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Vegane Kinderernährung – ein viel diskutiertes gesellschaftliches Thema. Dieser Ernährungsratgeber bietet erstmals fundierte Antworten auf alle Fragen rund um die vegane Ernährung von Klein- und Grundschulkindern. Deutschlands führende Experten zum Thema vegane Ernährung, Dr. Markus Keller und Edith Gätjen, klären auf über die gesundheitlichen Aspekte einer veganen Ernährung bei Kindern. Darüber hinaus gibt Ihnen das Buch wertvolle Hinweise zum Verständnis des kindlichen Essverhaltens sowie 100 vollwertige und leicht umsetzbare Rezepte an die Hand. Das erste Standardwerk auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse für vegan lebende Familien, Ernährungsfachkräfte und Kinderärzte.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 232
Veröffentlichungsjahr: 2024
Edith Gätjen l Dr. Markus Keller
Vegane Kinderernährung
Gut versorgt in jeder Altersstufe Mit über 100 Rezepten
Unter Mitarbeit von Joelina Dietrich, Vanessa Keller und Christian Köder
1Was heißt vegan?
Motive von Veganern
Vegan – ein wachsender Trend
Wo überall „Tier“ drinstecken kann
Gute Gründe für eine vegane Ernährung
2Vegane Vollwert-Ernährung
Vollwert-Ernährung versteht sich ganzheitlich
3Gesundheitliche Aspekte veganer Ernährung
Nährstoffversorgung
Prävention und Therapie
4Ernährung im Kleinkind- und Schulalter
Energie- und Nährstoffbedarf
Kritische Nährstoffe – allgemein und speziell bei vegan ernährten Kindern
Studienlage zu veganer Kinderernährung
Die richtige Lebensmittelauswahl für vegane Kinder
5Kritische Nährstoffe in der Praxis
Protein
Omega-3-Fettsäuren
Vitamin B2
Vitamin B12
Folat
Kalzium
Eisen
Zink
Jod
Selen
6Wie Kinder Essen erleben und erlernen
Die sechs Phasen der Kinderernährung und Geschmacksentwicklung
Einflussfaktoren auf das Essverhalten
7Mahlzeiten
Essen ist an Mahlzeiten gebunden
Mahlzeiten schaffen Tagesabläufe
Mahl-Zeiten einhalten und Daueressen vermeiden
Das Frühstück
Das Mittagessen
Die Zwischenmahlzeit am Nachmittag
Das Abendessen
8Kochen wie die Profis
Ausstattung
An übermorgen denken, heute vorbereiten
Acht Punkte zum Zeit- und Energiesparen
Das Wichtigste rund ums Gemüsegaren
Zu den Rezepten
Zu den verwendeten Lebensmitteln
9Die vegane Speisekammer
Grundrezepte für vegane „Milch“ und „Milchprodukte“
Vegane Tauschbörse
Das brauchen Kinder, um kochen zu können
10Rezepte
Grundrezepte
Grundrezepte Teige
Saucen
Frühstück
Warme Mahlzeiten
Kalte Hauptspeisen und leichte Suppen
Gebackenes und Desserts
Weihnachten
Brotdose
Picknick
Geburtstag
Service
Die Autoren
www.ulmer.de/vegane-kinderernaehrung
Hier finden Sie das Literaturverzeichnis zur 2. Auflage als PDF zum Download.
Vegane Ernährung ist kein Modetrend, sondern längst Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer bewussteren Lebensweise. Besonders junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, mehrheitlich Frauen, entscheiden sich für eine pflanzliche Ernährung. Viele dieser jungen Frauen gründen Familien und möchten ihre vegane Ernährung sowohl in der Schwangerschaft und Stillzeit fortsetzen als auch ihr Kind anschließend vegan ernähren. Dabei stellt sich die berechtigte Frage, ob eine vegane Ernährung in diesen Lebensphasen trotz damit verbundener Risiken funktionieren kann.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass sowohl bei Ernährungsfachkräften als auch bei Verbraucher/innen ein erheblicher Bedarf an fundierten Informationen zu diesem Thema besteht. Bisher gibt es im deutschsprachigen Raum seitens der Fachgesellschaften keine praxisorientierten Empfehlungen für eine vegane Ernährung im Kindesalter. Dieses Buch möchte dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und soll als Hilfestellung dienen. Basierend auf den offiziellen Ernährungsempfehlungen und dem besonderen Nährstoffbedarf von Kindern haben wir Empfehlungen abgeleitet, wie eine gute Versorgung über pflanzliche Lebensmittel gelingen kann und wo eine Nährstoffergänzung notwendig ist. Dabei liegt der Fokus auf den kritischen Nährstoffen einer veganen Ernährung sowie einer gut geplanten Lebensmittelzusammenstellung und einer nährstoffoptimierten Zubereitung. Diese Empfehlungen werden außerdem in einer eigens konzipierten veganen Lebensmittelpyramide für Kinder visualisiert. Für dieses Buch haben wir außerdem die vorliegende wissenschaftliche Studienlage zu veganer (und vegetarischer) Ernährung im Kindesalter aufgearbeitet und dargestellt.
Das Buch richtet sich an Familien, die ihre Kinder vegan ernähren (möchten) sowie an Ernährungsfachkräfte wie Ökotropholog/innen, Ernährungswissenschaftler/innen und Diätassistent/innen, an Kinderärzt/innen sowie Studierende aus diesen Fachbereichen.
Der Aufbau dieses Buches ist zweigeteilt: Markus Keller hat die Kapitel zu den Grundlagen und den gesundheitlichen Aspekten der veganen Ernährung allgemein und speziell im Kindesalter beigetragen (Kapitel 1–4). Edith Gätjen hat die Kapitel über kritische Nährstoffe in der Praxis, zu Esserziehung und -beziehung, zur Küchenpraxis sowie den umfangreichen Rezeptteil (Kapitel 5–10) verfasst.
Wir hoffen, dass wir mit diesem Buch Familien, die sich für eine vegane Ernährungsweise entschieden haben oder interessieren, Sicherheit in ihrem Tun geben können. Dabei soll die Freude beim Kochen und beim Verzehr der schmackhaften Gerichte ganz oben stehen. Fachleute möchten wir anhand wissenschaftlich fundierter Grundlagen und Empfehlungen dabei unterstützen, Eltern kompetent und offen zu einer vollwertigen veganen Ernährungsweise im Kindes- und Jugendalter zu beraten.
Viele Menschen haben zum Gelingen dieses Buches beigetragen. An erster Stelle danken wir unseren Kolleginnen Rebekka Adkins, Pia-Sophie Graurock und Stine Weder, die uns bei der Kapitelstrukturierung unterstützt und zahlreiche wertvolle Hinweise gegeben haben. Rebekka Adkins und Pia-Sophie Graurock haben zu den Kapiteln 1–4 Erstfassungen entworfen bzw. diese überarbeitet. Für weitere Unterstützung bei der Überarbeitung und Ergänzung der Texte im ersten Teil sowie beim Literaturverzeichnis danken wir Frau Anika Leidolf und Herrn Tim Ritzheim. Ein weiteres Dankeschön geht an Frau Dr. Ute Alexy für das kritische Lesen und die konstruktiven Anregungen zu Kapitel 4. Das Gesamtmanuskript kritisch gelesen haben Joelina Dietrich, Pia-Sophie Graurock, Milena Röver und Julia Wolfrom, wofür wir ihnen herzlich danken.
Susanne Dinkel danken wir für die äußerst gelungenen Zeichnungen und die endlose Bereitschaft, Änderungswünsche zu unserer vollsten Zufriedenheit umzusetzen. Vielen Dank an Anne Klein, die alle Rezepte mit Sorgfalt zubereitet und appetitanregend in Szene gesetzt hat. Und last but not least bedanken wir uns bei Lisa Seibel, die uns als Kollegin und Lektorin im Ulmer Verlag eine kompetente und immer positiv gestimmte Ansprechpartnerin war.
Für alle Fehler bleiben die Autoren verantwortlich. Sachkritik und Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen.
Köln und Biebertal, im Frühjahr 2020
Edith Gätjen, Markus Keller
Seit der 1. Auflage dieses Buches, die auf eine erfreulich positive Resonanz gestoßen ist, sind vier Jahre vergangen. Auch heute ist das Thema vegane Ernährung und ganz besonders vegane Kinderernährung aktueller denn je. Zwar ist die Studienlage immer noch unbefriedigend, aber es sind erfreulicherweise einige Untersuchungen hinzugekommen, in denen Nährstoffversorgung und Gesundheitszustand vegan ernährter Kinder erhoben wurden. Die Ergebnisse dieser Studien sind gemischt, denn sie zeigen sowohl Vorteile bei veganer Ernährung im Kindesalter auf als auch vorhandene Defizite. Dies bedeutet weiterhin, dass eine gute Planung bzw. eine fundierte Beratung Voraussetzung dafür sind, damit eine vegane Kinderernährung gut gelingt.
Auch wenn sich die gesellschaftliche Akzeptanz veganer Ernährung von Kindern teilweise verbessert hat, sind viele vegan lebende Eltern damit konfrontiert, dass ihre Entscheidung vom Kinderarzt, der Kitaleiterin oder der Schule kritisiert oder gar abgelehnt wird. Und dies, obwohl sie meist sehr gut (und fast immer deutlich besser als nicht-vegane Eltern) über Ernährungsfragen informiert sind.
Wir hoffen, dass unser Buch auch in der neuen, vollständig aktualisierten Auflage dazu beitragen wird, sowohl veganen Familien mit praktischem Rat beiseitezustehen als auch Fachkräften im Bereich der Ernährung und Medizin als wissenschaftliche Informationsquelle zu dienen. Unser Ziel ist dabei nicht, Menschen zu einer veganen Ernährung zu „überreden“. Vielmehr wollen wir die Faktenlage fundiert darstellen, mögliche Schwächen klar benennen und vor allem Hilfestellung geben, um eine vollwertige vegane Kinderernährung in der Praxis umzusetzen. Dabei sollte immer das Wohlergehen des einzelnen Kindes im Mittelpunkt stehen.
Die bewährte Aufteilung der ersten Auflage haben wir beibehalten. Markus Keller ist für die Kapitel 1-4 zu Grundlagen sowie den gesundheitlichen Aspekten der veganen Ernährung allgemein und speziell im Kindesalter verantwortlich (neu aufgenommen haben wir hier u. a. konkrete Dosierungsempfehlungen für die Vitamin-B12-Supplementierung sowie einen Hinweis zu Cholin). Edith Gätjen ist zuständig für die Kapitel 5-10 über kritische Nährstoffe in der Praxis, zu Esserziehung und -beziehung, zur Küchenpraxis sowie für den umfangreichen Rezeptteil.
Ohne die Mitarbeit zahlreicher Menschen wäre die Aktualisierung dieses Buches nicht möglich gewesen. Am Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE) haben uns dabei verschiedene Kolleginnen und Kollegen tatkräftig unterstützt. Besonders zu nennen sind Joelina Dietrich, Vanessa Keller und Dr. Christian Köder, die die erste Überarbeitung und Aktualisierung der Kapitel 1-4 übernommen haben, wofür wir Ihnen herzlich danken. Bei der Literaturrecherche wurden sie dabei von Büsra Demir und Christina Renz unterstützt, vielen Dank dafür. Charlotte Hanel, Martina Kalischuk, Andrea Rosenthal, Julia Wagner und Hannah Wilhelm danken wir für die Überprüfung der Korrekturen, Aktualisierung der Literatur sowie die Bearbeitung neuer Textpassagen.
Vielen Dank an Susanne Dinkel für die Überarbeitung einiger ihrer sehr gelungenen Zeichnungen. Beim Eugen Ulmer Verlag danken wir Jennifer Zajonz und Saskia Hoen für die stets kooperative und freundliche Projektbetreuung und die Geduld, Zeitpläne anzupassen und unsere Änderungswünsche umzusetzen.
Alle Fehler, die trotz intensiver Korrektur noch verblieben sind, gehen zu Lasten der Autoren. Sachkritik und Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen.
Köln und Biebertal, im Frühjahr 2024
Edith Gätjen, Markus Keller
Veganer1 essen keine Lebensmittel, die von Tieren stammen: Sie haben wie Vegetarier Fleisch, Wurst und Fisch von ihrem Speiseplan gestrichen, zusätzlich aber auch Milch und Milchprodukte, Eier sowie meist auch Honig. Dabei ist vegan zu sein oft weitaus mehr als eine Ernährungsweise, nämlich ein Lebensstil. Veganer wollen nicht, dass für sie Tiere leiden müssen, eingesperrt oder getötet werden. Vegan zu leben bedeutet daher meist, dass neben der Ernährung auch Produkte und Dienstleistungen aus anderen Lebensbereichen gemieden werden, die mit Tierleid verbunden sind. Hierzu zählen beispielsweise Kosmetikartikel und Reinigungsmittel mit tierischen Bestandteilen sowie Produkte aus oder mit Leder, Wolle, Seide, Borsten oder Daunen. Auch Strom, der aus mit Schweinegülle gefüllten Biogasanlagen erzeugt wird, der Friseur mit nicht-veganen Kosmetikprodukten oder Hotelzimmer mit Federbetten sind für manche Veganer tabu.
Nicht-Veganer mögen das mitunter als extrem oder als „Spinnerei“ betrachten. Man könnte es aber auch einfach als (sehr) konsequent bezeichnen, wenn Menschen versuchen, ihrer Überzeugung in allen Lebensbereichen treu zu bleiben.
Während sich der Vegetarismus bis etwa ins achte Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen lässt, als sich im Norden des indischen Subkontinents eine Vorläuferform des Hinduismus herausbildete, ist der Veganismus deutlich jünger. Erste Aufzeichnungen zu Veganern gibt es seit dem 19. Jahrhundert in Großbritannien und den USA – damals wurden sie noch als „strikte Vegetarier“ bezeichnet (Leitzmann und Keller 2020).
Das erste vegane Kochbuch erschien 1874 in New York, geschrieben vom Gesundheitsreformer und Arzt Russel Thacher Trall (1812– 1877) (Davis 2012). Der Begriff „vegan“ geht hingegen auf Donald Watson (Großbritannien 1910–2005), einen der Gründer der Vegan Society, zurück. Er versuchte im Jahr 1944, einen prägnanten Begriff für die Lebensweise ohne Tiernutzung zu finden und verkürzte das englische „veg-etari-an“ zu „vegan“ (Vegan Society 2016).
Den typischen Veganer gibt es genauso wenig wie den typischen Mischköstler. Dennoch haben Veganer viele Gemeinsamkeiten, beispielsweise die Motivation. So geben in Befragungen meist 90 % oder mehr der Teilnehmer an, sich aus ethischen Gründen vegan zu ernähren (Grube 2009; Kerschke-Risch 2015; Janssen et al. 2016; Hopp et al. 2017). Sie wollen weder die Massentierhaltung unterstützen, noch wenige Tage alte Kälber von ihren Müttern getrennt sehen oder die Massentötung männlicher Eintagsküken hinnehmen. Aus ihrer Sicht ist jegliche Produktion tierischer Lebensmittel unweigerlich mit Tierleid und der Ausbeutung von Tieren verbunden. Nur weniger Fleisch, Milch oder Eier zu konsumieren, würde demnach am Grundproblem der Ausnutzung von Tieren kaum etwas ändern. Auch tierische Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft sind für Veganer keine Alternative. Zwar ist die ökologische Tierhaltung teilweise deutlich tierfreundlicher als die Tierhaltung in der konventionellen Landwirtschaft (wenngleich es auch im Bio-Bereich immer wieder unrühmliche Ausnahmen gibt), aber auch bei den Bio-Bauern geht es letztlich nicht darum, Tieren ein schönes (und langes) Leben zu ermöglichen, sondern Fleisch, Milch und Eier zu erzeugen und zu vermarkten.
Neben den ethischen Beweggründen nennen viele Veganer gesundheitliche Motive als zweithäufigsten Grund für ihre Ernährungsweise, jedoch mit deutlichem Abstand. Auch Ökologie, Welternährung und teilweise religiöse Aspekte spielen eine Rolle, sie werden aber noch seltener genannt. Dabei ist vieles im Fluss: Mancher Veganer hat seine Ernährung aus ethischer Überzeugung umgestellt und im Laufe der Zeit wurden auch gesundheitliche Aspekte immer wichtiger. Andere meiden tierische Produkte vornehmlich aus gesundheitlichen Gründen und nach einer gewissen Zeit kommen auch ethische Motive verstärkt hinzu (Leitzmann und Keller 2020).
Auch wenn nicht genau bekannt ist, wie viele Veganer es in Deutschland gibt – die Anzahl dürfte in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Laut Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft liegt der Anteil der Vegetarier in Deutschland bei 10 % (etwa acht Millionen Menschen) und der Anteil der Veganer bei rund 2 % (etwa 1,6 Millionen) (BMEL 2021, S. 14). In wissenschaftlichen Untersuchungen liegen die entsprechenden Zahlen jedoch deutlich niedriger. So ermittelte die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) des Robert-Koch-Instituts (Erhebungszeitraum 2008–2011, 8152 Befragte zwischen 18 und 79 Jahren) einen Vegetarieranteil von 4,3 % (Mensink et al. 2016). Der Anteil der Veganer wird in verschiedenen Studien mit etwa 0,3 % angegeben (Cordts et al. 2013; Pfeiler und Egloff 2018). Allerdings sind diese Untersuchungen schon ein paar Jahre älter, vermutlich dürfte die tatsächliche Zahl der Veganer inzwischen höher sein.
Diese unterschiedlichen Ergebnisse sind aber auch darauf zurückzuführen, dass nicht alle Menschen, die sich in Befragungen als Vegetarier oder Veganer bezeichnen, auch tatsächlich der wissenschaftlichen Definition entsprechen. Dennoch spricht vieles dafür, dass die Zahl der Veganer immer größer wird, wie etwa das steigende Angebot an veganen Verpflegungsmöglichkeiten in Mensen, Kantinen und Restaurants. Laut ProVeg gab es 2021 in Deutschland etwa 300 rein vegane Gastronomiebetriebe (ProVeg International 2022). Auch die wachsende Produktpalette an pflanzlichen Alternativen zu Fleisch, Wurst und Milchprodukten im Lebensmittelhandel und die häufige Berichterstattung zum Thema „vegan“ in den Medien lassen immer mehr Menschen die Wahl ihrer Lebensmittel beim Einkauf überdenken. Ebenso ist die Zahl veganer Kochbücher förmlich explodiert: Während es im Jahr 2010 nur drei Neuveröffentlichungen in deutscher Sprache gab, waren es 2015 bereits 119 und 2017 sogar über 620 (ProVeg International 2022).
Und nicht zuletzt vertreten auch immer mehr Prominente die vegane Ernährungsweise und dienen damit als öffentliche Vorbilder. Leonardo DiCaprio (Schauspieler), Natalie Portman (Schauspielerin), Thomas D. (Musiker) und Patrik Baboumian (Sportler) sind nur einige Beispiele.
Soziodemografische Studien zeigen, dass besonders eine Bevölkerungsgruppe den gesellschaftlichen Wandel zum Veganen antreibt: junge und in einer größeren Stadt lebende Frauen zwischen 20 und 40 Jahren mit überdurchschnittlicher Bildung (Kerschke-Risch 2015; Kessler et al. 2016; Hopp et al. 2017). Wenn es also doch den „typischen Veganer“ geben sollte, dann wäre das beispielsweise die 25-jährige Studentin. Doch immerhin sind etwa ein Viertel der Veganer männlich und die Altersverteilung erstreckt sich von Kleinkindern bis hin zu Hochbetagten.
Bei einigen Lebensmitteln ist auf den ersten Blick gar nicht klar, dass sie möglicherweise nicht vegan sind. Was soll beispielsweise an Wein oder Apfelsaft nicht vegan sein? Tatsächlich werden teilweise tierische Produkte wie Kasein (aus Milchprotein), Albumin (aus Eiprotein) oder Gelatine (aus Schweine- oder Rinderknochen) zur Klärung von Wein oder Fruchtsäften eingesetzt. Der Farbstoff Echtes Karmin (E 120) wird aus weiblichen Schildläusen gewonnen. L-Cystein (E 920), eine schwefelhaltige Aminosäure, macht Teige elastischer und leichter knetbar, außerdem sorgt es für die Luftigkeit von Gebäck. Das Mehlbehandlungsmittel kann mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen, aber auch aus Tierhaaren (z. B. Schweineborsten) und Federn hergestellt werden. Und es gibt viele weitere Beispiele für Zutaten, Zusatzstoffe und Aromen sowie Verarbeitungshilfsstoffe, die tierische Bestandteile enthalten oder mit deren Hilfe hergestellt werden. Um diese möglichst weitgehend zu meiden, ist ein genauer Blick auf die Zutatenliste der Produkte nötig. Entsprechende Listen von nicht-veganen Inhaltsstoffen im Internet helfen dabei.
Das vegane Leben wird jedoch erheblich einfacher, wenn man frische Lebensmittel selbst zubereitet. So vermeidet man Zusatzstoffe und weiß genau, was drin ist. Wer außerdem Bio-Produkte kauft, tut nicht nur der Umwelt Gutes, sondern verbannt dadurch auch einen Großteil der unerwünschten Zusatzstoffe aus seinem Warenkorb. Während im konventionellen Lebensmittelbereich mehr als 300 verschiedene Zusatzstoffe zugelassen sind, erlaubt die EU-Öko-Verordnung nur 56 (BLE 2023). Farbstoffe, Süßstoffe, Stabilisatoren und Geschmacksverstärker sind in der ökologischen Lebensmittelverarbeitung sogar gänzlich verboten.
Durchschnittlich mehr als 1000 Tiere verspeist jeder Deutsche im Laufe seines Lebens: unter anderem vier Rinder, zwölf Gänse, 46 Schweine und 945 Hühner; dabei sind Fische und andere Meerestiere noch nicht einmal eingerechnet (Heinrich-Böll-Stiftung et al. 2013). Ein Großteil dieser Tiere wird unter nicht tiergerechten Bedingungen gezüchtet, gehalten, transportiert und geschlachtet. Auch Milchkühe kommen mit vier bis fünf Jahren zum Schlachter, dann ist ihr auf Hochleistung gezüchteter Körper am Ende. Damit sie überhaupt Milch geben, werden die Kühe einmal jährlich künstlich befruchtet; ihre männlichen Kälber gehen meist sofort in die Mast (ASS 2017). Legehennen werden nach zwölf bis 15 Monaten geschlachtet, wenn ihre Legeleistung nachlässt. Etwa 44 Millionen männliche Küken wurden jährlich in Deutschland direkt nach dem Schlüpfen zerstückelt oder vergast, weil sie keine Eier legen können und als Hybridzüchtung auch nicht zur Fleischmast taugen (ASS o. J.). Im Jahr 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass das massenhafte Töten männlicher Küken für eine Übergangszeit weiterhin zulässig ist (BVG 2019). Erst seit 01.01.2022 ist das routinemäßige Kükentöten verboten. Männliche Küken sollen nach Geschlechtsbestimmung im Ei entweder nicht weiter bebrütet oder ausgebrütet und als „Bruderhähne“ vermarktet werden (BMEL 2023a). Weiterhin sind das viele Gründe für immer mehr Menschen, sich vegan zu ernähren.
Die weltweite Tierhaltung zur Erzeugung von Fleisch, Milch und Eiern stößt mehr Treibhausgase aus als der globale Verkehrssektor – also alle Autos, Schiffe, Flugzeuge und Züge zusammen (IPCC 2014; FAO 2017). In Deutschland entfallen etwa 44 % der Klimagase im durchschnittlichen Lebensmittelkorb auf Fleisch und Wurst, weitere 26 % auf Milch und Milchprodukte. Durch eine vegetarische bzw. vegane Ernährung würden sich die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen um 47 bzw. 48 % verringern lassen (WWF 2021a).
Für die Erzeugung unserer Lebensmittel verbraucht jeder Deutsche etwa 3900 Liter Wasser – pro Tag (WWF 2021b). Tierische Lebensmittel sind dabei deutlich wasserintensiver als pflanzliche, vor allem wegen des Wasserbedarfs der Futtermittel. Allein für die Herstellung von einem kg Rindfleisch werden etwa 15 500 Liter Wasser benötigt, davon 15 300 Liter für die Futterpflanzen (Mekonnen und Hoekstra 2010). Wer sich vegetarisch ernährt, kann seinen persönlichen Wasserfußabdruck im Ernährungsbereich um mehr als ein Drittel, bei veganer Ernährung um mehr als die Hälfte verringern (Hoekstra 2012).
Etwa ein Drittel der weltweiten Ackerflächen wird für den Anbau von Futtermitteln wie Soja und Getreide in Anspruch genommen, um unsere Schweine, Rinder und Hühner zu mästen (FAO 2018). Diese Flächen könnten auch direkt der Ernährung der Weltbevölkerung dienen. Zudem ist der Umweg über Tiere auch eine enorme Verschwendung von Nahrungsenergie, denn nur ein kleiner Teil der in den Futtermitteln enthaltenen Kalorien ist im erzeugten Fleisch, der Milch oder den Eiern enthalten. Der Großteil geht über den Stoffwechsel der Tiere und zum Aufbau nicht-fleischliefernder Körpergewebe wie Knochen und Sehnen verloren. So sind für die Herstellung von einem kg Fleisch im weltweiten Durchschnitt drei bis neun Kilogramm Getreide, Hülsenfrüchte oder Knollen notwendig (Mottet et al. 2017). Würden wir das heute als Futtermittel ver-(sch)wendete Soja und Getreide direkt der menschlichen Ernährung zur Verfügung stellen, stünden uns global 70 % mehr Nahrungskalorien zur Verfügung. Damit könnten wir bereits heute vier Milliarden Menschen mehr ernähren als derzeit auf der Erde leben, ohne die Lebensmittelproduktion steigern zu müssen (Cassidy et al. 2013). Würde die gesamte Weltbevölkerung eine Ernährungsweise praktizieren, wie sie heute in Deutschland üblich ist, müsste praktisch die gesamte bewohnbare Fläche der Erde (104 Mio. km2), inklusive Wäldern, Buschland und Siedlungen, als Agrarfläche genutzt werden (heutige Nutzung: 50 %) (Alexander et al. 2016; Ritchie 2017).
Aber auch die Gesundheit profitiert von einer vollwertigen veganen Ernährung. So zeigen zahlreiche Studien, dass Veganer (und Vegetarier) schlanker sind, einen niedrigeren Blutdruck haben und seltener an Typ-2-Diabetes sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden und sterben. Auch das Gesamtkrebsrisiko ist leicht verringert. Dabei ist der insgesamt gesündere Lebensstil von Veganern, beispielsweise der häufigere Nichtraucherstatus und ein geringerer Alkoholkonsum, bereits statistisch berücksichtigt. Richtig durchgeführt, bietet eine vollwertige vegane Ernährung eine gute Versorgung mit den meisten Nährstoffen. Auf kritische Nährstoffe, vor allem Vitamin B12, muss hingegen besonders geachtet werden. Das gilt insbesondere für Lebensphasen mit erhöhtem Nährstoffbedarf wie Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit (Leitzmann und Keller 2020).
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten sind dabei ausdrücklich mitgemeint.
Richtig durchgeführt, kann eine vegane Ernährung sehr gesundheitsfördernd sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Lebensmittelauswahl abwechslungsreich und vollwertig ist. Wer nur Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier weglässt, aber ansonsten viele Fertiggerichte und veganes Fastfood konsumiert, tut seiner Gesundheit keinen großen Gefallen. Außerdem gilt es, auf eine ausreichende Zufuhr der kritischen Nährstoffe einer rein pflanzlichen Ernährung (siehe Kap. 3, S. 29) zu achten. Eine Orientierung an den Empfehlungen der Vollwert-Ernährung hilft dabei, sich auch vegan optimal zu versorgen.
Heute sind viele Lebensmittel, die es im Supermarkt zu kaufen gibt, stark verarbeitet. Dabei gehen wertvolle Inhaltsstoffe verloren. In der Vollwert-Ernährung werden hingegen Lebensmittel bevorzugt, die noch ihren „vollen Wert“ haben: Vollkornprodukte statt Auszugsmehl, frisches Gemüse und Obst statt Konserven und Fertigprodukte, Pellkartoffeln statt Pommes frites und Kartoffelchips usw.
Die Prinzipien der Vollwert-Ernährung sind schon seit der Antike bekannt. Verknüpft mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wurde daraus die Gießener Konzeption der Vollwert-Ernährung entwickelt. Sie ist definiert als „eine überwiegend pflanzliche (lakto-vegetabile) Ernährungsweise, bei der gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugt werden. Gesundheitlich wertvolle, frische Lebensmittel werden zu genussvollen und bekömmlichen Speisen zubereitet (…)“ (Koerber et al. 2012). Nichts anderes steckt übrigens hinter dem Ernährungstrend des Clean Eating, quasi „Vollwert 2.0“ (Fischer 2015). Die „klassische“ Vollwert-Ernährung gibt es in zwei Varianten: lakto-ovo-vegetarisch (pflanzliche Lebensmittel plus Milchprodukte und Eier) und als Mischkost mit sehr geringen Mengen an Fleisch und Fisch. Dieses und die folgenden Kapitel zeigen, wie eine vegane Variante der Vollwert-Ernährung umgesetzt werden kann.
Die Vollwert-Ernährung ist ganzheitlich orientiert: Neben gesundheitlichen Aspekten wird auch die Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialverträglichkeit unseres Ernährungssystems berücksichtigt. Denn die Auswahl der Lebensmittel beeinflusst nicht nur die eigene Gesundheit, sondern hat viele weitere Auswirkungen. Mit unserem Einkaufskorb entscheiden wir beispielsweise darüber, wie Tiere in der Landwirtschaft gehalten werden, ob Böden, Wasser und Lebensmittel mit Pestiziden belastet sind, wie groß unser Wasserfußabdruck ist und ob die Kleinbauern, die beispielsweise den Kakao für unsere Schokolade erzeugen, von ihrer Arbeit leben können. Die Vollwert-Ernährung als nachhaltige, zukunftsfähige und damit enkeltaugliche Ernährungsweise berücksichtigt diese und viele weitere Aspekte. Zusammengefasst wurden sie in den sieben Grundsätzen der Vollwert-Ernährung.
Die sieben Grundsätze der Vollwert-Ernährung (Koerber et al. 2012)
1. Genussvolle und bekömmliche Speisen
2. Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel (überwiegend lakto-vegetabile Kost)
3. Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel – reichlich Frischkost
4. Ökologisch erzeugte Lebensmittel
5. Regionale und saisonale Erzeugnisse
6. Umweltverträglich verpackte Produkte
7. Fair gehandelte Produkte
Pflanzliche Lebensmittel versorgen uns mit vielen wichtigen Nährstoffen, die wir für den Erhalt unserer Körperfunktionen brauchen. Dabei weisen naturbelassene pflanzliche Produkte wie Gemüse, Obst, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte meist eine höhere Nährstoffdichte auf als tierische Lebensmittel: Sie enthalten mehr Vitamine und Mineralstoffe bei gleichzeitig weniger Energie. Außerdem liefern pflanzliche Lebensmittel meist weniger Fett, dafür von besserer Qualität (weniger gesättigte, mehr einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren), was günstige Effekte auf die Blutfette hat, sowie mehr langkettige Kohlenhydrate und Ballaststoffe, was sich unter anderem positiv auf die Blutzuckerkurve auswirkt. Zusätzlich versorgen sie uns mit gesundheitsfördernden sekundären Pflanzenstoffen, wie Carotinoiden, Phytosterolen und Polyphenolen.
Die vorliegenden Studien zeigen, dass Menschen mit einem hohen Verzehr pflanzlicher Lebensmittel, wie Vegetarier und Veganer, ein verringertes Risiko für zahlreiche ernährungsassoziierte Krankheiten aufweisen. Hierzu zählen Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und teilweise Krebs (Leitzmann und Keller 2020).
Fertiggerichte, Fastfood und stark verarbeitete Lebensmittel sind beliebt, vor allem, weil sie Zeit sparen und leicht verfügbar sind. Bei der industriellen Verarbeitung gehen jedoch viele wertvolle Inhaltsstoffe verloren oder werden vermindert: Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe (Tab. 2.1, S. 21). Dadurch sinkt die Nährstoffdichte der Lebensmittel und damit ihr Beitrag zu einer gesundheitsfördernden Ernährung. Außerdem enthalten diese Produkte oft viel Fett, Zucker und Salz sowie Aromen und Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker, Farb- und Konservierungsstoffe. Frische, möglichst gering verarbeitete pflanzliche Lebensmittel versorgen uns hingegen reichlich mit wichtigen Nährstoffen. Da viele Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe hitzeempfindlich sind, sollte etwa ein Drittel bis die Hälfte der Nahrungsmenge in Form unerhitzter Frischkost verzehrt werden – individuell angepasst nach Geschmack und Bekömmlichkeit. Übrigens freut sich auch der Geldbeutel, denn Fertiggerichte sind meist deutlich teurer als die eigene Zubereitung aus unverarbeiteten Nahrungsmitteln.
Tab. 2.1: Ausgewählte Inhaltsstoffe von 500 g Weizen-Vollkornbrot und Weißbrot (Nährwertberechnungsprogramm OptiDiet, basierend auf dem Bundeslebensmittelschlüssel 3.02)
Inhalts-stoff
Wichtig für
Vollkorn-brot
Weißbrot
i. V. zu Vollkorn-brot
Vitamin B
1
starke Nerven
1,25 mg
0,45 mg
36 %
Vitamin E
gute Abwehr
3 mg
2 mg
67 %
Folsäure
vitale Zellen
145 μg
110 μg
76 %
Magnesium
aktive Muskeln
300 mg
120 mg
40 %
Eisen
gesundes Blut
9,9 mg
3,5 mg
35 %
Ballaststoffe
aktiven Darm
37 mg
16 mg
43 %
Vorteile der veganen Vollwert-Ernährung
Eine vegane Vollwert-Ernährung mit möglichst gering verarbeiteten, frischen Lebensmitteln liefert reichlich gesundheitsfördernde Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe.
Biologisch erzeugte Lebensmittel haben meist eine bessere Ökobilanz als konventionelle, da geringere Mengen an Energie und Rohstoffen verbraucht werden und weniger Treibhausgase entstehen. Im ökologischen Landbau sind chemisch-synthetische Pestizide und leicht lösliche Stickstoffdünger, die Klima, Böden und Wasser belasten, verboten. Dies fördert, ebenso wie die schonendere Bodenbearbeitung, die natürliche Bodenfruchtbarkeit und den für die biologische Bodenaktivität wichtigen Humusaufbau. Auch die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren ist auf ökologisch bewirtschafteten Flächen größer. Auf Gentechnik wird bei der Erzeugung und Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln komplett verzichtet. Zudem sind in der ökologischen Landwirtschaft (etwas) tiergerechtere Haltungsbedingungen vorgeschrieben (BMEL 2023b).
Mit dem Kauf von Bio-Lebensmitteln tun wir auch unserer Gesundheit etwas Gutes, denn sie enthalten tendenziell mehr wertgebende Inhaltsstoffe, vor allem gesundheitsfördernde sekundäre Pflanzenstoffe, und deutlich weniger Pestizidrückstände als Produkte aus konventioneller Landwirtschaft (MLR 2023). Außerdem sind bei Bio-Lebensmitteln deutlich weniger Zusatzstoffe zugelassen als in der konventionellen Lebensmittelverarbeitung (56 statt über 300). Noch strenger sind die Richtlinien verschiedener deutscher Bio-Verbände. So sind beispielsweise bei Demeter und Bioland jeweils nur rund 20 Zusatzstoffe erlaubt (Bioland 2022; Demeter 2024).
Die Begriffe „Bio“ und „Öko“ sowie die adjektivische Verwendung sind im Lebensmittelbereich durch die EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Anbau gesetzlich geschützt. Eindeutige Erkennungsmerkmale sind das für vorverpackte Bio-Lebensmittel, die einen Verarbeitungsschritt in der EU erfahren, vorgeschriebene EU-Bio-Logo mit dem Ökokontrollstellencode und der Herkunftsangabe der Zutaten. Zusätzlich findet sich auf vielen Produkten das freiwillige deutsche Bio-Siegel oder auch das Logo eines deutschen Bio-Anbauverbandes (Abb. 2.1). Diese stellen noch strengere Anforderungen an die Erzeugung und Verarbeitung der Produkte. Staatlich zugelassene unabhängige Kontrollstellen überprüfen jeden Bio-Betrieb mindestens einmal jährlich auf die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Anbau.
Seit 2015 gibt es mit „EcoVeg“ das erste Gütesiegel, das zum einen die pflanzliche Herkunft und zum anderen den ökologischen Anbau bei verarbeiteten Produkten kennzeichnet. Beide Qualitätskriterien werden einmal jährlich im Rahmen der staatlich vorgeschriebenen Bio-Kontrolle von unabhängigen Kontrolleuren überprüft.
Abb. 2.1: Übersicht über Bio-Logos in Deutschland.
Regionale und saisonale Lebensmittel sind die erste Wahl
Mit dem Kauf von regional und saisonal erzeugtem Gemüse und Obst unterstützen wir die heimische Landwirtschaft und sichern uns Frische, Qualität und vor allem Geschmack. Saisonale Lebensmittel hatten ausreichend Zeit zum Ausreifen, daher weisen sie meist höhere Gehalte an Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen auf (Koerber et al. 2012). Regional erzeugte Lebensmittel sparen lange Transportwege, die viel Energie verbrauchen und das Klima mit Treibhausgasen belasten. Besonders klimaschädlich sind Flugtransporte, beispielsweise für Erdbeeren aus Südafrika oder Bohnen aus Ägypten, die besonders im Winter beliebt sind (UBA 2018). Aber auch einheimische Ware aus beheizten Gewächshäusern belastet das Klima (Abb. 2.2). Optimal sind daher regional und saisonal erzeugte Bio-Produkte aus Freilandanbau. Auch den Einkauf selbst können wir umweltverträglicher gestalten, indem wir beispielsweise zu Fuß gehen oder das Rad benutzen.
Abb. 2.2: Treibhausgasemissionen von Gemüsearten zu verschiedenen Jahreszeiten in Deutschland (nach ZHAW und Eaternity 2016).
Saisonkalender
Bei den Verbraucherzentralen gibt es Saisonkalender für einheimisches Gemüse und Obst. Sie bieten einen guten Überblick, welche Lebensmittel in welchen Monaten (Freiland-)Saison haben bzw. gerade nicht regional-saisonal verfügbar sind (Lager-, Gewächshaus- oder Importware) (siehe Übersicht S. 24/25).
Sehr geringe Klimabelastung:
Freilandprodukte
geringe bis mittlere Klimabelastung:
„geschützter Anbau“ (Abdeckung mit Folie oder Vlies, ungeheizt)
geringe bis mittlere Klimabelastung:
Lagerware
geringe bis mittlere Klimabelastung:
Produkte aus ungeheizten oder schwach geheizten Gewächshäusern
hohe Klimabelastung:
Produkte aus geheizten Gewächshäusern
Saisonkalender Heimisches Obst und Gemüse, www.verbraucherzentrale.de
Umweltfreundliche Verpackungen verbessern die Ökobilanz
Wenn wir Verpackungen vermeiden bzw. bewusster damit umgehen, können wir den Energie- und Ressourcenverbrauch für deren Herstellung und Entsorgung senken.
Die wichtigsten Tipps:
• lose statt verpackte Lebensmittel kaufen (z. B. frisches Obst, Gemüse, Kartoffeln, Trockenware in Unverpackt-Läden),
• umweltfreundliche(re) Verpackung wählen (Kleinst- und Mehrfachverpackungen vermeiden),
• Stofftaschen zum Einkauf mitnehmen (Plastik- und Papiertüten meiden bzw. so oft wie möglich wiederverwenden),
• Mehrweg statt Einweg wählen.