Spicy Rebels - Heike Abidi - E-Book

Spicy Rebels E-Book

Heike Abidi

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Beschreibung

Drei starke Mädchencharaktere mit rebellischer Würze und eine fröhlich-quirlige Internatsgeschichte Chili ist empört: Ihre Eltern schicken sie aufs Internat! Das lässt sie sich nicht gefallen. Kaum angekommen, schmiedet sie Fluchtpläne: Rebellion, Streik – egal wie, sie muss weg und will sich schon gar nicht irgendwie einleben oder Freundschaften schließen! Da es Ginger und Pepper ganz ähnlich geht, gründet Chili mit den beiden einen Club: die Spicy Rebels. Gemeinsam überlegen sie einen Weg, wie sie hochkant von der Schule fliegen. Doch bei all der Rebellion ist es gar nicht so einfach, sich nicht doch aus Versehen anzufreunden ... Ein sommerlicher Mädchenschmöker von Bestsellerautorin Heike Abidi!

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Über das Buch

Chili ist empört: Ihre Eltern schicken sie aufs Internat! Das lässt sie sich nicht gefallen. Kaum angekommen, schmiedet sie Fluchtpläne: Rebellion, Streik – egal wie, sie muss weg und will sich schon gar nicht irgendwie einleben oder Freundschaften schließen!

Da es Ginger und Pepper ganz ähnlich geht, gründet Chili mit den beiden einen Club: die Spicy Rebels. Gemeinsam überlegen sie einen Weg, wie sie hochkant von der Schule fliegen. Doch bei all der Rebellion ist es gar nicht so einfach, sich aus Versehen nicht doch anzufreunden …

Ein sommerlicher Mädchenschmöker von Bestsellerautorin Heike Abidi!

Inhalt

1 Weckt mich auf, das muss ein Albtraum sein!

2 Zu zweit ist man weniger einsam

3 Mission: Klappe halten

4 Zwei sind ein Duo, drei sind ein Club

5 Was, wenn wir nicht jetzt streiken, sondern später?

6 Ein Live-Wecker, eine verblüffte Bohnenstange und ein nicht ganz so lustiges Katzenvideo

7 180-Grad-Verwandlung

8 Hallo, ich bin die Neue und will mitmachen

9 Hochmut kommt vor dem Fall oder: Phase eins läuft!

10 Natürlich bleibt es bei unserem Plan!

11 Laaaaanges Wochenende

12 »Kotzbrocken« ist viel zu harmlos

13 Eine Gewissensfrage, ein mittleres Weltwunder und eine unerwartete Sitzordnung

14 Alles nach Plan – na ja, fast alles …

15 Mein Leben ist doch kein Musical!

16 Was, wenn es immer so wäre?

17 Keine Zeit für Gefühle

18 Meine Freundin mit dem Röntgenblick

19 Ich bin doch nicht aus Zucker!

20 Außer Gefecht

21 Ich springe über meinen Schatten, Ginger wird wütend und Pepper ganz kleinlaut

22 Funkstille bei den Spicy Rebels

23 Der Tag der großen Entscheidungen

1

Weckt mich auf, das muss ein Albtraum sein!

Ich will nicht lächeln. Und schon gar nicht winken! Trotzdem hebt sich mein Arm, als wäre ich eine Marionette und ein unsichtbarer Puppenspieler würde an den Fäden ziehen. Irgendwie gruselig. Ich bin eindeutig nicht ich selbst heute.

Der Wagen meiner Eltern setzt sich in Bewegung und rollt langsam über die Kiesauffahrt in Richtung Straße davon.

»Halt!«, möchte ich schreien. »Nehmt mich mit! Ihr könnt mich doch nicht ernsthaft hierlassen!«

Aber ich schweige. Erstens, weil es für weitere Diskussionen ohnehin zu spät ist, und zweitens, weil ich keine Lust habe, mich unsterblich zu blamieren.

Eine Träne kullert über meine Wange. Ärgerlich wische ich sie mit dem Handrücken weg. Muss ja keiner sehen, wie es mir geht. Sonst hab ich hier im Haus Wildenburg gleich meinen Ruf als Heulsuse weg.

Dabei bin ich sonst gar nicht so, ehrlich. Im Gegenteil, ich bin bekannt dafür, mich nie unterkriegen zu lassen! Chili, die Gechillte, so nennen mich meine Freunde zu Hause. Charlene, die wilde Hummel, hat meine Oma immer zu mir gesagt, als ich kleiner war und sie noch lebte. Meine Große, hat Paps mich vorhin genannt, als er mein Gepäck zum Eingang schleppte und ich ihm wortlos den Laptoprucksack abnahm.

Ja, okay – groß bin ich tatsächlich für meine zwölfeinhalb Jahre. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich die ganze Sache hier locker nehme!

Doch meine Eltern wollen das einfach nicht wahrhaben. Die ganze Fahrt über waren sie so übertrieben fröhlich, dass mir fast übel wurde. Mum hat gesungen und Paps in einer Tour Witze erzählt, die kein bisschen komisch waren, während ich auf der Rückbank kauerte und mich immer wieder in den Arm zwickte, um endlich aus diesem verflixten Albtraum aufzuwachen. Leider ist es gar keiner. Sondern grausame Realität. Sie haben mich tatsächlich ins Internierungslager gesteckt! Oder wie sie es nennen: ins Internat. Hunderte Kilometer von zu Hause und meinen Freundinnen weg – und demnächst sogar Tausende Kilometer von meinen Erzeugern entfernt. Hey, das habe ich nicht verdient! Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, etwas angestellt zu haben. Ich meine, wenn man davon absieht, dass ich meine Klappe nie halten kann, wenn ich etwas ungerecht finde. Aber das ist schließlich kein Verbrechen! Trotzdem kriege ich die Höchststrafe. Natürlich tun Mum und Paps so, als wäre das alles ein riesengroßes Abenteuer für mich.

»Du wirst sehen, bald findest du supernette neue Freundinnen, und ihr werdet jede Menge Spaß miteinander haben«, haben sie mir vorgeschwärmt, um mir ihren Plan irgendwie schmackhaft zu machen.

Als hätte es irgendeine Rolle gespielt, ob ich mich freue oder nicht. Die Entscheidung war da längst gefallen, weil es angeblich nicht anders ging.

Es geht immer anders, wenn man nur will! Davon bin ich überzeugt. Meine Eltern hätten mich mitnehmen können. Dann hätte ich dieses Abenteuer mit ihnen gemeinsam erleben können, was obercool gewesen wäre! Irgendwie wäre es sicher machbar gewesen, eine Genehmigung dafür zu kriegen. Aber nein, sie ließen sich gleich von der ersten Ablehnung der Schulbehörde abschrecken. Echt lahm. Warum haben sie nicht einfach ein Au Pair für mich engagiert? Dann hätte ich zu Hause bleiben können. Oder wenn ich wenigstens bei Coras Familie hätte wohnen dürfen! Immerhin haben ihre Eltern das angeboten. Aber da war es angeblich schon zu spät … Jetzt bin ich hier und soll gute Miene zum bösen Spiel machen. Und so tun, als wäre die Aussicht auf supernette neue Freundinnen mindestens so fantastisch wie Tickets für ein Billie-Eilish-Konzert. Lächerlich. Außerdem brauche ich gar keine neuen Freundinnen, denn ich habe ja schon welche. Aber die werden mich bestimmt bald vergessen, denn ich bin ja jetzt weg. Irgendwo im Nirgendwo.

Bis zuletzt habe ich gehofft, meine Eltern überlegen es sich noch einmal anders. Ich war sooo sicher, dass sie es einfach nicht übers Herz bringen, mich hier allein zurückzulassen und fröhlich davonzufahren. Doch genau das tun sie in diesem Moment gerade. Noch ein letztes Winken aus den geöffneten Autofenstern, dann brausen sie um die Kurve. Und weg sind sie. Wie können sie nur?!

Dass sie zuvor, als wir uns zum Abschied noch einmal ganz lang und fest gedrückt haben, selbst auch ein paar Tränen vergossen haben, macht die Sache nicht unbedingt besser. Eher noch schlimmer. Ich meine: Mum und Paps wissen ganz genau, was sie mir gerade antun. Und trotzdem ziehen sie die Sache durch. Unfassbar!

Mich fröstelt, trotz der Sonne. Das, wovor ich mich in den letzten Wochen so gefürchtet habe, ist auf einmal real: Ich werde meine Eltern ein ganzes Jahr lang nicht sehen. Höchstens per Skype, aber nur, wenn sie zwischendurch mal in einer zivilisierten Gegend sind. Auf dem Ozean, wo sie mit einem Forschungsschiff unterwegs sind, wird das allerdings eher selten der Fall sein.

Ich bin kurz davor, mitten im Getümmel loszuheulen, als ich unsanft aus meinen trüben Gedanken gerissen werde: Jemand rempelt mich an. Ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren, etwa in meinem Alter. Sie scheint auf pinkfarbenen Lippenstift und künstliche Wimpern zu stehen. Auf Entschuldigungen aber eher weniger.

»Hey, was stehst du denn da rum wie eine Statue«, pflaumt sie mich an. So als wäre ich daran schuld, dass sie in mich reingerannt ist. Was für eine Ziege!

Bevor mir eine gepfefferte Antwort einfällt, ist sie weitergelaufen, um ihre Freundinnen zu begrüßen.

Ich drehe mich langsam um die eigene Achse und sehe mich um. Überall fröhlich schnatternde Mädchen, die sich in die Arme fallen und ihr Wiedersehen feiern. Wie in einem Kitschfilm aus den Fünfzigern: Schuljahresbeginn im lustigen Mädelsinternat. Nur ich stehe alleine herum und komme mir reichlich dämlich vor. Ich gehöre einfach nicht hierher. Aber ich habe keine Wahl …

O Mann. Das ist der schlimmste Tag meines Lebens!

Bevor noch jemand mit mir kollidiert oder – was schlimmer wäre – mich aus lauter Mitleid anspricht, marschiere ich drauflos. So als hätte ich ein Ziel.

Weil es sonst nichts gibt, wo ich hinkönnte, durchkämme ich einfach mal das Schulgelände. Kann ja nichts schaden, mir einen Überblick darüber zu verschaffen, wo genau ich hier gelandet bin.

Immerhin gibt es jede Menge Sportplätze, das ist ja schon mal was. Ich liebe Sport, vor allem Handball und Tennis. Aber ich werde mich hüten, mich einem der Schulteams anzuschließen. Ich will überhaupt nicht, dass mir in dieser Anstalt irgendetwas Spaß macht.

Abgesehen von den Trainingsanlagen sieht es hier einfach nur trostlos aus. Wenn schon Internat, dann hätte ich mir ein cooles Schloss vorgestellt. So was wie Hogwarts. Stattdessen ist Haus Wildenburg kein bisschen so, wie sein Name klingt. Nicht geheimnisvoll und verwinkelt, sondern nüchtern und hässlich. Einfach ein paar Flachdachgebäude aus Beton und Glas über das Gelände verstreut. Wie eine Kaserne. Oder ein Gefängnis.

Die einzigen Farbtupfer sind die bunten Fensterrahmen. Wie die Direktorin vorhin bei ihrer Begrüßung der Neuen erklärt hat, dienen die Farben der Orientierung. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Fenster der Wohnbereiche blaue Rahmen, die der Klassenzimmer gelbe und der allgemeinen Räume, wie Bibliothek, Aula und Speisesaal, dunkelgrüne.

Von meinem Standort aus habe ich einen ganz guten Überblick über die gesamte Anlage. Das Fenster meines Zimmers müsste das dort drüben sein – blauer Rahmen im zweiten Stock ganz rechts mit Blick auf den Wald. Wobei – eigentlich hat man den von überall aus, denn rund um das Internat gibt es sonst nichts zu sehen. Bäume, so weit das Auge reicht. Ganz schön trostlos.

Mir wird klar: Dieses Internat sieht nicht nur aus wie ein Gefängnis, es ist auch eins! Fluchtmöglichkeiten: Fehlanzeige. Weit und breit kein Ort, kein Bahnhof, keine Bushaltestelle. Bloß Wald und die Zufahrtsstraße, die durch ihn hindurchführt. Bis zur nächsten Stadt sind es bestimmt siebzig Kilometer! Man bräuchte also ein Auto, um auf diesem Weg von hier zu fliehen. Zu Fuß wäre ich bestimmt mehrere Tage unterwegs und würde von den Suchtrupps aufgegriffen werden, bevor ich weit genug weg wäre.

»Verdammt!« Zornig stampfe ich mit dem Fuß auf. Ich bin tatsächlich hier gefangen. Warum haben meine Eltern mir das bloß angetan? Es ist ja schön, dass sie glauben, unseren Planeten retten zu müssen. Aber warum haben sie mich dann überhaupt in die Welt gesetzt, wenn sie sich lieber um irgendwelche Fische im Ozean kümmern als um mich? Und warum darf ich nicht wenigstens dabei sein?

Wenn sie glauben, dass ich mir das einfach so gefallen lasse, sind sie allerdings auf dem falschen Dampfer! Ich habe zwar noch keinen Plan, aber mir wird schon noch was einfallen …

Um weiter darüber nachzugrübeln, muss ich mir allerdings einen ruhigeren Ort suchen, denn das Geplapper und Gekicher, das bisher nur aus der Ferne zu hören war, wird lauter. Und tatsächlich – dort hinten kommt eine Gruppe um die Ecke, angeführt von einer grauhaarigen Bohnenstange im Hosenanzug. Das muss wohl die Führung für die neuen Schülerinnen sein, und die Bohnenstange ist Frau Arnold, die Direktorin, höchstpersönlich. Der Rundgang ist zwar kein Pflichtprogramm, sondern lediglich ein Angebot, aber alle außer mir scheinen es gern angenommen zu haben, und bestimmt kommt es nicht gut an, dass ich mich so absondere.

Ich beschließe, mich unverzüglich zu verdrücken. Dabei fällt mir ein, dass ich noch nicht ausgepackt habe. Und mein Bett ist auch noch nicht bezogen! Eine Nacht muss ich wohl mindestens hierbleiben. Oder ein paar Tage. So lang eben, bis ich einen wasserdichten Rettungsplan habe.

Es gelingt mir tatsächlich auf Anhieb, mein Zimmer zu finden. Beziehungsweise: unser Zimmer. Es stehen zwei Betten darin, und eins davon ist auch bereits bezogen. Was ist denn das für ein seltsames Bettwäschedesign? Ernsthaft, Musiknoten?

Himmel, hoffentlich keine Querflöten-Tussi! Wenn sie stundenlang übt, während ich lesen will, dreh ich durch. Ich hätte mir Ohrstöpsel einpacken sollen …

Auf ihrem Nachttisch liegt ein dicker Wälzer. Neugierig trete ich näher. Es ist Tintenherz – eins meiner absoluten Lieblingsbücher. Ich habe es schon mindestens fünfmal gelesen!

Okay, so übel kann meine Zimmergenossin also nicht sein. Immerhin hat sie einen guten Büchergeschmack. Allerdings ist sie offenbar eine pingelige Ordnungsfanatikerin. Wenn ich mir ihre Regale so anschaue, könnte man fast glauben, sie hätte mit dem Lineal nachgemessen, dass nichts aus der Reihe tanzt. Marie Kondo lässt grüßen.

Na ja – sie und ich müssen ja keine Freundinnen werden. Lohnt sich eh nicht.

Im Gegensatz zu Miss Picobello gebe ich mir keine besonders große Mühe beim Schrankeinräumen, sondern knalle den Inhalt meiner Koffer einfach irgendwie in die Fächer. Chili-Style. Ich mag es gern ein bisschen chaotisch. Außerdem werde ich meine Koffer ohnehin bald wieder packen. Dass ich sie überhaupt ausräume, ist bloß ein Ablenkungsmanöver, damit meine Tarnung nicht auffliegt.

Stopp, Chili, rufe ich mich zur Ordnung. Nicht durchdrehen! Jetzt bin ich gerade mal zwei Stunden hier, und schon verliere ich Nerven und Verstand! Von wegen Ablenkungsmanöver und Tarnung. Ich bin hier ja schließlich nicht bei Stranger Things.

Okay – durchatmen. Ich muss logisch denken! Seufzend lasse ich mich auf mein Bett sinken, das erstaunlich bequem ist. Überhaupt ist das Zimmer an sich nicht übel. Ich mag die weißen Möbel und den Holzboden. Die Wände sind gelb gestrichen, was zu den blauen Fenstern wirklich super passt. Aber davon lasse ich mich kein bisschen beeindrucken. Schließlich geht es hier nicht um Innenarchitektur, sondern um mein Leben!

Die Situation ist klar: Ich, Charlene – Chili – Wagner, wurde gegen meinen Willen ins Internat gesteckt. Das lasse ich mir nicht gefallen! Ich muss hier weg, egal wie.

In Gedanken checke ich die Möglichkeiten: Flucht kommt, wie ich die Sache sehe, nicht infrage. Das Internat könnte ebenso gut auf einer einsamen Insel stehen. Völlig aussichtslos, von hier abzuhauen.

Rebellion wäre eine Alternative. Aber dazu bräuchte ich Mitstreiterinnen, doch so wie es scheint, sind alle anderen außer mir geradezu überglücklich, hier zu sein. Mit anderen Worten: Von meinen Mitschülerinnen ist keine Unterstützung zu erwarten. Ich bin auf mich allein gestellt.

Bleibt nur noch eine Option: Streik! Genau, streiken kann man auch allein. So hat Greta Thunberg schließlich ebenfalls angefangen …

In diesem Moment ertönt ein Gong. Hey, welche höhere Macht will mir damit ein Zeichen geben? Dann wird mir klar, dass die höhere Macht niemand anderes ist als die Internatsküche, und das Zeichen gilt nicht meinem grandiosen Plan, sondern dem Abendessen.

Wobei – ja, vielleicht schließt das eine das andere ja gar nicht aus?

2

Zu zweit ist man weniger einsam

Keine Ahnung, wie man von den Schlafräumen aus zum Speisesaal kommt. Das ist das reinste Labyrinth hier! Lauter Treppenhäuser und lange Flure …

Vielleicht hätte ich doch lieber den Lageplan mitnehmen sollen, der vorhin an alle Neulinge verteilt wurde. Aber statt zurück ins Zimmer zu gehen und ihn zu holen, verlasse ich mich einfach auf meine Ohren. Das Stimmengewirr ist schon von Weitem zu hören, und jetzt wird es immer lauter. Außerdem riecht es nach Essen. Und zwar gar nicht mal so übel. Da könnte man fast Appetit kriegen.

Da ist auch schon der Speisesaal. Er ist riesig und ziemlich hell, weil eine Wand komplett aus Fenstern besteht. Ich bleibe kurz am Eingang stehen, um mich zu orientieren. So gut wie alle Tische sind belegt. Das müssen mindestens zweihundert Mädchen sein, alle fröhlich schnatternd. Geschirr klappert, es wird gelacht und erzählt.

Ich fühle mich ganz schön verloren. Warum bin ich überhaupt hergekommen, wo ich doch sowieso vorhabe, in Hungerstreik zu treten?

Bevor ich mich auf dem Absatz umdrehen und den Rückzug antreten kann, steuert die grauhaarige Bohnenstange aka Direktorin Arnold direkt auf mich zu.

»Du musst Charlene Wagner sein, richtig? Wir haben dich vorhin bei unserem Rundgang vermisst.«

O Mann – die hat ja vielleicht Adleraugen! Dass sie mich sofort erkennt, grenzt an ein mittleres Wunder. Ich wünschte, sie hätte mich übersehen.

»Also, äh, ich war auf dem Zimmer. Mir geht’s nicht so gut«, stammele ich und ärgere mich sofort über mich selbst. Warum gebe ich nicht zu, dass ich keinen Bock auf die Führung hatte, weil ich ohnehin nicht vorhabe hierzubleiben?

»Das geht vielen Neulingen so. Heimweh fühlt sich manchmal an wie eine Krankheit, aber glaub mir: Das geht vorüber. Du wirst dich bestimmt schnell bei uns einleben, Charlene.«

Echt jetzt? Heimweh? Ich bin doch kein Kleinkind!

»Hast du denn deine Zimmergenossin schon kennengelernt?« Frau Arnold hat offenbar nicht vor, mich in Ruhe zu lassen. Jetzt hakt sie mich auch noch kumpelhaft unter und marschiert mit mir im Schlepptau mitten hinein ins Gewühl.

»Ähm, nein, noch nicht«, erwidere ich hilflos. »Mir geht’s wirklich nicht so gut, ich glaube, ich lege mich lieber wieder hin.«

Mein Versuch, mich aus ihrer Umklammerung herauszuwinden, scheitert kläglich.

»Dann darf ich vorstellen: Das ist Ginger. Ginger, das ist Charlene. Ihr werdet euch sicher viel zu erzählen haben.«

Mir bleibt nichts anderes übrig, als nachzugeben und mich auf den freien Stuhl sinken zu lassen.

»Hi«, sagt mein Gegenüber, nachdem die Bohnenstange verschwunden ist.

»Hi«, erwidere ich und starre sie überrascht an. Noch nie habe ich jemanden mit dermaßen leuchtend grünen Augen gesehen. Vielleicht liegt es an ihren rotblonden Locken, dass die Augenfarbe so intensiv wirkt. Krasser Kontrast. Das ist also Miss Picobello mit der musikalischen Bettwäsche? Irgendwie hatte ich sie mir ganz anders vorgestellt.

»Spielst du Flöte?«, platze ich heraus.

»Nicht, dass ich wüsste«, erwidert sie trocken.

Ich komme mir ganz schön dämlich vor. Die muss mich ja für vollkommen übergeschnappt halten! Wie sagt Mum immer: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Na ja, diesen habe ich wohl ganz schön vermasselt.

Auch wenn es mir eigentlich egal sein könnte, was Ginger über mich denkt, ist es mir auf einmal wichtig, ihr meine zugegebenermaßen extrem merkwürdige Frage zu erklären.

»Dachte bloß – wegen deiner Bettwäsche. Umso besser, wenn’s nicht so ist.«

»Da kann ich dich beruhigen. Ich spiele bloß Dudelsack«, erwidert Ginger todernst und widmet sich wieder ihrer Lasagne. Doch dann lässt sie die Gabel sinken und prustet los.

»Dein Blick«, japst sie, »zum Wegwerfen.« Sie kriegt sich gar nicht mehr ein.

Okay, ich hab eben wohl ganz schön entsetzt aus der Wäsche geguckt. Aber muss ich mich deswegen von Miss Picobello auslachen lassen?

»Ich geh mal Essen fassen«, verkünde ich aus purem Trotz und springe auf.

Die Schlange an der Ausgabe ist ziemlich kurz, ich komme sofort dran.

»Lasagne mit Hackfleisch, mit Lachs und Spinat oder vegan?«, fragt der Koch mit dem gezwirbelten Schnauzbart. Er trägt eine schwarze Jacke mit roten kugeligen Knöpfen und eine dieser hohen Mützen, wie ich sie bisher nur aus Filmen kannte. Als wäre das hier ein Feinschmeckerrestaurant, kein Mädchenknast.

Eigentlich will ich ja gar nichts davon, wie mir gerade wieder einfällt, aber da ich nun schon mal hier stehe, entscheide ich mich für die Variante mit Lachs.

»Guten Appetit – und herzlich willkommen in Haus Wildenburg«, sagt er freundlich, während er mir den Teller überreicht. Offenbar sieht er mir an, dass ich hier neu bin.

»Vergiss das Besteck nicht«, ruft er mir hinterher, und weil alles andere albern wäre, nehme ich mir Messer und Gabel aus dem Korb.

Wo war noch gleich mein Platz? Suchend schaue ich mich um. Da winkt mir jemand zu, und ich erkenne Gingers rote Locken.

»Sorry, ich wollte dich vorhin nicht verkohlen«, sagt sie, als ich mich wieder hinsetze. »Das mit dem Dudelsack konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Schließlich gibt es wohl kaum ein nervigeres Instrument.«

»War ja auch lustig, eigentlich«, gebe ich zu. »Und du hast recht: Dudelsack ist wirklich schlimmer als Flöte. Aber Geige kann auch schrecklich klingen.« Ich ziehe eine Grimasse, als hätte ich üble Zahnschmerzen.

»Aber nur, wenn man sie nicht gut spielt. Dann hat Geige denselben Effekt, wie mit dem Fingernagel über die Tafel zu kratzen. Aber wenn’s jemand draufhat, ist sie toll. Richtig romantisch. Kein Liebesfilm ohne Geigenmusik.«

Ich ringe mir ein versöhnliches Lächeln ab. »Fangen wir noch mal neu an? Also – ich bin Chili. Und von Musik habe ich definitiv null Ahnung.«

»Und ich heiße Ginger. Hab ich die Direktorin vorhin falsch verstanden? Sie nannte dich Charlene.«

»So heiße ich offiziell. Aber alle sagen Chili zu mir.«

»Okay, dann tu ich das auch. Willst du deine Lasagne denn gar nicht probieren, Chili?«

Ich verschränke die Arme vor meiner Brust und lehne mich zurück. »Nein, will ich nicht.«

»Darf ich raten? Entweder du hast vorhin so viele Süßigkeiten gefuttert, dass jetzt nichts mehr reinpasst, oder du machst gerade Diät, was übrigens total überflüssig wäre. Oder du bist ein Alien und magst keine Lasagne.«

Ich muss lachen. »Ich fühle mich hier zwar wie ein Alien, aber Lasagne gehört definitiv zu meinen Lieblingsgerichten.«

»Geht mir auch so.«

»Was genau?«

»Beides. Ich liebe Lasagne, aber hier in Haus Wildenburgfühle ich mich so was von fehl am Platz. Ich wünschte, ich wäre ganz weit weg. Also nicht wegen dir, sondern überhaupt.«

Jetzt hat sie meine volle Aufmerksamkeit. »Ernsthaft? Du bist auch nicht freiwillig hier?«

»Bist du verrückt? Ich würde mir eher eine Glatze schneiden lassen als freiwillig in ein Internat zu gehen. Meine Erzieherfraktion hat das nun mal so beschlossen, und dagegen hatte ich keine Chance.«

»Wäre echt schade um deine Locken«, sage ich und seufze. »Aber ich versteh dich zu gut. Und genau aus dem Grund rühre ich die Lasagne nicht an, so lecker sie auch duftet.«

Ginger runzelt die Stirn. »Kapier ich nicht. Was hat die Lasagne denn damit zu tun? Und was soll das bringen? Außer dass du ganz schön was verpasst.«

»Na ja. So ist das nun mal, wenn man streikt«, antworte ich und höre selbst, wie lahm das klingt.

»Ganz ehrlich: Das Essen scheint das Beste an diesem Laden zu sein«, sagt Ginger und schnappt sich ihren leeren Teller. »Deshalb hol ich mir jetzt noch einen Nachschlag.«

Nachdenklich bleibe ich zurück und starre vor mich hin. Vielleicht hat Ginger ja recht? Ich meine, wenn das Essen das Beste an diesem blöden Internat ist, dann wäre es ja reichlich dumm von mir, darauf zu verzichten.

Andererseits habe ich schließlich ein Ziel, und dafür lohnt es sich zu kämpfen. Aber was, wenn außer Ginger überhaupt niemandem auffällt, dass ich streike? Was hab ich davon, nachher mit knurrendem Magen im Bett zu liegen? Spätestens dann werde ich mir garantiert wünschen, ich hätte nachgegeben.

Dass es auch ausgerechnet Lachslasagne geben muss! Ich spüre, wie mein Widerstand bröckelt. Das üppige Stück auf meinem Teller sieht wirklich zu lecker aus. Ich könnte ja ein winziges Eckchen probieren …

O Mann, schmeckt die gut! Ich wäre ja wirklich bescheuert, mir das entgehen zu lassen. Streik hin oder her. Ich kann ja beim Frühstück damit anfangen.

»Sehr vernünftige Entscheidung«, kommentiert Ginger, die gerade mit ihrer zweiten Portion zurückkommt. Ich glaube, ich schaffe ebenfalls noch eine.

»Okay. Du willst also auch weg von hier«, stellt Ginger fest, kaum dass wir zurück auf dem Zimmer sind. Sie hat sich im Lotus-Sitz auf dem Boden niedergelassen. Dabei wirkt sie erstaunlicherweise völlig entspannt. Für mich sieht diese Haltung allerdings aus, als müsste man später den Notarzt rufen, um ihre Beine wieder zu entwirren. Echt beeindruckend. Ich bin zwar ziemlich sportlich und auch ganz schön beweglich, aber diese Haltung bekäme ich niemals hin. Vermutlich weil ich dafür zu groß bin. Deshalb liege ich lieber bäuchlings auf dem Bett.

»Je eher, desto besser«, bestätige ich. »Ich bleibe keinen Tag länger als nötig. Aber ich habe die Lage schon gecheckt. Abhauen ist schwierig bis unmöglich. Dazu ist diese Anstalt einfach zu weit vom Schuss.«

»Um nicht zu sagen am Ende der Welt«, sagt Ginger. »Du hast recht, das hat keinen Sinn. Wir müssen dafür sorgen, dass sie uns freiwillig gehen lassen.«

Okay. Das ist ein völlig neuer Gedanke!

»Du meinst, wir sollten mit der Schulleitung reden und sie davon überzeugen, dass wir hier unglücklich sind?«

Ginger glotzt mich an, als hätte ich von ihr verlangt, aus dem Fenster zu klettern und einfach davonzufliegen.

»Und wovon träumst du nachts?«, fragt sie. »Die schicken uns niemals weg, nur weil wir so nett darum bitten.«

Ähm – aber hat sie nicht genau das vorgeschlagen?

»Ich steh auf dem Schlauch. Warum sonst sollten die uns gehen lassen?«

Ginger entwirrt mühelos ihre verknoteten Beine und fängt an, im Zimmer auf und ab zu gehen.

»Ich meine, sie sollen uns rauswerfen. In hohem Bogen. Mir fällt bloß nicht ein, wie wir sie dazu bringen könnten.«

Puh. Schwierige Frage. Ich zücke mein Handy und googele nach Gründen für einen Schulverweis. »Da müssten wir uns was richtig Schlimmes leisten«, sage ich. »Jemanden bedrohen, bestehlen oder mobben, zum Beispiel. Also ich weiß nicht, ob ich das will.«

Ginger scheint es ähnlich zu gehen. »Was steht da sonst noch?«, will sie wissen.

»Na ja, ein Grund wäre, wenn wir die Sicherheit von Menschen bedrohen, den Schulbetrieb ernsthaft beeinträchtigen oder willentlich oder aus unverantwortlicher Leichtfertigkeit gegen schulische Pflichten verstoßen«, lese ich vor. »Keine Ahnung, was das bedeuten soll. Willentlich oder aus unverantwortlicher Leichtfertigkeit – da kriegt man ja einen Knoten ins Hirn. So kommen wir nicht weiter.«

Statt zu antworten, kramt Ginger in ihrem Rucksack herum und zieht eine Tüte Schokodrops hervor. »Süßigkeiten helfen beim Denken«, verkündet sie und stopft sich gleich mehrere davon in den Mund. Es scheint nicht sonderlich gut zu wirken, denn die zündende Idee lässt immer noch auf sich warten.

Dann hält sie mir die Tüte hin und ich nehme mir auch ein paar. Lecker. Schweigend lassen wir es uns schmecken.

»Warum haben deine Eltern dich eigentlich ins Internat gesteckt?«, nehme ich den Faden schließlich wieder auf.

Ginger verdreht die Augen. »Weil ich auf Spur kommen soll, wie sie sich ausdrücken. Meine Noten sind nämlich ziemlich schlecht, weil ich mich mehr für meine Hobbys als fürs Lernen interessiere. Das soll hier anders werden.« Sie zieht eine grimmige Grimasse. »Aber den Gefallen werde ich ihnen bestimmt nicht tun.«

Ich muss lachen. »Mit besseren Noten würdest du dich selbst ja nicht unbedingt bestrafen.«

Ginger zuckt mit den Schultern. »Vielleicht. Aber ich lasse mich auch nicht dazu zwingen, das gut zu finden.«

Irgendwie scheint meine Zimmergenossin ein komplizierter Fall zu sein. Zwanghaft ordentlich, aber freiwillig schlecht in der Schule? Ich muss das wohl nicht verstehen. Wir sind schließlich keine Freundinnen, sondern bloß eine Schicksalsgemeinschaft. Vor allem haben wir beide dasselbe Ziel.

Da kommt mir eine Idee. »Was verstehst du eigentlich unter den Schulbetrieb beeinträchtigen? Vielleicht kriegen wir das ja hin.«

Ginger, die bis eben hin und her getigert ist, bleibt urplötzlich stehen. »Du hast recht: Wir streiken!«

Ich seufze. »So weit war ich heute ja schon mal, und das hast du mir erfolgreich ausgeredet.«

»Ich meine doch keinen Hungerstreik. Sondern Schulstreik!«

»So wie Greta fürs Klima?«

»So ähnlich. Bloß dass wir uns nicht mit einem Schild vors Haus setzen, sondern einfach nicht mitmachen.«

Ich bin nicht überzeugt. »Dafür gibt’s höchstens eine schlechte Note in Mitarbeit, aber bestimmt keinen Schulverweis.«

»Wir müssen es eben total übertreiben«, sagt Ginger und wirkt auf einmal ganz aufgeregt. Ihre grünen Augen funkeln regelrecht. »Es reicht nicht, dass wir uns nie melden und nicht antworten, wenn wir angesprochen werden. Wir machen auch keine Hausaufgaben, packen nicht mal Bücher und Hefte aus, schreiben kein Wort mit, sitzen einfach nur da und reagieren auf gar nichts. Als wären wir nur körperlich anwesend. Das wird die Lehrer total verwirren, und spätestens nach einem Tag beschweren sich alle bei der Direktorin.«

»Du bist ein Genie!«, rufe ich aus. »Also wenn das den Schulbetrieb nicht stört, dann weiß ich auch nicht.«

Ginger strahlt zufrieden. »Siehste. Die Drops wirken.«

3

Mission: Klappe halten

»Und du glaubst wirklich, das klappt?«, brülle ich, um den Fön zu übertönen. Ich muss mich beeilen, denn in fünf Minuten gibt es Frühstück. Ginger war schon geduscht und angezogen, als ich aufgewacht bin. Sie scheint nicht nur superordentlich, sondern auch perfekt organisiert zu sein. Irgendwie unheimlich.

»Aber klar«, ruft Ginger fröhlich zurück. »Wirst schon sehen, unser Plan funktioniert garantiert super!«

Okay, meine Haare sind einigermaßen trocken. Ich binde sie, wie meistens, zu einem Pferdeschwanz zusammen, dann schlüpfe ich in Jeans und Sneakers und ziehe mein Lieblings-T-Shirt an. Es ist schwarz mit einer knallroten Chilischote auf der Brust. Natürlich ist das nicht das einziges Chili-Shirt in meiner Sammlung. Unter anderem besitze ich noch eins mit der Aufschrift Chili mal dein Leben und mehrere Fan-T-Shirts der Red Hot Chili Peppers. Ist ja Ehrensache. Außerdem finde ich die richtig gut – jedenfalls für eine Band, die es schon länger gibt, als meine Eltern auf der Welt sind.

»Willst du das wirklich anlassen?«, fragt Ginger stirnrunzelnd. Sie trägt tatsächlich einen geblümten Rock, dazu Ballerinas und eine weiße Bluse.

»Na klar. Und du? Ganz schön brav, dein Outfit. Ich meine – dafür, dass wir heute rebellieren wollen …«

»Ich fühle mich darin wohl«, behauptet Ginger und schüttelt ihre rotblonden Locken.

Na, wie sie meint. Soll sie doch rumlaufen wie eine Musterschülerin. Hauptsache, ich muss keinen Blumenrock anziehen.

Beim Frühstück gehen wir noch einmal unseren Plan durch. »Wir tun rein gar nichts«, sagt Ginger, während sie ihr Brötchen mit Butter und Honig bestreicht. »Wenn irgendwelche Aufgaben zu erledigen sind, verschränken wir die Arme und schließen die Augen. Falls wir direkt angesprochen werden, lächeln wir höchstens oder zucken mit den Schultern. Das ist alles. Kriegst du das hin?«

»Kinderspiel!« Ich beiße in einen Apfel. Er ist säuerlicher als erwartet, und ich verziehe das Gesicht.

»Alles klar bei dir?«, will Ginger besorgt wissen.

»Na klar. Ich hab bloß keinen Appetit. Wahrscheinlich bin ich noch pappsatt von der Lasagne.«

So langsam leert sich der Speisesaal. »Wo müssen wir jetzt eigentlich hin?« Mir wird klar, dass ich nicht die geringste Ahnung habe. Ich weiß nicht mal, ob Ginger und ich überhaupt in dieselbe Klasse gehen. Das haben wir überhaupt nicht bedacht, als wir unseren Plan geschmiedet haben.

»Wir sind beide in der 7a, deshalb hat man uns auch in ein Zimmer gesteckt«, erklärt Ginger. »Hab ich alles bei der Führung erfahren, die du gestern geschwänzt hast. Übrigens sind wir die beiden einzigen Neuen in dieser Klasse, und in der 7b gibt es noch eine weitere, wenn ich mich richtig erinnere. Die anderen sind alle schon seit der Fünften im Internat.«

Puh – wie gut, dass Ginger so gut aufgepasst hat. Sie scheint ein echt gutes Gedächtnis zu haben. Ist mir ein Rätsel, warum sie so eine schlechte Schülerin ist. Ob das überhaupt stimmt? Mir kommen so langsam Zweifel. Übrigens auch an unserem Plan. Aber ich habe keinen besseren, also sage ich nichts. Ziehen wir es durch!

»Und findest du auch den Klassenraum?«, frage ich sicherheitshalber nach.

»Logo, ich hab ja den Lageplan dabei. Du etwa nicht?«

In meinem Rucksack befindet sich nichts außer meinem Handy und dem Zimmerschlüssel. Die Bücher und Hefte habe ich gar nicht erst eingepackt. Wozu auch?

»Hauptsache, du hast ihn«, erwidere ich und lege den halb aufgegessenen Apfel endgültig weg. »Wollen wir?«

Ginger nickt. »Dann mal auf in den Kampf«, sagt sie und wischt sich einen Krümel von der Bluse.

Miss Picobello zieht ins Gefecht. Leider sieht sie ungefähr so bedrohlich aus wie ein Schmetterling. Wir sind schon ein schräges Team. Aber immerhin sind wir eins!

Ich steuere auf den Tisch in der letzten Reihe direkt am Fenster zu.

»Lass uns lieber weiter nach vorne gehen«, raunt Ginger. »Sonst fällt am Ende gar nicht auf, dass wir streiken.«

Okay. Da hat sie auch wieder recht. Wir belegen also die Streberplätze