Videoberatung in der Sozialen Arbeit. Welche technischen und datenschutzrechtlichen Vorgaben sind zu beachten? - Jonas Jeschke - E-Book

Videoberatung in der Sozialen Arbeit. Welche technischen und datenschutzrechtlichen Vorgaben sind zu beachten? E-Book

Jonas Jeschke

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Beschreibung

Beratung ohne physische Anwesenheit des Gegenübers ist heutzutage kein neues Phänomen mehr. Vor allem Online-Beratungen erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Das Format Videoberatung ist – auch bedingt durch die Corona-Pandemie – auf dem Vormarsch und findet sich mittlerweile in verschiedenen Bereichen wieder. Dazu gehört auch die Soziale Arbeit. Doch was sind die Besonderheiten von Online-Beratung im Vergleich zur Beratung in physischer Kopräsenz? Lässt sich Videoberatung im Einklang mit der internationalen, europäischen und nationalen Gesetzgebung im Bereich Soziale Arbeit installieren? Und welche datenschutzrechtlichen Vorgaben müssen Beratungsstellen beachten? Der Autor Jonas Jeschke gibt einen Überblick über die bestehende Onlineberatungslandschaft, insbesondere den Teilbereich der Videoberatung, und beleuchtet, inwieweit dieser Eingang in die Soziale Arbeit findet. Dabei geht er auf die gesetzlichen Vorgaben sowie den Datenschutz ein und erläutert, wie Beratungsstellen diese technisch und organisatorisch umsetzen können. Aus dem Inhalt: - Europäische Datenschutz-Grundverordnung; - Psychosoziale Beratung; - Soziale Beratung; - Datenschutzkonzepte; - Datensicherheit

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2.... Beratung in der Sozialen Arbeit – ein Überblick

2.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen von Beratung

2.2 Zum Begriff Beratung

2.3 Soziale Beratung / Rechtsberatung

2.4 Psychosoziale Beratung

2.5 Zusammenfassung

3 Videoberatung in der Sozialen Arbeit

3.1 Einführung

3.2 Besonderheiten von Videoberatung

3.3 Zusammenfassung und Ausblick

4 Gesetzliche Vorgaben für die Soziale Arbeit im Überblick

4.1 Einschränkung der Bearbeitung

4.2 Internationale Ebene

4.3 Europäische Ebene

4.4 Nationale Ebene

5 Praktische Umsetzung

5.1 Datensicherheits- und Datenschutzkonzepte

5.2 Technische und organisatorische Umsetzung der rechtlichen Vorgaben

5.3 Zusammenfassung

6 Fazit

7 Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang A) Beratungsformen

Abkürzungsverzeichnis

Abs.                              Absatz

AEMR                          Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

AEUV                          Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

aF                                  alte Fassung

AGB                             Allgemeine Geschäftsbedingungen

ALG                             Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte

BDSG                           Bundesdatenschutzgesetz

BGB                             Bürgerliches Gesetzbuch

BGG                             Behindertengleichstellungsgesetz

BSG                              Bundessozialgericht

BSI                               Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik

BVerfG                         Bundesverfassungsgericht

BVerfGE                       Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

DSGVO                        Europäische Datenschutz-Grundverordnung

DSRL                            Europäische Datenschutzrichtlinie

EG                                Europäische Gemeinschaft

EGMR                          Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EK                                Europäische Kommission

EMRK                          Europäische Menschenrechtskonvention

ErwGr.                          Erwägungsgrund

EU                                Europäische Union

EuGH                           Europäischer Gerichtshof

EUV                             Vertrag über die Europäische Union

f.                                   folgende

ff.                                  fortfolgende

gem.                              gemäß

GG                                Grundgesetz

GRCh                           Grundrechtecharta der Europäischen Union

Hs.                                Halbsatz

i.S.d.                             im Sinne des

i.V.m.                            in Verbindung mit

ICCPR                          Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

ICESCR                       Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

IEC                               Internatonal Electrotechnical Commission

ISO                               Information Security Officer

LIBE                             Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres

MBO-Ä                        Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte

MBO-PP/KJP               Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

MDStV                         Mediendienststaatsvertrag

nF                                  neue Fassung

1 Einleitung

Die Digitalisierung der modernen Gesellschaft bewirkt revolutionär anmutende Veränderungen im Zusammenleben, Lernen, Arbeiten und Erleben eines jeden Menschen.[1] Sie sollte daher nicht als fachspezifisches Phänomen, sondern als fundamentaler Prozess verstanden werden, der in alle persönlichen, sachlichen und gesellschaftlichen Lebensbereiche hineinwirkt.[2] Bildschirme – vom Fernseher bis zum Smartphone – entwickeln sich perpetuierlich zum „uniformen Medium nahezu aller Weltbeziehungen“.[3]Das macht eine systematische und wertungsfreie theoretische Auseinandersetzung mit den digitalen Medien sowie den dahinter stehenden gesellschaftlichen Prozessen unausweichlich. Das gilt auch für die Soziale Arbeit und die Frage, wie sie am Puls der Zeit bleiben kann.

Angesichts der Vielzahl technischer und medialer Innovationen und ihrer Integration in den Lebensalltag ist die informationelle Selbstbestimmung der Menschen und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten ein Kernthema der ethischen und juristischen Auseinandersetzung mit dem Prozess der Digitalisierung. Die vorliegende Arbeit stellt den Status der juristischen Regelsetzung zur Verarbeitung personenbezogener Daten vor und wendet diesen praktisch auf ein neues Medium der sozialen Beratungslandschaft, die Videoberatung im Internet, an.

Einleitend wird das für diese Arbeit relevante Verständnis von Beratung in der Sozialen Arbeit erläutert sowie ein Überblick über die bestehende Onlineberatungslandschaft und den Teilbereich der Videoberatung gegeben. Den Schwerpunkt dieser Arbeit stellt anschließend die Auseinandersetzung mit den Fragen dar, ob Videoberatung im Einklang mit der internationalen, europäischen und nationalen Gesetzgebung installiert werden kann und welche datenschutzrechtlichen Vorgaben zum Schutz von personenbezogenen Daten ratsuchender Personen relevant sind. Daraufhin wird ein Bezug zur technischen und organisatorischen sowie konzeptuellen Umsetzung dieser Vorgaben in die Praxis hergestellt. Den Abschluss der vorliegenden Arbeit bilden ein Fazit, in dem die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst werden sowie ein Ausblick auf Herausforderungen, Chancen und Perspektiven, die sich aus den Ergebnissen für Videoberatung in der Sozialen Arbeit ergeben.

2 Beratung in der Sozialen Arbeit – ein Überblick

2.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen von Beratung

Beratung kann anhand ihrer stetigen Abhängigkeit vom Beratungsbedarf als gesellschaftliches Phänomen verstanden werden. Die westliche Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist geprägt von Beschleunigung, Wohlstand, Pluralismus, Entsolidarisierung, Wahlfreiheit und Digitalisierung.[4] Die Unterstützungsleistung hinsichtlich Sozialisation, Beratung und Identitätsstiftung, welche die „klassischen“ Großfamilien erbringen, fällt aufgrund niedriger Geburtenraten, hoher Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen und Tendenz zur Individualisierung zunehmend geringer aus.[5] Der omnipräsente Wissensschatz, den das Internet seinen Nutzer*innen[6] binnen Sekunden zur Verfügung stellen kann, stellt eine nie dagewesene Quelle von Informationen dar. Die im Internet befindlichen zahllosen und leicht zu erreichenden Austausch-, Informations- und Beratungsangebote, unter anderem in Form von Videos, Artikel, Foren, Chats und Online-Enzyklopädien sind äußerst vielfältig. Doch die Vorteile wie Niederschwelligkeit, Verfügbarkeit und Reichhaltigkeit gehen auch mit Risiken der Fehlinformation und der Prekarisierung von Problemlagen durch unprofessionelle Beratungen und nicht wissenschaftlich belegten Informationen einher. Folglich setzt diese Fülle an Informationen für die Nutzer*innen hohe Orientierungs-, Deutungs- und Wissenskompetenzen voraus.[7] Diese Risiken und erforderlichen persönlichen Ressourcen sind nicht Teil professioneller Beratung, bei der sich die Ratsuchenden grundsätzlich einer fachlich qualifizierten und verlässlichen Hilfe sicher sein können.

Der beschriebene soziokulturelle Wandel beeinflusst das individuelle Erleben von Sinn, Selbstbestimmung und Identitätskonstruktion, also die psychische Lebensbewältigung. In der Folge kann dies in der persönlichen Lebensgestaltung zu Unsicherheitserleben führen und psychische Krankheiten begünstigen.[8] Professionelle Beratung kann daher einerseits eine wertvolle fachliche Ressource zur Orientierung und informellen Lebenslagenbewältigung sein. Andererseits wendet sich Beratung auch dem psychischen Lebensvollzug ihrer Klient*innen zu, ist Bewältigungsressource für persönliches Leid, professionelle Ansprechpartnerin für höchst sensible individuelle Problemlagen und Bildungsinstanz zur Erlangung lebenspraktischer Kompetenzen.

Der heutige Beratungsbedarf kann anhand statistischer Erhebungen als hoch, beziehungsweise anwachsend eingeschätzt werden.[9] Auch die steigende Bedeutung von Onlineberatung zeichnet sich ab, erkennbar etwa durch ihre zunehmende Institutionalisierung. Es gibt an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg ein Institut für E-Beratung und an der Göttinger Georg-August-Universität das seit 2002 laufende Theratalk-Projekt, welches unter anderem Wirksamkeitsstudien zu Onlineberatung veröffentlicht. Zusätzlich setzt sich die Deutschsprachige Gesellschaft für psychosoziale Onlineberatung seit 2004 für die fachliche Standardisierung und wissenschaftliche Fundierung von Onlineberatung ein.

Professionalisierte Beratung durch ausgewiesene Fachstellen ist und bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft. Jedoch ist sie auch in besonderem Maße gefordert, sich dieser modernen Spannungsfelder anzunehmen, sich an der gesellschaftlichen und persönlichen Situation ratsuchender Personen zu orientieren und folglich auch Bereitschaft zur fachlichen und medialen Weiterentwicklung zu zeigen.

2.2 Zum Begriff Beratung

Der Begriff der Beratung lässt sich im professionellen Kontext nur schwer allgemeingültig fassen und definieren. Ein Grund dafür ist, dass Beratung einen gemeinsamen Arbeitsbereich unterschiedlichster Berufsfelder bildet, welcher zudem einem kontinuierlichen Zuwachs unterliegt.[10] Es gibt etwa soziale, psychologische, medizinische, rechtliche und pädagogische Beratungsfelder, die entsprechend ihrer Fachrichtung unterschiedliche Auffassungen zu Beratung vertreten. Exemplarisch unterscheiden sich die formelle und inhaltliche Ausrichtung einer sozialen Beratung und einer Psychotherapie zuweilen grundlegend, wobei nach allgemeinem Sprachverständnis beide eine Form der Beratung darstellen können. So ist letztere grundsätzlich auf Dauer angelegt, arbeitet auch mit unbewussten Elementen des Erlebens und legt einen Schwerpunkt auf die Beziehung zwischen Therapeut*in und Klient*in. Soziale Beratung hingegen erstreckt sich in der Regel nur auf kurze Zeit, arbeitet mit den offensichtlichen und formulierten Herausforderungen ihrer Klient*innen und nimmt dabei eine fachlich-distanzierte Beziehung ein. Die Funktionalität der Beratung in einer Psychotherapie liegt somit in der Selbstklärung und Beziehungsklärung, die einer sozialen Beratung eher in der Problemklärung.[11]

Des Weiteren lässt sich Beratung formell und informell beschreiben.[12] Formelle Beratung wird bis heute in vielen Fachbereichen zur eigenständigen Unterstützungsform institutionalisiert und folgt klaren strukturellen, methodischen und inhaltlichen Vorgaben. Dazu gehören etwa Sucht- und Wohnungslosenberatung, Beratungsstellen der Kranken- und Rentenversicherung und die Psychotherapie. Informell ist die Beratung als Alltagsmethode in fast alle Berufsfelder und deren beruflichen Interventionen integriert und bildet dabei eher ein Teilstück der alltäglichen Praxis.[13] Dies passiert beispielsweise im Rahmen der Einzelfallhilfe, Bildungsarbeit und sozialräumlichen Arbeit.

Auch inhaltlich-funktional lassen sich Beratungsformen unterscheiden. Sander etwa unterteilt die Beratungsformen in drei „Lösungsangebote“: Information und Orientierung, Deutung und Klärung sowie Handlung und Bewältigung. Diese stellt er tabellarisch in Bezug zu drei wesentlichen Probleminhalten, beziehungsweise „Erfahrungsfeldern“ der Klient*innen: Lebenswelterfahrung, Beziehungserfahrung und Selbsterfahrung.[14] Die methodische und inhaltliche Bedeutungsbreite professioneller und professionalisierter Beratung, welche diese Aufstellung exemplarisch abbildet, lässt einen allgemeingültigen Definitionsversuch von vornherein hölzern erscheinen. Allerdings ist diese begriffliche Offenheit auch vorteilhaft, denn sie ermöglicht eine Einbeziehung des Beratungsbegriffs in unterschiedlichste wissenschaftliche Diskurse und impliziert eine wertvolle Veränderungsoffenheit sowie Veränderungsfähigkeit.[15]

Für den Zweck dieser Arbeit ist es dennoch erforderlich, den Begriff einzugrenzen. Die schwerpunktmäßig juristischen Ausarbeitungen verfolgen den Anspruch, alle Beratungsszenarien, die sich für eine Beratung per Video ergeben könnten, zu umfassen. Die Einschränkung für die erläuterten Datenschutzbestimmungen ist daher natürlich, dass eine Beratung anbietende, natürliche oder juristische Person dazu per Gesetz ermächtigt sein muss. Das heißt, die Tätigkeit findet im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung statt und vorbehaltlich etwaiger Ermessensspielräume besteht für die Beratung ersuchende Person grundsätzlich auch ein Rechtsanspruch auf eine Solche. Umfasst sind sowohl öffentliche als auch freie Träger des Sozialrechts. Nicht umfasst sind Beratungen ohne vergleichbaren Rechtscharakter, zum Beispiel unter Freunden und Verwandten sowie außerhalb der beruflichen Tätigkeit. Zusätzlich ist der Beratungsbegriff im Rahmen dieser Arbeit inhaltlich-funktional stets auf die Handlungsfelder der Sozialen Arbeit zu beziehen und folglich als professionalisiert zu verstehen.

2.3 Soziale Beratung / Rechtsberatung

Beratung in der Sozialen Arbeit ist zunächst vordergründig eine Materie des Rechts. Rechtliche Regelungen stellen dabei einerseits oftmals einen bedeutenden Teil des Beratungsinhalts dar. Sei es eine Beratung der ansässigen Rentenversicherung nach SGB VI zu den Leistungsansprüchen der ratsuchenden Person oder die Beratung einer personensorgeberechtigten Mutter zu Unterhaltsansprüchen im Rahmen des SGB VIII. So vermerkt auch § 14 SGB I als Beratungs-gegenstand die Rechte und Pflichten eines jeden nach diesem Gesetzbuch.

Andererseits ist Beratung selbst auch Gegenstand rechtlicher Regelungen. Beratende Personen sowie Beratung anbietende Institutionen sind Adressat*innen einer Vielzahl gesetzlicher Vorgaben, Einschränkungen und Ermächtigungen. Rechtsberatungen, welche in der Rechtshistorie Deutschlands originär zum Aufgabenfeld akademisch qualifizierter Jurist*innen gehören, werden durch das RDG nun auch als Teil des sozialarbeiterischen Handlungsfeldes anerkannt.[16] Neben den in dieser Arbeit ausführlich dargestellten datenschutzrechtlichen Vorgaben, spielen weiterhin das Haftungsrecht[17], das Strafrecht[18] sowie die Sozialgesetzbücher eine Rolle. Gemäß § 14 SGB I hat jede natürliche Person Anspruch auf Beratung, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB hat, vgl. § 30 Abs. 1, 3 SGB I. Dieser Anspruch ist Ausdruck des im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialstaatsprinzips gem. Art. 20 Abs. 1 GG. Gleichzeitig werden alle öffentlichen Träger, die gem. § 14 SGB I i.V.m. § 12 SGB I tätig sind, auf Begehren zur Erbringung von Beratungsleistungen verpflichtet, solang der Beratungsinhalt ihr Tätigkeitsfeld auch betrifft und ein Beratungsbedarf erkannt wird.[19] Nach § 38 SGB I hat die ratsuchende Person in der Regel einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf diese Form der Sozialleistung. Private natürliche oder juristische Personen können als Leistungsträger i.S.v. § 12 SGB I gelten, wenn die Leistungserbringung diesen per Gesetz übertragen wurde.[20] In der Regel sind freie Träger von diesen Bestimmungen also ausgeschlossen und können ihre Ermächtigungsgrundlage für Rechtsberatung somit nur aus dem RDG beziehen. In den nicht allgemeinen Teilen des SGB finden sich weitere Beratungsverpflichtungen. So regelt § 11 Abs. 1 SGB XII die Beratung als verpflichtende Leistung der Sozialhilfe. § 11 Abs. 2 beschreibt die Inhalte der Beratung und stellt heraus, dass neben der Beratung zu Rechts- und Leistungsansprüchen stets eine psychosoziale Komponente zum Tragen kommt. Gem. § 11 Abs. 2 S. 1 SGB XII betrifft sie auch die „persönliche Situation“ und die „Stärkung der Selbsthilfe zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und zur Überwindung der Notlage“. Auch das SGB VIII bezieht sich an verschiedenen Stellen auf Beratungsleistungen. So steht der Rechtsanspruch auch Kindern und Jugendlichen zu, welche sich in einer Konflikt- oder Notlage befinden, § 8 Abs. 3 SGB VIII. Allgemeiner drückt es § 8 Abs. 2 aus. Demzufolge können sich Kinder und Jugendliche grundsätzlich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt wenden. Nur ist hier von gesteigerter Bedeutung, dass nicht volljährige Personen gem. §§ 104 ff. BGB nicht oder nur eingeschränkt geschäftsfähig sind, wodurch viele sozialrechtliche Leistungen nur in Absprache mit deren Personensorgeberechtigten gem. § 1631 BGB gewährt werden können.

2.4 Psychosoziale Beratung

In der Praxis präsentiert sich Beratung selten als reine Rechtsanwendungen auf den Einzelfall. In vielen Fällen sind Ratsuchende mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, welche wirtschaftlichen, familiären, psychologischen und physischen Ursprungs sein können und nicht ohne Weiteres isoliert voneinander bearbeitet werden können. Oft ist es der zentrale Gegenstand von Beratung, die Entscheidungsfähigkeit, Beratungsfähigkeit und Handlungssicherheit der ratsuchenden Personen zu erhöhen.[21] Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass aus Beratungssituationen plötzlich therapeutische Settings entstehen können und eine Fokussierung der rein informellen Aspekte den Beratungserfolg gefährden könnte.[22] Daher ist in den meisten Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit von psychosozialer Betreuung die Rede, welche Erkenntnisse von Psychologie und Psychotherapie in das Wissen und die Methodik von sozialer und pädagogischer Betreuung integriert. Psychosoziale Betreuung umfasst Hilfen, welche auf die psychische, soziale und rechtliche Stabilisierung der  Betroffenen abzielen.[23] Rechtsberatung ist folglich auch ein Teil von psychosozialer Beratung. Psychosoziale Beratung als rechtlicher Bestandteil des sozialarbeiterischen Handelns findet sich auch in der Gesetzgebung wieder, unter anderem in § 11 Abs. 2 SGB XII, § 73 SGB XII, § 33 Abs. 6 SGB IX, § 8 Abs. 2, 3 SGB VIII.

2.5 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass professionalisierte, psychosoziale Beratung einen wesentlichen Teil der Berufspraxis von Sozialer Arbeit ausmacht und sich über die meisten Handlungsfelder des Sozialwesens erstreckt. Sie fungiert dabei als Ressource, sowohl zur Erlangung lebenslagenspezifischer Informationen, als auch zur Bearbeitung psychischer Herausforderungen ihrer Klient*innen.

3 Videoberatung in der Sozialen Arbeit

Die für diese Arbeit relevante Sonderform der Videoberatung wird im nachfolgenden Abschnitt als Teilgebiet der Onlineberatung vorgestellt.

3.1 Einführung

Zum besseren Verständnis und zur Einordnung von Videoberatung in den Kontext des Online-Settings, sollen nachfolgend die Modelle der interpersonalen Kommunikation und der Kanalreduktionstheorie vorgestellt sowie ein Einblick in die Onlineberatung gegeben werden.

3.1.1 Interpersonale Kommunikation und Kanalreduktionstheorie

Die geläufigste Form zwischenmenschlicher Kommunikation ist die sogenannte Face-to-Face-Kommunikation. Von ihr wird gesprochen, wenn sich mindestens zwei Menschen zur gleichen Zeit am gleichen Ort zusammenfinden, um Botschaften auszutauschen. Dieser Zustand wird auch als körperliche Kopräsenz bezeichnet.[24] Die besondere Eigenschaft dieser Kopräsenz ist, dass die interagierenden Personen Botschaften auf mehreren Ebenen austauschen sowie ihr Gegenüber mit allen Sinnen wahrnehmen können. Neben dem reinen Informationsgehalt eines Gespräches werden eine Vielzahl an verbalen, paraverbalen und nonverbalen Botschaften übertragen, welche vom Empfänger auf vielfältige Art verarbeitet, interpretiert, zusammengeführt und in einen Kontext gestellt werden müssen.[25] Dadurch entsteht soziale und interpersonale Kommunikation.[26]

Die Theorie der Kanalreduktion besagt, dass die Reduzierung der Kommunikationskanäle, etwa bei computergestütztem Austausch von Nachrichten, menschliche Kommunikation ihrer originär interpersonalen Merkmale wie Emotionalität, Ambiguität und Sinnlichkeit beraubt und daher kein Ersatz für interpersonale Kommunikation darstellen kann.[27] Dieser Auffassung entspricht zum Beispiel das grundsätzliche Fernbehandlungsverbot, welchem die Überzeugung innewohnt, dass der persönliche Kontakt zur behandelten Person einen elementaren Teil der gewissenhaften Berufsausübung darstellt.[28]

Kritik an dem technologiekritischen[29] Modell wird unter anderem dadurch begründet, dass sich der Verzicht auf verschiedene Sinn- und Deutungsebenen auch vorteilhaft auf die Kommunikation auswirken kann, indem Kommunikationspartner beispielsweise besser in der Lage sind, preiszugebende Informationen frei zu bestimmen. Ebenso kann dadurch das Risiko von Stereotypisierung und Stigmatisierung durch „Ersteindrücke“ in der menschlichen Begegnung reduziert werden.[30] Die Kanalreduktionstheorie ist in ihrer grundlegenden Erkenntnis, dass sich die Reduktion von Kommunikationskanälen nachhaltig auf den Kommunikationsvorgang auswirken kann, für die Abwägung von Chancen, Risiken und Einsatzfeldern der Online- sowie Videoberatung von hohem Wert.

3.1.2 Onlineberatung – Besonderheiten, Chancen und Grenzen

Beratung ohne die physische Anwesenheit des Gegenübers ist bei Weitem kein neues Phänomen. So gehört medienvermittelte Beratung schon längst in Form von Telefonie, Ratgeberliteratur, Fernsehen und Briefen zum Lebensalltag.[31] Onlineberatung wiederum ist eine verhältnismäßig neue Beratungsform, die durch die Entwicklung des Internets zum Alltagsmedium möglich geworden ist.[32] Bei einer Internetrecherche zu Onlineberatung aus der Perspektive einer ratsuchenden Person entsteht der Eindruck, dass der Methodenschwerpunkt in der umfangreichen Onlineberatungslandschaft vor allem in der meist anonymisierten oder pseudonymisierten, textbasierten Beratung liegt. Fachliteratur zu Onlineberatung stützt diesen Eindruck.[33]