Verlorene Seelen 14 - Die Hoffnung stirbt zuletzt - Claudia Choate - E-Book

Verlorene Seelen 14 - Die Hoffnung stirbt zuletzt E-Book

Claudia Choate

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Beschreibung

Manchmal ist Valentina sich selbst nicht mehr sicher, wie viele Schicksalsschläge, Demütigungen oder Verluste ein einzelner Mensch ertragen kann. Bisher schien sie an den Herausforderungen zu wachsen, doch dann verliert sie innerhalb kürzester Zeit alles, an was sie geglaubt und was sie geliebt hat. In ihrer Verzweiflung sucht sie Trost und Hilfe in einer Gruppe Gleichgesinnter. Trotz anfänglicher Skepsis tut es ihr gut, über ihre Probleme zu sprechen und lernt endlich einmal, was es wirklich heißt, zu leben.

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INHALTSVERZEICHNIS

Verdächtigungen

Neue Wege

Verlobung

Eine schwere Geburt

Vorwürfe

Schicksalsschlag

In der Klinik

Ein goldener Käfig

Wenn alles zerbricht

Scherbenhaufen

Ein neues Leben

Verzweiflung

Treffen der Hinterbliebenen

Beistand

Nächtliche Träume

Scheidungsgericht

Bekanntschaften

Enttarnt

Vorbereitungen

In der Falle

Ein guter Freund

Urlaub am Meer

Alles wird gut

Traummann in weiß

Unerwartete Umstände

Ende gut…

VERDÄCHTIGUNGEN

Valentina atmete erleichtert aus, als sie schließlich ihr Prüfungszeugnis in den Händen hielt, und dachte zurück an die Zeit vor Beginn ihrer Ausbildung. Sie hatte noch gut in Erinnerung, wie schwer das Leben mit ihrer Mutter manchmal gewesen war. Valentina war von klein auf nur mit einem Elternteil aufgewachsen, nachdem der damalige Freund ihrer Mutter diese sitzen gelassen und sich nie um seine Tochter gekümmert hatte. Valentinas Mutter hatte keinen Pfennig von ihm erhalten und lange Zeit mit der Tochter in einer Sozialwohnung gelebt. Die junge, arbeitslose Frau hatte sich daraufhin im Laufe der Jahre zur Alkoholikerin entwickelt und war schließlich nicht mehr in der Lage gewesen, sich um das kleine, schmutzige Mädchen zu kümmern. Deshalb war Valentina von dort weggeholt und in einem Kinderheim untergebracht worden. Seitdem war es dem Kind besser gegangen, vor allem nachdem sie ein paar Jahre später in das betreute Wohnen gekommen war.

Damals hatte sie niemanden mehr gehabt und das Wohnheim war ihr neues Zuhause geworden. Die Betreuer im Kinder- und später im Wohnheim waren eigentlich ganz nett und Valentina fand wieder zu einem geregelten Tagesablauf zurück, machte den Realschulabschluss und fand mit Hilfe der Erzieher sogar die Lehre als Bürokauffrau im Autohaus Peters.

Herr Peters Senior war schon etwas älter, doch im Grunde ein netter Mann. Er war geschieden und hatte einen Sohn namens Bernhard. Dieser war Anfang zwanzig und arbeitete ebenfalls mit im Geschäft.

Heute – knapp drei Jahre später – war Bernhard bereits Junior-Chef und übernahm mehr und mehr die Aufgaben von Vater Wolfgang, der in Kürze plante, das Geschäft komplett an seinen Sohn zu übergeben und nach Spanien zu gehen. Aufgrund dessen und der Tatsache, dass Wolfgangs altbewährte Sekretärin im nächsten Jahr in Rente gehen würde, suchte die Firma nun eine Privatsekretärin für Bernhard. Verständlicherweise liebäugelten die Auszubildenden mit diesem Posten und hofften darauf, die Auserwählte zu sein. Valentina war das eigentlich egal. Ihre Noten waren gut und wenn im Autohaus Peters kein Platz mehr für sie war, würde sie eben etwas Anderes suchen müssen.

Mit diesem Gedanken beschäftigte sie sich auch noch, als Herr Peters Senior und sein Sohn die Prüflinge am Folgetag in den Besprechungsraum riefen, denn trotz ihrer guten Noten glaubte sie nicht an eine Übernahme durch das Autohaus. Dazu fehlte ihr einfach das Durchsetzungsvermögen.

„Ich freue mich, Sie alle hier begrüßen zu können. Drei Jahre lang haben Sie nun alles gelernt, was Sie zu einem erfolgreichen Berufsleben benötigen, und wir sind stolz darauf, einen derart guten Notendurchschnitt erreicht zu haben.“ Herr Peters Senior machte eine kurze Pause, woraufhin die meisten Auszubildenden ihre Zustimmung kundgaben, indem sie mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte trommelten. Der Firmenchef lächelte und gebot ihnen mit einer Handbewegung Einhalt, bevor er fortfuhr: „Nichtsdestotrotz haben wir leider nur zwei Stellen zu besetzen. Dies bedeutet natürlich, dass drei von Ihnen eine neue Stelle suchen müssen, doch ich bin überzeugt davon, dass Ihre Zeugnisse und unsere Beurteilungen Ihnen bei der Suche gute Dienste leisten werden.“

Valentina nickte – genau das hoffte sie auch und hatte sogar schon ein paar Stellenanzeigen herausgesucht, bei denen sie sich umgehend bewerben wollte.

Auf einen Wink seines Vaters übernahm nun Bernhard Peters die Redeführung: „Wie mein Vater bereits ausgeführt hat, können wir leider nur zwei von Ihnen übernehmen. Die Auswahl ist uns nicht leichtgefallen. Sie alle haben ihre besonderen Fähigkeiten und Vorzüge. Dennoch musste ja eine Entscheidung getroffen werden. Wir benötigen eine Person in der Verwaltung und eine Sekretärin in der Geschäftsleitung. Nach reichlicher Überlegung haben wir uns in der Verwaltung für Frau Bogdan entschieden.“

Die Köpfe der Anwesenden drehten sich Corinna zu, die über das ganze Gesicht strahlte. „Danke, Herr Peters. Vielen Dank“, brachte die 22-Jährige hervor und man hörte ihrer Stimme die Erleichterung deutlich an.

„Gern geschehen“, lächelte Herr Peters Junior und alle drehten sich mit gespanntem Gesichtsausdruck zu ihm um – alle, außer Valentina, die ihr Schicksal bereits akzeptiert hatte. Insgeheim hatte sie gehofft, eine Chance auf den Job in der Verwaltung zu bekommen, doch der war nun vergeben. Auf die zweite Stelle malte sie sich erst recht keine Chance aus und bekam daher nicht wirklich mit, als Bernhard Peters ihren Namen nannte. Erst als sie die eifersüchtigen Blicke der anderen bemerkte, starrte sie ihren Chef ungläubig an.

„Haben Sie mich verstanden, Frau Prinz?“

„Ja… nein… ich meine… Was haben Sie gesagt?“

Ein amüsiertes Lächeln huschte über das Gesicht des Junior-Chefs. Genau deshalb hatte er sich für Valentina entschieden – weil sie sich für die Machtkämpfe zwischen den Auszubildenden nicht interessierte.

Außerdem machte sie auch optisch etwas her: Sie hatte eine tolle Figur, genau die richtigen Proportionen und ein hübsches, frisches Gesicht. Ihre langen, dunkelblonden Haare schimmerten golden im Licht der Sonne und ihre grünen Augen waren groß und leuchtend. Obwohl sie eine extreme Wirkung auf Männer hatte, machte die inzwischen 19-Jährige immer einen großen Bogen um Männer und das imponierte ihm. Noch dazu war Valentina Prinz eine zuverlässige Kraft.

Bernhard Peters stand auf und reichte ihr die Hand. „Ich sagte, dass Sie die offene Stelle als meine Sekretärin bekommen haben, Frau Prinz. Herzlichen Glückwunsch.“

„Ich???“ Valentina konnte ihr Glück kaum glauben.

„Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn Sie sich etwas Anderes suchen müssten?“, fragte der Senior-Chef nun ebenfalls mit einem Grinsen im Gesicht.

„Nein, nein. Natürlich nicht! Vielen, vielen Dank, Herr Peters. Sie werden es nicht bereuen.“

„Davon gehe ich aus“, grinste Bernhard und wandte sich an die anderen drei: „Es tut mir leid, dass wir Sie nicht alle übernehmen konnten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem weiteren beruflichen Weg.“

Die Auszubildenden erhoben sich, um sich wieder an ihre Arbeit zu machen. Die Ausbildung lief noch bis Ende Juli – bis dahin waren es noch knapp drei Wochen.

In den folgenden Tagen kam sich Valentina vor wie bei einem Spießrutenlauf. Immer, wenn sie die anderen Auszubildenden in der Küche überraschte, verstummten diese abrupt, so als wenn sie gerade über sie gesprochen hätten. Gleichzeitig ignorierten sie Valentina nach Kräften, gaben ihr keine Antwort, wenn sie etwas fragte und keiner der Vorgesetzen in der Nähe stand, oder verließen einfach den Raum, wenn sie ihn betrat.

Eine Woche lang schaute sie sich das Drama an und zog sich zurück. Doch irgendwann war das Maß voll und sie stellte die anderen zur Rede, als sie sie wieder einmal in der Küche überraschte und die anderen schlagartig verstummten und aufstanden: „Könnt ihr mir bitte mal verraten, was ich euch getan habe? Ich kann doch nichts dafür, dass die Herren Peters mich für den Job ausgewählt haben!“

„Doch – eine ganze Menge“, antwortete Corinna Bogdan, die junge Frau, die den Job in der Verwaltung ergattert hatte.

„Kein Wunder, wenn man so aussieht wie du“, stimmte Margit zu.

„Wenn ich mit dem Junior-Chef gevögelt hätte, hätte ich mir den Job auch unter den Nagel gerissen“, sagte Petra gehässig, eine eher mollige 20-Jährige mit viel zu großer Nase im Gesicht. Dann ergänzte sie noch: „Aber ich verkaufe mich nicht, um einen Job zu bekommen. Das habe ich nicht nötig.“

„Wie bitte?“, fragte Valentina und konnte kaum glauben, was ihr die anderen da unterstellten. „Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich…?“

„Du bist echt eine gute Schauspielerin, Valentina“, stellte Elli fest, die letzte der Auszubildenden. „Wir haben nie etwas bemerkt. Und Deine Überraschung hätte man dir fast abnehmen können, als Herr Peters deinen Namen verkündete. Du schienst immer so korrekt und unnahbar zu sein und hinter unserem Rücken verdrehst du dem Junior-Chef den Kopf. Sag’ mal – wie hast du das gemacht? Bei den Überstunden während der Inventur letzten April? Ein kecker Augenaufschlag, ein Rock, der versehentlich hochrutscht, oder die Bluse, die nicht ganz zugeknöpft wurde?“

Bevor Valentina reagierten konnte, ergänzte Elli: „Und wo habt ihr es eigentlich getrieben? Im Kopierraum oder auf dem Schreibtisch? Oder hat er dich etwa mit nach Hause genommen?“

Die Angeklagte glaubte nicht, was sie da von den jungen Frauen hörte, mit denen sie seit knapp drei Jahren zusammenarbeitete. Sie starrte die anderen nur sprachlos an und versuchte, ihre Fassung zu wahren. Endlich fand sie ihre Sprache wieder, wenn auch mit recht zittriger Stimme: „Wie kommt ihr denn auf diesen absurden Gedanken, dass ich eine Affäre mit Herrn Peters hätte?“

„Wer redet denn von einer Affäre?“, fragte Margit gehässig. „Wir reden von unlauterem Wettbewerb – keiner Affäre!“

„Nenn’ es, wie du willst. Es ist und bleibt völliger Humbug. So etwas würde ich nie tun!“

„Erzähl’ das deiner Großmutter, du Flittchen“, schnaufte Elli, drehte sich um und ließ Valentina einfach stehen. Die anderen folgten ihr. Traurig und enttäuscht ließ sich die junge Frau auf einen der Stühle sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie merkte nicht einmal, wie sich die Tür der Kaffee-Küche erneut öffnete. Erst, als sich ihr eine Hand sanft auf ihre Schulter legte, schreckte sie hoch und wischte sich instinktiv eine Träne von der Wange.

„Alles in Ordnung, Frau Prinz?“

„Ja, ja… alles bestens“, antwortete sie schnell und erhob sich, um den Raum zu verlassen. Doch Bernhard hielt sie fest und zog sie zurück auf ihren Stuhl.

„Wollen Sie es mir nicht sagen?“

„Es ist nichts, wirklich. Ich muss zurück an die Arbeit.“

„Die kann warten!“

„Aber ich…“, begann Valentina unschlüssig.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Ich kläre das. Immerhin bin ich der Junior-Chef!“ Er zog ein Taschentuch aus seiner Anzugtasche und tupfte ihr damit sanft über die feuchten Augen. Genau in diesem Moment ging die Tür erneut auf und Margit blieb abrupt stehen, als sie die beiden bemerkte. Die Funken, die sie aus ihren Augen auf Valentina abzufeuern schien, waren nicht zu übersehen. Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen. Margit murmelte eine halbherzige Entschuldigung in Richtung des Chefs und verschwand.

„Na toll“, seufzte Valentina und stand erneut auf. „Jetzt glauben die mir eh kein Wort mehr. Entschuldigen Sie mich bitte.“

Bernhard blickte von seiner künftigen Sekretärin auf die Tür und wieder zurück. Dann schien ihm plötzlich ein Licht aufzugehen. Er sprang auf und war mit wenigen Schritten hinter der jungen Frau. „Warten Sie!“, bat er und drehte Valentina zu sich um. „Die anderen glauben, Sie hätten den Job nur bekommen, weil Sie…?“

Valentina senkte beschämt den Kopf. „…weil ich mich hochgeschlafen hätte, ja“, gab sie zu.

Bernhard schnaufte vor Wut. Als wenn er sich auf so etwas einlassen würde! Wenn er eine Frau wollte, nahm er sie sich – aber erpressen ließ er sich nicht! Sein Gesichtsausdruck machte der jungen Frau beinahe Angst. „Wie kommen die auf ein derartiges Hirngespinst?“, fragte er schließlich und versuchte, seine Wut nicht gegen Valentina zu richten.

„Ich weiß es nicht, Herr Peters. Ich hätte Ihnen das gar nicht erzählen dürfen. Es tut mir leid. Wenn es Ihnen lieber ist, eine der anderen für den Job zu nehmen… ich könnte es verstehen.“

„Wo denken Sie hin? Ich werde mich hüten, diese unsägliche Geschichte auch noch zu schüren, indem ich klein beigebe. Aber ich werde dafür sorgen, dass Sie in Zukunft in Ruhe gelassen werden. Gehen Sie zurück an Ihren Arbeitsplatz, packen Sie Ihre persönlichen Sachen zusammen und kommen Sie dann in mein Büro. Sie werden Ihren neuen Arbeitsplatz bereits heute Nachmittag antreten – nicht erst in zwei Wochen. Und mit den jungen Damen werde ich noch ein Hühnchen rupfen…“

„Nein, Herr Peters. Bitte nicht“, bat das Mädchen verzweifelt. Sie wollte den anderen nicht noch mehr Zündstoff geben, wenn der Junior-Chef sich für sie in die Bresche stürzte.

„Also gut. Weil Sie es sind“, lächelte Bernhard. „Dann gehen Sie jetzt. In einer halben Stunde erwarte ich Sie in meinem Büro.“

„Danke“, sagte Valentina und verschwand durch die Küchentür.

Während die Mitarbeiterin ihren Schreibtisch leer räumte, kam Corinna zu ihr und fragte verwundert: „Was machst du denn da?“

„Ich räume meinen Schreibtisch. Das siehst du doch.“ Aus den Augenwinkeln konnte Valentina erkennen, wie sich Corinna, Elli, Margit und Petra einen triumphierenden Blick zuwarfen. Vermutlich glaubten sie, Bernhard hätte die junge Frau fristlos entlassen und malten sich nun Chancen auf die begehrte Stelle aus. Valentina ließ sie in dem Glauben, nahm ihre Tasche und ging schließlich in Richtung Büro davon.

Pünktlich dreißig Minuten nachdem sie die Küche verlassen hatte, klopfte sie an das Büro von Herrn Peters Junior.

„Herein“, rief der Junior-Chef und ein wenig zögernd trat sie ein. In den folgenden Minuten zeigte Bernhard ihr ihren neuen Wirkungskreis, machte sie mit dem Ablagesystem bekannt und gab ihr anschließend Zeit, ihren Schreibtisch einzurichten. Etwas später trat er zu ihr: „Haben Sie alles, was Sie benötigen?“

„Ja. Danke, Herr Peters. Womit soll ich anfangen?“

„Heute mit gar nichts mehr. Machen Sie für heute Feierabend. Morgen früh um acht erwarte ich Sie dann hier. Ich hätte ein paar Briefe zu diktieren.“

„Danke, Herr Peters. Ich werde pünktlich sein.“ Sie reichte ihm die Hand, nahm ihre Jacke und Tasche von der Garderobe und verließ das Gebäude. Es dauerte keine zehn Minuten, bis es erneut an Bernhards Tür klopfte und nach einer entsprechenden Aufforderung Elli, Petra und Margit das Büro betraten.

„Gibt es irgendein Problem?“, fragte Herr Peters verwundert und bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu machen. Er konnte sich bereits denken, was die drei zu ihm führte.

Margit räusperte sich und sagte dann: „Entschuldigen Sie, Herr Peters. Wir wollten nur mal nachfragen, ob…“

Elli sprang ihr zu Hilfe: „Was Frau Sinner meint, jetzt, wo Frau Prinz nicht mehr da ist…“

Und Petra ergänzte: „Wir wollten fragen, ob Sie sich schon entschieden haben, wer Ihre neue Sekretärin werden soll.“

Bernhard stand auf und blickte auf die jungen Frauen herunter, die etwas kleiner waren als er. Er nickte freundlich und ließ sich nichts anmerken. „Sicher habe ich das.“

„Und?“, fragte Margit und auch die anderen beiden schienen an seinen Lippen zu hängen.

Er konnte die Erwartung und Aufregung beinahe körperlich spüren und es machte ihm innerlich einen Heiden-Spaß, die drei auf die Folter zu spannen. Er ging langsam zum Fenster, um die Spannung künstlich in die Höhe zu treiben, und blickte hinaus. Auch konnte er so sein amüsiertes Grinsen verbergen.

Erst, als er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte, drehte er sich zu den Auszubildenden um. „Wie ich bereits in der Besprechung sagte, wird Frau Prinz den Posten übernehmen. Haben Sie denn damals nicht zugehört?“

„Aber…“, fing Elli an und Margit ergänzte: „Aber Valentina… ähm… Frau Prinz ist doch…“

„…nach Hause gegangen, richtig“, ergänzte der Junior-Chef. „Ich habe ihr den Rest des Tages freigegeben, damit sie Kräfte sammeln kann für den morgigen Tag. Wir haben viel zu tun und ich möchte meine neue Sekretärin nicht bereits in den ersten Wochen verbrauchen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Wie gesagt, ich habe viel zu tun.“ Er deutete auf seine Bürotür. „Ach ja… und noch etwas: Ich wäre Ihnen allen sehr verbunden, wenn Sie Frau Prinz nicht durch irgendwelche haltlosen Behauptungen von ihrer Arbeit abhalten würden. Ansonsten könnte es sein, dass Ihnen Ihre Beurteilungen bei der Bewerbung um eine neue Stelle eher hinderlich sein könnten. Guten Tag!“

Seine letzten Worte machten deutlich, dass er von ihren Anschuldigungen wusste und dass er ihnen eine nett verpackte Drohung mit auf den Weg gab. Wie drei geprügelte Hunde verließen die jungen Frauen das Büro.

Valentina hatte nicht übertrieben – pünktlich war sie. Die neue Sekretärin war immer mindestens eine viertel Stunde vor Dienstantritt an Ort und Stelle und blieb oft auch länger, wenn es noch etwas zu erledigen gab. Sie wollte ihrem Chef beweisen, dass er die richtige Wahl getroffen hatte, als er ihr den Job anbot. Auch Bernhard und sein Vater waren durchaus zufrieden mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement. Sie erledigte zuverlässig alle Arbeiten, die sie ihr auftrugen und wenn sie etwas nicht sofort verstand, fragte sie nach, machte sich Notizen, um ja nichts zu vergessen, und entwickelte ein Gespür dafür, was ihr Chef als nächstes benötigte oder wünschte.

NEUE WEGE

Zwei Monate nach ihrer Ausbildung mietete Valentina erstmals eine eigene, kleine Wohnung in der Stadt und fühlte sich dort sehr wohl. Endlich konnte sie tun und lassen, was sie wollte, und niemand erinnerte sie ständig an die Einhaltung irgendwelcher Regeln.

Während der Arbeit verstanden sich Valentina und Bernhard Peters sehr gut. Der Junior-Chef war nicht nur von ihrer Arbeit sehr angetan, sondern auch von ihrer zurückhaltenden, freundlichen Art. Die junge Sekretärin versuchte nach wie vor, die notwendige, berufliche Distanz zu wahren, trotz seiner diskreten Annäherungsversuche. Es war schlimm genug, hin und wieder die Sticheleien mitzubekommen, die meist von Corinna geschürt wurden, zum Beispiel die dezenten Warnungen der Verwaltungsangestellten, man solle kräftig an der Bürotür anklopfen und kurz warten, bevor man eintrat, um den Junior-Chef und seine Sekretärin nicht bei einem Schäferstündchen zu überraschen. Dabei war Valentina noch immer Jungfrau und hatte auch keine Ambitionen, dies in den nächsten Monaten zu ändern. Und obwohl Bernhard einer Beziehung mit der hübschen, jungen Frau nicht abgeneigt gegenüberstand, war er zu gut erzogen, um einfach über sie herzufallen. Er hatte andere Möglichkeiten, seinen Bedürfnissen gerecht zu werden.

In dem Jahr nach ihrer Prüfung übergab Wolfgang Peters mehr und mehr Aufgaben vollständig an seinen Sohn. Entsprechend viel zu tun gab es dadurch auch für Valentina. Immer öfter bat er sie, ihn zu Geschäftsessen zu begleiten. Für die junge Frau war das Teil der Arbeit und hatte rein gar nichts mit einem privaten Treffen zu tun, auch wenn sie die Besuche in den schicken Restaurants natürlich genoss. Bernhard war schlau genug, seinen Einladungen immer einen beruflichen Rahmen zu geben, denn er wusste, dass sie einer privaten Einladung nicht zustimmen würde. Also verband er das Angenehme mit dem Nützlichen und achtete darauf, dass der berufliche Teil nur eine möglichst kurze Zeit in Anspruch nahm, um den Rest des Abends mit Valentina zu verbringen.

Die junge Frau entsprach genau seinen Vorstellungen – trotz ihrer Herkunft, von der sie ihm nach vielen gemeinsamen Stunden einmal erzählt hatte. Sie war bildhübsch, jung, naiv und ließ sich leicht von dem älteren Mann beeinflussen. Außerdem fiel sie durch ihre Zurückhaltung und ihr gutes Benehmen auf. Sie war immer freundlich und zuvorkommend und schien im Voraus zu ahnen, was ihr Chef gerade für Unterlagen benötigte.

Für Bernhard war sie die perfekte Kandidatin, um ihm einen Thronerben zu gebären – nur dass Valentina davon keine Ahnung hatte. Doch wenn sich der Mann etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab er auch nicht so schnell auf.

Als der Junior-Chef schließlich die Firma von seinem Vater übernahm und dieser seinen Wohnsitz auf eine hübsche Finca auf einer spanischen Insel verlegte, verbrachten die beiden noch mehr Zeit miteinander. Er lud sie zu Geschäftsreisen ein, die er unternehmen musste, und fing an, ihr Geschenke zu machen. Anfangs brachte er ihr nur immer mal wieder Blumen mit – um das Büro ein wenig aufzuhübschen, wie er sagte.

Später wurden die Geschenke dann persönlicher, wenn es sich auch erst einmal um Kleinigkeiten handelte. Schließlich hatten die Einladungen nicht mehr einen beruflichen Hintergrund, sondern wurden als Dankeschön für ihre gute Arbeit getarnt, bis er schließlich zugab, ihre Nähe zu genießen und keine Ausreden mehr benötigte.

Der junge Chef schien Valentina zu vergöttern, verwöhnte sie, wo er konnte – ohne zu intim zu werden – und eröffnete ihr eine Welt, die ihr bis dato völlig unbekannt gewesen war. Und eines Tages lud er sie dann schließlich in seine private Wohnung zu einem Abendessen ein. Valentina war sich im Klaren darüber, warum er das tat und was er sich von diesem Abend erhoffte, wusste jedoch nicht, ob sie schon bereit für diesen Schritt war. Doch inzwischen hatten seine Werbungsversuche auch bei ihr angeschlagen und obwohl sie wusste, dass ihre Karriere – sollte sie sich darauf einlassen – einem billigen Groschenroman glich, war sie nicht abgeneigt, sich auf den gutaussehenden Chef einzulassen.

Pünktlich um halb acht Uhr klingelt sie an der Tür zu seiner Maisonette-Wohnung. Sie trug ein hübsches, schwarzes Kleid, das ihre Figur sehr vorteilhaft betonte, wie Bernhard sofort bemerkte, als er ihr die Tür öffnete. Ihr Anblick raubte ihm beinahe den Atem. „Ich freue mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind, Frau Prinz. Willkommen in meinem kleinen Reich. Treten Sie doch ein. Das Essen ist gleich fertig.“ Er nahm ihr galant den Mantel und ihre Handtasche ab und hängte beides an die Garderobe, während Valentina sich neugierig umblickte. Das untere Stockwerk wurde von einer Wohnküche dominiert, die sich in alle Richtungen ausbreitete und durch große Fenster erhellt wurde. Die Küchenzeile mit Kochinsel wirkte sehr elegant, doch Valentina war sich nicht sicher, ob hier oft gekocht wurde.

Alles wirkte, als wenn es gerade erst neu gebaut worden wäre. Auf einem kleinen Esstisch hatte Bernhard liebevoll gedeckt. Eine einzelne, dunkelrote Rose stand auf dem Tisch – passend dazu zwei dunkelrote Kerzen und einige Rosenblätter, die auf dem Tischtuch verteilt lagen. Valentina konnte ihre Verlegenheit nicht ganz verbergen und überlegte, ob es sehr unhöflich wäre, wenn sie sich unter einem Vorwand wieder entschuldigen würde. Doch dann verwarf sie diesen Gedanken schnell wieder. So eine Chance schoss man nicht einfach so in den Wind. Sie war sich im Klaren darüber gewesen, wo dieser Abend unter Umständen hinführen könnte. Jetzt konnte sie nicht einfach so einen Rückzieher machen. Immerhin arbeitete sie mit diesem Mann und sie wollte ihn auf keinen Fall vor den Kopf stoßen.

Ihre nervöse Angst paarte sich mit der Vorfreude auf eine Nacht mit dem gutaussehenden Autohändler. Seit er die Einladung zu einem intimen Essen in seiner Wohnung ausgesprochen hatte, hatte sie sich immer wieder vorgestellt, wie es sein würde, mit einem Mann zusammen zu sein. Schon früher hatte sie mit Wonne jeden Liebesroman verschlungen, der ihr in die Finger gekommen war, und sie hatte ganz genaue Vorstellungen davon, was für ein Gefühl das sein musste.

Während Valentina noch versuchte, sich mit der Situation anzufreunden, trat Bernhard mit zwei Weingläsern auf sie zu. „Ein kleiner Willkommenstrunk gefällig?“ Er reichte ihr das Glas und nippte an seinem eigenen.

„Das ist sehr nett von Ihnen, Herr Peters. Danke.“ Sie nippte ebenfalls an dem Glas und machte dann eine ausschweifende Handbewegung, um ihre Nervosität zu überspielen. „Ein sehr schönes Zuhause haben Sie.“

„Danke. Ich bin auch sehr stolz darauf, die Wohnung ergattert zu haben. Es ist nicht leicht, ein solches Schmuckstück zu finden.“

„Das kann ich mir denken“, stimmte die junge Frau zu.

„Frau Prinz?“, fragte Bernhard nun und wirkte zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, richtiggehend verlegen. Er setzte das Glas erneut an und trank einen großen Schluck, während Valentina ihn erwartungsvoll anblickte. Ihre großen, grünen Augen zogen ihn magisch an und er musste sich zusammenreißen, um nicht einfach hier an Ort und Stelle über sie herzufallen. „Valentina… ich würde Ihnen gerne etwas gestehen. Sie sind eine bewundernswerte Frau und ich glaube, ich habe mich unsterblich in Sie verliebt.“

Valentina starrte ihn ungläubig an. Sie wusste, dass er ein Auge auf sie geworfen hatte, und sie war intelligent genug, um zu wissen, dass er eine Nacht mit ihr verbringen wollte… doch dieses Geständnis traf sie jetzt doch ein wenig unvorbereitet. „Ich… ich möchte nicht unhöflich sein, aber gehen Sie da nicht ein bisschen weit? Ich meine… Liebe… das ist ein furchtbar großes Wort und ich weiß nicht, ob…“ Weiter kam sie nicht, denn während sie noch sprach, hatte ihr Bernhard das Glas abgenommen, es zusammen mit seinem eigenen auf den Tisch abgestellt und zog sie nun in seine Arme. Bevor sie noch eine Chance hatte, sich zu wehren, verschloss er ihren Mund mit seinen Lippen und küsste sie. In Valentinas Innerem explodierte ein Feuerwerk der Gefühle. In ihrem Bauch kribbelte es, Hitze machte sich in ihrer Brust breit, ihre Knie wurden weich und ihr Kopf war zu keinem Gedanken mehr fähig. Bernhard spürte, wie sie sich fallen ließ und in seinem Kuss zu zerschmelzen schien.

So leicht hatte er sich das nicht vorgestellt. Vielleicht hätte er sie schon längst einmal küssen sollen. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, sie gleich hier zu nehmen, doch er fürchtete, sie damit zu überfordern. Daher begnügte er sich damit, zu wissen, dass sie seinem Charme nichts entgegenzusetzen hatte. Der Abend war noch lang und nach ihrer Reaktion zu urteilen, war sie ihm sicher.

Als er sich von ihr löste und sie ein wenig nach Luft schnappte, setzte er ein verlegenes Lächeln auf. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht überfallen, aber die Gefühle haben mich einfach übermannt. Bist du mir sehr böse?“

Valentina schüttelte lächelnd den Kopf und küsste ihn nun ihrerseits. Siegesgewiss schob er sie schließlich von sich weg und führte sie an den Tisch, wo er ihr noch einmal Wein einschenkte. Während des Essens strich er immer wieder sanft über ihren Arm oder ihre Hand und ein paar Mal spürte sie sein Knie an ihrem Innenschenkel, was ihren Unterleib erzittern ließ.

Nach dem Essen saßen sie noch eine ganze Weile am Tisch und tranken Wein. Valentina, die sonst nie mehr als ein Glas getrunken hatte, stieg der Alkohol ein wenig zu Kopf und nach dem zweiten Glas gebot sie Bernhard Einhalt: „Lieber nicht. Ich muss ja noch nach Hause kommen.“

„Warum bleibst du nicht einfach hier?“, fragte Bernhard, strich ihr eine Locke aus dem makellosen Gesicht und küsste sie erneut. Dann zog er sie auf die wackeligen Knie, nahm sie an die Hand und führte sie die Treppe hinauf. Valentina fand sich am Ende der Treppe in Bernhards Schlafzimmer wieder, doch sie hatte keine Zeit, sich über das große Doppelbett zu wundern, das ebenfalls mit Rosenblüten dekoriert war. Auch von dem riesigen Spiegel, der an der Decke angebracht war, bekam sie kaum etwas mit. Hier oben herrschte ein schummriges Licht, doch hell genug für Bernhard, um alle wichtigen Details zu erkennen, wenn sie ihre Hüllen fallen ließ. Er zog sie in die Arme und küsste sie erneut. Seine Finger öffneten den langen Reisverschluss ihres Kleides, das nur wenig später auf den Boden glitt. Überrascht stellte Bernhard fest, dass sie keinen BH trug. Ihre Brüste standen prall und fest, sodass sie gar keinen benötigte, und er konnte den Blick kaum von ihnen abwenden. Während er mit der einen Hand über ihre Rundungen strich, öffnete er mit der anderen sein Hemd und seine Hose.

Bevor Valentina noch wirklich begriffen hatte, was geschah, war es auch schon wieder vorbei. Der gesamte Geschlechtsakt hatte keine fünf Minuten gedauert. Bernhard hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck aufgesetzt nach seinem Orgasmus – wie immer, wenn er Sex mit einer Jungfrau gehabt hatte. Doch der Gesichtsausdruck verflog, als er die Enttäuschung auf dem Gesicht der jungen Frau bemerkte, die sogar Tränen in den Augen hatte. „Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“, fragte er verwundert, denn bisher hatte er noch nie eine Beschwerde von seinen Sexpartnerinnen bekommen.

„Nein, nein. Alles gut. Ich… ich würde nur gerne nach Hause gehen.“

„Aber du kannst doch nicht einfach so gehen! Was ist denn plötzlich los? Hat es dir nicht gefallen?“

„Doch, natürlich. Entschuldige bitte, aber mir geht es nicht so gut. Vielleicht habe ich den Wein nicht vertragen.“

„Bist du sicher, dass es nicht meine Schuld ist?“

„Ja, bin ich. Mach’ dir bitte keine Sorgen.“

„Na gut“, lenkte Bernhard schließlich ein. „Dann lass’ mich dir wenigstens ein Taxi bezahlen. Ich möchte nicht, dass du jetzt noch mit dem Bus fährst.“

Als Valentina eine halbe Stunde später in ihrem Bett lag, fing sie an zu weinen. In ihrem Unterleib zog es unangenehm; als Bernhard in sie eingedrungen war, hatte sie einen stechenden Schmerz gespürt und irgendwie hatte sie gar keine Gelegenheit gehabt, ein wirkliches Glücksgefühl zu erleben. Sie war sich auch sicher, dass sie keinen Orgasmus gehabt hatte. All die Bücher, die sie gelesen hatte, all die Erzählungen, die man so aufschnappte – sie alle hatten rein gar nichts mit diesem Erlebnis zu tun. Es war einfach nur ein beinahe emotionsloser Geschlechtsakt gewesen. Warum nur machten die Menschen immer so einen Wirbel darum? Wenn es das gewesen war, konnte sie gut und gerne darauf verzichten. Valentina hatte sich ihr Erstes Mal wirklich anders vorgestellt.

Irgendwann schlief sie dann ein und träumte davon, dass Bernhard neben ihr läge, sie zärtlich streichelte, küsste und ihren Körper derart in Erregung versetzte, dass sie es kaum noch erwarten konnte, ihn zu spüren. Ihr Traum-Liebesspiel dauerte die ganze Nacht, immer wieder erlebten sie gemeinsam ihren Höhepunkt und anschließend lag sie in seinen Armen, die sie weiterhin liebkosten.

Als Valentina erwachte, lächelte sie noch immer, doch dann wurde ihr wieder bewusst, dass dies nicht der Wirklichkeit entsprach.

Nachdem Valentina gegangen war, lag Bernhard in seinem Bett und dachte über den vergangenen Abend nach. Er konnte nicht glauben, dass Valentina so unglücklich ausgesehen hatte, nachdem er ihr die Jungfräulichkeit geraubt hatte. Er liebe es, Jungfrauen zu beglücken: dieses Gefühl, der erste zu sein, der sie sich nahm, die Unschuld, mit der sie an das Ganze herangingen, und die Macht, etwas zu tun, was kein anderer nach ihm würde tun können, lösten ein wahres Glücksgefühl in ihm aus. Ein Glücksgefühl so stark, dass es seine Lust in kürzester Zeit verebben lassen konnte, denn normalerweise reichten ein paar kurze Minuten keineswegs aus, um seinen Trieb zu befriedigen.

Bisher waren alle froh darüber gewesen, an einen derart erfahrenen Mann zu geraten und keine von ihnen hatte sich jemals über seine Qualitäten als Liebhaber beschwert.

Doch auch in diesem Punkt war Valentina anders als all die anderen – und das kratzte gewaltig an seinem Ego. Bisher hatte er sich immer etwas auf seine Männlichkeit und seine Standfestigkeit eingebildet und hätte Valentina sich nicht so früh verabschiedet, wäre sie auch in den Genuss dieser Fähigkeit gekommen. Bei dem Gedanken daran spürte er, wie er erneut eine Erektion bekam. Warum hatte er das Mädchen nur gehen lassen? In diesem Moment fasste er einen Entschluss: Er wollte dieses Mädchen – und zwar mit Haut und Haaren. Sie würde die Frau sein, die seinen Sohn gebären würde. Was danach geschah, war ihm eigentlich gleichgültig.

Als es langsam hell wurde, sprang er aus dem Bett, ging unter die Dusche und zog sich an. Mit einem Blumenstrauß, Kaviar und einer Flasche Champagner bewaffnet klingelte er schließlich an der Wohnungstür seiner Herz-Dame.

Diese öffnete ihm noch im Nachthemd, das halb von einem Morgenmantel verdeckt wurde. „Bernhard? Was machst du denn hier um diese Zeit? Waren wir verabredet?“

„Nicht direkt“, sagte der Mann, nahm sie in die Arme und küsste sie. „Aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten ohne dich. Ich habe doch genau gemerkt, dass du enttäuscht von mir warst. Das tut mir total leid. Und ich möchte es gerne wieder gutmachen. Bitte hilf mir dabei. Sag’ mir, was ich besser machen kann.“

Valentina nahm ihm die Blumen ab, die er ihr reichte, und schloss die Tür. Während sie den Strauß in eine Vase stellte, legte Bernhard seine Köstlichkeiten auf dem kleinen Esstisch ab. „Bernhard… es ist nicht so, dass du schlecht warst – ich habe ja keinen Vergleich, weil… weil ich vorher noch nie… mit einem Mann…“

„Ich weiß“, gab der Mann zurück. Als wenn er nicht sofort bemerkt hätte, dass sie noch nie mit einem Mann zusammen gewesen war. „Aber dennoch scheinst du dir etwas anderes erhofft zu haben.“

Valentina senkte verlegen den Kopf. „Um ehrlich zu sein… ja. Ich habe so viel darüber gelesen, aber in den Büchern war das irgendwie… anders.“

„Wie anders? Ich lese solche Schnulzen nicht. Du musst schon etwas deutlicher werden, wenn ich dich glücklich machen soll.“

„Na ja. Ich habe es mir irgendwie… intensiver vorgestellt… ausgiebiger. In den Geschichten gibt es immer ein gewisses Vorspiel. Du weißt schon...: Küsse, Berührungen, Liebkosungen, den Körper des Anderen erkunden, zärtliche Worte und so etwas. Und dann der Sex selbst. Ich habe immer geglaubt, dass die Frau auch etwas davon hat. Aber ich hatte gar nicht die Zeit, um wirklich einen Orgasmus zu bekommen.“

Bernhard blickte sie ein wenig verwundert an. Vorspiele waren ihm zuwider – sie hinderten ihn daran, seiner Lust schnellstmöglich nachzugeben. Aber wenn sie das haben wollte, sollte sie es bekommen. Zumindest bis er sie sicher hatte. Dann würde er ihr schon zeigen, was richtiger Sex war. Und was die Ausdauer anging würde er ihr schon heute beweisen, wie standhaft er sein konnte, wenn seine Partnerin ihre Jungfräulichkeit bereits eingebüßt hatte.

Er ging auf sie zu und nahm sie in die Arme. „Es tut mir leid, dass ich dich so enttäuscht habe, Valentina. Aber ich wollte dich auch nicht gleich überfordern bei deinem Ersten Mal. Bitte denke nicht schlecht von mir wegen der einen verpatzten Nacht. Bitte gib mir noch eine Chance. Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst. Ich liebe dich doch und ich werde dich auf Händen tragen, wenn du mich lässt. Du bist so wunderschön und ich kann nicht mehr ohne dich sein.“

Valentina lachte amüsiert. „Jetzt übertreibst du aber gewaltig, Bernhard. Wer bin ich denn schon? Ein Waisenkind ohne Geld oder Stammbaum mit einem ganz normalen Job. Warum ausgerechnet ich? Du könntest doch an jedem Finger was Besseres haben, wenn du wolltest.“

Bernhard dachte kurz daran, dass sie gar nicht so falsch lag mit ihrer Vermutung, doch das musste sie ja nicht wissen. Daher sagte er nur: „Weil ich dich liebe.“ Dann zog er sie in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich. Doch obwohl es sich in seine Hose schon wieder regte, hielt er sich zurück. Diesmal würde er es so machen, wie sie wollte, später würde er dennoch auf seine Kosten kommen. Jetzt begnügte er sich damit, ihren Morgenmantel zu öffnen und von den Schultern zu streifen. Fast eine halbe Stunde lang zwang er sich, sie lediglich zu liebkosen, ihre weiche Haut zu streicheln und mit ihren prallen Brüsten zu spielen.

Sie machte das Spiel mit, zog ihm das Hemd aus und ließ ihre Hände über seine Brust gleiten. Diese Berührungen machten ihn fast wahnsinnig und er fürchtete schon, dass seine Erektion seine Hose sprengen würde, als sie endlich seinen Reisverschluss aufschob. In ihren Händen entlud sich der erste Druck, doch er wäre nicht Bernhard Peters, wenn er danach nicht mehr in der Lage wäre, eine Frau zu beglücken. Und er gab sich wirklich große Mühe, Valentina seine Kunst vorzuführen. In den folgenden Stunden schaffte er es mehrfach, ihrem Körper einen Orgasmus zu entlocken.

Es war bereits Mittag, als sie sich schließlich anzogen und an den Köstlichkeiten labten, die Bernhard mitgebracht hatte. „Bist du jetzt zufrieden?“, fragte der Mann, als sie sich setzten.

Valentina nickte. „Ja, es war sehr schön.“ Das stimmte zwar nur bedingt, doch sie rechnete es ihm hoch an, dass er sich solche Mühe gegeben hatte. Ihr wäre es nur lieber gewesen, wenn er die Liebkosungen genauso genossen hätte, wie sie. Doch sie hatte genau gespürt, welche Überwindung es ihn gekostet hatte. Und trotz der gemeinsamen Höhepunkte hatte sie nicht das Gefühl des Schwebens gehabt. Aber vielleicht erwartete sie auch einfach zu viel – vielleicht kam dieses Gefühl erst mit der Zeit.

VERLOBUNG

In den folgenden Monaten akzeptierte Valentina die Tatsache, dass es eben so war, wie es war. Bernhard trug sie auf Händen. Er entführte sie in schicke Restaurants, schenkte ihr teuren Schmuck und bei Geschäftsreisen schliefen sie nun in einem Doppelzimmer.

Hin und wieder überraschte er sie auch mit teuren Kleidern oder exquisiten Dessous, die er ihr jedoch am liebsten direkt wieder auszog, wenn sie sie vorführte. Valentina kam sich vor wie in einem Märchen, da war es für sie nebensächlich, dass seine Bemühungen beim Vorspiel wieder nachließen oder dass ihr beim Sex keine Flügel wuchsen. Sie fand sich damit ab, dass Bücher oder Berichte wohl nicht ganz die Wahrheit erzählten und dass Sex eben einfach nur das war, wofür er ursprünglich diente: eine notwendige Tätigkeit für die Fortpflanzung eines männlichen und eines weiblichen Individuums einer Rasse. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Am schlimmsten fand sie jedoch Bernhards ständige Fragen nach dem Geschlechtsakt, wie er denn gewesen sei. Sie fing an, ihm vorzuschwindeln, wie toll er doch gewesen sei und wieviel Spaß sie bei der Sache gehabt hätte. Im Laufe der Zeit wurde sie eine richtig gute Schauspielerin.

Fünf Monate nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht lud Bernhard die junge Frau in das beste und teuerste Restaurant der Stadt ein. Zwischen Vorspeise und Hauptgang schob er ihr ein kleines Schächtelchen entgegen und öffnete es. „Valentina, ich liebe dich. Möchtest du mich heiraten?“

Seine Freundin starrte ihn sprachlos an. Meinte er das jetzt tatsächlich ernst? Immerhin waren sie noch nicht einmal ein halbes Jahr ein Paar. Ihr Blick fiel auf den Ring in der Schatulle und sie stellte fest, dass es sich tatsächlich um einen Verlobungsring handelte. Ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Bernhard konnte ihr ein sorgloses Leben bereiten. Er würde für sie und ihre künftigen Kinder gut sorgen können. Sie nickte ergriffen und ihre Lippen trafen sich zu einem langen Kuss, bevor er ihr den Ring an den Finger steckte.

Wie auf Wolken beendete sie das Essen. Anschließend fuhren sie gemeinsam in seine Wohnung, wo sie Hand in Hand die Treppe hinaufstiegen. „Valentina, ich möchte, dass du mir einen Sohn schenkst“, sagte Bernhard, als er ihr aus dem Kleid half.

„Du möchtest Kinder? Das freut mich. Aber bin ich nicht noch ein bisschen zu jung dafür, Mutter zu werden?“

„Du verstehst mich falsch, Valentina. Ich möchte einen Sohn haben, von mir aus auch mehrere. Und ich möchte ihn sofort.“

„Du weißt schon, dass eine Schwangerschaft neun Monate dauert“, grinste Valentina.

„Natürlich weiß ich das. Und genau deshalb möchte ich, dass du die Pille absetzt. Valentina, du weißt, dass ich dich liebe, und ich möchte dich gerne heiraten und uns ein schönes Haus suchen. Aber meine Frau zu werden, bedeutet auch, eine Verpflichtung einzugehen. Ich möchte, dass du dir darüber im Klaren bist. Ich werde dir ein sorgenfreies Leben versprechen. Ich werde gut für dich und das Kind sorgen – es wird meinem Sohn an nichts fehlen. Ich verlange von dir nur diese eine, kleine Sache. Wirst du sie mir gewähren?“

Valentina war sich nicht so ganz sicher, was sie von der Sache halten sollte. Eigentlich hätte sie das glücklichste Mädchen der Welt sein müssen – ihr Verlobter legte ihr alles zu Füßen, was sie sich erträumen konnte, und doch hatte sie tief in ihrem Inneren noch immer von den Schmetterlingen und der großen Liebe geträumt. Doch manchmal musste man Träume eben begraben, um sich ein schönes Leben machen zu können. Und was den Sohn anging – darauf hatte sie ja nun keinen Einfluss. Doch sie wollte ihren Mann glücklich machen und deshalb nickte sie langsam. Ja, sie würde die Pille absetzen und sie würden ein Kind bekommen. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie es mit ihrem Kind wohl werden würde. Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. Bernhard drehte sich um, nahm die Pillendose vom Nachttisch und warf sie in den Mülleimer im Badezimmer.

„Das macht mich sehr glücklich“, sagte er und schloss sie in seine Arme. Zusammen verbrachten sie die ganze Nacht und den folgenden Tag im Bett. Es schien Valentina, dass er alles daransetzte, dass sie sofort schwanger werden würde.

Diese Vermutung erhärtete sich immer mehr. Da sie erst zusammenziehen wollten, sobald Bernhard ein passendes Haus gefunden hatte, besuchte er sie fast täglich nach der Arbeit in ihrer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung oder lud sie ein, bei ihm zu übernachten. Jede Nacht schlief er mit ihr und war sichtlich enttäuscht, als sie zwei Wochen später ihre Tage bekam.

Es dauerte drei Monate, bis es endlich funktionierte. Sie hatte die letzte Nacht allein verbracht, weil Bernhard noch einen wichtigen Geschäftstermin in den Abendstunden gehabt hatte, und machte direkt nach dem Aufstehen einen Schwangerschaftstest, von denen sie immer welche auf Vorrat zu Hause hatte. Mit einem Strahlen im Gesicht und stolz geschwollener Brust betrat sie wenig später sein Büro. „Ich habe eine Überraschung für dich, Bernhard“, lächelte sie und gab ihm zur Begrüßung einen zärtlichen Kuss.

Der Chef hatte seine Gedanken noch bei dem Angebot des vergangenen Abends und blickte irritiert auf das Leuchten in ihren Augen. Wortlos legte sie ihm den Test auf den Schreibtisch und plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck. Er sprang auf und nahm Valentina in die Arme. „Du glaubst gar nicht, wie glücklich du mich damit machst. Ich hatte schon befürchtet, dass mit dir etwas nicht stimmt, und wollte schon einen Termin beim Frauenarzt machen, damit er dich mal richtig durchcheckt. Aber so ist es mir natürlich viel lieber.“

Innerhalb von wenigen Stunden hatte die gesamte Firma Kenntnis darüber, dass er in neun Monaten Vater eines strammen Jungen sein würde, dabei war Valentina noch nicht einmal beim Arzt gewesen und versuchte vergeblich, ihm zu erklären, dass es besser wäre, die Schwangerschaft geheim zu halten, bevor etwas passierte und er es bereits allen gesagt hätte. „Papperlapapp!“, schnaufte Bernhard. „Was soll denn schief gehen? Du bist jung, gesund und ich werde dafür sorgen, dass du die beste, medizinische Betreuung erhältst.“

Bernhard hielt Wort und brachte sie noch am selben Tag zu einem bekannten Gynäkologen, der sie untersuchen sollte. Über das Internet besorgte er Schwangerschaft-Vitamine und er verstärkte sogar seine Suche nach einem passenden Haus. Wenn sein Sohn das Licht der Welt erblicken würde, sollte alles bereit sein.

Wenn er bei ihr war, verwöhnte er Valentina nach Kräften, machte ihr Geschenke und strich ihr liebevoll über den noch nicht vorhandenen Bauch.

In der zehnten Schwangerschaftswoche passierte es dann. Valentina bekam Blutungen und wurde in die Klinik eingeliefert. Als die Ärzte Bernhard eröffneten, dass sie das Kind verloren hatte, war er davon überzeugt, dass es ihre Schuld gewesen war. „Was hast du gemacht, Valentina? Hast du die Vitamine nicht regelmäßig genommen?“

„Doch, natürlich Bernhard. Aber ich habe dich ja gewarnt, dass das passieren kann. Hättest du das Buch gelesen, dass ich dir gekauft habe, wüsstest du, dass viele Schwangerschaften in den ersten drei Monaten in einer Fehlgeburt enden.“

„Das mag ja für andere zutreffen, aber nicht für meinen Sohn. Weißt du eigentlich, dass du mich vor allen bloßgestellt hast? Was sollen die jetzt von mir denken? Das werde ich dir nie verzeihen!“ Damit rauschte er aus dem Krankenzimmer.

Valentina verstand die Welt nicht mehr. Die Ärzte hatten sie darin bestätigt, dass sie keinerlei Schuld an dem Abgang der Frucht traf und dass dies ein völlig natürlicher Ausgliederungsprozess sei, wenn mit dem Embryo zum Beispiel etwas nicht stimmte. Dennoch war es auch für die junge Frau schwer zu verstehen, warum ausgerechnet sie eine Fehlgeburt haben musste. Es hatte Bernhard so viel bedeutet, ein Kind zu bekommen.

Sie wünschte sich so sehr, dass Bernhard sie in die Arme nehmen und sie trösten würde, denn auch für Valentina war es ein Schock, dieses Kind zu verlieren. Doch Bernhard zog es vor, zwei Wochen lang kein einziges Wort mehr mit ihr zu reden – nicht einmal auf der Arbeit, als sie einige Tage später wieder im Büro erschien. Ihre Anweisungen bekam sie auf kleinen Zetteln oder er klatschte ihr ein Diktiergerät auf den Tisch, auf dem Briefe zum Abtippen gespeichert waren.

Abends saß Valentina in ihrem kleinen Appartement und grübelte. Sie war traurig, dass sie Bernhard derart enttäuscht hatte, dass er nicht einmal mehr mit ihr sprechen wollte. Und natürlich war sie auch traurig darüber, ihr Kind verloren zu haben. Sie hatte sich in den letzten Wochen derart an den Gedanken gewöhnt, dass ein kleiner Bernhard in ihrem Bauch heranwuchs, dass sie nun ein gewisses Gefühl der Leere verspürte, wenn sie gedankenverloren über ihren Bauch strich.

An einem dieser Abende klingelte es plötzlich an der Tür. Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und öffnete. Ein riesiger Blumenstrauß verdeckte den Blick auf den Überbringer, doch als dieser den Strauß ein wenig senkte, erkannte Valentina ihren Verlobten und strahlte. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Valentina. Ich war so enttäuscht, dass du das Kind verloren hast. Aber ich habe mich bescheuert verhalten. Ich vermisse dich und ich möchte, dass du zu mir ziehst. Gemeinsam bekommen wir das hin.“

Valentina nahm ihm den Blumenstrauß ab und trat einen Schritt zur Seite. „Möchtest du nicht vielleicht erst einmal reinkommen?“

„Natürlich, mein Schatz. Alles, was du willst. Solange du mir verzeihst.“

„Natürlich verzeihe ich dir. Ich stand doch genauso unter Schock, wie du. Da sagt man schon einmal Dinge, die einem hinterher leidtun.“

„Und du ziehst wirklich zu mir?“ Valentina nickte. „Toll. Du wirst sehen, wenn du erst einmal jede Nacht bei mir bist, werden wir das Vergangene ganz schnell vergessen. Und in Null Komme Nix wirst du mir meinen Wunsch erfüllen können.“

Die junge Frau nickte erneut. Auch sie wünschte sich nichts sehnlicher als ein gemeinsames Kind, das ihre Liebe besiegeln würde. Glücklich warf sie sich in seine Arme.

Bernhard kümmerte sich bereits am folgenden Tag um ein Umzugsunternehmen, das Valentinas Sachen einpacken und in seine Maisonette-Wohnung bringen sollte. Bereits wenige Tage später hatte Valentina sich bei ihm eingerichtet. Er verwöhnte sie mit aufreizenden Dessous, teurem Schmuck und Besuchen in der Oper oder im Theater. Jede Nacht schlief er mit ihr, manchmal sogar mehrfach und schien gar nicht genug von ihr zu bekommen.

Fast war Valentina froh, als sie schließlich wieder schwanger wurde und er ihr aufgrund dessen ein wenig Erholung gönnte. Doch auch dieses Kind sollte nie geboren werden.

Valentina fing an, sich ernsthaft Sorgen zu machen, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie ging zu einem Frauenarzt und ließ sich komplett durchchecken.

„Ich kann Sie beruhigen, Frau Prinz. Mit Ihnen ist alles in bester Ordnung. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Sie bereits die zweite Fehlgeburt erlitten haben. Nur zwei von drei Schwangerschaften werden bis zum Ende ausgetragen und mit Sicherheit wird es das nächste Mal klappen. Wichtig ist jedoch, dass Sie und ihr Mann sich nicht unter Stress setzen – das steigert das Risiko einer Fehlgeburt nur zusätzlich. Sie sollten es einfach auf sich zukommen und der Natur ihren Lauf lassen.“

Valentina kam mit gemischten Gefühlen nach dem Arztbesuch nach Hause. Einerseits war ihr das Herz ein wenig leichter – nun, da sie wusste, dass sie durchaus in der Lage war, Kinder zu bekommen. Doch wie sollte sie Bernhard davon überzeugen, es langsam angehen zu lassen? Entsprechend wütend wurde ihr Verlobter, als sie ihm vom dem Arztbesuch berichtete. „Es ist mir verdammt nochmal egal, was irgend so ein Quacksalber von sich gibt, Valentina. Wenn du mein Kind verlierst, ist das ganz allein deine Schuld. Du musst dich eben etwas mehr zusammenreißen und alles für das Kind tun. Dann wird das auch funktionieren. Alles, was ich dazu beitragen kann ist, so oft es geht mit dir zu schlafen. Danach ist mein Teil erledigt. Dann liegt es ganz allein bei dir.“

„Aber was ist, wenn es gar nicht an mir liegt, sondern an dir?“, fragte Valentina vorsichtig.

„Zweifelst du etwa an meiner Manneskraft? Habe ich dir nicht oft genug bewiesen, dass diese Vermutung lächerlich ist? Warst du nicht bereits zweimal von mir schwanger?“

„Doch, natürlich. Aber vielleicht wäre es dennoch sinnvoll, dich mal untersuchen zu lassen. Vielleicht gibt es ja etwas, was du tun kannst, um die Chance einer Fehlgeburt zu minimieren.“

Bernhard schnaufte. „Dass ich nicht lache. Du wirst mich nicht als Schlappschwanz abstempeln, Valentina. Mit mir ist alles in bester Ordnung und eine Untersuchung wäre nur verschwendete Zeit und rausgeschmissenes Geld. Komm mit, dann wirst du schon sehen, was ich zu leisten vermag.“ Damit zog er Valentina mit sich ins Schlafzimmer und Bernhard fuhr in dieser Nacht zu Höchstleistungen auf. Valentina hatte das Gefühl, er hätte in dieser Nacht eine Damen-Fußballmannschaft schwängern können, so oft schlief er mit ihr und ließ erst in den frühen Morgenstunden von ihr ab. Sie war beinahe erleichtert, als er schließlich aufstand und unter der Dusche verschwand. Ihr Körper schmerzte und sie war sich nicht sicher, ob sie so eine Nacht noch einmal erleben wollte.

Doch sie ertrug die Launen ihres Verlobten weiterhin, wenn ihm danach war, und hoffte sehnsüchtig, dass seine Bemühungen endlich Früchte tragen würden. Dennoch dauerte es über ein halbes Jahr, bis der Test endlich wieder positiv war. Diesmal behielten die beiden die Schwangerschaft für sich und Bernhard achtete darauf, dass sie keine Überstunden machte und sich regelmäßig ausruhte und ihre Medikamente nahm.

Diesmal lief alles normal und die Schwangerschaft erreichte ohne Komplikationen die zwölfte Woche. Valentina viel ein Stein vom Herzen, als diese Hürde erst einmal genommen war und fragte immer wieder, wann sie denn endlich heiraten würden. Doch Bernhard hatte immer wieder eine andere Ausrede parat, warum es gerade nicht ging.

Ende des vierten Monats kam Valentina mit der Nachricht nach Hause, auf die Bernhard so lange gewartet hatte. „Bernhard, schau mal, was ich dir mitgebracht habe.“ Sie reichte ihm freudestrahlend ein Ultraschallbild und deutete auf ein kleines, aber wichtiges Detail, das deutlich zu erkennen war. „Du bekommst einen Sohn! Hast du dir das nicht immer gewünscht?“

„Ehrlich jetzt?“ Bernhard hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben und schloss sie glücklich in die Arme. „Das muss ich sofort meinem Vater erzählen.“