Verloren geglaubt - Isabell von Berden - E-Book

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Isabell von Berden

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Beschreibung

Dr. Marie Cornelius betreibt eine familiär geführte Arztpraxis und genießt das Vertrauen einer großen Zahl von Patientinnen und Patienten. Als Allgemeinmedizinerin verfügt sie über ein umfassendes medizinisches Wissen. Sie ist in ihrem Wesen einfühlsam und psychologisch hervorragend ausgebildet, als Ärztin deutlich beliebter als die meisten Kollegen. Mit ihrem Mann Bastian, einem hochqualifizierten Lehrer, führt Marie eine harmonische Ehe, die ihr den nötigen Rückhalt für den beruflichen Alltag gibt. Frau Dr. Marie Cornelius ist eine spannende, brillant geschilderte Arztromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht. Gitti stand am Empfang und legte gerade einige Patientenunterlagen zur Seite. »Ja mei, Chefin, des war ja ein anstrengender Vormittag! Sie sind ja gar nicht zum Durchschnaufen gekommen. Selbst das Obst, das ich Ihnen bereitgestellt hatte, haben Sie nicht angerührt.« Gitti sah ihre Frau Doktor aufmerksam an. Die Arzthelferin wachte mit Argusaugen über ihre Arbeitgeberin und achtete darauf, dass die sich nicht übernahm. Marie Cornelius meinte lächelnd: »Gitti, Sie sind wie ein richtiger Wachhund, wenn es um mich geht.« Ihre Angestellte lachte laut und herzlich. »Frau Doktor, das sehe ich als meine wichtigste Aufgabe. Sie sind so ein Goldstück, da muss ich recht gut aufpassen, dass es Ihnen immer gut geht. So eine wie Sie gibts ja nicht an jeder Ecke!« Marie war ganz gerührt und wurde, wie immer, wenn man sie lobte, verlegen. »Ach, Gitti, ich kann doch nur so gut sein, weil wir alle hier als Praxisteam so hervorragend zusammenarbeiten. Sie wissen doch, wie unersetzlich Sie hier sind.« Bettina Feldin, die gerade um die Ecke bog, rief: »Da komme ich doch gerade zur rechten Zeit. Hab ich richtig gehört, dass hier gerade Lob verteilt wird? Davon bitte auch eine große Portion für mich!« Die beiden anderen Frauen lachten und Gitti meinte: »Frau Doktor Feldin, des bekommen Sie gerne. I muss wirklich sagen, dass I mich sehr freue, dass sie zu unserem Team gehören. Ich könnte es mir gar nicht mehr vorstellen ohne Sie.«

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Seitenzahl: 125

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Frau Dr. Marie Cornelius – 9 –Verloren geglaubt

Unveröffentlichter Roman

Isabell von Berden

Gitti stand am Empfang und legte gerade einige Patientenunterlagen zur Seite. »Ja mei, Chefin, des war ja ein anstrengender Vormittag! Sie sind ja gar nicht zum Durchschnaufen gekommen. Selbst das Obst, das ich Ihnen bereitgestellt hatte, haben Sie nicht angerührt.« Gitti sah ihre Frau Doktor aufmerksam an. Die Arzthelferin wachte mit Argusaugen über ihre Arbeitgeberin und achtete darauf, dass die sich nicht übernahm.

Marie Cornelius meinte lächelnd: »Gitti, Sie sind wie ein richtiger Wachhund, wenn es um mich geht.«

Ihre Angestellte lachte laut und herzlich. »Frau Doktor, das sehe ich als meine wichtigste Aufgabe. Sie sind so ein Goldstück, da muss ich recht gut aufpassen, dass es Ihnen immer gut geht. So eine wie Sie gibts ja nicht an jeder Ecke!«

Marie war ganz gerührt und wurde, wie immer, wenn man sie lobte, verlegen. »Ach, Gitti, ich kann doch nur so gut sein, weil wir alle hier als Praxisteam so hervorragend zusammenarbeiten. Sie wissen doch, wie unersetzlich Sie hier sind.«

Bettina Feldin, die gerade um die Ecke bog, rief: »Da komme ich doch gerade zur rechten Zeit. Hab ich richtig gehört, dass hier gerade Lob verteilt wird? Davon bitte auch eine große Portion für mich!«

Die beiden anderen Frauen lachten und Gitti meinte: »Frau Doktor Feldin, des bekommen Sie gerne. I muss wirklich sagen, dass I mich sehr freue, dass sie zu unserem Team gehören. Ich könnte es mir gar nicht mehr vorstellen ohne Sie.«

Marie Cornelius nickte zustimmend und ergänzte: »Stimmt, Bettina, du bist einfach unersetzlich. Ich kann immer auf dich bauen und weiß, dass mich keiner so gut vertreten kann wie du.«

Plötzlich wurde die Tür zur Praxis heftig aufgestoßen und ein junger Mann mit einem weinenden Kind auf dem Arm betrat die Praxis. »Hab keine Angst, jetzt sind wir beim Arzt und alles wird wieder gut«, flüsterte er und wirkte sehr angespannt.

Die Ärztin sah fragend zu dem Unbekannten. »Was können wir für Sie tun? Ist etwas mit dem Kind?«

»Ich muss mit dem Nico zur Ärztin. Er hat sich am Kopf gestoßen und blutet«, erwiderte der Unbekannte und drückte seinen Buben beschützend an sich.

»Da sind sie bei mir richtig«, antwortete Marie Cornelius. Sie trat näher und sah sich den kleinen Jungen auf dem Arm des Vaters genauer an. In seinem ängstlichen Gesicht waren Tränenspuren zu erkennen und seine Augen wirkten verweint und verunsichert. »Hallo Nico«, meinte Marie freundlich »Ich möchte mir anschauen, wo du dir wehgetan hast. Magst du mit mir und dem Papa mitkommen?«

Sie drehte sich rasch um und bat den aufgeregten Vater: »Bitte kommen Sie doch mit ins Sprechzimmer. Dort kann ich die Wunde besser anschauen und verarzten.«

Im Arztzimmer angekommen, setzte der aufgeregte Vater das Kind auf die Behandlungsliege und hielt seine Hand.

Marie Cornelius untersuchte die Wunde aufmerksam mit vorsichtigen Griffen. Gottlob war sie nur recht oberflächlich, aber es hatte doch stark geblutet. Rasch überprüfte sie, ob eventuell eine Gehirnerschütterung vorlag, aber es waren keine Anzeichen zu erkennen. »Wie ist das denn passiert?«, fragte sie den Vater, während sie mit geschickten Fingern einen leichten Verband anlegte.

»Bei der Tagesmutter. Sie hat wohl dem Nico noch zugerufen, er solle aufpassen, aber wie des eben so ist bei den Kleinen«, meinte der unbekannte Mann.

Marie Cornelius sah den Vater fragend an.

Der erklärte es nun genauer und Marie vernahm einen angespannten Unterton bei ihm. »Die Schranktür stand offen und er hat es wohl wieder einmal nicht mitbekommen, dass die Tagesmutter ihn warnte.«

Nachdenklich sah Marie Cornelius zu dem Buben hinunter. Irgendetwas signalisierte der erfahrenen Landärztin, sich mehr Zeit zu nehmen. Der kleine Bub hatte noch kein einziges Wort gesagt. Entschlossen drückte sie die Gegensprechanlage: »Gitti, würden Sie bitte die Personalien unseres Patienten aufnehmen? Und bitte, der Vater soll doch auch gleich diesen Fragebogen ausfüllen, den wir immer nehmen, wenn es um Unfälle mit Kindern geht. Ich bleibe derweil mit Nico hier und versuche, natürlich mit Burschis Hilfe, den Schrecken vergessen zu lassen.«

Gitti verstand genau, was Ihre Chefin von ihr wollte. Die Ärztin brauchte anscheinend etwas Zeit mit dem Kind, um sich genauer mit dem Buben zu befassen. Dabei konnte der Burschi mithelfen. Die Arzthelferin wusste, dass die geheime Zauberwaffe der Ärztin schon so manches Mal dazu beigetragen hatte, die Chefin in ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie antwortete: »Alles klar, Chefin, wird so gemacht, wie Sie es wünschen.«

Marie Cornelius lächelte dankbar. Gitti war einfach nicht mit Gold aufzuwiegen. Wieder einmal hatte die engagierte Arzthelferin genau verstanden, was Marie Cornelius wollte.

Als der Vater das Behandlungszimmer verlassen hatte und Gitti den Hund hereingebracht hatte, wandte sich Marie wieder dem Kind zu. »Sieh mal, möchtest du die haben«, fragte sie freundlich und zeigte dem Jungen eine kleine Spielfigur. »Ich schenke sie dir.« Dann wies sie auf Burscherl, der brav auf seinen Einsatz wartete. »Und der Burschi möchte dich auch gerne begrüßen. Sieh nur.«

Der kleine Bub sah die Ärztin an und auf seinem Gesicht zeigte sich ein scheues Lächeln. Er streckte die Hand nach dem Hund aus und sagte unbeholfen: »Hund. Nico streicheln.«

Er suchte den Blick von Marie Cornelius. Fragend sah er sie an. »Komm, ich heb dich von der Liege und dann kannst du mit Burschi spielen«, sagte Marie Cornelius. »Schau, die Spielzeugfigur kannst du dir auch nehmen«, meinte sie dann, sah den Buben aber nicht dabei an, als sie ihn ansprach. In der Hand hielt sie dabei eine andere Figur.

Der Bub sah sie abwartend an. Sie spürte die Verunsicherung des Buben. Hatte er nicht genau mitbekommen, was sie gesagt hatte? Sie wollte einen Versuch machen. Nico war beschäftigt mit der Figur, die er auf und ab hüpfen lies. Die Ärztin hockte sich vor den Jungen und schaute ihn an. »Nico, sieh mal, hier ist noch ein Pferd. Das kannst du auch haben.« Sofort breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er griff mit seiner kleinen Hand begeistert zu. Das hatte er also genau verstanden. Die Ärztin schüttelte mit dem Kopf. Sie musste mit dem Vater sprechen.

Sie drückte die Sprechanlage: »Gitti, bitten Sie den Vater, wieder ins Behandlungszimmer zu kommen.«

Gitti nahm die Unterlagen, die der Vater, Herr Krückel, wie sie jetzt wusste, ausgefüllt hatte und reichte sie an ihn zurück. »Die Frau Doktor bittet darum, dass Sie wieder ins Behandlungszimmer kommen.«

Frau Doktor Cornelius bat den Vater freundlich, Platz zu nehmen. Sie warf einen Blick in die ausgefüllten Unterlagen. »Ja, Herr Krückel. Wie ich sehe, ist ihr Sohn drei Jahre alt und hat anscheinend keine ernst zu nehmenden Krankheiten. Wann waren Sie zuletzt mit ihm beim Kinderarzt?«

»Ich weiß nicht, wann er zuletzt beim Arzt war. Das müsste ich zu Hause nachschauen«, erwiderte der Angesprochene zögernd. Verunsichert meinte er leise, eher zu sich selbst: »Da müsste es doch bestimmt Unterlagen geben.«

Diese Antwort erstaunte Marie. »Vielleicht sprechen Sie mit der Mutter des Kindes. Die weiß sicher Bescheid.« Wieder spürte sie die Nervosität des jungen Vaters und sagte freundlich: »Nico geht es ganz gut, er hat nur eine leichte Kopfverletzung davongetragen.«

Herr Krückel stand auf. Er wirkte erleichtert.

Marie Cornelius war gleichfalls aufgestanden und meinte dann: »Da ist aber noch etwas, was mir aufgefallen ist. Die üblichen Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern lassen Sie doch sicher immer termingerecht durchführen?« Fragend sah sie ihr Gegenüber an. »Ich habe den Eindruck, dass die Sprachentwicklung Ihres Kindes leicht verzögert sein könnte. Spricht er wenig für sein Alter? Was meinen Sie und Ihre Frau?«

Herr Krückel wirkte verunsichert. »Er tut nur so, das sagt die Tagesmutter immer. Wenn er nicht hören will, tut er gerne so, als sei er taub. Das ist so ein Spiel von ihm! So ist das immer, besonders dann, wenn wir es eilig haben.« Er ging zu seinem Sohn, der auf dem Boden mit den Figuren spielte und hob ihn hoch. »Komm, Nico, ab nach Hause.« Dann blickte er unsicher zu der jungen Ärztin. »Wissen Sie, wir wohnen noch nicht so lange hier und ich weiß es nicht, ob seine Mutter diese Untersuchungen hat machen lassen.«

Nico schlang die Arme um den Hals seines Vaters. Er lächelte den Papa an und sagte: »Nico Hunger.«

Marie Cornelius trat einen Schritt auf den Vater zu. »Herr Krückel, ich würde Ihren Sohn in den nächsten Tagen gerne noch einmal sehen. Ich möchte sein Hörvermögen auf jeden Fall noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. Sie wissen sicherlich: Wer nicht gut hört, kann auch nicht gut sprechen. Es könnte durchaus einen Zusammenhang zwischen seinem Hören und Sprechen geben.« Ihr eindringlicher Blick ließ dem Vater keinen Ausweg. »Ich schlage vor, dass Sie in den nächsten Tagen noch einmal mit Nico zu uns in die Praxis kommen. Machen Sie sich keine Sorgen. Meistens handelt es sich um etwas, was gut in den Griff zu bekommen ist.« Sie sah Herrn Krückel eindringlich an. »Das würde Nico sehr helfen, glauben Sie mir!«

Herr Krückel atmete tief ein und Marie Cornelius sah, dass der Vater sehr erschrocken wirkte. »Wenn Sie meinen, Frau Doktor. Ich komme in den nächsten Tagen auf jeden Fall mit dem Nico zu Ihnen, damit Sie das genauer anschauen. Schließlich soll es ihm doch gut gehen.« Er blickte sein Kind liebevoll an. »Man sagt doch oft, dass Jungs in der Entwicklung hinterherhinken und da hab ich mir bisher keine Sorgen gemacht.«

Dann nahm er ihn auf den Arm, legte kurz seinen Kopf gegen den Kopf des Jungen und flüsterte: »So, jetzt fahren wir aber nach Hause. Für heute war es genug an Aufregungen.«

*

Mona Miller stand am Fenster ihres Hauses und sah ihrer Tochter zu, die draußen unbeschwert Basketball spielte. Ihr Herz zog sich vor Liebe zusammen. Susan war das Glück ihres Lebens. Nur wegen ihr hatte Mona damals die Kraft besessen, ganz alleine auf sich gestellt, die Heimat zu verlassen. Damals war ihr die Flucht ins ferne Hamburg wie die letzte Rettung erschienen. Wie entsetzt ihre Eltern gewesen waren, als sie erfuhren, dass ihre einzige Tochter schwanger war. Besonders ihr Vater war außer sich gewesen. Seine Tochter mit einem unehelichen Kind? Das war unvorstellbar in seiner engen Welt und so hatte er Mona schlimme, verletzende Vorwürfe gemacht.

»Du weißt doch genau, wie die Leute sind. Die werden sich den Mund über uns zerreißen und du und dein Kind werden immer dem Gerede der Leute ausgesetzt sein. Willst du das? Auf so was warten die doch nur. Die Klatschmäuler.« Sein Zorn über die missratene Tochter war groß. Und dann machte er Simona den Vorschlag, das Kind zur Adoption frei zu geben. »Du könntest das Kind bei deiner Patentante Ria bekommen und keiner im Ort muss es mitbekommen. Schließlich leben deine Mutter und ich auch hier und geraten mit dir zusammen ins Gerede.« Er hatte den Kopf in seinen Händen vergraben und fragte sie anklagend: »Willst du das deiner Mutter und mir wirklich antun?«

Simona war fassungslos gewesen. Dass der Vater so hart und unnachgiebig reagieren würde, das tat weh. Aber er war kein liebevoller Mensch, er war hart zu sich und auch zu anderen. Seine Frau und Simona wussten das nur zu genau. »Verzärteln macht den Menschen schwach und in der Not bricht der Mensch dann«, pflegte er zu sagen, wenn seine Frau oder Simona wieder einmal weinten ob seiner Strenge und Härte.

Ihre Mutter war traurig und verzweifelt. Sie hatte Angst vor ihrem Mann und auch das Gerede der Leute scheute sie. Hoffnungsvoll hatte sie der Tochter vorgeschlagen, sie solle den Josef Heuer heiraten. »Der Josef würde dich zur Frau nehmen, auch mit einem Kind. Er mag dich sehr und unsere beiden Bauernhöfe würden davon profitieren«, hatte sie gemeint. »Du sagst selbst, dass der Friedrich, der Vater des Kindes, für dich gestorben ist. Kind, überleg nicht lange und heirate den Josef. Er wird dem Kind ein guter Vater sein und dir ein guter Mann!«

Mona, damals noch Simona, war zutiefst verletzt, als sie ihre Eltern so reden hörte. Sie hatte doch kein Verbrechen begangen, hatte nur aus ganzem Herzen geliebt! Nun gut, sie hatte ihre Liebe dem Falschen geschenkt, aber das hatte sie doch nicht ahnen können! Friedrich, ihre große Liebe, ihr Ein und Alles! So nah waren sie sich gewesen. Bereit, alles für den anderen zu tun. Wieder kam ihr der Vorschlag der Mutter, doch den Josef zu heiraten, in den Sinn. Er kam ihr so absurd vor. Man konnte doch nicht, wenn man so leidenschaftlich geliebt hatte, so einfach zu jemand anderem wechseln, der einem gar nichts bedeutete. Verstand ihre Mutter das denn gar nicht? Und jetzt, wo sie Friedrich gerade verloren hatte, sollte sie auch noch das Kind, das sie in sich trug, verlieren?

Der jungen Frau war klar, dass sie weg musste. Weg von all den grausamen Vorschlägen ihrer Eltern, die doch angeblich nur das Beste für sie wollten. Weg von den Leuten, die bald schon hinter ihrem Rücken tuschelnd die Köpfe zusammenstecken würden, wenn Simonas Babybauch nicht mehr zu übersehen wäre.

Die werdende Mutter hatte von ihrer Oma, der Mutter ihrer Mutter, etwas Geld geerbt. Simona entschied sich, das Geld dazu zu benutzen, um ihre Heimat zu verlassen. Das Geld würde zunächst einmal reichen, um das Baby zur Welt zu bringen. Wenn das Kind erst da war, würde sie sich eine Arbeit suchen. Simona war fleißig und klug. Sie beherrschte zwei Fremdsprachen und sie konnte wundervoll malen und zeichnen. Die junge Frau wusste, dass sie es schaffen würde! Sie war stark.

Eigentlich wäre sie gerne ins Ausland gegangen, aber dazu war sie noch zu jung. So beschloss sie, zunächst in Deutschland zu bleiben. Ganz kühl und gelassen überlegte sie, wohin sie gehen solle. Hamburg gefiel ihr gut. Hamburg wurde doch das Tor zur Welt genannt und das sollte Hamburg auch für sie werden.

Viel war es nicht, was sie mitnahm von zu Hause. Das, was sie für sich und das Baby benötigen würde, konnte sie kaufen. Wozu sich jetzt mit so viel Ballast beschweren?

Als der Tag gekommen war, brachte sie es nicht übers Herz, ihrer Mutter nichts davon zu sagen, was sie vorhatte. Noch heute sah Mona das Gesicht vor sich: Die Mutter war so verzweifelt gewesen und hatte sie unter Tränen angefleht, daheimzubleiben.

»Simona, Kind, des darfst du nicht tun. Bitte bleib hier. Ich werd so lange mit dem Papa reden, bis er sich wieder beruhigt. Dann überlegen wir noch einmal, wie es weitergehen kann. Ich verspreche dir, wir finden eine Lösung.«

Aber Monas Entscheidung stand fest. Sie wusste, dass die Mutter es nicht schaffen konnte, ihren Mann dazu zu bringen, das uneheliche Kind zu akzeptieren. So blieb ihr nichts anderes, als ihre Tochter gehen zu lassen. Sie hatte Simona damals weinend gebeten: »Kind, versprich mir, wenn es dir schlecht gehen sollte, kommst du zurück. Das mit dem Baby werden wir auch ohne einen Mann für dich schaffen.« Noch heute hörte Mona das Schluchzen der Mutter, wenn sie daran dachte.

Seit dem Tag hatte sie ihre Eltern nie wiedergesehen. Manchmal, so wie heute, tat es weh, wenn sie daran dachte. Obgleich es schon so lange her war. Sie schüttelte mit dem Kopf.