen.

»Wo wollen wir denn hin?«, fragte ich bestürzt. Plötzlich wollte ich gar nicht mehr weg, zumindest nicht, wenn ich schuld an der Misere war. Denn so fühlte ich mich momentan: Als ob Gott mein Gebet in der letzten Nacht erhört und daraufhin diese Plage in unser Appartement geschickt hätte.

Meine Frau schüttelte ratlos den Kopf. »Nach Hause. Wohin sonst?«

Eine Stunde später hatten wir unsere Sachen gepackt und waren raus.

Eine Stunde später hatten wir unsere Sachen gepackt und waren raus. Unsere Kinder heulten, während sie sich kratzten. Wir hatten Puder auf die Stiche getan, um den Juckreiz zu lindern. Es half bedingt. Der Mund meiner Frau war zu einem schmalen Strich geworden.

Ich hatte wirklich ein schlechtes Gewissen und wollte meiner Familie unbedingt etwas Gutes tun, um den Abbruch des Urlaubs halbwegs erträglich zu machen. Ich beschloss, ihnen ein Eis zu kaufen. Wild entschlossen hielt ich vor dem nächstbesten Zeitschriftenladen, vor dem ein Eisschild aufgestellt war.

»Ihr bekommt das größte Eis, das es gibt«, versprach ich, was zumindest meiner Tochter ein schiefes Lächeln entlockte. Meine Frau heulte jetzt auch.

Ich sprintete in den Laden und als ich die größten Eispackungen zusammengesucht hatte, die ich finden konnte, fiel mir ein alter, mürrisch dreinblickender Mann auf, der umständlich einen Zettel am Schwarzen Brett befestigte. Neugierig gesellte ich mich zu ihm.

»Was haben Sie da?«, fragte ich interessiert.

»Wonach sieht es denn aus?«, antwortete er griesgrämig. »Meine Feriengäste haben mich heute Morgen versetzt. Jetzt suche ich neue Interessenten für meine Ferienwohnung.«

Mein Herz begann wild zu hüpfen. Hoffnung! »Was ist das für eine Wohnung?«

»Nichts Besonderes. Dachgeschoss. Zwei Zimmer, Bad, ein kleiner Balkon.«

Mein Herz setzte aus. Ich konnte nicht anders und umarmte den Mann spontan. »Sie sind meine Rettung!«

Dieser Beweis meiner intuitiven Zuneigung wäre uns beinahe zum Verhängnis geworden. Otto, so hieß der Mann, mochte nämlich keine Umarmungen. Nicht mal von seiner eigenen Frau. Und er war sehr wählerisch bei der Auswahl seiner Feriengäste. In meiner Verzweiflung muss ich jedoch einen erbarmungswürdigen Eindruck gemacht haben und so bekam ich den Zuschlag. Und verhalf meiner Familie damit am Ende doch noch zu einem unerwarteten Traumurlaub!

Und nicht nur für dieses eine Mal.

Von da an fuhren wir nämlich jedes Jahr zu Otto in die Ferien. Die Kinder liebten ihn und seine Familie und meine Frau war glücklich, wenn die Kinder glücklich waren. Na, und ich sowieso.

Meine Frau hatte nur eine einzige Frage, als ich ihr Otto auf dem Parkplatz vor dem Zeitungsladen vorstellte:

»Haben Sie Hunde?«

Das Monster von Loch Bodensee

»Was? Friedrichshafen? Ich fahre doch nicht in den Herbstferien an die Nordsee! Wie uncool ist das denn?«

»Bodensee, du Vollhonk. Friedrichshafen liegt in Bayern!« Jan hatte blitzschnell auf seinem Smartphone herumgetippt und sah seinen Bruder Henry genervt an.

»Baden-Württemberg, um genau zu sein«, mischte ich mich korrigierend in die Diskussion unserer beiden 11- und 13-jährigen Söhne ein.

»Wenn es wenigstens Mallorca wäre! Kann ich zu Hause bleiben?«

»Das macht es auch nicht besser! Meine Freunde fliegen nach Amerika oder Kuba. Und wir? Im Sommer waren wir gar nicht weg wegen dem Umzug und jetzt das! Wenn es wenigstens Mallorca wäre! Kann ich zu Hause bleiben?«

Die Reaktion der Kinder auf die Ankündigung unseres diesjährigen Familienurlaubs war sehr verhalten. Um ehrlich zu sein, Henry und Jan waren maßlos enttäuscht. Aber mein Mann Max und ich blieben bei der Entscheidung, wie hartnäckig auch immer sie versuchten, uns den Bodensee auszureden. Vor Jahren hatte ich dort studiert. Und jetzt hatte ich mir vorgenommen, meine Familie von der Schönheit der Region zu überzeugen, auch wenn das ein hartes Stück Arbeit werden sollte. Wenn sie erst mal da wären, so war ich mir sicher, dann würden sie dem Flair des Bodensees schon erliegen. Friedrichshafen lag direkt am See. Die Insel Mainau, die Blumeninsel, war ein absolutes Highlight, ebenso die Städte Meersburg und Ravensburg mit ihren idyllischen Gässchen. Ich erinnerte mich zu gern daran. Max und ich freuten uns auf die Reise in die Vergangenheit, hatte er mich doch oft am Bodensee besucht.

»Wir könnten Andi treffen, der wohnt doch noch in Überlingen, oder?«, fragte er euphorisch.

Meine Laune wurde immer besser. Ich war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Die Laune der Kinder hingegen, die eigentlich kurz vor den Ferien auf dem Höhepunkt sein sollte, wurde immer schlechter. Jan hatte bis vor einigen Wochen noch an einen schlechten Scherz geglaubt und wohl fest damit gerechnet, dass ich eines Tages die Tickets nach Mallorca aus der Tasche ziehen und »Überraschung« rufen würde! Als das nicht passierte, zog er sich grummelnd in sein Zimmer zurück und verbrachte noch mehr Zeit an seinem Smartphone als üblich.

Henry, unser Kleiner, hatte immer schon viel Fantasie. Er konstruierte sich seine ganz eigene Urlaubswelt. Zufällig hörte ich eine WhatsApp-Sprachnachricht seines Kumpels: »Krass, Alter! Ihr fliegt nach Brasilien? In den Geburtsort von Neymar? Wie geil ist das denn?« Zum Glück schreiben die Kinder heute keine Postkarten mehr. Sonst hätte Henry ein Problem gehabt.

 

Die Autofahrt ins tiefste Schwabenländle verlief extrem ruhig. Mein Mann und ich erinnerten uns rührselig an unsere Studienzeit. Henry und Jan, versorgt mit Tablets, Smartphones, Kopfhörern, Softgetränken und Chips, waren mit sich beschäftigt und gaben kaum einen Ton von sich.

»Wir sind da.« Ich konnte kaum an mich halten. Schnell stieg ich in Friedrichshafen aus dem Auto aus und lief über die Straße zur Uferpromenade. Da lag er vor mir: der Bodensee. Tiefblau. Riesig. Wunderschön. Umrahmt von Bergen. Die Sonne spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. Es war ein traumhaftes Bild. An Holzpfählen vertäute Boote schaukelten sacht im leichten Wind. Ging der Empfang perfekter? Der See würde leichtes Spiel haben. Er würde sie verzaubern, so wie er es auch bei mir getan hatte.

»Doppelt so viele Badetote wie im Vorjahr. Die Zahl der Badeopfer am Bodensee steigt alarmierend, so der Leiter der Wasserschutzpolizei Friedrichshafen.« Jan stand neben mir. Ich hatte ihn gar nicht kommen gehört. Sein Smartphone in der Hand, sah er mich triumphierend an.

»Wie bitte?« Ich musste mich erst einmal sammeln.

»Tote! Immer mehr Tote im See!« Mit diesen Worten drehte er sich um und ging wieder in Richtung Auto.

»Wow, das ist fett«, hörte ich Henry sagen. Na, wenigstens ein Kind war empfänglich für die Schönheit der Natur. »Neymar hat mehr Länderspieltore als Ronaldo.«

»Lass ihnen Zeit, das wird schon noch«, sagte mein Mann tröstend, nahm meine Hand und gemeinsam genossen wir den unvergleichlichen Ausblick auf den See.

 

»Willkomma. Ha noi, wie schee! Mir fraiad uns!«

»Ich dachte, das ist hier Deutschland. War das Brasilianisch?«

»Was hat die gesagt, Mama?« Henry zupfte an meinem T-Shirt. »Ich dachte, das ist hier Deutschland. War das Brasilia­nisch?«

»Mir kennad alles außer hochdeidsch, woisch.« Bei diesen Worten bekam die rundliche Vermieterin unserer Ferienwohnung »Haus Seeblick« – Frau Schuler – einen prustenden Lachanfall, sodass ihr gewaltiger Busen wippte. Henry und Jan starrten sie irritiert an. Während sie meinen Mann und mich durch die Ferienwohnung führte, machten es sich die Kinder mit ihren Smartphones demonstrativ gelangweilt auf den Sofas gemütlich. Frau Schulers Blick sagte mehr als tausend schwäbische Worte. Sie schien die Abneigung unserer Söhne gegen den Bodensee sofort zu durchschauen. »Mir zwoi vrschdehad uns, woisch«, sagte sie an mich gewandt, als wir wissende Blicke miteinander austauschten. Es folgte ihr herzhaftes Lachen. »Bisch morga früh zum Frühstück, ihr Süßen!« Sie zwinkerte Jan zum Abschied zu, der zumindest den Anflug eines Lächelns zustande brachte.

Das Abendessen nahmen wir vier in einem kleinen, gemütlichen Fischrestaurant ein – mit Seeblick natürlich. Max, den das ewige Handygezocke erheblich mehr nervte als mich, hatte Smartphone-Verbot erteilt, was dazu führte, dass sich unsere übelgelaunten Söhne nicht an der Konversation beteiligten. Der Abend verlief mehr als zäh.

Als wir wieder bei der Ferienwohnung ankamen, lag vor unserer Haustür ein zerfleddertes Papierheftchen. Henry nahm es hoch: »Die Legende vom Bodensee«, las er laut vor. »Was ist das denn?«

»Man nennt es Papierheftchen. Und es scheint sich um eine Geschichte oder Legende zu handeln«, sagte mein Mann oberlehrerhaft. Jans Hand verschwand instinktiv in seiner Tasche. »Mist, jetzt kann ich das nicht mal googeln.«

»Wie wäre es zur Abwechslung mal mit lesen?!« Max verdrehte die Augen.

 

»Ich will heute nach Meersburg«, verkündete uns Henry beim Frühstück am nächsten Morgen. »Da geht’s voll ab.«

»Sehr gern. Tolle Idee.« Überrascht lächelte ich meinen Mann an.

»Und was genau geht da ab?«, fragte Jan mürrisch und biss in sein Brötchen.

»Na, das Monster wurde da gesichtet.« Henrys Wangen glühten rot wie schon lange nicht mehr. Er wedelte mit dem Papierheftchen genau vor meiner Nase herum.

»Steht alles hier drin. Fischer berichten davon, dass sie etwas Ungewöhnliches im See gesichtet haben. Genau wie in Loch Ness. Wie ein echtes Monster soll es ausgesehen haben. Ein voll krasser Horrorzombie.« Jan googelte bereits. Das Smartphone-Verbot war wieder aufgehoben.

»Geil, hier gibt’s sogar einen YouTube-Film über die Legende.«

Die Kinder waren begeistert. Endlich passierte mal was Aufregendes. Sie folgten uns bereitwillig nach Meersburg und besichtigten mit uns die Stadt und sogar die Burg. Die zwei Stunden, die Max und ich völlig entspannt mit meinem Studienkollegen Andi in einem Café am See verbrachten, nutzten sie für ihre Zombierecherchen.

 

Der nächste Tag startete mit Frühnebel, was den See sehr gespenstisch aussehen ließ. Der Blick aus dem Fenster unserer Ferienwohnung bot dicke Nebelschwaden, die die dahinterliegenden Berge völlig verdeckten.

»Des gohd doch uff koi Kuahhaut nedd! Dees isch vielleichd an bleedr Näbl!« Frau Schuler schimpfte vor sich hin wie ein schwäbischer Rohrspatz. Die Kinder nutzten beim Frühstück die Gelegenheit, sie über die Legende vom Bodensee auszufragen. Natürlich war sie es gewesen, die das Heftchen vor unserer Türe platziert hatte. »Mir zwoi vrschdehad uns, woisch.« Diesmal zwinkerte sie mir zu. Sie erzählte den Kindern wahre Horrorgeschichten, die durch ihren rätselhaften Dialekt noch schauriger wirkten. Was auch immer Henry und Jan davon verstanden hatten, sie wollten kurz danach unbedingt auf die Insel Mainau fahren. Mein Mann und ich nutzten die Begeisterung aus und begleiteten die beiden erfreut. Während wir die wunderschöne Blumeninsel erforschten, inspizierten die Kinder die Ufer und Anlegestege der Insel. Abends trafen Max und ich uns dann mit Andi zu einer Weinprobe im Staatsweingut Meersburg.

 

Auch der nächste Morgen empfing uns mit Frühnebel. Der Anblick des Sees hatte heute aber etwas Märchenhaftes an sich. Die Sonne versuchte sich ihren Weg zu bahnen und blitzte hier und da durch die Nebelwand hindurch.

Max schlug vor, dass wir uns dieses Naturschauspiel aus der Nähe anschauen sollten. Also wanderten wir mit den Kindern zum See hinunter. Und da plötzlich passierte es!

»Der Zombie!« Henry brüllte aus Leibeskräften. »Das Monster vom Bodensee. Es lebt …«

Dann bemerkten auch wir anderen es. Ein undefinierbares Wesen erhob sich urplötzlich aus den Tiefen des nebelverhangenen Sees. Es sah furchtbar aus. Der Begriff Zombie kam ihm schon sehr nahe. Blutunterlaufene Augen. Menschlicher Körper, aber Flügel am Rücken. »Was zur Hölle ist das?«

Jan filmte alles mit seinem Smartphone, während Henry immer weiter schrie: »Das Monster lebt!«

Max antwortete mir nicht, sondern drückte nur fest meine Hand. Jan filmte alles mit seinem Smartphone, während Henry immer weiter schrie: »Das Monster lebt!«

Genauso plötzlich, wie es aus dem Nichts erschienen war, verschwand es wieder im See.