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»Das neue Standardwerk zum Vermögensschutz!« Wenn Sie Ihr Vermögen wirklich umfassend schützen wollen, müssen Sie gewohnte Fahrwasser verlassen. Denn beim Thema Vermögensschutz geht es nicht nur um das Erkennen von Gefahren, etwa solchen aus der Finanzwelt, der Weltpolitik oder aus dem persönlichen Umfeld, dem Unternehmen oder aber solchen, die mit dem eigenen Gesundheitszustand oder dem eigenen überraschenden Ableben zu tun haben. Es geht auch um das Verlagern von Vermögenswerten, um diese vor Forderungen von Gläubigern oder Personen aus dem familiären oder geschäftlichen und gesellschaftlichen Umfeld zu schützen. Schließlich gehört auch das Thema der steueroptimierten Vermögensstrukturierung zu einem optimalen Vermögensschutz. Die profilierten Experten Hans-Lothar Merten und Dr. Markus Schuhmann zeigen Ihnen, welche Instrumente es zum Vermögensschutz national und international gibt und wie sich diese bei gleichzeitiger Risikominimierung einsetzen lassen. Dabei werden die aktuellen Entwicklungen auf den Finanz- und Kapitalmärkten ebenso berücksichtigt, wie die Veränderungen im politisch-wirtschaftlichen Umfeld und die rechtlichen Voraussetzungen im In- und Ausland. Sie lernen nicht nur, wie Sie Gefahren für Ihr Vermögen im In- und Ausland erkennen, sondern bekommen auch alle wichtigen Instrumente an die Hand, um Ihre Vermögenswerte gegen Risiken, Forderungen und Verluste zu schützen.
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Seitenzahl: 312
Veröffentlichungsjahr: 2016
Null Wachstum. Null Inflation. Null Zins – Vermögen sind heute nicht nur diesen Risiken ausgesetzt. Das Spektrum reicht von zunehmender staatlicher Repression, systemischen Risiken im Finanzsystem, einer verschärften geopolitischen Gefahrenlage bis hin zu neuen Formen der Cyberkriminalität. Vor diesem Hintergrund ist bei allen Überlegungen zum Vermögensschutz nicht nur ein monetäres, sondern ein umfassendes Vermögens- und Risikoverständnis notwendig. Außerdem muss man verstehen, welche Faktoren den Aufbau von Vermögen begünstigen und welche seinen Bestand gefährden können.
Der Besitz von Vermögen ist in der Regel das Ergebnis eines erfolgreichen Lebenswerks. Den Vermögensbestand gegen Forderungen, Risiken und Verluste zu sichern und selbstbestimmt aus der Hand zu geben, muss beim Vermögensinhaber oberste Maxime sein. Das heißt auch, in Generationen zu denken. Denn eine generationsübergreifende Nachfolgeplanung (»Estate Planning«) ist wesentlicher Bestandteil eines nachhaltigen Vermögensschutzes. Ein Vermögensschutz, der nur den Vermögenserhalt zu Lebzeiten des Vermögensinhabers zum Ziel hat und für das Ableben keine Lösungen bietet, kann nicht in seinem Sinne sein.
Im Mittelpunkt jeder Vermögensschutzstrategie steht die Sicherung der finanziellen Werte. Dabei hat sich die Risikoeinstellung von Vermögenden in den letzten Jahren verschoben. Stand früher die Renditemaximierung im Vordergrund, geht es heute verstärkt um einen nachhaltig realen Vermögenserhalt. Die systemischen Risiken, etwa durch staatliche Überschuldung, expansive Notenbankpolitik, schwache Demografie (Europa), politische Krisen oder Kapitalverkehrskontrollen (Zypern), sind größer geworden. Historisch niedrige Zinsen, dauerhaft schwächere Wachstumsraten und erhöhte Volatilität an den Aktienmärkten sind Merkmale einer neuen »Normalität«. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Renditen in den kommenden Jahren deutlich steigen werden. Vermögende müssen davon ausgehen, dass die Notenbanken die Zinsen noch lange künstlich niedrig halten, da sich die hoch verschuldeten Staatshaushalte anders dauerhaft nicht finanzieren lassen.
Eine neue Art der Vermögensbedrohung bringt das Internet. Im virtuellen Datenverkehr hinterlässt jeder Spuren. Schon einfache Suchmaschinen-Abfragen liefern auch potenziellen Entführern und Erpressern schnell wichtige Anhaltspunkte. Zum erweiterten Sicherheitskonzept für vermögende Familien gehören deshalb auch Präventivmaßnahmen, etwa beim Umgang mit sozialen Netzwerken. Diskretion und Vorsicht sind hier im besonderen Maße geboten.
Optimaler Vermögensschutz ist kein Produkt »von der Stange«. Jedes Vermögen erfordert seine maßgeschneiderte Lösung. Das gilt auch beim Schutz privater Vermögen vor Risiken aus unternehmerischer Tätigkeit. Gläubiger akzeptieren Haftungsaussonderungen auf Rechtsträger, Angehörige, Vermögensverwaltungsgesellschaften oder Stiftungen häufig nicht. Doch die Strategien, Vermögenswerte zu schützen, sind – wie nachfolgende Ausführungen zeigen – nicht auf diese Möglichkeiten beschränkt, sie sind facettenreich und auch mit erschwinglichen Mitteln umzusetzen. Der Einsatz kostenintensiver, gegebenenfalls auch ausländischer Strukturen und Rechtsinstitute ist zum Vermögensschutz im Einzelfall möglich, aber nicht zwingend nötig. Unabhängig davon, dass Vermögensschutz über Offshore-Konstruktionen in den letzten Jahren aufgrund veränderter steuerrechtlicher Bedingungen, eines verstärkten internationalen Informationsaustausches und weitreichender grenzüberschreitender Kontrollmaßnahmen heute nur noch legal möglich ist.
Dabei sollte der Aspekt, dass internationale Gestaltungen zwar legal sind, aber zunehmend als »grenzüberschreitende Grauzonen« verschrien und als aggressive Vermögensplanung angeprangert werden, nicht unterschätzt werden. Die Enthüllungen rund um die Offshore-Leaks à la Panama Papers oder Luxemburg-Leaks bestätigen das. Vermeintlicher »Enthüllungsjournalismus« kann rasch in Denunziation umschlagen und das persönliche Ansehen der Betroffenen beschädigen. Während dabei gegen das Sozialvermögen Front gemacht wird, liegen Vermögenswerte schnell wie ein verborgener Schatz auf einer einsamen Offshore-Insel.
Nichtsdestotrotz bietet sich der Standort Schweiznach wie vor für Maßnahmen innerhalb eines Vermögensschutzkonzeptes als rechtlicher Schutzwall innerhalb Europas an. Unser Nachbar ist unverändert eines der sichersten Länder weltweit, etwa für die Aufbewahrung physischer Vermögenswerte wie Gold oder Kunst.
So vielfältig Vermögen sein kann, so vielfältig können auch dessen wirtschaftliche, rechtliche, soziale oder politische Bedrohungen für Bestand und Erhalt sein. Das sind Bedrohungen, die nie isoliert oder vereinzelt verortet, sondern als interdisziplinäre Gemengelage verstanden werden müssen. Auch setzt der Faktor Zeit bei der Risikobeurteilung und dem damit verbundenen Wunsch nach Risikominimierung regelmäßig Schranken. Vermögensschutzplanungen sollten daher frühzeitig angegangen werden, um Chancen und Gestaltungen bestmöglich umsetzen zu können.
Trotz zunehmender globaler Risiken und unsicherer Entwicklungen auf den Finanzmärkten besteht kein Anlass zu hektischem oder vorschnellem Handeln. Es ist jedoch sinnvoll, sich als Vermögender mit Worst-Case-Szenarien auseinanderzusetzen, um durch eine vorausschauende Implementierung entsprechender Maßnahmen jederzeit handlungsfähig zu bleiben. Je seriöser dabei die entsprechenden Maßnahmen sind, desto sicherer und nachhaltiger ist auch der Schutz des Vermögens. Dabei kann ein nachhaltiger Vermögensschutz nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen umgesetzt werden.
Dazu gehört auch, die eigene Steuerlast so gering wie möglich zu halten. Denn das Verhältnis des Bürgers zum Steuerstaat ist ein zentraler Bereich des Vermögensschutzes. Selbst nach dem Tod haftet der Staat mit der Erbschaftsteuer am Vermögen seiner Steuerbürger. Steuerminimierende Gesetzesbefolgung ist keine Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung, sie ist Teil des Vermögensschutzes. Nicht der Steuerbürger schafft verfassungswidrige Gesetze oder erfindet Gesetzeslücken. Es ist der Staat selbst. Wer die Möglichkeit, Steuern zu sparen, anprangert, sollte den vermeintlichen Fehler also nicht beim Steuersparer, sondern beim Steuergesetzgeber suchen.
Die nachfolgenden Ausführungen zeigen sowohl auf der Anlage- als auch auf der rechtlichen, erbrechtlichen und steuerlichen Seite Wege auf, wie sich Vermögenswerte im In- und Ausland in allen Lebensphasen und generationsübergreifend schützen lassen. »Vorsicht vor Nachsicht« sollte bei allen Überlegungen zum Vermögensschutz das Motto sein. Insofern ist Prävention das Gebot der Stunde.
München, September 2016
Die Zahl und Höhe privater Vermögen hat sich über die vergangenen Jahrzehnte weltweit stark erhöht. Das weltweite Bruttogeldvermögen stieg von 65,4 Billionen Euro im Jahr 2000 auf 135,7 Billionen Euro Anfang 2015. Allein 2014 nahm es um 7,1 Prozent zu. Erstmals gehören mehr als 1 Milliarde Menschen zur Vermögensmittelklasse. Und die Vermögen werden weiter wachsen. Die verantwortungsbewusste Verwaltung dieser teilweise über Jahrhunderte gewachsenen Vermögen erweist sich als zunehmend komplexer und anspruchsvoller.
Abbildung 01: Nettogeldvermögen privater Haushalte in Milliarden Euro, Quelle: IMF, WFE, Allianz SE
Abbildung 02: Anlageklassen in Prozent des Bruttogeldvermögens, Quelle: Allianz SE
Für Zwecke des Vermögenswachstums bedienen sich Vermögensinhaber einer Vielzahl von Dienstleistern, vor allem Finanz-, Rechts-, Steuer- und Investmentexperten. Die Zusammenarbeit vieler Berater bündelt isoliertes Expertenwissen. Denn nur bei ganzheitlicher Betrachtung des Vermögens im Hinblick auf den Vermögenserhalt lässt sich ein effizienter Vermögensschutz gewährleisten. In Zeiten, in denen die Renditen gedrosselt sind und Nullrunden drohen, gewinnt der Schutz des bereits geschaffenen Vermögens zunehmend an Bedeutung. Im Lichte dessen wird die herkömmliche Vermögensverwaltung ihren Kurs ändern. Vermögen kann nicht einfach vor Anker liegen bleiben, sondern muss gewohnte Fahrwasser verlassen. Ein Umdenken und eine gesamtheitliche Betrachtung des betroffenen Vermögens ist unumgänglich.
Vermögensschutz installiert sich nicht von selbst. Er ist immer das Ergebnis einer rechtlichen Gestaltung, die die Folge eines menschlichen Bedürfnisses ist. Hierbei handelt es sich um das Grundbedürfnis nach Sicherheit. Das Sicherheitsbedürfnis ist im Menschen tief verankert. Sein Ursprung kann aus der Entwicklungsgeschichte des Menschen erklärt werden. In einer Zeit weit vor unserem zivilisierten Leben waren die natürlichen Gefahren so mannigfaltig, dass der Mensch nur überleben konnte, wenn er ständig auf der Hut war. Sicherheit bedeutete (Über-)Leben. Mittlerweile hat sich die menschliche Zivilisation weiterentwickelt. Mit dieser Entwicklung entstanden neue, andere Gefahren. Die täglichen Existenzbedrohungen kommen nicht mehr ausschließlich aus der Natur. Was dem Menschen bleibt, ist sein Sicherheitsinstinkt, der tief in ihm verankert ist.
Besonders die westliche Welt neigt dazu, sich gegen alle mögliche Gefahren absichern zu wollen:
• Es werden Versicherungen abgeschlossen, um Risiken eines Einzelnen durch finanzielle Beiträge von vielen zu tragen; • PKWs erhalten diverse Sicherheitssysteme; • Lebensmittel werden mit Haltbarkeitsdaten versehen und vieles mehr.Während der »Urmensch« seinerzeit die Gefahren relativ stringent der Natur zuordnen konnte, muss der Mensch von heute breiter forschen. Ausgangpunkt dieser Analyse ist dabei der Mensch selbst. Im Rahmen einer kritischen Selbstanalyse müssen Risiken und Erwartungen eines jeden Einzelnen bedacht werden. Hierzu gehört es auch, seine Familie, Freunde, sein komplettes »Lebensumfeld« unter die Lupe zu nehmen. Das kann anstrengend und unangenehm sein, ist aber – wie sich noch zeigen wird – zwingend notwendig.
Der Mensch macht es sich selbst nicht leicht. Die persönliche Wahrnehmung wird gehemmt durch das menschliche Phänomen der Verdrängung. Zwar kann sich der Mensch Verdrängung leisten, weil die meisten Gefahren nicht mehr unmittelbar das (Über-)Leben betreffen. Außerdem handelt es sich bei dem psychologischen Phänomen der Verdrängung um einen Abwehrmechanismus. Dieser kann aber dazu führen, dass Risiken ausgeblendet werden, bis eine unerwünschte Gefahr tatsächlich eintritt. Hier kann ein Berater, der nicht aus dem Vermögen, sondern auf das Vermögen und sein Umfeld schaut, abhelfen.
Was bedeutet das?
Die erste Hürde, die der Mensch nehmen muss, um sein Sicherungsbedürfnis Vermögensschutz befriedigen zu können, ist er selbst. Der Mensch selbst ist Schlüssel und Garant für eine erfolgreiche Vermögensschutzplanung.
In der Vergangenheit konzentrierte sich die Vermögensplanung und Vermögensstrukturierung auf Renditeerzielung. Seitdem die Zeiten für private und unternehmerische Vermögen stürmischer geworden ist, steigt das Bewusstsein für einen nachhaltigen umfassenderen Vermögensschutz. Der reale Vermögenserhalt durch Vermögensschutz gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die tradierten Vermögensschutzkonzepte (»Asset Protection«) fokussieren sich auf den bloßen Schutz »des Vermögens« vor dem Zugriff von Gläubigern – wie etwa Geschäftspartnern, Pflichtteilsberechtigten oder dem Finanzamt. Mit »Vermögen« war bislang vor allem das finanzielle Vermögen gemeint. Die meist beworbene Standardformel einer Vermögensschutzplanung lautet daher: »Ohne Eigentum kein Zugriff.«
Wenn man ehrlich ist, muss diese Aussage um einige weitere Aspekte ergänzt werden, denn die Formel ist grundsätzlich mit dem Verlust der Handlungsmacht über den Vermögensgegenstand verbunden. Das ist nicht in allen Fällen erwünscht. Über die wahre Motivlage vieler Gestaltungen lässt sich an dieser Stelle nur spekulieren. Diese Art der Vermögensverlagerung könnte als Vermögensschutz 1.0 beschrieben werden. Doch auf ein solches Vermögensverständnis und eine darauf basierende Strategie lässt sich Vermögen, insbesondere Familienvermögen, nicht reduzieren. Das Programm »Vermögensschutz 1.0« bedarf einer Aktualisierung.
Der »Vermögensschutz 2.0« ist auf den Plan gerufen. Dabei müssen der Begriff Vermögen, die Gefahren, die Ziele und die Schutzmechanismen neu bedacht werden. Denn das Leben bringt viele Gefahren für das Vermögen mit sich. Es geht um weit mehr als nur die Verlagerung von Haftungssummen zum Zwecke des Schutzes vor Gläubigern.
Vorab nur ein kurzes Beispiel: Bis 2020 übergibt die Generation »Wirtschaftswunder« jedes Jahr Vermögen in Höhe von 200 bis 300 Milliarden Euro in Form von Erbschaften und Schenkungen. Der Generationenwechsel ist hierbei die Achillesferse von Vermögen, insbesondere der Familienvermögen. Dieser Prozess erfordert gewaltige psychologische, steuerliche und rechtliche Anstrengungen. Dabei geht es nicht nur um das Endprodukt, sondern auch um den Weg zum geschützten Vermögen sowie um präventive Methoden der Gefahrvermeidung. Für den Vermögensschutz ist es nicht von Bedeutung, ob das Vermögen selbst geschaffen wurde oder als Familienvermögen in der Nachfolge fortgeführt wird. Im Zentrum steht immer der Vermögensinhaber und dessen nachhaltiger Umgang mit seinem Vermögen als eigener Leistung.
Das Thema Verantwortung sollte im Rahmen der Vermögensschutzplanung nicht vernachlässigt werden. Die deutsche Verfassung schützt in Art. 14 Grundgesetz (GG) die Freiheit des Einzelnen, mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren zu können – im Rahmen der Gesetze versteht sich. Der gewährleisteten Freiheit steht jedoch auch eine Pflicht gegenüber. Im zweiten Absatz von Art. 14 des Grundgesetzes heißt es kurz und knapp: »Eigentum verpflichtet.« Mit der Zuschreibung von Pflichten ist die Übernahme von Verantwortung verbunden. Das heißt, mit Vermögen ist Verantwortung zu übernehmen. In dieser Aussage verbirgt sich kein tiefrot-sozialistischer Gedanke. Sie soll auch nicht als Einladung zur Umverteilung des privaten Vermögens zum Gemeinwohl verstanden werden. Die Aussage soll vielmehr die Vermögensinhaber ansprechen. Denn vermögende Personen nehmen innerhalb der Familie und der Gesellschaft häufig Führungsrollen ein. Diese erlauben es ihnen, Unternehmertum und Philanthropie zu fördern. Es geht um den bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Vermögen als eigene Aufgabe.
Bereits hier wird klar, dass es nicht (mehr) möglich ist, sich auf seinem Vermögen »auszuruhen«. Vermögen aufzubauen, ist harte Arbeit. Ist dies gelungen, ermöglicht Vermögen viel. Vermögen zu erhalten, ist ebenfalls harte Arbeit. Insoweit ist Vermögen »Segen und Fluch« zugleich.
Wenn man Überlegungen zum Schutz von Vermögenswerten anstellt, muss man sich zunächst klarmachen, ob und wenn ja, welches Vermögen schützenswert ist.
Grundsätzlich gilt: Jedes Vermögen hat Schutz verdient! Denn jedes Vermögen ist Teil eines Lebenswerks, das es wert ist, fortgeführt zu werden. Und jeder Mensch besitzt Vermögen, auch wenn es sich oft objektiv unterscheidet. Denn Vermögen ist subjektiv zu definieren:
Vermögen ist das, was einem »lieb und teuer« ist. Das ist mehr als nur Reichtum, Besitz und Wohlstand. Vermögen darf also nicht auf das Finanzvermögen reduziert werden. Genauer betrachtet besteht »Vermögen« aus folgenden drei Vermögensarten:
• Finanzvermögen• Humanvermögen• Sozialvermögen.Zum Finanzvermögen gehören die durch Markpreise bewertbaren Vermögensgegenstände wie beispielsweise Geld, Wertpapiere, Immobilien, Edelmetalle und Kunst – unabhängig von der Höhe seines konkreten Werts oder der Zugehörigkeit zum Privat- oder Betriebsvermögen. Zum Human- und Sozialvermögen gehören Vermögenswerte, die man nicht unmittelbar in Geld beziffern kann.
Zum Humanvermögen zählen die einer Person innewohnenden Ressourcen, die einer Person Nutzen stiften können wie beispielsweise Gesundheit, Motivation, Handlungsfähigkeit oder Arbeitsvermögen. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil, der nicht in Geld messbar ist, ist der Wert, sich persönlich frei entwickeln zu können. Damit ist vor allem die freie Entfaltung im Rahmen der Rechtsordnung gemeint.
Das Sozialvermögen umfasst all jene Ressourcen, die durch ein dauerhaftes Beziehungsgeflecht des Vermögensinhabers entstanden sind wie beispielsweise Reputation, Familie und Tradition.
Zwischen diesen Vermögensarten bestehen vielfältige, zumeist unterschätzte Wechselwirkungen. So kann einerseits das Finanzvermögen das Human- und das Sozialvermögen beeinflussen. Andererseits können auch das Human- und Sozialvermögen auf das Finanzvermögen Wirkungen zeitigen. Bedrohungen in der einen Vermögensart gefährden somit die Substanz der anderen.
Jedes geschaffene oder fortgeführte Vermögen ist Ausdruck des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit in seiner konkreten Ausformung der Eigentumsfreiheit. Diese Aussage ist nicht – wie manche politische Absichtserklärung – als bloßer Programmsatz, sondern als oberste Maxime für die Wertschätzung des Lebenswerks zu verstehen. Vermögen schützen heißt, Vermögen in seinem Bestand zu sichern und Vermögen nur selbstbestimmt aus der Hand zu geben.
Dies bedeutet zum einen, Vermögenswerte dadurch zu erhalten, dass sie von substanzvernichtenden Anlagen ferngehalten werden. Auch heißt es, Zugriffen von privater oder öffentlicher Seite im Rahmen der eigenen Gestaltungsfreiheit aus dem Weg zu gehen. Vermögensschutz bedeutet zum anderen, in Generationen zu denken. Die generationsübergreifende Nachfolgeplanung (»Estate Planning«) ist ein wesentlicher Bestandteil des Vermögensschutzes. Denn Vermögensschutz, der den Erhalt zu Lebzeiten zum Ziel hat, aber für das Ableben keine ausreichende Lösung bietet, ist keine nachhaltige Sicherung. Damit sind nicht nur die Lehrbuchfälle wie der verschwenderische Schwiegersohn oder das suchtkranke und undankbare Kind gemeint. Die Strategien, Vermögen zu schützen, sind facettenreich und im Grunde auch mit erschwinglichen Mitteln zu bewirken. Der Einsatz kostenintensiver, gegebenenfalls ausländischer Strukturen und Rechtsinstitute ist beim Vermögensschutz nicht zwingend nötig. Maßgeblich ist vielmehr die individuell abgestimmte Vermögensschutzstrategie. Denn der optimale Vermögensschutz ist kein Produkt »von der Stange«. Jedes Vermögen erfordert seine individuell maßgeschneiderte Lösung.
Die nachfolgende Darstellung soll das Problembewusstsein für die finanzwirtschaftliche sowie rechtliche Thematik des Vermögensschutzes schärfen und eine Orientierung anhand einzelner Bausteine ermöglichen. Einen nachhaltigen Vermögensschutz kann man nur auf dem sichersten Weg gestalten. Die Frage, ob internationale Gestaltungen empfehlenswert sind, lässt sich daher nicht pauschal beantworten. Der Aspekt, dass internationale Gestaltungen – obwohl sie grundsätzlich rechtmäßig sind – zunehmend als »grenzüberschreitende Grauzonen« verschrien und als »aggressive Vermögensplanung« angeprangert werden, sollte nicht unterschätzt werden. Dies bestätigen die Enthüllungen rund um die Offshore-Leaks à la Panama Papers und Luxemburg-Leaks. Vermeintlicher Enthüllungsjournalismus kann rasch in Denunziantentum umschlagen, der das persönliche Ansehen der Betroffenen beschädigen kann. Im Worst Case liegt das Finanzvermögen wie ein verborgener Schatz auf einer einsamen Insel, während gegen das Sozialvermögen Front gemacht wird. Bereits hier zeigen sich die Wechselwirkungen der verschiedenen Vermögensarten. Ist das Vermögen noch zu versteuern, wird der deutsche Fiskus schnell seine Ansprüche anmelden. Zudem sind dem Vermögensinhaber aufgrund des Entdeckungsrisikos die Hände gebunden. Dem Vermögensinhaber dürfte wenig geholfen sein, wenn zwar das vorrangige Ziel erreicht ist, durch die Vermögensverlagerung den Zugriff von Gläubigern zu verhindern, jedoch weder er noch seine Nachfolger risikofrei auf das Vermögen zugreifen können.
Vor diesem Hintergrund muss betont werden:
Je seriöser, desto sicherer und nachhaltiger ist der Schutz des Vermögens.
Das vorliegende Buch zeigt Wege auf, die ein Vermögensinhaber in nachhaltiger, sicherer und seriöser Weise gehen kann.
Das Bedürfnis, Vermögen zu schützen, kann generationsübergreifend und in sämtlichen Lebensphasen hervorgerufen werden. Zum Beispiel
• wenn einem noch minderjährigen Kind bei der Nachfolgeplanung Vermögenswerte zugewendet werden; • im jugendlichen Alter, in dem noch nicht die nötige Reife für den Umgang mit Vermögen vorhanden ist; • im Alter der Familiengründung, wenn eine Ehe eingegangen wird und eigene Kinder nachkommen; • im Laufe der gesamten beruflichen Tätigkeit, im Renteneintrittsalter, wenn die Altersvorsorge gesichert werden soll; • im Erbfall, wenn das Vermögen in andere Hände gelegt wird.Diese beispielhafte Aufzählung zeigt, dass Vermögensschutz am wirkungsvollsten ist, wenn er in sämtlichen Lebensphasen unerwünschte Ereignisse von vornherein abwendet. Dies setzt voraus, dass mit Vermögensschutz begonnen wird, bevor es zu spät ist. Das Motto sollte daher lauten: »Vorsicht vor Nachsicht«.
Dabei ist zu beachten, dass ein nachhaltiger Vermögensschutz nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen umgesetzt werden kann. Auch setzt der Faktor Zeit in der Regel Schranken. Daher sollte mit der Planung frühzeitig begonnen werden, um Chancen und Gestaltungen nicht ungenutzt liegen zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass Vermögenswerte schutzlos sind, wenn sich ein Risiko für das Vermögen bereits realisiert hat. Auch in Konfliktsituationen kann Vermögensschutz deeskalierende und schadensminimierende Wirkungen entfalten.
So vielfältig das Vermögen sein kann, so vielfältig können auch dessen Bedrohungen sein. Mit dem Ausdruck »Vermögensbedrohung« ist vor allem die Gefahr für den Bestand und den Erhalt des Finanzvermögens sowie die Störung des Sozial- und Humanvermögens gemeint. Bedrohungen können wirtschaftlicher, rechtlicher, sozialer und auch politischer Natur sein. Bedrohungen sollten daher nie isoliert oder vereinzelt betrachtet, sondern als interdisziplinäre Gemengelage verstanden werden.
Aus dieser Gemengelage können sich zudem Wechselwirkungen entwickeln, an die der Vermögensinhaber auf den ersten Blick nicht denkt, was dem persönlichen Blickwinkel geschuldet ist. Denn der Vermögensinhaber wird meist mit allen Emotionen nur von seinem persönlichen Standpunkt aus urteilen und nicht neutral auf das Vermögen blicken.
Hier lohnt es sich, sein Blickfeld durch unabhängige Dritte zu erweitern, um so durch die Konzentration verschiedener Sichtweisen einzelner Fachbereiche ein klareres Bild von den Gefahren des jeweiligen Vermögens zu erhalten.. Bei der Auswahl eines solchen neutralen Beraters sollte besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass die Vermögensschutzanalyse ganzheitlich entsprechend den vorgenannten Anforderungen an den »Vermögensschutz 2.0« vorgenommen wird.
Die ersten Schritte
• Sie selbst sind der Schlüssel und Garant für einen erfolgreichen Vermögensschutz!• Verstehen Sie unter Vermögen mehr als nur das Finanzvermögen, sehen Sie in Ihrem Vermögen auch das Sozial- und das Humanvermögen.• Schützen Sie nicht nur Ihr Finanzvermögen; Wechselwirkungen zwischen den Vermögensarten können für böse Überraschungen sorgen.• Beginnen Sie frühzeitig mit dem Vermögensschutz.• Scheuen Sie sich nicht vor einer Selbstanalyse. Sie ist Schlüssel und Garant für eine wirksame Vermögensschutzplanung.• Machen Sie sich klar, was Vermögensschutz bedeutet.• Verstehen Sie Vermögensschutz als komplexes interdisziplinäres Spannungsfeld.Die Beratungspraxis zeigt, dass sich die Erwartungen der Vermögensinhaber hinsichtlich der Entwicklung des eigenen Vermögens geändert haben. Früher standen ausschließlich Renditeerzielung und substanzielle Vermögensmehrung auf der Agenda. Mittlerweile legen Vermögensinhaber immer mehr Wert auf Sicherheit und Schutz des Vermögens. Diesem erweiterten Risikoverständnis muss der Vermögensschutz folgen. Vermögensschutz als ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz erfordert heutzutage mehr als die bloße Verortung rechtlicher Probleme. Andernfalls wird man die Wechselwirkungen zwischen dem Finanz-, Sozial- und Humanvermögen nicht in den Griff bekommen. Auch an dieser Stelle steht der Vermögensinhaber im Mittelpunkt der Betrachtung.
Nach der kritischen Analyse des Umfelds des eigenen Vermögens müssen die eigenen Erwartungen formuliert werden. Nicht alle Vermögensinhaber und Berater haben das gleiche Verständnis, was den Umfang und den Schutz des Vermögens betrifft. Umso wichtiger ist es, die eigene Erwartungshaltung festzulegen. Daraus sind die Ziele eines jeden Einzelnen zu formulieren. Richtschnur bleibt der jeweils Betroffene selbst. Hierzu gehört es auch, dass erfüllbare Erwartungen von den unerfüllbaren Erwartungen selektiert werden. Unrealistische und überzogene Vorstellungen können einen seriösen und nachhaltigen Vermögensschutz behindern.
Machen Sie sich Gedanken! Was ist Ihnen wichtig?
• Der Erhalt des Familienvermögens, d. h. Schutz vor Wertevernichtern, wie z. B. falschen Vermögensanlagen, oder Schutz vor Vermögenszersplitterung?• Die eigene Absicherung im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit?• Die Absicherung des Ehegatten oder Lebenspartners?• Eine gerechte Weitergabe des Vermögens an die nächste Generation?• Die Sorge um gesunde und behinderte Kinder? Probleme mit Schwiegerkindern?• Die Vermeidung von Liquiditätsabflüssen durch Pflichtteilansprüche?• Ein Beitrag für die Gesellschaft?• Steuergünstige Gestaltung, Vermeidung zu hoher Steuerlast bei der Vermögensweitergabe?Das Ziel des Vermögensschutzes ist einfach und schnell formuliert: Vermögensschutz muss Vermögen schützen.
Da es für Vermögensschutz keine Einheitslösung gibt und stets eine maßgeschneiderte Lösung erforderlich ist, können auch nicht »die« Ziele formuliert werden. Vermögensschutz kann aber auf folgende fünf Säulen gestellt werden, die möglichst viele Ziele tragen.
Säule 1: Richtige Vermögensanlage – Anlage in Sachwerte und Märkte mit Zukunft
Säule 2: Abschirmung des Vermögens vor Zugriffen Dritter – dabei weiterhin Gewährleistung des wirtschaftlichen Zugriffs auf das geschützte Vermögen
Säule 3: Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten zur Steueroptimierung
Säule 4: Vermeidung von Familienkonflikten
Säule 5: Nachhaltigkeit
Diese fünf Säulen bilden die Basis für eine optimale Vermögensschutzplanung. Innerhalb der jeweiligen Säule sind die Maßnahmen und Bausteine zusammenzusetzen, die in der persönlichen Situation erforderlich sind. In zeitlicher Hinsicht ist Folgendes zu bedenken: Vermögensschutz ist keine statische, sondern eine dynamische Materie.
• Der Vermögensschutz steht täglich auf dem Prüfstand. Rahmenbedingungen, Lebensbedingungen, Gesetze, Werte und Familien verändern sich.• Vermögensschutz muss flexibel sein, um auf Veränderungen reagieren zu können.Dabei darf ein Vermögensschutzkonzept auch Kompromisse enthalten, wenn sich nicht alle Ziele miteinander vereinbaren lassen. Im Wege einer Abwägung ist die größtmögliche Schnittmenge zu ermitteln.
»Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen,
sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.«
Perikles (490–429 v. Chr.)
Ob Finanzkrise, »Brexit«oder Terrorismus – Investoren brauchen eine schonungslose und umfassende Sicht auf die Risiken in Politik, Wirtschaft und Natur. Die Behauptung, manche Krisen seien nicht vorhersehbar gewesen, ist nur zu oft Rosstäuscherei. Denn es gibt sie, die extrem unwahrscheinlichen Ereignisse mit gravierenden Auswirkungen. Sie verkörpern das Restrisiko, mit dem man nicht rechnen konnte, das aber dennoch eintritt. Der Zusammenbruch der Finanzmärkte infolge der Lehman-Pleite, die Havarie des Atomkraftwerks von Fukushima oder aktuell im Jahr 2016 der sogenannte Brexitsind Beispiele dafür.
Die Schadensstatistiken des weltgrößten Rückversicherers Munich Re sind eindeutig:
• Die Ereignisse werden stärker, sie treten häufiger auf. Der Rhythmus ihres Wiederkehrens wird schneller.• Nicht nur in der Natur, auch in der Welt der Wirtschaft nehmen Zahl und Frequenz von Katastrophen und Krisen zu.Während in der Natur der Klimawandel die Wetterereignisse »hebelt«, führt in der Wirtschaft ein stark schuldenfinanziertes Wachstum oder eine zu starke Hebelung über entsprechende Finanzprodukte zu teilweise extremen Ausschlägen. Verstärkt wird das durch eine ausgeprägte Bereitschaft zum Herdenverhalten. Die Folgen:
• Blasen platzen, Börsen brechen ein, Staaten gehen bankrott.Doch statt dass höhere Gewalt, Pech oder Schicksal die Schuld tragen, fehlt es ganz einfach am Risikomanagement. Wer dann schuldlos von einem Schicksalsschlag getroffen wird, darf auf die Solidarität des Staates hoffen:
• Wenn ein unvorhersehbares Jahrhunderthochwasser Häuser überflutet oder• ein Geschäftsmodell wegen eines Bebens an den Finanzmärkten implodiert.In solchen Fällen muss der Staat und damit der Steuerzahler helfen.
Nur selten wird dann die Frage gestellt, warum eine Flussaue als Baugebiet ausgewiesen wurde oder aus welchen Gründen Finanzinstitute und Investoren in hochspekulative Finanzprodukte investiert haben.
War die Finanzkrise wirklich ein derart extremes Pech, wie es die Menschheit in ihrer Geschichte wohl noch nie gesehen hat? Es geht doch wohl eher um blinden Glauben an fehlerhafte Modelle, um übertriebene Risikoneigung, um Gier und um mangelndes Risikomanagement von Banken und Investoren. Selbst wenn man bereit wäre, in der Finanzkrise 2007/2008 einen »Schwarzen Schwan« zu sehen, also ein extrem unwahrscheinliches Ereignis mit gravierenden Auswirkungen, so wäre eine baldige Wiederholung »nur« ein Risikoszenario von vielen. Niemand könnte mehr behaupten, dies sei etwas Unvorhersehbares. Gleiches gilt nach den Anschlägen von Paris, Brüssel, Istanbul und Nizza für weitere große Terrorangriffe auf westliche Metropolen oder für einen erneuten schweren Unfall in einem Atomkraftwerk.
Es handelt sich um Ereignisse, die noch vor wenigen Jahren für unmöglich angesehen wurden, deren Eintrittswahrscheinlichkeit in den letzten fünf Jahren jedoch deutlich zugenommen hat:
• So ist ein Auseinanderbrechen der EU zu einem Risikoszenario geworden, mit dem sich Investoren auseinandersetzen müssen. Nach der Staatsschulden- und Flüchtlingskrise stellen jetzt der Brexitund morgen weitere nationale Fliehkräfte die EUvor eine Zerreißprobe. • Ein Risiko für die Eurozone ist, dass ihr etwas Ähnliches passiert. Auch könnte nach dem Brexitdas Wachstum in der Eurozone in den kommenden drei Jahren bis zu 0,5 Prozent geringerausfallen als bisher erwartet. Weitere Schwankungen an den Finanzmärkten könnten den Wirtschaftsaufschwung gefährden.• Gleichzeitig steigen die Schulden in der Währungsunion weiter. Die Verschuldungsquote vieler Euro-Länder ist aktuell wesentlich schlechter als noch 2008. Wenn jetzt eine neue Krise kommt, weil Italien, Portugal, Spanien und Frankreich den Sparkurs verlassen, geht es erneut um die Zukunft des Euro. Euro-Mitgliedsländern droht, erneut Spielball der Finanzmärkte zu werden.• In der Union mehren sich Zweifel an der Wirksamkeit des Stabilitäts- und Wachstumspakts.• Auch eine militärische Konfrontation des Westensmit Russlandist nicht ausgeschlossen. Der Ukraine-Konflikt und der Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei haben gezeigt, dass ein militärischer Konflikt nicht undenkbar ist. • Selbst Putschversuche sind in Europaein mögliches Szenario, wie das Beispiel Türkei Mitte Juli 2016 zeigt. Nicht nur, dass deren Präsident Erdogan die Demokratie der Republik in Schutt und Asche legt, die türkische Wirtschaft bleibtwegenihres hohen Leistungsbilanzdefizits (4,4 Prozent) und der enormen Kosten zur Finanzierung der Auslandsschulden (52 Prozent) des BIP auch anfällig für äußere Schocks. Etwa wenn nach dem Putschversuch Auslandsinvestoren fern und Touristen 2017 und in den Folgejahren ausbleiben.Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die Türkei, deren größter Handelspartner Deutschland ist, als Musterbeispiel eines erfolgreichen Schwellenlandes galt. 2010 und 2011 wuchs die Wirtschaft um jeweils 9 Prozent, ausländische Unternehmen investierten Milliarden. Das Land ist auf stete Zuflüsse ausländischen Kapitals angewiesen. Doch die politischen Unruhen verschrecken ausländische Investoren, Kapital fließt ab, die türkische Währung fällt und Investitionen werden auf längere Zeit zurückgehen. Das Wirtschaftswachstum tendiert 2016 gegen null. Nicht nur die politische Lage im Land ist heikel.
Sind Banken und Investoren auf derartige Szenarien vorbereitet? Nur zu oft scheint für sie doch zu gelten, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Banker mögen keine Sanktionen, sie schätzen ökonomische Reaktionen auf politische Vorgänge nicht – sie könnten ja Gewinne kosten.
Abbildung 03: Staatsschuldenquoten in der EU, Quelle: Eurostat
Das sind Szenarien mit massiven Konsequenzen, und es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, wann sie Realität werden. Dabei müssen es nicht zwingend Untergangsszenarien sein, auch positive Ereignisse können gravierende langfristige Auswirkungen haben:
• Etwa ein medizinischer Durchbruch, der in der Folge zu einer massiven Erhöhung der Lebenserwartung führt. Eine solche Entwicklung wäre nicht nur ein »Schock« für Gesundheits- und Rentensysteme, sie träfe auch den Wohnungsmarkt, der schon jetzt unter der Flüchtlingswelle ächzt. • Aber auch ein beschleunigter technologischer Fortschritt kann gravierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben. Die Innovationen im Zusammenhang mit der Digitalisierung zeigen, wie Entwicklungen Unternehmen überrollen und innerhalb kurzer Zeit ganze Geschäftsmodelle überflüssig werden lassen. Gesellschaften sind von solchen Entwicklungen nicht ausgenommen.Investoren sollten bei langfristigen Anlageüberlegungen also auch eine realistische Einschätzung von Wahrscheinlichkeit und Auswirkung möglicher, durchaus auch seltener Ereignisse vornehmen.
Die Schwierigkeiten bei der Abschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeit, Ereignisauswirkung und Handlungsoptionen dürfen keine Entschuldigung sein, sich mit dem Risiko nicht auseinanderzusetzen. Die Reaktion »Da kann man eh nichts machen« reduziert von vornherein den Handlungsspielraum und kann für Anlageentscheidungen fatale Folgen haben. Nur wenn man das Risiko kennt, kann man entsprechend handeln:
• Handeln bedeutet ein Tun, das das Risiko minimiert oder die Aussicht erhöht, die Folgen des Risikos zu bewältigen. • Nichtstun bedeutet dagegen, Risiken zu tolerieren und mögliche Auswirkungen zu akzeptieren. Das ist eine »Vogel-Strauß-Taktik«, mit der man als Anleger Glück oder Pech haben kann.Wenn es darum geht, die Risiken zu bewerten, werden immer wieder zwei Fehler gemacht:
• Erstens wird, rückblickend, eine zu kurze Zeitspanne als Grundlage der Beobachtung gewählt. Nach der Devise: »Was in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten nicht passiert ist, wird auch in den kommenden Jahren nicht passieren.« So wählten einzelne, von der Finanzkrise stark betroffene Finanzunternehmen bewusst eine kurze Zeitspanne und legten sie ihren Anlagemodellen zugrunde, weil es ihnen nützte.• Zweitens werden aktuell beobachtete Trends vorschnell in die Zukunft extrapoliert. Doch Risikomanagement darf nicht auf den Einsatz von Algorithmen und Prognosetools reduziert werden, seien sie auch noch so ausgefeilt.Mit der immer leistungsfähigeren Datenverarbeitung ist die Gefahr blinder Modellgläubigkeit in den vergangenen Jahren gestiegen. Doch jedes Anlagemodell geht von Parametern und Variablen aus, die aus bereits Bekanntem abgeleitet sind. Modelle sind damit blind für extrem unwahrscheinliche Ereignisse und deren Auswirkungen.
Für manche Risiken stehen wenige oder keine Informationen in Form von Daten zur Verfügung – etwa bei Risiken aus Zukunftstechnologien und Folgen der zunehmend weltweiten Verflechtung. So haben etwa die finanziellen Abhängigkeiten zwischen Schwellen- und Industrieländern in den letzten Jahren dramatisch zugenommen.
Nach einer aktuellen Analyse des Internationalen Währungsfonds(IWF)
»… ist heute bereits etwa ein Drittel der Kursschwankungen auf den Aktien- und Devisenmärkten der Industrieländer auf Ereignisse in den Schwellenländern zurückzuführen.«
Bewährte quantitative Methoden lassen sich somit bei Anlageentscheidungen nur begrenzt einsetzen. Bei der Beurteilung von Investitionsalternativen müssen sich Anleger daher vor allem auf die Einschätzung von Fachleuten und – bis zu einem gewissen Grad – auch auf das eigene »Bauchgefühl« verlassen.
• Es ist daher sinnvoll, psychologische Erkenntnisse zur Urteils- und Entscheidungsfindung bei der Risikoanalyse schwer zu quantifizierender Risiken zu berücksichtigen. • Darüber hinaus sollten auch Gruppenphänomene berücksichtigt werden. Denn Gruppen neigen zu extremeren Urteilen als Individuen.Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse lassen sich damit so gestalten, dass Verzerrungen reduziert werden und eine größtmögliche Transparenz gewährleistet ist.
Abbildung 04: Anteil der Schwellenländer an der Weltwirtschaft, Quelle: OECD
Rendite um jeden Preis oder um jedes Risiko ist ein Irrweg. Für Anleger ist es aufs Ganze gesehen besser, einen flacheren, dafür aber konstanteren Renditeweg einzuschlagen.
Stark gehebelte Renditen führen in der Regel unweigerlich zu heftigen Einbrüchen. Die Liste der Beispiele hierfür ist lang, vom Platzen der New-Economy-Blase bis hin zur Immobilienkrise in Spanien.
Die Gesamtbilanz aus kurzfristigem Boom und anschließendem Zusammenbruch ist in aller Regel negativ. Kritisch wird es neben einer zu starken Hebelung auch dann, wenn Rendite und Gewinn jenseits des eigentlichen Geschäftsmodells gesucht werden.
Doch allzu oft wird von Anlegern nur versucht, kurzfristig auf einen Trend aufzuspringen, der goldgräberartige Gewinne verspricht. Das ist ein »Spiel«, das man meist nur teilweise durchschaut und das andere besser beherrschen: Die immensen Verluste, die manche Finanzinstitute und Hedgefonds vor der Finanzkrise 2007/2008 mit Geschäften jenseits ihres eigentlichen Kompetenz- und Aufgabenbereichs gemacht haben, zeigen das Risiko, das sich hinter einem vermeintlich schnellen Gewinn auf unbekanntem Terrain verbirgt.
Um sich gegen falsche Entscheidungen so weit wie möglich zu wappnen, müssen Risiken transparent gemacht werden. Dabei geht es nicht darum, als Investor keine Risiken einzugehen, sondern darum, diese bei Anlageentscheidungen bewusst einzugehen. Will man dann nicht alles auf eine Karte setzen, sollten Risiken nur so weit eingegangen werden, dass auch im Falle nicht so wahrscheinlicher Ereignisse immer noch ein Puffer bestehen bleibt und man als Anleger nicht unmittelbar am Abgrund steht. Das bedeutet auch, zugunsten eines nachhaltigen und damit langfristig erfolgreicheren Anlagemodells auf das letzte Quäntchen kurzfristiger Marge zu verzichten.
Angesichts niedriger Zinsen, geringer Renditen am Kapitalmarkt und eines niedrigen Wirtschaftswachstums müssen Anleger zwar höhere Risiken eingehen, um noch angemessene Renditen zu erzielen. Doch sollten bei in Aussicht gestellten Renditen immer die »Risiken und Nebenwirkungen« berücksichtigt werden.
Bei strategischen Anlageüberlegungen spielt die Geldpolitik eine wichtige Rolle. Doch ging es bis zur Finanzkrise nur um den Leitzins, geht es seit 2008 um mehr. Seit 2008 spielt die Politik eine immer größere Rolle, insbesondere in der Eurozone. Die klassische volkswirtschaftliche Analyse wurde teils ersetzt durch einen viel stärkeren Blick auf die Politik und auf den Werkzeugkasten der Notenbanken mit Milliardenprogrammen für Anleihekäufe und Dauerniedrigzinsen. Auch der sogenannte Brexit wird nicht dazu führen, dass sich das Wirtschaftswachstum in der Eurozone verringern wird. Für die EZBwird es schwieriger, ihr Inflationsziel von etwa 2 Prozent zu erreichen. Um das durchzusetzen, wird sie ihr Kaufprogramm ausweiten müssen. Gleichzeitig nimmt der Nutzen dieser Programme rapide ab. Die Geldpolitik ist in einer schwierigen Lage. Doch nichts zu tun, wäre noch gefährlicher. Die Geldpolitik braucht Unterstützung von der Fiskalpolitik und von Strukturreformen, die das Wachstumspotenzial fördern.
Kurzfristig hat der Brexitdie Finanzmärkte erschüttert. 5 Billionen Euro hat der Crash die Anleger an den Aktienmärkten nach Berechnungen der DZ Bank gekostet. Das ist eine Summe, die in etwa doppelt so hoch ist wie die jährliche Wirtschaftsleistung Großbritanniens. Statt in Aktien steckten viele Anleger ihr Geld in Staatsanleihen und Gold. Und während alle Welt über die Folgen des Brexit debattiert, verzeichnen die wichtigsten Börsen – auch in Großbritannien– bereits zwei Wochen nach dem Referendum wieder neue Rekordstände. Sind die Anleger verrückt geworden? Nein, sie fangen an, über die Zukunft Großbritanniens zu spekulieren:
• Das schwache britische Pfund könnte die Insel zu einem Paradies für Industriebetriebe machen.• Die neue Regierung könnte auch die Steuern stark absenken und die Finanzmärkte noch mehr deregulieren. • Am Ende, so die Stimmung an der Börse Mitte Juli 2016, würde der Brexit für das Land doch nicht so schlimme Konsequenzen haben wie anfangs befürchtet.Dochdie Brexit-Verhandlungen mit Brüsselwerden lange dauern. Das lähmt die britische Wirtschaft. Sie hat sich im dritten Quartal 2016 deutlich abgeschwächt. Um gegenzusteuern, senkte die Bank of England im August den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent, den niedrigsten Stand seit 322 Jahren. Gleichzeitig wurde das Kaufprogramm für Staatsanleihen um 60 Milliarden Pfund auf 435 Milliarden Pfund (514 Milliarden Euro) aufgestockt.
Beim Brexitgeht es aber um mehr: Der Bestand der EU ist in Gefahr. Politik und Notenbanken müssen die Dinge, die sie in der EU tun,einfacher machen. Sie müssen besser erklären, was in Europa und im Euroraum passiert. Die EU braucht eine Reform, sonst werden nach Großbritannien weitere Länder die Gemeinschaft verlassen.
Nur ein Wirtschaftsblock Europa mit seinen 500 Millionen Menschen hat die Chance, den offensiven ökonomischen Großmächten USA undChina etwas entgegenzusetzen. Europa hat seine Rolle in der Welt noch nicht gefunden, wie sich in den Debatten über das transatlantische Handelsabkommen TTIP zeigt, das angeblich nur amerikanischen Interessen dient und die armen Europäer unterjocht. Europa ist keineswegs schwach, es macht sich aber klein. Der Austritt der Briten aus der EUist nicht der Weltuntergang, er wird aber einiges verändern. Der Mythos Europa reichte für die Gründung der EU. Ob er aber auch für deren Vollendung reicht, muss sich erst noch zeigen.
Abbildung 05: Der Brexit erschüttert kurzfristig die Finanzmärkte, Quelle: Bloomberg