Verurteilt - Brigitte Thurner - E-Book

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Brigitte Thurner

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Beschreibung

Die ehrgeizige Journalistin Caro enthüllt bei ihren Recherchen einen Fall, der ihr bis hin zu Morddrohungen alles bietet. Um aus der Schusslinie zu kommen, nimmt sie sich eine Auszeit in Schottland. Dort verliebt sie sich in eine alte Burg, die sie unbedingt haben möchte. Während der Renovierung geschehen seltsame Dinge. Spielen ihr die Sinne einen Streich oder ist sie nicht alleine? Schon bald sollte sie den Grund dafür am eigenen Körper zu spüren bekommen.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Brigitte Thurner

 

Verurteilt

Caro war eine junge, rebellische Reporterin. Immer war sie auf der Suche nach der ultimativen Story. Da sie, wie schon gesagt, jung war, gab ihr Chef ihr nur Aufgaben, die sie zwar erledigte, die sie aber nie vom Hocker rissen. Sie berichtete über vermisste Tiere, über kleinere Unfälle, eben über Alltägliches. Dies war nicht das, was sich Caro vorstellte. Sie wollte exklusive Berichte schreiben, Berichte, die die Menschen interessierten. Es gab viele Fälle, über die sie gerne geschrieben hätte, aber nicht durfte. Ihr Chef meinte immer, sie solle warten, bis die Zeit reif wäre. Caro hatte aber nicht vor zu warten, sie wollte jetzt eine Megastory und nicht erst in ein paar Jahren. Während sie ihre langweiligen Aufgaben erfüllte, suchte sie nach einer anderen Redaktion, die sie ernst nahm. Nicht umsonst hatte sie ihre Abschlussprüfung mit einer glatten Eins absolviert. Damit ihr Chef nichts mitbekam, sagte sie zu niemandem ein Wort. Caro war entschlossen, alle vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie wusste, dass keiner sie verstehen würde. Zu ihrer Arbeitskollegin hatte sie einmal gesagt, dass sie es leid wäre, immer die Anfängeraufgaben zu erledigen. Diese hatte sie angeschaut und gemeint: Du bist ein Küken, du brauchst erst einige Jahre Erfahrung, bis du dich eine Reporterin nennen kannst. Diese blöde Kuh hatte leicht reden, sie war der Liebling des Chefs und konnte sich alles erlauben. Ein Jahr später hatte sie ein Vorstellungsgespräch in einer großen, bekannten Redaktion. Caro war überpünktlich und nervös. Sie hatte all ihre Unterlagen dabei, war auf die Fragen vorbereitet und sicher, das Ding zu rocken. Es saßen fünf Leute im Raum, die sie nacheinander befragten. Sie erzählte, was sie wissen wollten, und gab korrekte Antworten. Ein junger Mann war fasziniert von ihrer Dynamik und Aufgeschlossenheit. Er fragte sie, was sie denn genau interessierte. »Das kann vieles sein«, antwortete sie. »Ich bin für jegliches offen, was die Menschen bewegt. Vermisstenanzeigen, Todesfälle, Übersinnliches, eben alles«, erklärte sie. Das Gespräch dauerte fast zwei Stunden. Caro hatte die Hosen runtergelassen, sie hatte nichts verheimlicht oder verschönt. »Warum bleiben Sie denn nicht in der jetzigen Redaktion?«, wurde sie gefragt. »Das ist simpel zu erklären«, antwortete sie. »Ich möchte über Sachen berichten, die die Menschen mitreißen. Wen juckt es denn, ob bei einem Fahrrad die Luft rausgelassen wurde oder dass ein Hund auf den Gehweg gekackt hat«, konterte sie energisch. Damit punktete sie enorm. Drei der fünf Anwesenden waren für sie, zwei dagegen. »Okay«, meinte der junge Mann. »Sie haben den Job. Ihre erste Aufgabe erfahren Sie beim Eintritt in der Redaktion. Wir sehen uns dann nächsten Monat.« Sie standen auf und verabschiedeten sich. Caro war begeistert und musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu jaulen vor Freude. Professionell verließ sie den Raum. Als sie in ihrem Auto saß, konnte sie einen lauten Freudenschrei nicht verhindern. Zügig fuhr sie zu ihrer Arbeitsstelle und kündigte. Ihr Chef wechselte die Farben wie ein Chamäleon. Von Rot auf weiß und wieder zurück. »Was bildest du dir denn ein? Jahrelang war der Job okay für dich und jetzt glaubst du auf einmal, etwas Besseres zu sein?«, schrie er wütend. »Oh nein, ich bin nichts Besseres, aber ich möchte mein Können beweisen, und das geht nur, indem ich wichtigere Fälle bekomme. Die banalen Sachen, die zu meinen Aufgaben gehörten, kann jeder Anfänger«, erwiderte sie. »Ich brauche Herausforderungen, knifflige Recherchen und nicht so belangloses Zeug. Meine Aufgaben kann jetzt Ihre Lieblingsmitarbeiterin erledigen, ohne dass sie sich einen Nagel einreißt«, meinte sie gereizt. Sie war schon bei der Türe, drehte sich um und sagte: »Ich wünsche Ihnen trotzdem Glück, man sieht sich.« Dann ließ sie die Türe von außen ins Schloss fallen, räumte ihren Arbeitsplatz und verließ das Gebäude. Die anwesenden Mitarbeiter starrten ihr nach und steckten sofort die Köpfe zusammen. Ein Kollege, der eben zum Dienst kam, meinte: »Hey Küken, wo gehst du denn hin? Hast du etwa schon frei?« »Nein, ich habe nicht frei, ich habe gekündigt«, antwortete sie. Er war sprachlos und suchte nach den passenden Worten. »Wie, was?«, fragte er. »Ich habe einen neuen Job«, meinte sie fröhlich. »Endlich kann ich mein Können beweisen und muss nicht die Aufgaben der Putzfrau erledigen«, sagte sie erleichtert. »Was hat der Alte dazu gesagt?«, fragte er. »Na ja, du kennst ihn ja. Er war nicht begeistert, er gibt mir keine Chance. Aber egal, ich werde es allen beweisen, ihr werdet von mir hören«, meinte sie und marschierte los. Zu Hause angekommen, öffnete sie eine Flasche Sekt und feierte ihren persönlichen Erfolg. Sie gönnte sich ein ausgiebiges Bad, danach legte sie sich vor den Fernseher und schaltete durch. Da sie kein Programm ansprach, beschloss sie, zu Bett zu gehen. Der nächste Morgen verlief entspannt, Frühstück, fernsehen, spazieren und sonst nichts. Sie freute sich schon auf ihren neuen Job. Sie würde ihr Bestes geben, um den jungen Mann nicht zu enttäuschen. Während sie die Zeitung las, klingelte ihr Handy. »Hallo Caro«, sagte ihr Ex-Chef. »Ich wollte dir nur mitteilen, dass dir zwei Wochen Resturlaub zustehen.« »Oh, das freut mich«, antwortete sie. Caro bedankte sich und legte auf. »Ich könnte wegfahren«, überlegte sie. »Aber wohin?« Sie überprüfte ihre Finanzen und sah, dass keine großen Sprünge drin waren. Dennoch würde sie gerne verreisen. Aber wohin? Während sie so dasaß und überlegte, hörte sie ihre Nachbarin schreien. Sie trat ans Fenster und schaute heimlich hinaus. Da die Frau total aufgelöst war, verließ sie ihre Wohnung und befragte die Nachbarin nach dem Grund für ihr Schimpfen. »Was ist denn los?«, fragte sie. »Na, dieses Schwein da vorne, ich habe ihn jetzt schon das zweite Mal erwischt, als er vor den Kindern die Hose runterließ«, erwiderte sie stinksauer. »Haben Sie die Polizei gerufen?«, fragte Caro. »Ach die, es heißt immer dasselbe, sie hätten einen Einsatz oder alle Beamten wären im Gespräch. Wenn sie dann mal ankamen, ist der Kerl über alle Berge.« »Können Sie den Mann denn beschreiben?« »Ja, klar, ich stand ja direkt neben ihm.« Das Interesse der Reporterin war geweckt. Sie notierte die Angaben auf ihrem Handy und eilte in die Wohnung, um ihre Jacke zu holen. Da die Nachbarin ihr sagen konnte, wo sich der Typ manchmal aufhielt, marschierte sie auf eigene Faust los. Auf was es bei einer verdeckten Recherche ankam, war ihr nicht fremd. Sie schlenderte durch die Straßen und hielt Ausschau nach Kindern, die spielten, heimgingen oder nur so herumsaßen. Die Nachbarin hatte gesagt, dass er es immer vor Kindern statuierte. Jedes Mal, wenn ein Kind schrie, eilte sie sofort dorthin. Doch leider ohne Treffer. Sie hatte Zeit, brauchte nicht zur Arbeit und machte sich daher keinen Stress. In der Nähe der Kneipe, die ihr die Frau genannt hatte, gab es ein kleines Lokal. Sie nahm Platz und bestellte sich etwas zu trinken. Damit sie nicht auffiel, las Caro in der Zeitung. Ein Auge war immer auf die Kneipe gerichtet. Zwei Tage verbrachte sie von morgens bis abends in diesem Lokal. Sie kleidete sich jedes Mal anders und trug ihre Haare verschieden zurechtgemacht. Am dritten Tag erschien eine männliche Person, auf die die Beschreibung der Nachbarin passte. Er betrat die Kneipe und kam nach zwei Stunden wieder heraus. Schnell bezahlte Caro und heftete sich an seine Fersen. Er bestieg die Straßenbahn und fuhr zur Stadtmitte. Dort verließ er sie und nahm einen Weg durch den Park. Damit es ihm nicht auffiel, dass sie ihn beschattete, holte sie einen Fotoapparat aus ihrer Tasche und spielte eine Touristin. Weil sie schlau war, hatte sie eine Minikamera an ihrer Jacke befestigt. Als der Mann stehenblieb, trat sie auf ihn zu und fragte auf Englisch nach dem Museum. Er sah sie an wie ein Ufo, teilte ihr dann mit Händen und Füßen mit, dass er sie nicht verstand, und ließ sie kopfschüttelnd stehen. Jetzt hatte sie ein Gesicht. Wenn er der Exhibitionist war, würde er nicht mehr weit kommen. Unbemerkt verfolgte sie ihn weiter. Er nahm Kurs auf den Park. In sicherer Entfernung setzte sie sich auf eine Bank, und tat so, als wenn sie den Stadtplan lesen würde. Der Mann hatte ebenfalls auf einer Bank Platz genommen und beobachtete ein paar spielende Kinder. Caro wusste, dass dies kein Vergehen war, und wartete ab. Als er sich wieder in Bewegung setzte, machte sie das Gleiche. Plötzlich blieb er stehen und schrie sie an: »Verfolgen Sie mich? Was wollen Sie von mir?« Die Situation wurde brenzlig, Caro rannte mit Fleiß in ihn hinein, um den Anschein zu erregen, dass sie total in den Plan vertieft gewesen war und ihn übersehen hatte. »Oh, sorry Mister, I didn´t see you.« Er starrte sie an und meckerte: »Blöde Kuh, ich würde halt auf meinen Weg schauen und nicht auf die Karte.« Dann ging er weiter. Sie wusste, dass sie ab jetzt mehr Abstand halten müsste, um nicht aufzufallen. Beim Aufstehen fiel ihr der Plan herunter. Sie bückte sich, um ihn aufzuheben, und verlor den Mann dadurch aus den Augen. Egal, wie schnell sie lief, er war fort. Sie blieb eine Weile im Park, doch als es zu dämmern begann, gestand sie sich ein, dass es keinen Sinn hatte, länger hierzubleiben. Frustriert begab sich Caro auf den Heimweg. Die nächsten drei Tage blieben ohne Ergebnis, und Caro dachte schon, sie hätte verloren, als sie vor einem Kaufhaus Schreie hörte. Sie lief sofort auf die Menschenmenge zu und erkannte den Mann mit der heruntergelassenen Hose. Beherzt sprang sie ihm von hinten auf den Rücken und drückte ihn zu Boden. Passanten eilten ihr zu Hilfe, hielten den Kerl fest und informierten die Polizei. Dank Caros Körpereinsatz konnte dieser miese Typ festgenommen werden. Später berichtete die Polizei in der Presse von dem Vorfall und ihr Name wurde erwähnt. Als sie befragt wurde, nannte sie ihren Beruf und den Namen ihres neuen Arbeitgebers. Der neue Chef der Redaktion prahlte mit seiner Mitarbeiterin und bedankte sich bei Caro für die Publicity. Er war von ihrem Engagement so beeindruckt, dass sie sofort eine Gehaltserhöhung bekam. Er meinte, genau solche Mitarbeiter brauche eine Redaktion, um berühmt zu werden. Die restlichen Urlaubstage verliefen ohne Überraschungen. Dann war es soweit, ihr erster Arbeitstag in der großen Redaktion stand an. Sie entschied sich für eine legere Kleidung, nahm ihre Arbeitsmappe und begab sich auf den Weg. Als sie die Redaktion betrat, wartete ihr Chef schon, um sie den Kollegen vorzustellen. Er wies ihr persönlich ihren Arbeitsplatz zu und wünschte ihr Erfolg. Der erste Auftrag war ein Bericht über die katastrophalen Zustände im Tierheim. Caro sammelte Infos und Anschauungsmaterial zum Verarbeiten. Sie fuhr selbst vor Ort, um sich ein genaueres Bild der Einrichtung verschaffen zu können. Sie war entsetzt, was sich ihr bot. Die Tiere waren abgemagert, die Käfige zu klein, die medizinische Versorgung nicht gewährleistet. Sie sprach mit der Leitung des Tierheims und hörte sich ihre Argumentation an. Sie erzählte Caro, wie oft sie schon an die Behörden getreten war, um eine Änderung zu erreichen, doch jedes Mal wurde sie weggeschickt. »Sind Sie an die Öffentlichkeit getreten?«, fragte Caro. »Ja, aber das hat nichts gebracht. Man sagte uns leider immer wieder, dass momentan keine Fördergelder zur Verfügung stehen«, meinte die Dame vom Tierheim. »Okay, wir werden uns eine andere Strategie ausdenken«, sagte Caro und verabschiedete sich. Kaum war sie in der Redaktion, ließ sie ihre Finger über die Tastatur ihres Computers fliegen. Sie beschaffte sich einen Termin beim zuständigen Amt für Demos, fertigte Handblätter und besprach ihr Vorhaben mit ihrem Chef. Zuerst war er nicht groß begeistert von der Idee, doch Caro ließ nicht locker. Er schaute sie an und meinte dann: »Sind Sie immer so hartnäckig, wenn Sie etwas haben wollen?« »Ja, bin ich«, antwortete sie kurz und bündig. »Na, okay, Sie haben ihren Auftrag, aber enttäuschen Sie mich nicht«, meinte er mit einem Lächeln. »Danke, ich gebe mein Bestes«, erwiderte sie und drehte sich um. Caro fuhr zum Amt, holte sich den Erlaubnisschein für die Demo und besuchte erneut das Tierheim. Sie erklärte der Leitung ihr Vorhaben und setzte sich mit ihr hin, um die Einzelheiten zu besprechen. Anschließend knipste Caro ein paar Fotos, die verwahrloste Tiere zeigten, die maroden Unterkünfte sowie den Zustand des Tierheims. Mit die- sem Material machte sie sich wieder an die Arbeit. Die Demo sollte in einer Woche stattfinden. Bis dahin musste sie alles unter Dach und Fach haben. Die Fotos stellte sie samt dem Bericht ins Internet und rief zur Demo auf. Jeder, der Lust hatte, durfte mitmachen. Außerdem suchte sie Menschen, die bei der Sanierung behilflich sein könnten. Firmen und Privathaushalte wurden zu Spenden aufgerufen. In kürzester Zeit hatte sie eine Riesenkampagne auf die Füße gestellt. Ihr Chef, dem sie alles zeigte, war erfreut über das Engagement für die Story. Nach einer Woche war es dann so weit, die Demo war angemeldet und genehmigt. Caro traf sich mit der Leitung in der Innenstadt, und sie teilten gemeinsam die Flugblätter aus. Jetzt hoffte sie auf zahlreiches Erscheinen des Volkes. Es war ein voller Erfolg. Sie bekamen fast 2.000 Pfund an Spendengeldern, Firmen wie Schreiner, Klempner, Bauarbeiter und so weiter trugen sich in die Liste zur freiwilligen Instandsetzung ein. Sogar eine Tierfutterhandlung sponserte Futter für die Tiere. Caro war total aus dem Häuschen, sie hätte nie gedacht, dass sie all das schaffen und erreichen würde. Knapp ein Jahr später waren die Arbeiten erledigt, und das Tierheim erschien im neuen Licht. Eine Tierärztin übernahm ehrenamtlich die medizinische Versorgung der Tiere. Bei der Neueröffnung wurde für all die Helfer eine Tafel aufgestellt. An erster und oberster Stelle war der Name von Caro und der Redaktion zu lesen. »Ich gratuliere Ihnen«, sagte der Chef am nächsten Tag zu Caro. »Ich denke, wir haben uns da eine hoch lobenswerte Mitarbeiterin geangelt. Weiter so!« Damit verließ er ihren Arbeitsbereich. Caro war erfreut, ihr alter Chef hätte sich nie dazu herabgelassen, höchstpersönlich zu gratulieren. Diesen Tag feierte sie mit einem Glas Sekt zu Hause. Die Zeit in der Redaktion verging wie im Flug. Caro war jetzt schon seit drei Jahren in dieser Firma und hatte den Arbeitsplatzwechsel nicht ein einziges Mal bereut. Ihr Chef war nach wie vor von ihrer Arbeit begeistert und teilte ihr weiterhin lukrative Aufgaben zu. Der neue Bericht führte sie ins Ausland. Sie sollte Informationen über eine Firma besorgen, die laut Bevölkerung das Grundwasser mit Altöllasten vergiftete. Bei den Recherchen trat Caro in ein Wespennest. Schnell bekam sie die Wut der Firmenleitung zu spüren. In die Pension, in der sie für den Auftrag wohnte, kamen Drohbriefe. Sie solle mit dem Spionieren aufhören, sonst würde es ihr an den Kragen gehen und so weiter. Sie teilte dies ihrem Chef mit, der darauf bestand, dass sie sofort nach Hause kommen solle. Doch Caro dachte nicht im Traum daran, aufzugeben. Sie sammelte die Drohbriefe in einem Ordner und spitzelte weiter. Das nächste Mal wurden die Reifen an ihrem Mietwagen zerstochen. Sie belauschte die Mitarbeiter und fotografierte jede Kleinigkeit. An einem Mittwoch verfolgte sie einen Lastwagen, der das Firmengelände mit verschiedenen Fässern verließ. Diese wurden in ein abgesperrtes Lager verbracht, das mit Video überwacht wurde. Caro fotografierte alles und begab sich auf den Heimweg. Während sie eine Pizza vom Italiener an der Ecke aß, überlegte sie, wie sie in dieses Verlies hineinkam, ohne entdeckt zu werden. Es war ihr bewusst, dass es schwierig werden würde, aber sie musste es versuchen. Wenn sie diesen Fall lösen könnte, dürfte sie erst mal Urlaub machen. Sie sichtete das Material, das sie bis jetzt gesammelt hatte, und wurde stutzig. Der Fahrer des Lkws kam ihr bekannt vor. »Woher kenne ich dich?«, fragte sie sich selbst. Sie überlegte, grübelte, aber kam nicht darauf. Da es schon spät war, entschied sie, Schluss zu machen, und begab sich zu Bett. Das Gesicht des Fahrers war ihr die ganze Nacht durch den Kopf gegangen. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Dieser Typ war schon einmal in einen Umweltskandal verwickelt gewesen. Damals hatte er für einen Metzger Gammelfleisch in Umlauf gebracht. Man hatte ihm nicht alles nachweisen können, und so bekam er nur eine minimale Strafe. Dem Metzger wurde die Lizenz entzogen und das Geschäft geschlossen. Caro rief ihren Chef an und teilte ihm die Neuigkeit mit. Gemeinsam überlegten sie, wie sie diese Sache auffliegen lassen könnten. »Es hilft nichts«, meinte Caro. »Wir brauchen mehr Beweise, das heißt, ich muss weiter ermitteln.« »Es ist gefährlich«, sagte ihr Chef. »Passen Sie auf sich auf, und wenn es zu brenzlig wird, dann verschwinden Sie. Haben Sie mich verstanden?« »Ja, ist okay«, sagte Caro und legte auf. Sie zog sich etwas Dunkles an, setzte eine Perücke auf, um nicht erkannt zu werden, und begab sich wieder auf Entdeckung. Sie ließ ihr Auto weiter weg auf einem Feldweg stehen und marschierte den Rest zu Fuß. Sie suchte sich einen geeigneten Platz, der von der Kamera nicht erfasst wurde, und nahm ihr Fernglas zur Hand. Wenn sie doch nur hineinsehen könnte, dann wäre es ihr möglich, einige eindeutige Fotos zu schießen. Dann kam plötzlich Bewegung ins Spiel. Das große Tor wurde geöffnet, und ein Lastwagen fuhr heraus. Wenige Minuten später kam der Nächste. Sie zählte sieben Stück. Auf dem Letzten war eine Schrift zu lesen. Es war ein Lkw der Mülldeponie, die am Ortsende ihren Sitz hatte. »Die Deponie hat ein eigenes Verbrennungssystem. Warum laden sie dann hier Fässer ab?«, fragte sie sich. Sie musste hinein, koste es, was es wolle. Sie suchte mit dem Fernglas die Kameras, zählte sie und schrieb die Richtungen auf, in denen sie platziert waren. Dann kam ihr eine geniale Idee, sie musste für einen Stromausfall sorgen, die Zeit nutzen und hineinschlüpfen. Caro kannte einen Hacker, für den wäre diese Aufgabe ein Leichtes. Sie blieb eine Weile sitzen, dann verließ sie unbemerkt ihren Posten. Als sie wieder zu Hause war, rief sie ihren Kumpel an. Sie klärte ihn auf und bat ihn, um den Gefallen, ihr zu helfen. Er war ein Typ, der für alles zu haben war. Je verbotener, desto besser. Er war ein echter Adrenalinjunkie. Genau das, was sie jetzt brauchen konnte. Caro und ihr Kumpel, der Fabi hieß, verabredeten sich für den nächsten Abend. Sie besorgte ihm ein Flugticket und versprach ihm, am Flughafen zu warten. »Geil«, meinte er. »Endlich mal was los. Ich dachte schon, ich würde an Langeweile sterben«, lachte er ins Telefon. Sie plauderten ein bisschen, dann legten sie auf. Am nächsten Tag fuhr sie zum Flughafen, um ihren Kumpel abzuholen. Er hatte eine Tasche mit seinen Geräten bei sich, die er für den Einsatz brauchte. Sie begrüßten sich und marschierten zum Auto. »Na, du verrücktes Huhn«, sagte er. »Hast mal wieder nichts Besseres zu tun, als anderen Leuten auf die Zehen zu steigen, was!« »Jap, du hast es erraten. Action ist mein zweiter Vorname, wie du weißt«, erwiderte sie und lachte. »Wie wäre es mit Essen?«, fragte sie ihn. »Aber immer doch«, antwortete er. »Jetzt, wo du es erwähnst, ich sterbe vor Hunger«, konterte er lachend. Sie kicherte und bog in eine Seitenstraße. »Hier gibt es alles, was dein Herz begehrt«, sagte sie. Caro parkte das Auto, und sie stiegen aus. Fabian, genannt Fabi eilte voraus. »Immer der Nase nach«, meinte er und öffnete ihr die Türe. Der Kellner brachte sie zu einem Tisch und nahm die Getränke auf. »So, du Biest«, sagte er. »Dann schieß mal los!« Caro erzählte ihm alles, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatte. Als der Kellner kam, unterbrach sie das Gespräch und wartete, bis er wieder weg war. Dann redete sie weiter. Fabi hörte ihr aufmerksam zu und fiel ihr kein einziges Mal ins Wort. »Und der Typ, den du gesehen hast, ist der, der mit dem Gammelfleisch zu tun hatte?«, fragte er. »Ja, da bin ich mir zu 100 Prozent sicher«, antwortete sie. »Hast du Fotos?«, erkundigte er sich. »Ja, jede Menge. Ich zeige sie dir, wenn wir in der Pension sind.« »Okay, dann lass uns jetzt essen, bevor alles kalt wird«, meinte er. Er schaufelte die Nahrung in sich rein, als wenn es morgen nichts mehr geben würde. »Möchtest du Nachtisch?«, fragte sie und rümpfte die Nase. »Klar, aber sowas von«, erwiderte er mit der Karte in der Hand. Er winkte den Kellner zu sich und gab erneut eine Bestellung auf. »Wie lange hast du schon nichts mehr gegessen?«, fragte sie ihn. »Ach, ähm, seit dem Frühstück, warum?« »Wie kann ein Mensch so eine Menge futtern?«, erkundigte sie sich. »Das ist gar nichts«, gab er zu und wartete auf den Nachschlag. Ganze drei Stunden später legte er endlich das Besteck zur Seite. »So, ich denke, das reicht bis zum Abendessen.« Caro blieb der Mund offen stehen. »Du willst heute Abend wieder essen?«, fragte sie entsetzt. »Warum nicht? Glaubst du, ich esse nur einmal am Tag? Mädchen, wovon träumst du denn? Ich bin ein Mann und kein Säugling«, sagte er ernst.»Okay, bist du dann fertig, oder fehlt etwas?«, fragte sie genervt. »Ne, du kannst jetzt zahlen, gab er zurück.« »Oh Mann, womit habe ich das verdient«, scherzte sie, beglich die Rechnung und verließ mit ihm die Gaststätte. Auf dem Weg zur Pension unterhielten sie sich über die Redaktion, ihren Chef und das Risiko, das sie einging. »Hast du Schiss?«, fragte sie ihn. »Ne, ich denke, es könnte amüsant werden. Außer sie erwischen uns, dann ist Schluss mit lustig.« »Ja, das sehe ich genauso«, meinte sie lächelnd. Der Rest der Fahrt verlief, ohne zu reden. »Wir sind da«, sagte sie und stellte den Wagen ab. An der Rezeption hatte sie heute Morgen Bescheid gegeben, so konnte er direkt auf sein Zimmer gehen. »Ich spring’ schnell unter die Dusche und komme dann zu dir«, sagte er und schloss seine Türe auf. Im nächsten Augenblick hörte er Caro schreien, er lief zu ihr und sah sie vor ihrer Türe stehen. »Was ist, hast du einen Geist gesehen?«, fragte er. »Du Idiot, sieh doch!« An ihrer Tür hing ein totes Eichhörnchen mit einem Zettel. Fabi nahm ihn und las vor: »›Das ist die letzte Warnung! Keinen Schritt weiter, sonst ergeht es dir wie diesem Tier.‹ Krass«, meinte er. »Du hast Freunde gefunden, würde ich sagen.« »Du hast sie doch nicht alle«, brach es aus ihr heraus. »Nimm es weg und entsorge es bitte.« »Und wo? Soll ich es im Klo runterspülen?« »Was weiß ich, schmeiß es aus dem Fenster, oder lege es einem anderen Gast vor die Tür«, schlug sie vor. »Du bist echt irre, weißt du das?«, fragte er und drehte sich zum Gehen. Er holte eine Tüte und brachte das Tier in den Müllcontainer, der hinter dem Haus stand. Als er damit fertig war, sprang er unter die Dusche und eilte dann zu Caro zurück. »Legen wir los«, meinte er und nahm Platz. Sie zeigte ihm ihr Material, das sie bisher gesammelt hatte und überlegte mit ihm, wie sie am besten vorgehen könnten. Fabi sah sich die Pläne und Zeichnungen an, die sie angelegt hatte. Er tippte alles in sein Laptop ein und fertigte eine Skizze der Umgebung. »Wenn ich den Strom unterbreche, haben wir maximal zehn Minuten, um da reinzukommen«, sagte er. »Glaubst du, wir schaffen das?«, fragte sie ihn. »Wir haben nur diesen einen Versuch, dann werden sie ihren Notstromgenerator einschalten.« Caro überlegte kurz, dann sagte sie: »Das packen wir, wenn wir erst mal drinnen sind, sehen wir weiter.« »Okay, wann geht es los?« »Ich richte mich nach dir«, antwortete sie. »Dann würde ich sagen, wir fangen gleich um sechs Uhr damit an. Aber bevor wir schlafen gehen, hätte ich eine Bitte.« Caro schaute ihn an und sagte: »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?« »Ich kann nichts dafür, ich habe Hunger«, antwortete er leise. »Okay, was möchtest du?« »Gibt es eine Speisekarte?«, erkundigte er sich. »Nein, aber ich lasse uns eine kommen«, meinte Caro kopfschüttelnd. Nachdem die Karte gebracht worden war, bestellte sie sein Essen. Es war ihr ein Rätsel, wie ein einziger Mensch so eine Menge futtern konnte, ohne dass ihm übel wurde. Nach dieser üppigen Mahlzeit be- gab er sich auf sein Zimmer und fiel ins Bett. Zum Ausziehen war er zu faul und schlief in voller Montur ein. Caro stellte ihren Wecker, damit sie nicht verschliefen. Die Nacht war nicht erholsam, da ihr immer wieder das tote Tier einfiel. Pünktlich um sechs Uhr klingelte der Wecker, sie zog sich an und eilte zu Fabi. »Hey Schlafmütze, aufstehen«, rief sie.»Jetzt nicht«, meinte er und wollte sich wieder umdrehen. Caro aber zog ihm die Decke weg und gab ihm einen Schubs. »Raus, wir haben etwas zu erledigen«, rief sie. »Oh Mann, du bist ätzender als meine Mutter«, motzte er und setzte sich auf. »Nimm, was du brauchst, und beweg dich endlich«, rief sie ihm zu. »Okay, Mama«, antwortete er grinsend. »Aber bevor wir losziehen, muss ich etwas essen, ich kann mit leerem Magen nicht arbeiten«, meinte er. »Das gibt es doch nicht, wann hast du denn keinen Hunger?«, fragte sie ihn verärgert. »Okay, zieh dich an. Ich gehe runter in die Küche und lasse dir etwas einpacken. Leg dich ja nicht wieder hin, sonst lernst du mich kennen«, zischte sie und verließ sein Zimmer. Angewidert stand er auf und zog sich an. Dann schnappte er sich seine Tasche und eilte hinunter zu Caro. Sie wartete mit Essen in einer Tüte am Eingang. »Na endlich, ich dachte schon, du hättest dich wieder hingelegt.« »Nein, wie du siehst, hab’ ich das nicht, sonst wäre ich jetzt nicht hier«, erwiderte er mürrisch. »Hier, nimm dein Essen und komm«, sagte Caro lachend. Sie verließen die Pension und begaben sich zu ihrem Auto. Nachdem sie eingestiegen waren, packte Fabi die Tüte aus und begann zu futtern. Sie besprachen erneut den Plan, bevor sie am Ziel waren. Caro parkte das Auto in sicherer Entfernung. Sie stiegen aus und schlüpften in die Tarnanzüge, die Caro extra gekauft hatte. Dann schnappte sich jeder von beiden die Tasche, und sie marschierten los. Als sie auf ihrem Spähposten waren, fing Fabi an, mit seinem Laptop zu hantieren. Er hackte sich in das Deponiegebäude ein. »Wenn ich jetzt diesen Knopf drücke, gehen der Reihe nach die Lichter dort unten aus. Wir müssen uns beeilen, denn wir haben maximal zehn Minuten Zeit, da reinzukommen«, erklärte er. »Alles verstanden?«, fragte er. »Ja, hab’ ich«, antwortete sie. Er drückte, und die Zeit lief. Sie schlichen halbgeduckt auf den dunklen Eingang zu und krochen durch das nicht fast geschlossene Tor. Die Männer in diesem Lager liefen wirr und fluchend durcheinander. Caro und Fabi suchten sich ein Versteck, in dem sie, wenn das Licht wieder anging, unbemerkt blieben. Es stank nach altem Öl, der Boden war teils glitschig, und manche Fässer lagen umgekippt auf dem Boden. »Was ist das?«, fragte Caro. »Ich denke, die lassen hier Altöl verschwinden«, meinte Fabi flüsternd. Arbeiten die hier die ganze Nacht?, fragte er. »Bis jetzt war ab 22 Uhr niemand mehr zu sehen. Ich glaube, das ist die letzte Schicht des Tages«, erwiderte Caro leise. »Okay, dann müssen wir so lange warten«, sagte Fabi. Sie blieben in ihrem Versteck, es dauerte nicht lange, und der Strom war wieder an. Zwei Männer unterhielten sich lautstark über den Stromausfall. Der eine meinte: »Das kann schon mal vorkommen, es ist ja nichts passiert.« Darauf der andere: »Ja, aber wieso ausgerechnet hier?« »Ist doch jetzt egal. Hauptsache, es funktioniert wieder«, schrie der eine zurück. »Hast ja recht, jetzt treib die Leute an, wir müssen bis 22 Uhr fertig sein.« »Alles klar, das schaffen wir schon«, war die Antwort. Caro und Fabi warfen sich einen Blick zu und lächelten. Plötzlich hörte Caro ein Grummeln. »Was war das denn?«, flüsterte sie. Fabi verdrehte die Augen und deutete auf seinen Bauch. »Ich habe Hunger«, gab er beschämt zurück. »Das kann jetzt nicht dein Ernst sein, du hast doch gegessen«, meinte sie und schüttelte dabei den Kopf. Er flüsterte: »Ich sagte doch, ich bin ein Mann und kein Säugling.« »Das hilft dir jetzt reichlich wenig, da musst du durch«, erwiderte sie. Er verzog das Gesicht und kauerte sich wieder auf den Boden. Dann war aufkommende Hektik unter den Arbeitern zu spüren, sie wurden angetrieben wie Sklaven. »Los, beeilt euch, die letzte Fuhre muss entsorgt werden, bevor wir gehen«, brüllte ein großer, stämmiger Typ. Leider konnte Caro nichts erkennen, sie musste warten, bis die Männer das Lager verließen. Sie schaute auf die Uhr. Es war 21 Uhr 30. Eine halbe Stunde, dann würden die Männer das Tor schließen, und sie konnten endlich ihre Spionage betreiben. Fabi war eingeschlafen, zum Glück schnarchte er nicht. Caro saß mit ihrem Fernglas auf der Lauer. Da war er wieder, der Typ vom Metzger. Wenn sie doch nur seinen Namen wüsste, dachte sie sich. Aber egal, wenn sie dieses Ding hier auffliegen ließ, würde sie ihn erfahren. Dann war es so weit, die Arbeiter beendeten ihre Schicht und verließen nacheinander das Lager. Der letzte, der verschwand, war der stämmige Typ. Caro konnte ungesehen ein Foto von ihm schießen. Sie weckte Fabi auf und meinte: »Hey, du Schlafmütze, jetzt ist es gleich soweit. Wir warten, bis wir nichts mehr hören, dann schleichen wir runter.« »Okay«, meinte er verschlafen. »Habe ich etwas verpasst?« »Nein, ich denke nicht«, antwortete sie. Nach einer halben Stunde meinte Caro: »Ich glaube, die Luft ist rein, lass uns anfangen.« Sie krochen leise und vorsichtig aus ihrem Versteck. »Wonach suchen wir jetzt genau?«, fragte Fabi. »Wir müssen herausfinden, was und wo sie es entsorgen«, sagte Caro. »Wir machen Fotos, dokumentieren alles und verschwinden wieder. Kannst du dich in die Kameras hacken?«, erkundigte sie sich. »Klar, das müsste zu schaffen sein«, antwortete Fabi. »Na dann, auf was wartest du?«, fragte sie genervt. Er legte los, er hackte auf seinem Laptop herum, dass sie mit dem Schauen nicht mehr nachkam. Kurz darauf meinte er: »So, das ist die letzte, dann bin ich fertig.« »Okay, können wir uns jetzt ungesehen bewegen?« »Ja, kein Problem.« Caro knipste erst ein paar Fotos von den Fässern, dann nahm sie sich die umgekippten vor. »Igitt, wie das stinkt«, meinte sie. »Du hattest recht«, sagte Fabi. »Das ist Altöl. Schauen wir mal da hinten, ob wir eine Spur finden.« Sie tappten vorsichtig weiter in das Lager und standen plötzlich vor einem riesigen Loch im Boden. »Ich fasse es nicht«, rief Caro empört. »Die kippen das Zeug ohne Gewissensbisse so in ein Loch und lassen es im Erdreich versickern.« Sie fotografierte wie eine Wilde alles, was ihr in den Weg kam. »Caro, komm jetzt, sonst werden sie misstrauisch, ich muss die Kameras weiterlaufen lassen.« »Ja, ich bin ja schon fertig«, antwortete sie. »Ich bräuchte eine kleine Flasche. Siehst du so etwas in der Art?«, fragte sie ihn. »Nein. Doch, Moment. Geht das?«, meinte er und hob eine leere Bierflasche auf. »Perfekt, hau her!« Sie füllte etwas Altöl in die Flasche und stopfte ein Taschentuch als Deckel drauf. »So, jetzt nichts wie weg hier«, rief Fabi und lief voraus. Er suchte einen Ausgang und fand ein loses Blechteil in der Wand. »Caro, hier, da können wir durchschlüpfen.« Sie zwängte sich als Erste durch und schaute sich vorsichtig um. »Okay, die Luft ist rein, schnell jetzt.« Als Fabi im Freien war, ließ er die Kameras weiterlaufen. Sie mussten am Boden kriechen, bis sie die letzte Kamera hinter sich hatten und ohne Gefahr aufstehen konnten. Ohne erwischt worden zu sein, kehrten sie in die Pension zurück. Während Fabi seinen Hunger stillte, besah sich Caro die Beweisbilder. Zufrieden ließ sie sich in den Stuhl sinken und rieb sich die Hände. »Das war es, Kameraden, jetzt seid ihr fällig.« Sie packte alles, was sie hatte, Fotos, Notizen, USB-Sticks, eben das ganze Beweismaterial, in einen Karton und klebte ihn zu. Da sie mit unliebsamem Besuch rechnete, gab sie der Pensionswirtin das Paket zur Aufsicht. Danach gönnte sie sich ein Bad, trank ein Glas Wein mit Fabi und begab sich dann zu Bett. Am nächsten Morgen saß sie beim Frühstück, als ihr Kumpel erschien. »Hey, bist du schon lange wach?«, erkundigte er sich. »Ein bisschen, warum?« »Nur so«, entgegnete Fabi. »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte er. »Wir fahren zum Flughafen, setzen uns in die Maschine und flie- gen nach Hause«, erwiderte sie. »Vorher bringen wir ein Paket zur Post und das Auto zur Autovermietung«, meinte sie. »Darf ich vorher etwas essen?«, fragte Fabi und lächelte dabei. »Ehrlich, ich habe nie einen so gefräßigen Menschen gesehen, wie du einer bist«, gab sie lachend zurück. Er bediente sich am Büfett und nahm neben Caro Platz. Die Wirtin kam an den Tisch und hatte ein Angebot für Caro. »Mein Angestellter fährt zur Post, soll er Ihr Paket gleich mitnehmen?«, fragte sie. »Ja, das wäre echt nett. Moment, ich schreibe meine Adresse schnell drauf.« Sie stand auf, nahm einen Stift und beschriftete das Paket. Dann drückte sie dem Mann Portogeld in die Hand und trat wieder zu Fabi. »Kannst du dein Laptop verstecken?«, fragte sie. »Mein Koffer hat einen doppelten Boden. Wieso?« »Ich habe da so ein mulmiges Gefühl«, meinte sie. »Speichere alles, und schalte ihn ab.« »Okay, aber darf ich fragen, aus welchem Grund?«, erkundigte er sich. »Ich glaube, dass wir bald Besuch bekommen«, erklärte sie. »Na dann«, sagte er, stand auf und trat an seinen Koffer. Als er damit fertig war, bezahlte sie die Rechnung und verabschiedete sich von der Pensionswirtin. Da sie von Anfang an vorsichtig gewesen war, hatte sie zwei falsche Namen angegeben. Somit konnten sie und ihr Kumpel nicht so schnell gefunden werden. »Wann geht unser Flieger?«, fragte Fabi. »In circa drei Stunden«, antwortete sie. »Ich würde meinen, dass wir uns dann langsam vom Acker machen sollten«, schlug er vor. »Ich bin deiner Meinung«, erwiderte sie und nahm ihre Tasche. Fabi schüttelt der Wirtin die Hand und bedankte sich vor allem für das leckere Essen. Dann verließen sie die Pension und stiegen ins Auto. Nach kurzer Zeit meinte Caro: »Ich denke, unser Besuch hängt uns schon am Arsch!« »Was, wo?«, rief Fabi nervös. »Sieh unauffällig nach hinten«, sagte sie. Er klappte seinen Spiegel auf und sah einen blauen Jeep. »Meinst du, es ist einer von denen?«, fragte er. »Ja, das Gesicht kommt mir bekannt vor«, antwortete sie. »Wenn er uns rammen möchte, muss er es bald machen, denn in der Stadt hat er keine Gelegenheit mehr dazu.« »Na, dann anschnallen bitte«, meinte Fabi und legte den Gurt an. »Okay, es geht los«, sagte Caro. »Er fährt dichter auf, als er sollte.« Dann gab es den ersten Kontakt. Er stieß mit seinem Jeep gegen Caros Auto. »Sag mal, hat der ’ne Meise«, rief Fabi verblüfft. »Der will uns den Abhang runterschieben«, erwiderte sie. »Aber so leicht mache ich es ihm nicht«, sagte sie trotzig. »Ich hab’ schon einiges mitgemacht, ich bin kein Anfänger.« Sie gab Gas und verschaffte sich einen kleinen Vorsprung. Als er wieder hinter ihr war, trat sie kurz auf die Bremse und ließ ihn auffahren. »Caro, spinnst du«, schrie Fabi erschrocken. »Das Auto gehört dir doch nicht.« »Na und, ich bin versichert.« Dann trat sie erneut aufs Gas und stieg in die Bremse. Diesmal verkeilte sich sein Wagen in ihrem und blieb hängen. »Und jetzt, du Adrenalinjunkie«, brüllte Fabi in ihre Richtung. »Bleib cool, und mach dir nicht ins Höschen«, sagte Caro und lachte. »Da vorne kommt gleich eine Kurve, wenn er nicht dagegenlenkt, schmiert er ab«, meinte sie. Sie beschleunigte, bremste und gab wieder Gas. In diesem Moment löste sich sein Wagen. Bevor er reagieren konnte, kam die Kurve und er flog in hohem Bogen raus. Sie hielt kurz an und fuhr dann weiter. Der nächste Angriff ließ nicht lange auf sich warten. Als sie aus der Autovermietung kamen und zum Flughafen gingen, wurden sie von zwei Typen überfallen. Der eine riss Caro zu Boden und schrie sie an: »Wo ist das Video, du blöde Kuh.« »Ich habe keins«, antwortete sie. »Schnapp dir ihre Fototasche und dann nichts wie weg.« Fabi wollte das verhindern und ging durch einen Kinnhaken zu Boden. »Lasst ihn in Ruhe, ihr Schweine«, schrie Caro. Sie entrissen ihr die Tasche und schlugen ihr ins Gesicht. Benommen blieb Caro am Boden liegen. Eine Passantin, die diesen Überfall gesehen hatte, alarmierte die Polizei. Die Beamten wollten sie und ihren Kumpel in die Klinik bringen lassen, doch Caro war dagegen, sie stieg mit Fabi ins Flugzeug und flog nach Hause. Gleich nach ihrer Ankunft rief sie ihren Chef an. Sie berichtete ihm in einer Kurzfassung den Stand der Dinge und verabredete sich für morgen mit ihm. Fabi fuhr in seine Wohnung und bestellte erst einmal etwas zu essen. »Melde dich, wenn du bei deinem Chef warst«, meinte er beim Verabschieden. Als beide zu Hause waren, versorgten sie erst einmal ihre geschundenen Körper. Caro hoffte, dass ihr Paket morgen ankommen würde, denn sie brauchte die Beweise für ihren Chef. Nachdem sie sich geduscht hatte, begab sie sich zu Bett. Sie brauchte dringend Schlaf, alles andere würde sie morgen erledigen. Am nächsten Tag wurde sie durch die Klingel an der Wohnungstür geweckt. Sie stand auf, warf sich ihren Morgenmantel über und eilte zur Tür. Der Postbote wartete, dass sie öffnete. Sie machte auf, grüßte ihn, unterschrieb und nahm ihr Paket entgegen. »Gott sei Dank«, sagte sie laut zu sich selbst. Sie schnitt es auf, nahm den Inhalt heraus und überprüfte, ob alles da war. Dann legte sie es zur Seite, zog sich an und verließ mit ihrem Beweismaterial das Haus. Sie verstaute das Paket im Kofferraum, überzeugte sich, dass sie nicht beobachtet wurde, und fuhr los. Ihr Chef saß in seinem Büro und erwartete sie. »Bin ich froh, Sie lebend wiederzusehen«, sagte er zu Caro. Sie stellte das Paket auf einen leeren Stuhl, gab ihrem Chef die Hand und lachte. »Das Veilchen steht Ihnen«, meinte er lachend. »Danke für das Kompliment«, erwiderte sie. Er verschränkte die Hände und meinte: »Dann lassen Sie mal hören!« Caro fing zu erzählen an, sie zeigte ihm die Fotos, ließ ihn die Videoaufnahmen sichten und gab ihm die Flasche mit der Flüssigkeit. »Das nenne ich eine gelungene Recherche«, sagte er und war zufrieden. »Verfassen Sie einen ordentlichen Bericht, und wir werden damit an die Öffentlichkeit gehen«, versprach er. Caro setzte sich sofort an ihren Computer und fing an, eine Story darüber zu schreiben. Den fertigen Artikel legte sie am nächsten Tag ihrem Chef vor. »Das ist klasse«, meinte er. »Ich habe mit der Staatsanwältin heute um 15 Uhr einen Termin vereinbart«, sagte er. »Ich möchte, dass Sie mich begleiten. Wäre das in Ordnung für Sie?«, fragte er. »Auf jeden Fall«, gab sie zur Antwort. »Ich freue mich schon, die- sen Umweltverschmutzern das Handwerk zu legen«, erklärte sie ihm lächelnd. Am nächsten Morgen frühstückte sie zu Hause, bevor sie sich auf den Weg zur Redaktion machte. Sie setzte sich an ihren Arbeitsplatz und schaltete den Computer an. Wie jeden Tag überprüfte sie zuerst ihre Mails. Nanu, sie hatte Nachricht von Fabi bekommen. »Wieso schreibt er, anstatt mich anzurufen?«, fragte sie sich. Caro öffnete die Nachricht und fing zu lesen an. Hey Caro! Sorry, dass ich dir schreibe, ich traue mich nicht vor die Tür und habe Angst, dass mein Telefon abgehört wird. Ich habe Post bekommen. Man hat mir gedroht, sollte ich Stress machen, würden sie mich besuchen. Ich muss dringend mit dir sprechen! Bitte überleg dir was und schreibe schnellstmöglich zurück. Caro saß am PC und schüttelte den Kopf. »Was soll denn das?«, sagte sie laut. Kurz dachte sie nach, erhob sich und klopfte bei ihrem Chef an. »Herein«, war zu hören. Caro trat ein und fragte, ob er kurz Zeit für sie hätte. »Ja, klar, setzen Sie sich doch bitte.« Sie nahm Platz und erzählte ihm von der Mail ihres Kumpels. »Hm«, sagte er und sah sie nachdenklich an. »Wir müssen unbedingt mit ihm sprechen, aber wo und wie? Glaubt er, dass er beobach- tet wird, was denken Sie?« »Ich weiß nicht«, meinte Caro. »Fabi ist normalerweise kein Schisser«, sagte sie. »Ich denke, er hat einen Grund, mir per Mail zu schreiben.« »Okay, dann werden wir ihn besuchen müssen«, erwiderte ihr Chef. »Ja, aber wie? Wir können unmöglich so mir nichts, dir nichts hinfahren und reinspazieren.« »Das lassen Sie mal meine Sorge sein«, antwortete er und lächelte. Caro war verwirrt und wusste nicht, was sie denken sollte, sie stand auf und ging zur Tür. »Vergessen sie mir ja nicht den Termin mit der Staatsanwältin«, rief er ihr nach. Sie ging wie ein Roboter zu ihrem Arbeitsplatz und setzte sich. Sie verstand gar nichts mehr. Wer drohte ihrem Kumpel, und was würden sie ihm antun? Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Und genau das machte sie stinksauer. Um sich etwas abzulenken, holte sie sich einen Kaffee. Mit dem Becher in der Hand steuerte sie wieder auf ihren Platz zu. Als sie sich eben setzen wollte, öffnete sich die Türe ihres Chefs. Er rief ihr zu, sie solle bitte sofort kommen. Caro stellte ihren Kaffee ab und marschierte zu ihm. »Schließen Sie bitte die Türe«, forderte er sie auf. Dann nahm sie Platz und wartete gespannt, was er ihr zu sagen hatte. »Ich habe einen Kumpel, der ist Busfahrer«, erzählte er. »Dieser fährt mit uns zu Ihrem Freund und lässt uns vor der Haustüre ausstei- gen. So werden wir vor unliebsamen Beobachtungen geschützt. Heute Abend um 17 Uhr 30 wird er uns hier abholen. Bitte informieren Sie Ihren Freund von unserem Plan. Haben Sie das verstanden?«, fragte er. »Ja, klar, ich bin ja nicht von gestern«, konterte sie direkt. Er stand auf, trat zur Tür, öffnete diese und meinte: »Wir sehen uns um 15 Uhr hier in meinem Büro.« Caro verließ das Büro mit einem flauen Gefühl in der Magengegend. An ihrem Arbeitsplatz angekommen, nahm sie einen Schluck Kaffee und schrieb Fabi. Die Mail lautete: »Komme heute gegen 18 Uhr mit einem Linienbus zu dir. Bitte öffne schnell, damit uns niemand sehen kann.« Fabi musste vor dem PC sitzen, denn er las die Mail sofort. Caro schaltete den Computer aus und ging zum Mittagessen. In der Kantine wählte sie ihr Menü, nahm eine Zeitung und suchte sich einen freien Platz. Sie überflog die Nachrichten, konnte sich aber nicht konzentrieren, in Gedanken war sie bei ihrem Kumpel. Plötzlich erschien ihr Chef in der Kantine. Sie dachte sich nichts dabei, da er sich einen Kaffee holte. Sie schaute weiter in die Zeitung, als er vor ihr stand. »Caro, Entschuldigung für die Störung, die Staatsanwältin bittet uns, schon früher zu kommen.« »Okay, und wann genau, wenn ich fragen darf?«, erwiderte sie. »In einer Stunde«, meinte ihr Chef. »Das geht klar, ich bin mit meiner Arbeit fertig und habe Zeit«, sagte sie. »Na, dann können wir ja nach dem Essen los«, antwortete er. »Ich erwarte Sie in einer halben Stunde an meinem Auto, ist das okay?« »Ja, klar, ich werde pünktlich sein«, erwiderte sie und trank einen Schluck. Ihr Chef leerte die Tasse, stellte sie auf ein Tablet und verließ die Kantine. Caro schaute immer wieder auf die Uhr, um ja nicht zu spät zu kommen. Nach 20 Minuten stand sie auf, trug ihr Tablet zur Sammelstelle und begab sich auf den Weg zum Parkplatz. Ihr Chef erwartete sie schon und öffnete ihr die Autotür. Er startete den Motor und legte den Gurt an. »Bitte schnallen Sie sich an«, sagte er mit einem Blick auf Caro. Die erste Zeit wurde nichts gesprochen, Caro schaute zum Fenster hinaus und ihr Chef lauschte der Musik. Auf einmal fing er zu reden an, er meinte: »Hoffentlich reichen die Beweise, denn mehr bekom- men wir nicht.« »Leider«, antwortete Caro. »Haben Sie etwas über den Fahrer herausgefunden?«, fragte sie ihn. »Ja, er ist mehrfach wegen dunkler Machenschaften vorbestraft. Der andere, stämmige Typ, gehört derselben Gruppe an.« »Haben sie alles dabei?«, fragte Caro. »Ja, liegt auf der Rückbank«, antwortete er. Für den Rest der Fahrt war erneutes Schweigen angesagt. Als sie bei der Staatsanwältin ankamen, nahm ihr Chef die Beweismittel von der Rückbank und sperrte das Auto ab. Er ging voraus und stellte Caro vor. Sie gaben sich die Hand und folgten der Dame in ihr Büro. Die Sekretärin hatte Kaffee, Kekse und Wasser bereitgestellt. Die Staatsanwältin bat sie, Platz zu nehmen. »So, Konrad«, so hieß der Chef von Caro, »was haben Sie mir anzubieten?«, fragte sie höflich. »Wir haben Fotos, Videos, Zeitpläne, eine Probe der Flüssigkeit und Autonummern.« »Das nenn’ ich mal eine Beweiskette«, sagte sie erfreut. Das Sichten der Beweise dauerte fast drei Stunden. Einige Gesichter der miesen Truppe waren bekannt. »Oje«, sagte die Staatsanwältin, als sie den Kopf der Bande sah. »Bei diesem Typen ist Vorsicht geboten«, meinte sie skeptisch. »Der schreckt vor nichts zurück, ein absolut aggressiver Zeitgenosse«, gestand sie. »Was glauben Sie, haben wir eine Chance vor Gericht?«, erkundigte sich Konrad. »Ich möchte nichts verschreien, aber ich denke schon. Die Beweise sind erdrückend. Sie können dankbar für so eine engagierte Reporterin sein«, meinte sie und nickte Caro zu. »Seien Sie vorsichtig, diese Typen könnten hinter jedem Busch lauern«, warnte sie Caro. »Sprechen Sie mit niemandem darüber, bevor wir die Sache nicht in trockenen Tüchern haben«, sagte sie zu Caro und Konrad. »Diese Angelegenheit ist topsecret. Haben Sie das verstanden?« Beide nickten und waren etwas nervös. »Sie haben da einen dicken Fisch an Land gezogen, das ist kein Scherz. Sollte Ihnen etwas komisch vorkommen, melden Sie sich bitte sofort bei mir. Ich werde dann sehen, wie ich Ihnen helfen kann.« Die Beweise schloss die Staatsanwältin in ihrem Beisein in einen Tresor und verabschiedete sich von den beiden. Sie stiegen ins Auto und machten sich auf den Weg zum Treffpunkt mit dem Linienbus. Dort angekommen wechselten sie ihre Kleidung und setzten Perücken und Sonnenbrillen auf. Sie sprachen kein Wort miteinander, jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Dann fuhr der Bus vor, hielt an, die beiden stiegen ein, und die Fahrt begann. Die Scheiben des Fahrzeugs waren getönt, somit konnte man von außen nichts erkennen. Der Fahrer sprach kurz mit Konrad und schwieg dann wieder. Nach 25 Minuten waren sie am Ziel. Der Bus hielt an, öffnete die Tür, die beiden sprangen raus und liefen direkt in die Wohnung von Fabi. »Wie seht ihr denn aus?«, platzte es aus ihm heraus. »Wir müssen vorsichtig sein, mit den Typen ist nicht zu scherzen«, erklärte Konrad. »Werden Sie überwacht?«, fragte er Fabi. »Ich habe bis jetzt keinen gesehen, wenn Sie das meinen«, antwortete er. Sie setzten sich ins Wohnzimmer, und Fabi zeigte ihnen den Drohbrief. Konrad las ihn aufmerksam durch und rümpfte dann die Nase, das war eine Eigenart, die er immer dann machte, wenn er nicht weiterwusste. »Woher kennen die Ihren Namen und den Wohnort?«, fragte er Fabi. »Ich denke, die haben mich über die IP-Adresse gefunden«, erklärte er. »Ja, das könnte sein«, meinte Konrad. »Haben Sie eine Sicherungs-

CD gemacht?«, erkundigte sich Caros Chef. »Ja, klar, ich habe sie in ein Schließfach gebracht«, erwiderte Fabi. »Das war ein genialer Einfall. Packen Sie Ihre Sachen, das Laptop bleibt hier. Alles, was wichtig für Sie ist, nehmen Sie mit.« »Aber ich brauche mein Laptop zum Arbeiten«, warf Fabi ein. »Sie bekommen ein neues von mir«, sagte Konrad lächelnd. »Ich hoffe, dass sich in dieser Wohnung keine Wanzen befinden«, meinte Konrad besorgt. »Das habe ich gecheckt«, erwiderte Fabi. »Meine Bude ist sauber.« »Okay, dann beeilen Sie sich jetzt, wir müssen hier weg, bevor es zu spät ist.« Fabi rannte los, packte das Wichtigste ein und zog sich an. »Bin fertig«, japste er nach kurzer Zeit. Konrad rief seinen Busfahrer an und gab ihm Bescheid, dass sie bereit waren. Die drei verließen eilig die Wohnung und sprangen in den Bus. »Wo fahren wir jetzt hin?«, erkundigte sich Fabi. »Wir haben eine Unterkunft, die für Kronzeugen genutzt wird«, erwiderte Konrad. »Ihre Sachen«, meinte er zu Caro, »habe ich schon holen lassen. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, aber ich durfte vorher nichts sagen. Caro war so verdattert, dass sie keine Antwort darauf geben konnte. Zum ersten Mal fehlten ihr die Worte. »Leute, ich werde euch jetzt die Augen verbinden, damit ihr nichts sehen könnt«, meinte Konrad. »Ihr dürft weder den Weg noch sonst irgendetwas von dem Standort wissen«, erklärte er den beiden. »Das klingt ja, als wären wir Verbrecher«, empörte sich Fabi. »Nein, seid ihr nicht, aber hier geht es um eure Sicherheit«, erwiderte Konrad. »Mit diesen Leuten ist nicht zu scherzen, wir müssen vorsichtig sein«, erklärte er. Nach einer längeren Fahrt erreichten sie ihr Ziel. Konrad stieg aus und öffnete die Autotüren. Er half den beiden heraus und brachte sie in die Wohnung. Dort angekommen zeigte er ihnen die Räumlichkeiten und erklärte, dass dies für die nächste Zeit ihr Zuhause sein würde. Sie waren komplett von der Außenwelt abgeschirmt. Es gab weder Telefon, Handys noch Besuche. Alles, was sie brauchten, würde geliefert werden. Caro ließ sich mürrisch auf einen Stuhl fallen, und Fabi stand mit offenem Mund im Raum. »Seht das doch positiv«, meinte Konrad mit einem gekünstelten Lächeln. »Was bitte soll ich hier positiv sehen?«, fragte Caro gereizt. »Was sollen wir denn den ganzen Tag lang machen?« »Ihr könntet lesen, fernsehen, pokern, was weiß ich«, antwortete Konrad. »Wie stellt ihr euch das denn vor? Ich muss zur Arbeit«, konterte Fabi genervt. »Ihr seid beide freigestellt, ihr braucht nicht zu arbeiten.« »Konrad, ich kann das nicht«, sagte Caro mit Tränen in den Augen. »Ich drehe durch, wenn ich nichts zu tun habe!« »Okay, ich erkläre es gerne von vorne«, erwiderte Konrad. »Die Leute, die für den Umweltskandal verantwortlich sind, haben Fabis Adresse rausgefunden und werden sicher ebenso Ihre finden. Die gehen über Leichen, um das Geschäft weiterführen zu können. Ihr beide habt sie erwischt und seid ihnen ein Dorn im Auge. Denkt mal an die Drohungen und den Überfall«, erklärte Konrad. »Wollt ihr länger leben oder die Radieschen von unten wachsen sehen?«, fragte er. »Dann geben Sie uns doch wenigstens eine Aufgabe«, bat Caro. »Ich werde sehen, was ich für euch machen kann«, antwortete Konrad. »Wie können wir Sie erreichen?«, fragte Fabi, der das Ganze nicht verstehen konnte. »Ich trete mit euch in Kontakt, wenn es etwas zu berichten gibt.« Mit dieser Antwort drehte er sich um und verließ das Gebäude. »Weißt du was, ich fühle mich wie im Gefängnis«, schrie Caro ihren Kumpel an. »Ich denke nicht im Traum daran, hierzubleiben, während die anderen meinen Job erledigen.« »Caro, so sei doch vernünftig. Das sind echt kriminelle Typen, die würden uns umlegen, bevor wir sie sehen könnten.« »Sag mal, hast du echt die Hosen so voll, oder übertreibst du?«, konterte Caro. »Ja, ich gebe zu, ich habe Angst um unser Leben. Wir haben einiges zu erledigen, bevor wir in die Unterwelt treten.« »Glaubst du, was du eben gesagt hast?«, fragte sie ihn. »Ja, ich denke schon«, meinte er beleidigt. »Okay, ich würde vorschlagen, wir schauen jetzt mal, was es hier zu essen gibt«, sagte Caro. »Mir knurrt der Magen, und ich werde dannextrem launisch.« Sie stand auf, betrat die Küche und öffnete den Kühlschrank. »Wow, schau dir das an, Fabi. Die haben echt an nichts gespart«, rief sie ihrem Kumpel zu. Er befand sich jetzt neben ihr und lachte. »Yeah, ich fühle mich wie Gott in Frankreich. Hau rein, es ist alles kostenlos«, trällerte er und griff nach dem Hummer. Caro sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Du bist echt irre, weißt du das?« »Was, ich habe Hunger und werde mich jetzt bis zur Ohnmacht vollstopfen«, antwortete er. »Wenn du meinst«, sagte sie und nahm einen Becher Joghurt aus dem Kühlschrank. Dann öffnete sie die Küchenschränke und fand sogar Müslizutaten. »Lecker, das wird mein Essen«, meinte sie zufrieden. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Da stehen lauter Köstlichkeiten, und du mischt dir ein Müsli! Du bist echt ein Banause«, meinte er und widmete sich wieder dem Hummer. Als beide satt waren, suchten sie ihre Schlafzimmer auf und begaben sich zu Bett. Am nächsten Morgen wurde Caro von feinem Kaffeeduft geweckt.

Sie huschte unter die Dusche, zog sich an und eilte in die Küche.

»Morgen, wie hast du geschlafen?«, fragte sie ihren Kumpel. »Echt relaxt«, meinte er zufrieden. »Und du?« »Es geht«, antwortete sie kurz und knapp. »Wie wäre es mit Frühstück?«, fragte Fabi. »Danke, gerne«, sagte sie und nahm Platz. »Ich wusste gar nicht, dass du in der Küche so fit bist«, meinte Caro mit einem Lächeln. Nach dem Frühstücken erkundeten sie das Gebäude. Es gab einen Pool, einen Fitnessraum, eine Sauna, eine Bibliothek und ein geräumiges Wohnzimmer. »Na, wenigstens können wir die Pfunde abtrainieren, die wir uns draufschlagen«, meinte Caro und gab Fabi einen freundschaftlichen Rempler. »Ich denke, ich werde ein paar Runden im Pool drehen«, sagte Caro. »Tu, was du nicht lassen kannst«, antwortete Fabi. »Ich werde es mir vor dem Fernseher bequem machen und die Kiste zum Kochen bringen.« So amüsierte sich jeder auf seine Weise. Zur Mittagszeit trafen sie sich wieder in der Küche. Während sich Caro einen Obstteller zurechtmachte, hing Fabi mit dem ganzen Oberkörper im Kühlschrank und überlegte, in welcher Reihenfolge er diese Köstlichkeiten vernichten würde. »Es ist erstaunlich, was für Mengen ein Mensch in sich reinstopfen kann«, bemerkte Caro und beobachtete ihren Kumpel. Fabi ließ sich nicht stören und futterte munter drauf los. »Wenn du so weiter isst, haben wir morgen einen leeren Kühlschrank vor uns«, meinte Caro. »Hm, dann bete, dass bald Nachschlag kommt«, gab er satt zurück. Nach dem üppigen Essen schaffte er es genau bis zur Couch. Er umschlang die Fernbedienung und war im nächsten Moment im Träumeland. Caro schlich in die Bibliothek und suchte sich ein Buch aus. Sie setzte sich in den bequemen Ohrensessel und fing zu lesen an. Als sie damit fertig war, war es schon Abend. Sie stellte das Buch zurück ins Regal und ging zu Fabi. Er lag auf der Couch und sägte wie eine Kreissäge. »Hey«, rief sie. »Gib mir mal die Fernbedienung.« Doch als Antwort bekam sie nur ein tiefes Grunzen. Mit einem Ruck entriss sie ihm die Fernbedienung und zappte durch die Programme. »Nachrichten, genau das Richtige für mich«, sagte sie laut vor sich hin und nahm Platz. Aufmerksam verfolgte sie die Sendung, doch es wurde über nichts Neues berichtet. Als die Nachrichten zu Ende waren, schaltete sie auf ein Doku-Programm um. Es lief eine Sendung über Wale. Eine Zeit lang sah sie sich das an, dann langweilte es sie, und sie beschloss, den Fernseher auszuschalten. In dem Moment, da die Flimmerkaste ausging, wachte Fabi auf und suchte nach der Fernbedienung. »Wow, du lebst«, sagte Caro etwas sauer. »Was ist denn dir über die Leber gelaufen?«, fragte er und kratzte sich am Kopf. »Du bist ein typischer Mann«, meinte sie. »Warum, wie meinst du das?«, erwiderte er. »Na, du schlägst dir den Bauch voll, schleppst dich auf die Couch, quälst die Fernbedienung, um danach einzuschlafen.“ „Beim Aufwachen suchst du die Fernbedienung, die dir irgendwann aus der Hand gefallen ist, und kratzt dich ungeniert an deinem übel riechenden Körper.“

»Wie wäre es mit einer Dusche, denn ich muss mit dir hier wohnen«, fragte sie ihn mürrisch. »Ne danke, ich habe jetzt keine Lust dazu. Ich werde mir erst was zu essen suchen und dann überlegen, was ich anstellen könnte«, meinte er. »Wie du meinst, ich laufe jetzt ein paar Runden, denn vom Herum- sitzen und Nichtstun wird man nur fett«, verkündete sie und verließ das Wohnzimmer. Er schaute ihr hinterher und schüttelte den Kopf. »Typisch Frau«, sagte er laut und marschierte in die Küche. Mit einer belegten Semmel, Käse und einem Joghurt, setzte er sich erneut vor die Glotze. Während er die Sachen verputzte, zog er sich einen Comic rein und gackerte wie ein kleines Kind. Fabi fühlte sich wie im Schlaraffenland, essen, schlafen und den ganzen Tag faulenzen. Caro dagegen wurde mit jedem Tag zickiger und launischer. Ihr fiel die Decke auf den Kopf, sie brauchte etwas, womit sie sich ablenken konnte. »Hey, hast du Lust auf eine Partie Schach?«, fragte sie ihren Kumpel. »Ne, mag ich nicht, da muss man zu viel denken«, war seine Antwort. »Okay, ich weiß was«, meinte er. »Ich habe eine Spielkonsole entdeckt. Wie wäre es mit einem Rennen?«, fragte er. »Hört sich lustig an«, erwiderte Caro und nahm Platz. Fabi schaltete die Konsole ein, gab ihr den Joystick und setzte sich neben sie. Sie kämpften, als wenn es um Leben und Tod ginge. Caro besiegte ihren Kumpel, der daraufhin Revanche verlangte. Sie absolvierten mehrere Durchgänge, bis sie nicht mehr sitzen konnten. »Das war echt cool«, meinte Fabi und grinste. »Aber jetzt hab’ ich Hunger, ich brauche dringend Nahrung«, sagte er und begab sich in die Küche. »Ist überhaupt etwas im Kühlschrank?«, erkundigte sich Caro lachend. »Für heute müsste es reichen«, erwiderte er nachdenklich. »Hoffentlich kommt bald Nachschub, sonst verhungere ich«, meinte Fabi. Er nahm verschiedene Lebensmittel, setzte sich und fing zu essen an. »Isst du nichts?«, fragte er. »Nein danke, ich nehme mir Obst mit ins Bett, ich werde ein bisschen lesen«, sagte sie. »Wie kann man mit so etwas nur seine Zeit verplempern? Da schaue ich eher fern und entspanne dabei«, erwiderte er zwischen zwei Bissen. »Wenn du meinst«, antwortete sie und verließ die Küche. Sie sprang unter die Dusche, warf sich einen Bademantel über, holte sich einen Apfel und wünschte ihm eine angenehme Nacht. Dann schlüpfte sie ins Bett, schlug das Buch auf und vertiefte sich in die Geschichte. Als ihr die Augen zufielen, legte sie das Buch zur Seite und sah, dass es schon nach Mitternacht war. Caro löschte das Licht und kuschelte sich bequem unter die Decke. Sie war schnell eingeschlafen und wurde von einem klirrenden Geräusch geweckt. Caro schreckte auf, knipste ihr Licht an und horchte in die Stille. Da sie nichts mehr hören konnte, zog sie ihren Bademantel über und schlich nach unten.

Im Wohnzimmer brannte Licht. Sie betrat den Raum und sah Fabi auf dem Boden herumkriechen. »Was machst du denn da, wenn ich fragen darf?« Er erschrak, drehte sich zu ihr und meinte: »Ich muss mit dem Teller in der Hand eingeschlafen sein. Als er rutschte, wollte ich ihn auffangen und habe dabei das Glas, das auf dem Tisch gestanden hatte, umgeworfen.« »Ich würde dann halt mal ins Bett gehen und nicht die ganze Nacht auf der Couch flacken«, sagte sie wenig begeistert. »Ist schon recht, ich wollte dich nicht wecken«, meinte er und hob die Scherben auf. Sie drehte sich um und stiefelte angepisst nach oben. Sie hasste es, aus dem Schlaf gerissen zu werden. Fabi räumte auf, schaltete alles aus und ging zu Bett. Er würde sich morgen bei Caro für die Störung entschuldigen, jetzt hätte es keinen Sinn, so sauer wie sie war. Am nächsten Morgen stand Fabi zeitig auf, bereitete das Frühstück zu und freute sich schon auf ihr Gesicht. Caro roch Kaffee, schaute auf die Uhr und dachte, sie musste sich täuschen, denn Fabi stand normalerweise erst gegen Mittag auf. Da sie herausfinden wollte, ob sie sich getäuscht hatte, stand sie auf und ging nach unten. Ihre Nase hatte sie nicht im Stich gelassen, Fabi erhob sich, ging auf sie zu und entschuldigte sich bei ihr für die vergangene Nacht. »Schon okay, ich hasse es halt, aus dem Schlaf gerissen zu werden«, erwiderte sie mit einem Lächeln. Sie setzten sich und tranken zusammen Kaffee, als die Tür geöffnet wurde. »Na, ihr zwei, wie geht es euch denn so?« Es war Konrad, der hereinspazierte. Das erste, was ihn Fabi fragte, war: »Bekommen wir neue Lebensmittel? Unsere sind leider aufgebraucht.« »Das kann nicht dein Ernst sein«, entwich es Konrad. »Wir haben Lebensmittel für zwei Wochen in den Kühlschrank gepackt«, konterte er entsetzt. »Du kennst Fabi nicht«, entgegnete Caro. »Er ist ein 24-Stunden– Esser«, meinte sie. »Wieso duzen wir uns jetzt?«, fragte sie irritiert. »Ich finde, es ist leichter, wenn man per Du ist«, erwiderte Konrad.