Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss - Heike Abidi - E-Book

Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss E-Book

Heike Abidi

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Beschreibung

Niemand ist perfekt, aber als Oma und Opa ist man ganz nah dran

Bei Opa und Oma darf man alles, was bei Mama und Papa verboten ist. Sie sind immer da, wenn man sie braucht, trösten und vermitteln, sind weise, weitsichtig und gelassen. Und wie ist es, selbst Großeltern zu werden? Die Enkelkinder zu verwöhnen? Endlich wieder unvernünftig sein zu dürfen? Nach Freundinnen und Geschwistern nimmt das Autorinnenduo sich die Großeltern vor. Dabei werden die unterschiedlichsten Aspekte des Lebens mit und als Großeltern beleuchtet. Eigene Erfahrungen geschildert, Erlebnisse weitergegeben, Erkenntnisse aus der Wissenschaft zitiert. Zum Schmunzeln, Schmökern und Schenken: Ein Buch für alle Generationen über eine der wunderbarsten Beziehungen überhaupt.

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Seitenzahl: 345

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HEIKE ABIDI ist studierte Sprachwissenschaftlerin. Sie lebt mit Mann, Sohn und Hund in der Pfalz bei Kaiserslautern, wo sie als freiberufliche Werbetexterin und Autorin arbeitet. Heike Abidi schreibt vor allem Unterhaltungsromane und erzählende Sachbücher für Erwachsene sowie Geschichten für Jugendliche und Kinder.

URSI BREIDENBACH studierte Kunstgeschichte und Kulturmanagement in Wien. Nach Stationen im Ausstellungs- und Museumswesen in Österreich und Bayern sowie einer kunstjournalistischen Tätigkeit arbeitet sie seit 2009 als freie Autorin. Sie lebt in der Steiermark/Österreich. Neben ihren gefühlvollen Romanen schreibt sie erfolgreich Sachbücher. 2023 wurde sie mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet.

Zusammen veröffentlichten Heike Abidi und Ursi Breidenbach den Bestseller »Eine wahre Freundin ist wie ein BH«, zuletzt erschien »Geschwister sind wie Gummibärchen«.

Niemand ist perfekt, aber als Oma und Opa ist man ganz nah dran

Bei Opa und Oma darf man alles, was bei Mama und Papa verboten ist. Sie sind immer da, wenn man sie braucht, trösten und vermitteln, sind weise, weitsichtig und gelassen. Und wie ist es, selbst Großeltern zu werden? Die Enkelkinder zu verwöhnen? Endlich wieder unvernünftig sein zu dürfen? Nach Freundinnen und Geschwistern nimmt das Autorinnenduo sich die Großeltern vor. Dabei werden die unterschiedlichsten Aspekte des Lebens mit und als Großeltern beleuchtet. Eigene Erfahrungen geschildert, Erlebnisse weitergegeben, Erkenntnisse aus der Wissenschaft zitiert. Zum Schmunzeln, Schmökern und Schenken: Ein Buch für alle Generationen über eine der wunderbarsten Beziehungen überhaupt.

Außerdem von Heike Abidi; Ursi Breidenbach lieferbar:

Eine wahre Freundin ist wie ein BH: Sie unterstützt dich, lässt dich nie hängen und ist ganz nah an deinem Herzen

Geschwister sind wie Gummibärchen: Sie kleben zusammen, manchmal hat man sie über, aber wir lieben sie ein Leben lang

www.penguin-verlag.de

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2023 by Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Katharina Rottenbacher

Umschlaggestaltung: bürosüd, München

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel

ISBN 978-3-641-30132-3V001

www.penguin-verlag.de

Inhalt

Vorwort Ursi: Es waren ja doch vier Großeltern und nicht nur zwei

Vorwort Heike: Warum meine Großeltern auch heute noch ein wichtiger Teil meines Lebens sind

Teil 1: Oma und Opa haben

Unvergesslich: Es gibt nichts Schöneres, als ein Enkelkind zu sein

Verwöhnen oder erziehen? – Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss (Ursi)

Von Kuchenbacken bis Freizeitpark: So vielfältig ist gemeinsam verbrachte Zeit mit Oma und Opa (Heike)

Großeltern und Enkelkinder – eine ganz enge Beziehung (Ursi)

Geschichten von früher – und aus dem Nähkästchen (Heike)

Wenn Oma und Opa als Eltern einspringen (Ursi)

So nah und doch fremd: Großeltern, die man nie kennengelernt hat (Heike)

Wenn Großeltern sterben (Ursi)

Großeltern in Buch, Film und Fernsehen

Teil 2: Eine neue Generation entsteht

Aus Kindern werden Eltern, aus Eltern Großeltern

»Übrigens – ihr werdet Großeltern!« (Heike)

Einmischen versus gar nicht helfen – wie wär’s mit der goldenen Mitte? (Ursi)

Von »Ahnherr« und »Ahnfrau« zu »Garten-Oma« und »Mützen-Opi« (Heike)

Großeltern mütterlicherseits und väterlicherseits – wem steht die junge Familie näher? (Ursi)

Noch ein Schritt weiter zurück in unsere Vergangenheit: Urgroßeltern (Heike)

Klischees mit wahrem Kern: Was wir immer wieder gehört haben

Teil 3: Plötzlich Großeltern

Neue Rolle, neue Herausforderungen

Was tun vor lauter Vorfreude? Wenn ein Enkelkind unterwegs ist (Heike)

Was sollten richtig gute Großeltern nie tun? Und wodurch können sie sich auszeichnen? (Ursi)

Wenn die Großelternrolle das eigene Leben neu definiert (Heike)

Leihomas und -opas – wenn Fremde einspringen (Ursi)

Das Verhältnis zu den anderen Großeltern – von Konkurrenz bis echte Freundschaft (Heike)

War früher alles idyllischer? – Großeltern im Laufe der Jahrhunderte (Ursi)

Großeltern heute – wer sind sie? (Ursi)

Berühmte Großeltern – berühmte Enkelkinder

Teil 4: Von wegen Zuckerguss …

Drei Generationen, unzählige Konflikte

Wenn Großeltern Lieblingsenkelkinder haben – und umgekehrt (Heike)

Oma und Opa nah und fern – macht der Wohnort einen Unterschied? (Ursi)

Alle unter einem Dach: mit den Großeltern zusammenwohnen (Heike)

Aus vollem Herzen und klingelnden Kassen – Großeltern und Geldgeschenke (Ursi)

Wenn ein Großelternteil allein zurückbleibt (Heike)

Generationenkonflikte – manchmal gehen die Meinungen auseinander (Ursi)

Bullshit-Bingo: Typische Großelternsätze

Teil 5: Jenseits aller Klischees

Mehr Diversity im Großelternbild

Alte und junge Großeltern (Ursi)

Das Leben mit Multikulti-Großeltern (Heike)

Großeltern in anderen Kulturen (Ursi)

Der Großelternfaktor im eigenen Leben: von Ähnlichkeit bis Vorbildfunktion (Heike)

Patchwork – ein bunter familiärer Flickenteppich (Ursi)

Oma und Opa in den besten Jahren – eine Lovestory (Heike)

Wenn Großeltern sich neu verlieben (Ursi)

Bullshit-Bingo: Typische Enkelsätze

Nachwort Heike: »Liebe Enkelkinder in spe …«

Nachwort Ursi: »Wenn ich einmal Oma bin, dann …«

Danke

Literatur

Vorwort Ursi: Es waren ja doch vier Großeltern und nicht nur zwei

Als wir mit der Planung für dieses Buch begannen, dachte ich, auf den ersten Seiten würde ich von den sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit meinen beiden Großmüttern erzählen. Ganz nah und unglaublich fremd sollte der Text heißen. Denn genau so habe ich die Beziehung zu den zwei Omas immer empfunden. Die Großväter hatte ich für dieses Herantasten an das Thema unseres Buches nicht im Visier. Ich war ein Kleinkind, als sie starben, und daher habe ich kaum Erinnerungen an sie.

Mit meiner Großmutter mütterlicherseits hatte ich achtundzwanzig Jahre meines Lebens eine unglaublich enge Bindung. Als Kind und Teenager verbrachte ich viel Zeit bei ihr ohne meine Familie, obwohl sie zwei Zugreisestunden von uns entfernt wohnte. Bei ihr fühlte ich mich genauso geborgen wie im Elternhaus, und zwischen uns stimmte die Chemie. Nicht selten dachte ich mir: »Ich bin wie sie!« Oma liebte es, Gesellschaft zu haben, und war neugierig auf die Geschichten der Menschen, die sie traf. Und wenn es ihr nicht gelang, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, hatte sie das Gefühl, etwas zu versäumen. Das alles kenne ich von mir selbst.

Oma war die einzige Person in meinem Leben, die ich, obwohl ich ungern telefoniere, konsequent mindestens einmal in der Woche angerufen habe. Auch zwanzig Jahre später kann ich ihre Telefonnummer noch auswendig, auch wenn ich mir sonst eigentlich keine Zahlen merken kann. Sie war bis ins hohe Alter so wichtig für mich, dass ich sie bei meiner Hochzeit unbedingt als Trauzeugin wollte. Zu dem Zeitpunkt war sie neunzig und ging an Krücken. Drei Jahre später konnte ich ihr noch sagen, dass ich ein Baby erwartete. Meinen Sohn lernte sie nicht mehr kennen. Ihr Tod war der erste große Verlust in meinem Leben, und sie hat eine Lücke hinterlassen, die ich noch heute spüre.

Meine andere Großmutter wurde genauso alt und wohnte wenige hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt. Es war mir immer ein Rätsel, warum wir keinerlei Bindung zueinander aufbauen konnten. Sie interessierte sich kaum für ihre drei Enkeltöchter und fast ebenso wenig für ihre Enkelsöhne, meine Cousins. Im Gegenzug mochte ich sie nicht wirklich. Als ich mit zehn ein einziges Mal bei ihr übernachten sollte, hatte ich die ganze Zeit schreckliche Angst. Diese Oma war mir fremd, ich konnte mit ihrer distanzierten Art nichts anfangen und nahm es ihr, als ich etwas älter wurde, auch übel, wie sehr sie mich ignorierte. Als sie ziemlich betagt ins Pflegeheim kam, besuchte ich sie nie, und ihrer Beerdigung blieb ich fern.

Bis heute sagen mir Leute, dass ich ihr ähnlich sei. Solche Kommentare haben mich lange richtiggehend schockiert. Denn ich sah mich nur als die Nachkommin meiner anderen Oma.

Sieben Jahre nach dem Tod der wenig umgänglichen Großmutter – ich hatte die ganze Zeit kaum einen Gedanken an sie verschwendet – wurde unser jüngerer Sohn geboren. Mit ihrer Nase. Ich erinnere mich, wie ich im Wochenbett saß, argwöhnisch mein Neugeborenes im Arm begutachtete und überlegte: »Das wird verdammt schwer mit diesem Baby!« Aber zum Glück wurde es dann nicht einmal ansatzweise schwer. Die Nase wurde in meinen Augen binnen weniger Stunden die Nase meines Kindes, ich dachte gar nicht mehr an die Ähnlichkeit mit seiner Urgroßmutter und konnte meinen Sohn ohne Probleme lieben.

Meine Großmüttererfahrungen sind so ambivalent, wie sie nur sein können. Und genau davon, dachte ich, würden die autobiografischen Teile dieses Buches handeln. Doch dann riefen die Gespräche, die ich mit den Interviewpartner*innen führte, Erinnerungen an meine Großväter wach. Die Arbeit an den Texten eröffnete mir somit eine ganz neue Großeltern-Welt.

Mein Großvater mütterlicherseits ist gestorben, als ich fünf Jahre alt war, und ich dachte eigentlich, ich hätte nur noch zwei Erinnerungen: als er einmal mit mir an der Hand auf einer Eisplatte ausrutschte und seine Beerdigung.

Doch als mir eine Interviewpartnerin erzählt, dass ihr Opa ihr immer Hüte aus Zeitungspapier gefaltet hat, fällt mir plötzlich ein, dass meiner das auch getan hat. Ich sehe seine am Schluss schon von Krankheit ausgezehrten Hände vor mir, wie sie über das Papier streichen und die Doppelseite zu Dreiecken zusammenschlagen. Noch heute könnte ich den Hut oder – mit einigen Griffen mehr – ein Schiff blind falten, und mir wird bewusst, dass ich das von ihm gelernt habe.

Neugierig geworden, grabe ich weiter. Eine alte Notiz meiner Mutter fällt mir in die Hände:

Juli 76 (Anm.: Da war ich ein Jahr und vier Monate alt): Ursi verbringt allein zwei Wochen in Linz bei den Großeltern, weil wir den Maler im Haus haben. Dort wird sie vor allem von Opa sehr verwöhnt. Auch sprachlich macht sie große Fortschritte, und ich bin ganz erstaunt, was sie kann, als sie zurückkommt. OPA GUG, sagt sie, was so viel heißt wie: Opa kommt mit dem Zug.

Als ich das lese, weine ich. Immer bin ich davon ausgegangen, dass Opas in meinem Leben überhaupt keine Rolle gespielt hätten. Aber da lag ich falsch. Wie alle anderen hatte auch ich vier Großeltern, und jede*r von ihnen hat mich irgendwie beeinflusst …

Liebe Leserin, lieber Leser, begleiten Sie Heike und mich auf dieser Reise! Hören Sie Geschichten von und mit Omas und Opas. Überlegen Sie mit uns, was richtig gute Großeltern ausmacht. Lassen Sie sich dazu inspirieren, sich an Ihre eigenen Großeltern zu erinnern. Vielleicht sind Sie selbst schon Oma oder Opa. Oder Sie werden eventuell irgendwann Enkelkinder haben. So oder so hoffen wir, dass dieses Buch für Sie jede Menge Anregungen bietet.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Schmökern und Lesen!

Vorwort Heike: Warum meine Großeltern auch heute noch ein wichtiger Teil meines Lebens sind

Natürlich hat jeder Mensch – rein technisch gesehen – vier biologische Großeltern, auch wenn diese vielleicht nicht alle präsent sind. Rein praktisch haben die wenigsten Leute, mit denen wir darüber gesprochen haben, sämtliche vier Ahnen der zweiten Vorfahrengeneration (so die offizielle Definition) erlebt.

In meinem Fall war es nur ein Großelternpaar: nämlich die Eltern meiner Mutter. Die meines Vaters starben früh, sodass ich den Opa gar nicht kennengelernt habe und die Oma zu kurz, um noch Erinnerungen an sie zu haben.

Umso mehr an Omaopa. So nannten wir die Großeltern mütterlicherseits immer – ohne »und« in der Mitte, weil sie wie eine untrennbare Einheit erschienen. Zwar wohnten sie nicht gerade um die Ecke, aber es fühlte sich fast so an. Nicht nur an Festen wie Weihnachten und Geburtstagen sahen wir sie, sondern sie besuchten uns regelmäßig, ob mit oder ohne Anlass. Oder meine Eltern fuhren mit uns Kindern zu ihnen in die Pfalz, und natürlich verbrachten meine Brüder und ich oft die Ferien dort – mal einzeln, mal gemeinsam. Und als junge Erwachsene zog ich mit meinem Mann sogar kurzerhand bei Omaopa ein …

Obwohl mein Opa nun schon seit fast dreißig Jahren tot ist und meine Oma seit zwanzig, sind die Erinnerungen an sie noch sehr lebendig. Wenn ich an meinen Opa denke, sehe ich ihn in seiner Werkstatt vor mir, in der er immer irgendetwas baute, bastelte oder reparierte. Er im grauen Kittel, die Utensilien wie Schrauben, Muttern und Nägel ordentlich in leere Zigarrenkisten einsortiert. Oh, natürlich habe ich auch noch den Geruch ebenjener Zigarren in der Nase. Und ich höre sein Lachen – oft über seine eigenen Scherze, die ich nicht immer verstand.

Ich sehe ihn am Steuer seines weißen VW-Käfers. Und am Tisch mit einem schönen Glas Wein in der Hand (»Der schmeckt, als würden einem Engel auf die Zunge pinkeln«). Oder schnarchend im Lehnstuhl, sich von der Nachtschicht als Techniker im US-Radiosender AFN erholend.

Und wenn ich mich an Oma erinnere, dann nicht zuletzt an ihren Streuselkuchen, die Vanillekipferl, Spitzbuben und das Spritzgebackene. Aber auch an ihre Bilder – meist Blumen oder Landschaften –, die sie in Öl oder Ölkreide malte. Und ihre Geschichten und Gedichte. Letztere verfasste sie überwiegend im pfälzischen Dialekt und trug sie bei Veranstaltungen vor. Ich denke an die Pullis und Jäckchen, die sie für uns Kinder strickte, und sehe sie an ihrer Nähmaschine. Oder wie sie mit ihrem simplen Bügeleisen – ohne Dampf oder sonstigen Schnickschnack – am Küchentisch auf einer speziellen Wolldecke Opas Hemden in Rekordzeit so plättete und perfekt zusammenlegte, dass sie aussahen wie neu gekauft. Oder wie sie uns Enkel mit Pfannkuchen und rostigen Rittern verwöhnte …

Angeblich soll ich als Kind einmal verkündet haben, dass ich später mal im Haus meiner Großeltern wohnen würde. »Nur das Badfenster muss geändert werden«, lautete wohl meine einzige Bedingung – es war nämlich nicht aus Milchglas, sondern höchst durchsichtig und befand sich direkt neben der Toilette. Jeder, der sich im Hof aufhielt, hatte also freie Sicht darauf.

Nun, wie von mir als Kind vorhergesagt, wohne ich inzwischen mit meiner Familie tatsächlich hier, und das seit mittlerweile über dreißig Jahren. Seit wir eingezogen sind, wurde nicht nur das erwähnte Badfenster ersetzt, sondern noch so einiges andere im Haus. So ließen wir beispielsweise sämtliche Leitungen erneuern, außerdem wurden diverse Wände eingerissen, Türen entfernt und Böden verlegt.

Doch wir waren nicht die Ersten, die diesem Haus einen Stempel aufdrückten. Seit meine Urgroßeltern es 1918 gekauft haben, hat es schon allerhand Metamorphosen mitgemacht. Aus der ehemaligen Scheune wurden ein Elektrowarenlager und ein Tankstellen-Kassenhäuschen, woraus später dann ein Wintergarten und eine Werkstatt entstanden. Das Ziegenställchen verschwand, ebenso die Außen-Toilette. Als mein Opa das erste Bad im Haus installierte, war das für meine Uroma wohl der Inbegriff von Dekadenz. Sie soll die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gerufen haben: »Jetzt schnappen sie endgültig über!« Das war Ende der Fünfzigerjahre.

Mein Opa, gelernter Elektriker, verfügte über ein sehr ausgeprägtes handwerkliches Geschick. Trotz unzähliger Veränderungen in den letzten Jahrzehnten ist allerhand im Haus noch so, wie er es hinterlassen hat. Die Garage beispielsweise, die ein bisschen schräg steht und für Autos der heutigen Generation etwas zu klein ist, dafür aber ein prima Lager für Autoreifen, Werkzeuge, Fahrräder und Schubkarre darstellt. Oder die Zentralheizung, die er eigenhändig eingebaut hat, bevor wir hier eingezogen sind. Frei nach Pippi Langstrumpfs Motto: »Das hab ich ja noch nie gemacht, das wird bestimmt super.« Wie gesagt – mein Opa war Elektriker, kein Heizungsbauer. Was ihn aber nicht davon abhielt, sich diesem Mammutprojekt zu stellen. Er las bergeweise Fachliteratur, dann machte er sich an die Arbeit. Von der Wärmebedarfsrechnung über die Verlegung der Rohre bis zum Anschluss der Heizkörper und des Brenners – er erledigte jeden einzelnen Schritt eigenhändig und allein. Als der tief beeindruckte Schornsteinfeger schließlich die Heizung abnahm und die Betriebserlaubnis erteilte, war Opa wahnsinnig stolz – und wir ebenso.

Ich muss mich nur umschauen, um in unmittelbarer Umgebung überall Spuren zu entdecken, die Oma und Opa hinterlassen haben. So hängt direkt über meinem Schreibtisch meine absolute Lieblingskreidezeichnung von Oma – sie zeigt eine Schafherde, die durch eine Allee getrieben wird, im Hintergrund Weiden und ein Bauernhof. Und den Wandschrank, in dem ich die Briefumschläge und das Druckerpapier lagere, hat mein Opa in einen stillgelegten Kamin eingebaut.

In der Adventszeit lege ich gerne eine der Tischdecken auf, die Oma weihnachtlich bestickt hat. Und an der Außenwand im Hof hängt noch der Nagel mit dem Bierflaschenöffner daran, den mein Opa dort hinterlassen hat.

In meinem Kopf heißt unser Hauswirtschaftsraum nach wie vor »Opas Werkstatt«, und das Zimmer, in dem in den letzten zwei Dekaden nacheinander mein Büro, das Schlafzimmer und die Bibliothek untergebracht waren, ist im Grunde immer noch »Omas Küche«.

Vor einiger Zeit wurde übrigens der Sendemast des AFN, der schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb war und nur Unterhaltungskosten verursachte, gesprengt. Opas Sender!

Die Erinnerung daran, wie ich dort mit meinen Großeltern die große Sommer-Grillparty besuchte und zum ersten Mal im Leben mit amerikanischen Kindern Ball spielte, lässt sich zum Glück nicht zerstören. Wie überhaupt alles, was ich mit Oma und Opa erlebt habe, hat es sich fest in meinem Gedächtnis eingebrannt und mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Wie sehr, wird mir erst jetzt bewusst, da ich an diesem Buch arbeite.

Vielleicht geht es Ihnen beim Lesen ebenso, dass plötzlich eine Erinnerung nach der anderen aufploppt? Doch wir schreiben ja nicht nur darüber, wie es ist, Großeltern (gehabt) zu haben, sondern auch darüber, wie es ist, die eigenen Eltern zu Großeltern zu machen. Und dann irgendwann selbst Großeltern zu werden. Letzteres liegt für Ursi und mich noch in der Zukunft. Nicht, dass ich es ungeduldig herbeisehnen würde, doch ich finde, die Aussicht, eines Tages »Oma« genannt zu werden, ist einer der schönsten Gründe, sich aufs Älterwerden zu freuen …

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen – ganz gleich, in welcher Großeltern-Phase Sie sich gerade befinden!

Teil 1

Oma und Opa haben

Unvergesslich: Es gibt nichts Schöneres, als ein Enkelkind zu sein

Verwöhnen oder erziehen? – Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss

Ursi

Von klein auf war ich wahnsinnig gern bei meiner Oma. Ich wusste, was sich in jeder ihrer Schubladen befand, und durfte überall herumkramen. Viele der Dinge, die da zutage kamen, übten einen ganz besonderen Reiz auf mich aus: eine Spanschachtel mit uraltem Christbaumschmuck, darunter ein aus Flugzeugblech gestanztes Tannenbäumchen. Ein Keramikbehälter auf der Toilette, in dem in Vierecke geschnittenes Zeitungspapier steckte. Eine Schublade voller Strumpfgürtel. Nichts davon kannte ich von zu Hause. Und während meine Mutter uns stets klarmachte, dass wir Kinder in gewissen Schränken nichts zu suchen hatten, gab es bei Oma keine Tabus. Bei ihr durfte ich einfach alles: uneingeschränkt naschen, bis zum Anschlag aufbleiben und in ihrem bequemen Sessel sitzend dauerfernsehen. Und wenn wir einen Ausflug machten, geschah nur das, was ich wollte. Zwischendurch fragte sie immer wieder: »Gefällt es dir?« Ein Besuch bei meiner Oma fühlte sich an wie Schlaraffenland und Himmel auf Erden gleichzeitig. Ich überlege gerade, ob ich das jemals danach in dieser Intensität erlebt habe. Vermutlich nicht, denn mit den Zutaten Vertrautheit, Behüten, bedingungslose Liebe und Verhätscheln kochen in diesem Ausmaß nur Großeltern.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten sie deshalb in der psychologischen und pädagogischen Fachwelt kein gutes Image (darauf gehe ich im Kapitel Großeltern im Laufe der Jahrhunderte näher ein). Man glaubte, Omas und Opas würden Kinder irreparabel verderben.

Klar, Verwöhnen kann eindeutig ein unerträgliches Ausmaß annehmen, wenn es ohne Gespür oder gar mit Zwang geschieht.

Meine Freundin Katrin erzählt, dass ihr Opa zum Frühstück immer Honigbrote mit zentimeterdick Butter und dazu Kakao mit Sahne zubereitete. Ganz nach dem Motto: Für mein Enkelkind nur das Allerbeste. Auch wenn sie wusste, dass ihr danach auf dem gesamten Schulweg schlecht sein würde, brachte sie es nicht übers Herz abzulehnen.

Günter Heisterkamp schreibt in seinem Buch Vom Glück derGroßeltern-Enkel-Beziehung.WiedieGenerationensichwechselseitig fördern, dass Verwöhnen auch in Foltern ausarten kann, wie man an der Redewendung »Zucker in den Arsch blasen« ablesen kann. Er hat recht, das Ganze kann durchaus umschlagen.

Aber in den meisten Fällen erzählen meine Gesprächspartner*innen nur von Schönem: Da ist die Rede von Bettdecken, die extra auf der Heizung vorgewärmt werden, von Cola, die zu Hause verpönt ist, und von mehreren Speisen pro Mahlzeit, damit jedes Enkelkind das Lieblingsessen bekommt.

»Bei meinen Großeltern durfte ich die Füße auf den Couchtisch legen«, erzählt Katrin. »Das wäre daheim nie erlaubt worden. Und Oma hat noch ein Kissen untergelegt, damit mir die Tischkante nicht in die Waden drückte.« Sie lacht über die Erinnerung. »Bei ihr durfte ich allen Unarten frönen. Ihr einziger Daseinszweck schien zu sein, es mir besonders schön zu machen, wenn ich bei ihr war. Sie wusste zum Beispiel, dass ich gern Milchreis esse. Also stand wie von Zauberhand immer ein Schälchen im Kühlschrank.«

»Hast du den Eindruck, dieses Verhätscheln hätte dich in irgendeiner Weise verdorben?«, frage ich sie.

»Aber nein! Als Kind weiß man ja, dass das alles nur bei den Großeltern geht und dass die Dinge zu Hause anders laufen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dasselbe von meinen Eltern zu fordern.«

Die Meinung, nichts von der großelterlichen Wohlbehandlung könne schaden, vertreten übrigens fast alle Interviewpartner*innen. Nur Dieter wiegt den Kopf und sagt: »Verdorben haben mich die Großeltern bestimmt nicht mit ihrem Verwöhnprogramm. Aber ich habe heute Diabetes und denke manchmal darüber nach, ob die Süßigkeitenflut in ihrem Haushalt dafür vielleicht einen Grundstein gelegt hat. Natürlich kann man das nicht wissen, doch gesund waren die regelmäßigen Zuckerschocks sicherlich nicht.«

Eines ist auffällig: Gerade die Kriegsgeneration, aber auch die der Kriegskinder drückte und drückt Zuneigung gern kulinarisch aus.

Meine Großmutter erzählte mir einmal, dass 1944/45 das Essen so knapp war, dass sie unglaublich erfinderisch sein musste. Sie sammelte Bucheckern, um daraus eine Nusstorte zu backen. Und die Nachbarin gab ihr bereits ausgekochte Zuckerrüben, die sie noch ein weiteres Mal auf den Herd stellte, um dem Matsch den letzten Rest Süße zu entlocken. Die Not war groß. Kein Wunder also, dass Oma – wie viele ihrer Generation – später die Liebe zu den Enkeln (auch) über eine gefüllte Naschlade ausdrückte.

Fakt ist, Großeltern verwöhnen gern. Aber selbstverständlich habe ich auch Geschichten über erzieherische Bemühungen gehört.

Meine Mutter dachte als Kleinkind, ihre »Großi« würde »Dodautsaus« heißen. Denn jedes Mal, wenn die Oma die Wohnung ihrer Tochter betrat, tat sie das mit dem vorwurfsvollen Ausruf, der »Hier sieht es aber aus!« bedeutet. Ob dieser Ausruf irgendeine Wirkung bei den fünf Enkeln zeigte, ist nicht überliefert.

Auch mein Interviewpartner Heinrich erinnert sich, wie seine Großeltern immer fanden, ihre Tochter würde ihn und seine Brüder mit zu viel Schlendrian großziehen. Kaum hatte der Großvater die Koffer zur Tür hereingeschleppt, ging es auch schon los: »Sind eure Zimmer sauber? In einer halben Stunde gibt es eine Inspektion. Fünf Mark für jeden, der seine Sachen in Ordnung hält.«

Beim Essen setzte sich das fort: Da wurden gerade Rücken und möglichst weit hinten gehaltene Gabeln belohnt. Am lukrativsten waren freischwebende Ellbogen. Heinrich liebte seine Großeltern, aber den Drill hat er in keiner guten Erinnerung. Obwohl sich Oma und Opa redlich bemühten, spannende Sachen mit den Kindern zu unternehmen, dauerte es meist nicht lange, bis eines fragte: »Wann fahrt ihr denn wieder nach Hause?«

Auch mein Mann kann dazu eine Geschichte beisteuern: »Opa hat seine Erwartungen, was unser Benehmen angeht, immer geäußert, aber eigentlich nicht mit Nachdruck durchgesetzt. Bis auf einmal. Da waren die Eltern ein paar Wochen verreist, und er hat auf uns aufgepasst. Abends mussten wir die Klamotten nach dem Ausziehen ordentlich zusammenlegen.«

Meine Schwiegermutter, die unser Gespräch mitbekommt, lacht. »Und als wir nach Hause kamen, habt ihr sie wieder erleichtert in die Ecke gepfeffert.«

Die Erzählung weckt in mir die Erinnerung, dass exakt dieser Punkt meiner Oma auch ganz wichtig war. Sie hätte zwar niemals eingefordert, ich müsse meine Kleider vor dem Schlafengehen ordentlich falten, aber sie sagte: »Mein Vater war immer der Meinung, man soll die Sachen so hinlegen, dass man mühelos hineinschlüpfen kann, falls es nachts brennt und man schnell das Gebäude verlassen muss.« Ich beobachtete, wie sie die beim Ausziehen nach innen geschlüpften Ärmel sorgfältig umdrehte und den Pullover schließlich über die Stuhllehne breitete. Und das imitierte ich dann unaufgefordert, denn es erschien mir sinnvoll. Außerdem war es eine Weisheit des lange vor meiner Geburt verstorbenen Urgroßvaters. Und die hatte per se etwas Magisches an sich.

Überhaupt gewinne ich bei meinen Gesprächen wieder einmal den Eindruck, großelterliche Erziehung funktioniert besser durch Vorbild. Direkte Appelle werden viel weniger gern angenommen.

Elsa erzählt mir, dass sie in den Fünfzigerjahren einige Nächte bei ihrer Großmutter übernachtete, weil die Eltern mit dem großen Bruder unterwegs waren. Zu der Zeit besuchte Elsa schon das Gymnasium. Nach dem Essen machte die Oma ein Mittagsschläfchen. Währenddessen schrieb die Enkeltochter ihre Hausaufgaben. Später gab es Kaffee mit Butterbrot, und die beiden saßen gemütlich am Küchentisch und redeten. Alles ringsum war ruhig, die Wanduhr tickte bedächtig, und die Oma schien unendlich viel Zeit zu haben. »Jeder Tag lief exakt gleich ab, und ich liebte das. Ich schaute mir dabei eine Menge bei meiner Großmutter ab.« Heute ist Elsa selbst Oma und macht es mit ihren Enkelkindern genauso. Die gemeinsamen Tage bestehen aus Ritualen. Die Teller nach dem Essen in die Spülmaschine zu räumen, gehört ebenso dazu wie der nachmittägliche Spaziergang.

»Unlängst verblüffte mich mein kleiner Enkel damit, dass er mich ermahnte, weil ich beim Heimkommen mal vergaß, den Sandkistenschmutz vor der Tür aus seiner Hose zu schütteln.«

Zum Abschluss möchte ich noch Hildes Geschichte erzählen, weil sie für mich wunderbar zusammenfasst, worauf es bei Großeltern aus Enkelsicht eigentlich ankommt.

»Einmal war ich als Mädchen bei meiner Oma, und sie wollte mich dazu bewegen, nach dem Essen das Geschirr abzuwaschen. Auf diesen Zwang reagierte ich, ganz Pädagogentochter, mit den Worten: ›Was sind das denn für altmodische Erziehungsmethoden?!‹ Das erzählte Oma später lachend meiner Mutter. Ich kann mich an keinen anderen Anlass erinnern, bei dem sie versucht hätte, mich zu irgendetwas zu bewegen. Ihr war unsere Beziehung wichtiger als jedes Erziehen, obwohl sie ja einer Generation entstammte, in der man vieles wesentlich enger sah.« Hilde weiß noch gut, wie ihre Oma sie stattdessen mit Liebe überschüttete und keine Gelegenheit ausließ, ihr zu sagen, wie großartig und besonders sie sei.

»Als sie starb, saßen wir Cousinen und Cousins bei der Trauerfeier beisammen und redeten. Nach einigen Gläsern Wein rutschte mir etwas heraus, was man eigentlich nie sagen sollte: ›Ich glaube, ich war Omas Lieblingsenkelkind! Das hat sie mich immer spüren lassen.‹ Sofort tat mir die unüberlegte Aussage leid. Was brachte es, damit zu prahlen? Wie konnte ich den anderen nur so wehtun? Aber niemand war gekränkt. Reihum sagten alle: ›Mir hat Oma auch dieses Gefühl gegeben.‹ Irgendwie hat sie es geschafft, lauter Lieblingsenkel zu haben.«

Ist das nicht wunderbar? Und es zeigt, dass zwischen Großeltern und Enkeln Beziehung statt Erziehung gefragt ist.

Gibt es eigentlich auch im Tierreich eine Verbindung zwischen Großeltern und Enkelkindern?

Nicht viele Tiere haben eine so lange Lebensspanne, dass ein ausgedehntes gegenseitiges Erleben von Großeltern und Enkeln überhaupt möglich ist. Elefanten werden jedoch rund vierzig Jahre alt, manche sogar über sechzig. Bei einem Beginn des Gebäralters von etwa vierzehn Jahren ergibt sich einiges an gemeinsamer Lebenszeit.

Biolog*innen stellten bei einer Langzeitbeobachtung von über achthundert Elefanten im Amboseli-Nationalpark in Kenia fest, dass Elefantenbabys eher überleben, wenn sie sowohl eine Mutter als auch eine Großmutter haben. Diese positive Wirkung führen die Wissenschaftler*innen auf die große Erfahrung der alten Tiere zurück.

Auch Schwertwale (besser bekannt als Killerwale oder Orkas) werden bis zu fünfzig Jahre alt. Mehrere Studien belegen, dass die Meeressäuger und ihre Mütter ein Leben lang in Kontakt bleiben. Weibchen nach der Menopause leiten die Gruppe und unterstützen die jüngeren bei der Aufzucht des Nachwuchses.

Liebe Ursi,

bei deiner Schilderung von Heinrichs Erlebnissen musste ich spontan an den Versuch meines Opas denken, uns Kindern Tischmanieren beizubringen. Wobei es natürlich nicht so war, dass wir kein Besteck benutzt oder uns beim Essen wie wilde Tiere gebärdet hätten. Wir aßen ganz normal – so wie unsere Eltern uns das beigebracht hatten.

Aber das schien Opa nicht zu genügen, weshalb er eine Prämie von – Trommelwirbel – hundert Mark aussetzte, falls wir es schafften, bis zum Alter von acht Jahren »anständig« zu essen. Mit jedem weiteren Jahr würde sich dieser Betrag um jeweils zehn Mark verringern, sodass wir, sollte es uns erst mit der Volljährigkeit oder später gelingen, nichts mehr bekämen.

Um die Sache kurz zu machen: Es gab nie eine Prämie für uns. Zumal wir gar nicht so genau wussten, was Opa überhaupt von uns erwartete. Gerader Rücken, kein Ellbogen auf dem Tisch, Besteck benutzen – das waren die Minimalanforderungen, und darum bemühten wir uns in seinem Beisein auch. Mir ist bis heute nicht ganz klar, wofür es Punktabzug gab.

Mein Opa schien bald einzusehen, dass wir seinen Ansprüchen – wie auch immer die ausgesehen haben mögen – nie entsprechen würden, und irgendwann war keine Rede mehr von irgendeiner Prämie. Jetzt, da sie mir wieder einfällt, wundere ich mich, ob mir nicht doch etwas zugestanden hätte. Vielleicht wenigstens dreißig Mark? Oder zehn? Ich wünschte, ich könnte ihn danach fragen … Womöglich erinnern sich meine Geschwister noch an die Sache mit der Tischmanieren-Prämie? Bei unserem nächsten Treffen werde ich es herausfinden.

Wie schön, dass du mich daran erinnert hast!

Deine Heike

Von Kuchenbacken bis Freizeitpark: So vielfältig ist gemeinsam verbrachte Zeit mit Oma und Opa

Heike

Wenn ich an meine Großeltern denke, fallen mir als Allererstes die Ferien ein, die meine Brüder und ich bei ihnen verbrachten. Mal gemeinsam, mal einzeln – aber immer wurden wir nach Strich und Faden verwöhnt. Vor allen Dingen mit leckerem (ungesundem) Essen! Gemüse? Salat? Grünzeug war, anders, als wir es von zu Hause gewohnt waren, eher freiwillig. Oma setzte uns Dampfnudeln vor, nicht zu vergessen die heißgeliebten Wasserspatzen mit goldgelb angebratenen Semmelbröseln und Apfelmus. Und am Nachmittag gab es natürlich ihren unvergleichlichen Streuselkuchen … Mit anderen Worten: massenhaft Kalorien, aber kaum Vitamine – genau das, was Kinder lieben.

Mindestens einmal pro Besuch unternahmen die Großeltern mit uns Shopping-Ausflüge in die Stadt, dann gingen wir meist essen und durften Schnitzel mit Pommes bestellen. Legendär und oft zitiert ist ein kleiner Heimwehanfall meines Bruders, dem mitten im Lokal Tränen in die Augen stiegen. Weil er nicht zugeben wollte, was mit ihm los war, behauptete er stattdessen, die Pommes frites seien zu salzig. Damit haben Oma und Opa ihn jahrelang aufgezogen.

Nicht nur Omas Kochkünste, sondern auch ihre Fähigkeiten als Schneiderin beeindruckten mich sehr. Einmal gab es während meines Besuchs in den Herbstferien eine unerwartete Hitzewelle, und all meine Klamotten, die ich eingepackt hatte, waren viel zu warm. Da setzte sie sich an die Nähmaschine und zauberte mir kurzerhand ein paar luftige Fähnchen. Tops, ein Kleid, einen Rock – einfach so aus dem Stegreif.

Noch faszinierter war ich allerdings von den Ballkleidern, die sie für meine Barbies nähte. Aus goldglitzerndem Stoff, mit Tüll und allem Drum und Dran. So etwas gab es definitiv nicht zu kaufen, und ich wurde von meinen Freundinnen sehr um diese spektakulären Puppen-Outfits beneidet.

Und wo den handwerklichen Fähigkeiten meiner Oma Grenzen gesetzt waren, übernahm mein Opa. Aus Holz und Bambus zimmerte er für meine Barbies einen Schwebebalken und einen Stufenbarren. Damit konnte ich – inspiriert durch die Olympischen Spiele von 1976 – ganze Kunstturn-Wettkämpfe austragen, inklusive Punktwertung. (An die siebenfache 10.0 von Nadia Comăneci kam selbstverständlich keine meiner Puppen heran, diese Leistung blieb sowohl im wahren Leben als auch in der Fantasie unerreicht.)

Meine Brüder erinnern sich ebenfalls an die herrlich ungesunden, fettigen und süßen Speisen, außerdem an Tagestouren mit dem Pfälzerwald-Wanderverein und andere Ausflüge. Björn erwähnt eine Fahrt nach Edenkoben und von dort mit dem Sessellift zur Rietburg. Holger denkt besonders gern an die Nachtschichten im AFN-Radiosender zurück, zu denen er Opa begleiten durfte. Er schaute zu, wenn Opa die Technik überwachte, ließ sich alles erklären und blieb so lange wach, bis Opa sich selbst in der Ruhestube hinlegte. Unvergesslich die selbstgebaute Lampe, die er dort installiert hatte – mit der Radkappe eines VW-Käfers als Schirm.

Wir alle haben nur beste Erinnerungen an unsere Aufenthalte bei den Großeltern. Obwohl ich einmal – damals war ich vielleicht sechs oder sieben – aus Zorn über eine gefühlte Ungerechtigkeit mein Köfferchen packte und wütend den Heimweg antrat. Ich kam allerdings nur etwa fünfzig Meter weit – dann wurde mir bewusst, dass ich eine Strecke, für die man mit dem Auto schon eine gute Stunde brauchte, zu Fuß kaum schaffen konnte. Also beschloss ich, Gnade vor Recht ergehen zu lassen und den Großeltern großzügig zu vergeben. Und als es dann gleich Streuselkuchen gab, war der Ärger sowieso vergessen.

Ich habe auch meine Interviewpartner*innen gefragt, wie sie das Zusammensein mit ihren Großeltern erlebt haben. Und bekam Geschichten zu hören, die ziemlich unterschiedlich sind – und sich im Kern doch sehr ähneln.

Kuchen, Kohlköpfe und Kirschsaft

Für Karin gehörten die Ferienbesuche bei ihrer »Gartenoma« zu den Highlights ihrer Kindheit.

»Sie war meine Lieblingsoma. Ich sehe sie noch vor mir in ihrer Kittelschürze, die langen Haare zu einem Dutt hochgesteckt. Und ich erinnere mich gut an ihr breites Schwäbisch, das mir fast wie eine Fremdsprache vorkam und weit entfernt von dem ›Stuttgarter Ladenhochdeutsch‹ war, wie ich es von meinen anderen Großeltern kannte«, sagt sie. »Omas Haus war sehr verwinkelt und altmodisch, in der Küche stand noch einer dieser weiß emaillierten Herde. Am schönsten aber war ihr herrlich verwunschener Garten, in dem sie allerhand Obst und Gemüse anbaute. Für mich war dieser Garten ein echtes Paradies zum Spielen.«

Die Garten-Oma backte auch sehr gern, und oft gab es – was zu Hause undenkbar war – sogar Kuchen zu Mittag. Helfen durfte Karin beim Backen allerdings nicht, die Küche war Omas Heiligtum.

»Allerhöchstens teilte Oma mir Hilfsarbeiten zu wie Sahneschlagen. Mit so einem altmodischen Quirl, bei dem man eine Kurbel drehen musste.«

Und natürlich verarbeitete die Garten-Oma alles, was sie erntete: Es gab jede Menge eingemachtes Obst und Gemüse, außerdem selbst produzierten Saft in vielerlei Geschmacksrichtungen, von Kirsch über Birne bis Johannisbeere.

»Und weil Oma eine sehr sparsame Frau war, machte sie aus dem Trester dieser Säfte noch mal Saft. Auf den Etiketten stand dann Zweite Güte. Das wurde bei uns in der Familie zum geflügelten Wort.«

Wenn Karins Eltern mit allen drei Kindern die Oma besuchten, steckte diese der Mutter immer Lebensmittel aus eigener Produktion zu – und zwar heimlich.

»Mein Vater fand, das Auto sei mit fünf Personen bereits mehr als voll, deshalb versteckte meine Mutter die Einmachgläser, Saftflaschen und das Gemüse an den unmöglichsten Stellen«, erzählt sie. »Wenn wir dann zu Hause ankamen, wunderte sich mein Vater, was da alles zum Vorschein kam – es war keine Seltenheit, dass unter den Sitzen auf einmal noch Kohlköpfe hervorgekullert kamen.«

Auf die Frage, was die Garten-Oma sonst noch mit ihr unternahm, muss Karin kurz überlegen. »Eigentlich nichts Spektakuläres – Oma war auch nicht mehr so gut zu Fuß und hatte kein Auto. Irgendwann wurde in dem Ort, in dem sie lebte, eine neue Buslinie eingeführt, und direkt vor ihrer Haustür war eine Haltestelle. Unser einziger Ausflug bestand darin, dass wir da mitfuhren und nach einer etwa einstündigen Rundfahrt wieder aus dem Bus kletterten. Aber das war überhaupt nicht schlimm, ich liebte es auch ohne großes Programm, bei ihr in Ferien zu sein.«

Blaubeerdämmerung

»Ich werde nie vergessen, wie ich als Kind mit meinen Großeltern in die Blaubeeren ging«, erzählt Lara. »Wir brachen in aller Herrgottsfrühe auf, mein Bruder und ich wurden halb schlafend eingepackt. So zogen Oma und Opa mit uns in den Wald. Als wir Kinder dann wach waren, halfen wir beim Sammeln und haben natürlich jede Menge genascht. Ich weiß noch genau, dass die Beeren ziemlich klein und wahnsinnig aromatisch waren.«

Warum die Ernte so früh morgens stattfinden musste? Ganz einfach – nur so lassen sich die Blaubeeren für den späteren Verzehr aufheben. Mittags, wenn es warm ist, sollte man nur pflücken, was man sofort essen will. »Außerdem war es natürlich wesentlich spannender, in der Dämmerung aufzubrechen«, findet Lara. Diese Episode steht für sie stellvertretend für die gemeinsam mit den Großeltern verbrachte Zeit: ein bisschen Abenteuer mit ganz viel köstlicher Unbeschwertheit.

Karibische Ferien süß-sauer

Während Isabel, die in Caracas aufwuchs, die Eltern ihrer Mutter nie kennenlernte, verbrachte sie umso mehr Zeit bei den Großeltern väterlicherseits.

»Sobald es Ferien gab, verfrachteten unsere Eltern meinen Bruder und mich in ein Flugzeug nach Curaçao, wo wir dann für einige Wochen blieben«, erinnert sie sich.

Ich muss erst einmal nachfragen, wie weit diese Orte voneinander entfernt sind und welche Sprachen man wo spricht. Isabel ruft mir ins Gedächtnis, dass Caracas die Hauptstadt von Venezuela ist, dem südamerikanischen Staat an der Karibikküste. Ihre Muttersprache ist also Spanisch. Das wird auch auf der Insel Curaçao gesprochen – neben Niederländisch und Papiamentu.

Obwohl der Flug nur etwa eine halbe Stunde dauerte, fühlte sich Isabel auf der Insel wie in einer anderen Welt. »Wir lebten ja in einer Großstadt, und der Kontrast zu dem wunderschönen Haus mit riesigem Innenhof und üppigem Garten hätte nicht krasser sein können.«

Besonders gern erinnert sie sich an ihren Opa, den sie – wie im Spanischen üblich – Abuelo nannte. »Er ist mit meinem Bruder und mir herumgetobt, hat mit uns gespielt und uns spannende Geschichten erzählt.« Von Abuelo hat Isabel die Namen vieler Pflanzen und Bäume gelernt. Er brachte ihr bei, Zitronenbäume mit Seifenwasser zu gießen, damit die Früchte besonders schön und süß werden. Und ließ sie zuschauen, wenn er mit seinen Brieftauben trainierte.

»Einmal – er muss etwa sieben Jahre alt gewesen sein – hat mein Bruder die Käfige geöffnet, und sämtliche Tauben sind davongeflogen. Einige kamen wieder, doch leider nicht alle. Und obwohl Abuelo seine Tauben so liebte, hat er überhaupt nicht geschimpft.«

Wer aber sehr wohl ärgerlich werden konnte, war die Oma. »Vor ihr hatten wir regelrecht Angst. Sie war eine richtig böse Frau. Und furchtbar streng. Bei Tisch mussten wir gerade sitzen, alles aufessen und natürlich still sein. Und wenn ihr nachmittags, während sie fernsah und dabei stickte, unser Spielen zu laut war, schrie sie uns an und bewarf uns mit kleinen Steinchen.«

Kein Wunder, dass Isabel dieser Großmutter möglichst aus dem Weg ging und lieber viel Zeit mit dem gutmütigen Großvater verbrachte. »Manchmal ist er mit uns ins Zentrum von Willemstad gefahren, und wir haben auf dem berühmten schwimmenden Fischmarkt eingekauft. Dort kannten ihn alle, er war sehr beliebt«, erzählt sie. »Viele Jahre später, als er längst nicht mehr lebte und ich bereits erwachsen war, war ich einmal wieder in Willemstad und besuchte diesen Markt. Da konnte ich es kaum fassen, wie oft ich erkannt wurde. Ich bekam sogar von wildfremden Menschen Geschenke – weil ich seine Enkelin war. Das hat mich sehr berührt.«

Zuckerbrot und Liebe

Torstens Großeltern wohnten im Nachbardorf, und sie zu besuchen war keine große Sache.

»Es wäre ihnen nie eingefallen, mich zu bespaßen – vielmehr nahm ich einfach an ihrem Alltag teil, wenn ich da war. Half der Oma beim Unkrautjäten oder durfte Opas Kaninchen füttern«, erinnert er sich.

Ich frage Torsten, ob er die Großeltern-Besuche auch mit speziellem Verwöhn-Essen verbindet. »Es war zwar nichts Besonderes, aber ich liebte Omas frisch gebackenes Brot mit dick Butter und Zucker obendrauf«, fällt ihm spontan ein. »Seit sie nicht mehr leben, habe ich das nie wieder gegessen.«

Oma rockt

Ganz ähnlich erging es Sonja. »Ausflüge oder spezielles Kinderprogramm mit den Enkeln, das gab es bei meinen Großeltern nicht«, sagt sie. »Aber eine Sache fand ich besonders toll – nämlich wenn meine Oma für mich nähte.« Sonjas Eltern konnten es sich nicht leisten, die Töchter ständig mit der neuesten Mode auszustaffieren. Da war es nur praktisch, dass die Oma eine sehr geschickte Schneiderin war. »Wir schauten uns gemeinsam in den Schaufenstern an, was mir gefiel, dann durfte ich mir den Stoff aussuchen, und sie nähte die Sachen nach. Kleider, Blusen, Hosen – einfach alles.«

Anders als die Mutter, die über zu kurze Röcke immer schimpfte und so etwas nie für Sonja gekauft hätte, kommentierte die Oma Sonjas Geschmack niemals. »Und wenn sie mir Miniröcke nähte, konnte meine Mutter ja nichts dagegen tun«, schmunzelt Sonja.

Rollentausch im Freizeitpark

Von einem Ausflug der ganz besonderen Art berichtet mir Henry. »Ich war vielleicht vier oder fünf Jahre, da fand ein Kindergartenausflug in einen Freizeitpark statt«, erzählt er. »Eigentlich sollte jedes Kind von Vater oder Mutter begleitet werden, aber da meine Eltern beruflich eingespannt waren und keine Zeit hatten, sprang meine Oma ein. Ich werde nie vergessen, wie sie dort mit mir in einer Hochbahn durch die Märchenwelt gefahren ist. Allein der Einstieg war für Oma eine Herausforderung, denn sie hatte Hüftprobleme. Während die anderen Mütter problemlos in den kleinen Waggon hüpften, war das bei ihr eine größere Sache. Aber sie schaffte es.«

Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sich die alte Dame gequält hat, und frage, ob sie die Fahrt denn wenigstens genossen hat.

Henry lacht. »Das kann man nun wirklich nicht behaupten. Oma hatte Höhenangst und fürchtete, die Bahn würde abstürzen. Ich weiß noch, dass ich von der Märchenwelt kaum etwas mitbekommen habe – denn für mich als kleinen Knirps war es viel spannender, die panische Oma zu beobachten. Das war amüsanter.«

Nun ja, Kinder können grausam sein, denke ich mir, doch dann sagt Henry: »Oma war immer sehr fürsorglich. Sie in dieser Ausnahmesituation zu erleben, drehte die üblichen Verhältnisse auf für mich faszinierende Weise um. Zum ersten Mal konnte ich meiner Oma Trost spenden und sie beruhigen anstatt umgekehrt. Das fand ich spannend – und ein bisschen lustig.«

Und die Oma hat von dem Abenteuer keinen Schaden genommen – denn als der Kindergartenausflug ein Jahr später erneut den Freizeitpark zum Ziel hatte, fuhr sie wieder tapfer mit – auch mit der Hochbahn durch die Märchenwelt.

Großelternzeit ist Quality Time