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Auch in ihrem neuen Buch beschreibt Erma Bombeck in unnachahmlicher Weise die Licht- und Schattenseiten des "Berufs Mutter". Die lieben Kinder, ob sie nun zwei sind oder zwanzig, erweisen sich nicht immer als reine Freude für ihre Mamas. Und das Problem ist, wie sie solche kritischen Situationen meistern, ohne den Glauben an ihren Nachwuchs und den Sinn für Humor zu verlieren.
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Seitenzahl: 190
Veröffentlichungsjahr: 2013
Erma Bombeck
Vier Hände und ein Herz voll Liebe
Die heiteren Lebensweisheiten der berühmtesten Hausfrau der Welt
ins Deutsche übertragen von Isabella Nadolny
Edel eBooks
Vorwort
So, so, Sie wollen Mutter werden?
Die Fernseh-Mütter
Wenn Vater Mutter spielt
Letzte Anstellung: Mutter
Die Mutter aller anderen
Nesthäkchens erster Schultag
Schnuller-Pioniere
Wer ist schwerer aufzuziehen: ein Junge oder ein Mädchen?
Hochzeitslauf in 3 Stunden, 43 Minuten und 16 Sekunden
Haariges
Sharon, die vollkommene Mutter
Vom Amateur zum Profi: Louise und Estelle
Mein Ferienjob (von Laura Parsons, 11)
Die fünf größten amerikanischen Schriftstellerinnen (die zufällig Mütter sind!)
Die Spezialmutter
Ginny
Do you speak Deutsch?
Dottie: Gleiches Recht für alle
Chaos-Kids
Brooke und ihr Musterknabe
Für Krisen geboren
Cora: Was lange währt…
Stiefmütter mit schlechtem Ruf
Auf der Suche nach der »echten Mutter«
Fünf klassische Mütter-Ansprachen
Sarah, die Kinderlose
Das Vorbild
Wem es zu heiß wird, der schalte den Herd aus…
Zum kleinen Hund gehört ein kleiner Herr - oder?
Treva und die andere Großmutter
Ein anonymer Brief
Frühstück am Muttertag
Niemand zu Hause?
Mutters Verfehlungen
Ach, nehmt ihr sie doch mal zu euch…
Weihnachtsstimmung -und was sie kostet
Mary, das Einhorn
Wenn die Zeit kommt…
Erma
Epilog
Impressum
In diesem Buch sind viele Rufnamen. Keiner ist echt, mit Ausnahme des Namens meiner Mutter, die tatsächlich Erma heißt. Eine Übereinstimmung mit Ihrem
Ich gehöre zu den Glücklichen, welche die Mutterrolle bereits mit gewissen Berufserfahrungen übernahmen.
Ich besaß drei Jahre lang einen Yorkshire-Terrier. Mit zehn Monaten blieben meine Kinder »bei Fuß«. Mit einem Jahr konnten sie ein Frisbee aus der Luft mit den Zähnen auffangen.
Mit fünfzehn Monaten, nachdem ich sie wochenlang mit der Nase hineingestupst und dann vor die Tür gesetzt hatte, waren sie sauber und machten nur noch auf Papier.
Manche Frauen waren vom Glück nicht so begünstigt und auch weniger realistisch. Sie betrachteten das Mutterdasein aus sicherer Entfernung.
Auf einem »Baby-Shower«, dem Fest, bei dem man Geschenke für das künftige Kind bringt, sagte eine werdende Mutter neulich abends empört: »Habt ihr schon diese Geschichte in der Zeitung gelesen, daß eine Frau eines ihrer Kinder auf der Toilette eines Waschsalons vergessen hat? So etwas nennt sich nun Mutter! Unglaublich ist so etwas! Was kann das schon für eine Mutter sein, die…«
Was kann das schon für eine Mutter sein, die…
Dieser Satz ist mir bestens vertraut. Vor zehn Jahren, als ich noch keine drei Kinder hatte, benutzte ich ihn selbst – mit genau der richtigen Mischung aus Vorwurf und Entsetzen.
Mittlerweile sind mir sieben Mütter bekannt, die eben das versucht haben.
Mutter – das war von alters her ein Begriff, gleichbedeutend mit Liebe, Hingabe und Aufopferung. An Müttern war immer etwas Mystisches, Ehrfurchtheischendes. Sie waren Vorbilder, unfehlbar, tugendhaft, ohne Furcht und Tadel und unbefleckt von der Erbsünde, unfähig zu gemischten Gefühlen.
Gleich nach der Entbindung verläßt jede junge Mutter mühsam ihr Bett und erklimmt unbeholfen das für sie bereitstehende Podest.
Einige passen sich dem erhabenen Image mühelos an. Sie lernen die einschlägigen Schmeicheleien zu schätzen und sonnen sich am Muttertag in den Huldigungen der in hellen Scharen Herbeiströmenden.
Einige jedoch können die Höhe nicht vertragen, springen ab und werden nie wieder gesehen.
Die meisten Mütter aber versuchen einfach herauszukriegen, was von ihnen erwartet wird und wie sie es vor aller Augen tun können. Mutterschaft ist der zweitälteste Beruf der Welt. Er fragt nicht nach Alter, Körpergröße, religiösen Bindungen, nach Gesundheitszustand, politischer Überzeugung, Nationalität, Moral, Rasse, Familienstand, Wirtschaftslage, Geneigtheit oder vorheriger Erfahrung.
Es ist der größte Einarbeitungs-Job, den es heutzutage gibt. Muttersein aber »ist nicht für alle Größen passend«, ist keine Gußform, die alle umschließt, und bedeutet durchaus nicht das gleiche für alle.
Einige Mütter klatschen Beifall, wenn ihr Kind verdaut. Andere regen sich erst auf, wenn die Tochter ein Verhältnis anfängt. Einige Mütter haben derartige Schuldkomplexe, daß sei keinen Kaugummi in den Mund stecken können ohne den Wunsch, ihn zu teilen. Andere Mütter denken sich nichts dabei, ihrem Kind zu sagen, das ganze Säckchen Nikolaus-Plätzchen sei voller Ameisen – um sie dann selbst zu essen.
Manche Mütter weinen, wenn ihre dreißigjährige Tochter fortzieht, und folgen ihr in die neue Wohnung. Andere Mütter verkaufen das Bett ihres zwölfjährigen Sohnes, wenn er auf einem längeren Pfadfindertreffen ist.
Mir war nie so recht wohl, wenn ich Artikel las, die mich als Krankenschwester, Chauffeuse, Köchin, Haushälterin, Bankmanagerin, Beraterin, Philosophin, Gouvernante, Lehrerin und Gastgeberin priesen. Offenbar las ich solche Artikel immer dann, wenn ich den ganzen Vormittag gestrickt, den ganzen Nachmittag im Bett gelegen, zum Abendessen eine fertige Pizza gekauft hatte und um halb elf unter Kopfschmerzen litt.
Lange Zeit hatte ich Angst davor, über diesen Kontrast zu lachen, denn es konnte ja sein, daß niemand mitlachte.
Um die Antwort auf die Frage vorwegzunehmen, welche der vielen in diesem Buch beschriebenen Mütter ich denn selbst sei, sage ich es Ihnen gleich: In mir ist ein bißchen von allen. Roses Humor, Janets Frust, Marys Unwissenheit – ach ja, und Coras Angst.
Sie sind alle miteinander in jeder Hinsicht »wirklich«. Es sind keine namenlosen, gesichtslosen Stereotypen, die einmal im Jahr auf Glückwunschkarten erscheinen – mit ein paar wohlgesetzten Zeilen Text darunter, der ihre guten Eigenschaften deutlich macht –, sondern Frauen, denen man die Spielkarten für ein ganzes Leben zugeteilt hat und die jede davon ausspielen, so gut sie können, eine nach der anderen. Keine Mutter ist immer nur gut oder nur schlecht, nur fröhlich oder nur ernst, immer nur verzeihend und niemals wütend. In ihren Adern kreist das ewige Einerseits-Andererseits.
Dieses Buch erscheint zu spät für Judy, eine junge Mutter Anfang Zwanzig, die ich vor einigen Jahren durch einen kurzen Briefwechsel kennenlernte. Judy saß in einem Gefängnis des Südens. Sie hatte das fürchterlichste aller Verbrechen begangen: sie hatte ihr Kind umgebracht. Von allem abgeschnitten, unfähig, sich mitzuteilen, lebte sie in Einzelhaft und in ihrer ganz privaten Hölle und las dort ein paar meiner früheren Bücher. Als sie sie mehrmals gelesen hatte, schrieb sie mir: »Wenn ich gewußt hätte, daß Mütter über solche Dinge lachen können, wäre ich vermutlich nicht da, wo ich heute bin.«
Sicher ist nur, daß es unter Ihnen wohl kaum jemanden gibt, der nicht zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens Antwort auf die Frage gefordert hätte: »Was kann das schon für eine Mutter sein, die…«
Der Satz ist alt, aus Naivität entstanden, aus Mißbilligung geboren und großspurig dahergeredet. Erst wenn man selber Mutter ist, wandelt sich das Urteil ganz langsam und wird zu Verständnis und Erbarmen.
Möge keine von Ihnen, die Sie dieses Buch lesen, über eine der geschilderten Mütter den Stab brechen, ehe sie nicht eine Weile in ihrer Haut gesteckt hat.
Erma Bombeck
Eine der lautesten Klagen bei der Mutterrolle betrifft das fehlende Training.
Man beginnt diese Rolle ausgestattet mit nichts als der Telefonnummer eines Windeldienstes, einer Polaroid-Kamera, einem roten Telefon zum Kinderarzt und einer totalen Ahnungslosigkeit, die nicht länger als fünfzehn Minuten anhält. Ich habe immer gefunden, daß man vor der Geburt viel zuviel Zeit hat und sie damit verbringt, zu lernen, wie man während der Entbindung mit dem Ehemann gleichzeitig ein- und ausatmet. (Als ich mein Baby bekam, kriegte man ein Spritze in die Hüfte und wachte erst wieder richtig auf, wenn das Gör mit der Schule anfing.) Dafür hat man zu wenig Zeit zum Bemuttern, wenn das Baby erst da ist.
Muttersein ist eine Kunst. Es ist töricht, eine Mutter für zwanzig Jahre mit einem Kind in die Arena zu schicken und zu erwarten, daß sie die Oberhand behält. Das Kind ist auf allen Gebieten im Vorteil. Es ist klein. Es ist lieb. Es kann die Tränenschleusen bei Bedarf öffnen wie einen Wasserhahn.
Schon immer hat es Schulen für Kinder gegeben. Dort verbringen sie neun bis sechzehn Jahre ihres Lebens zusammen mit anderen Kindern, die mit ihnen die Erfahrung teilen, ein Kind zu sein und damit fertig zu werden. Sie leben in einer akademischen Atmosphäre, in der sie lernen, wie man Eltern manipuliert, um von ihnen zu kriegen, was man will. Die Kinder verbünden sich zu einer Interessengemeinschaft und koordinieren ihre Ideen: wie man den Wagen kriegt, wie man ein höheres Taschengeld herausschindet und wie man daheimbleibt, wenn die Eltern in Urlaub fahren. Ihr Einfluß ist in der ganzen Welt spürbar. Ohne auch nur einen Pfennig beizusteuern, besitzen sie mehr Eisbuden, mehr Spielplätze, mehr Amüsierparks und Sportplätze, als jede andere Gruppe es je zuwege bringt.
Nirgends zahlen sie den vollen Eintrittspreis.
Wie sie es nur schaffen?
Sie sind schlau. Sie sind gebildet.
Manche Leute glauben, Mütter sollten sich zu einer Gewerkschaft zusammenschließen. Ich glaube, daß Ausbildung die Lösung ist: Wenn wir erst wissen, was man tun kann und wie man es macht, können wir überleben.
Vorläufig bleibt das ein Traum. Eines Tages aber wird es eine Schule für junge Mütter geben, die den Beruf auf eine wissenschaftliche Ebene heben wird. Was hätte ich zum Beispiel für eine Schule gegeben, deren Vorlesungsverzeichnis so aussieht:
Lernen Sie von einschlägigen Fachkräften, wie man Blickkontakt durch eine Badezimmertür herstellt, einen Studenten zum Weinen bringt und ein Kind so weit bekommt, einem einen Scheck dafür auszuschreiben, daß man es zur Welt gebracht hat. Mehr als 1000 Anlässe, ein Kind auf Lebenszeit unglücklich zu machen, werden garantiert. Das übliche »Sitz gerade oder du kriegst einen Buckel« und »Dein Aquarium hat eben Feuer gefangen« sind langweilig und haben einen Bart. Kreatives Nörgeln verschafft Ihnen Beachtung.
Ein Übungskind wird gestellt.
Keine Frau darf sich Mutter nennen, ehe sie nicht gelernt hat, wie man spart und hortet. Hamstern und Beiseiteschaffen ist nicht – wie früher angenommen – ein angeborenes Talent. Es ist erlernbar. Finden Sie heraus, wo man dreißig Pfund Paketgummis von Brot- und Plätzchenpackungen aufheben kann, alte Malbücher aus der Volksschule und Stiefel mit einem Loch in der Kappe. Lernen Sie, wie man dadurch für jede Gelegenheit einen Vorrat an Geschenkpackungen hat, daß man sie anderen Menschen aus der Hand reißt, ehe diese das Geschenk ausgepackt haben. Lernen Sie, warum sich Kleiderbügel in dunklen Schränken vermehren, und beobachten Sie sie bei der Fortpflanzung.
Nur für Erwachsene!
Es wird freimütig darüber diskutiert, wie man Kinder zu der Überzeugung bekehrt, daß sie einem etwas schulden. Täglich lassen sich Mütter Gelegenheiten, schlechtes Gewissen bei den Kindern zu erzeugen, durch die Finger rinnen, ohne es zu bemerken. Ein Kind, dem aufgetragen wurde: »Ruf gleich an, wenn du angekommen bist«, und das das nicht tut, kann man jahrelang dafür büßen lassen. Finden Sie heraus, wie.
Besondere Aufmerksamkeit wird dem Muttertag gewidmet und dem Kind, das einmal einen 40-Dollar-Angorapulli einem Mädchen schenkte, das es erst zwei Wochen kannte, während das Mütterlein einen Karton Badeseife in Form von Seepferdchen bekam.
Begrenzte Teilnehmerzahl.
Die Kunst, niemals einen Fehler zu machen, ist für die Beherrschung der Mutterrolle von entscheidender Bedeutung. Um erfolgreich wirken und sich den Respekt verschaffen zu können, den eine Mutter braucht, um ihr Amt auszuüben, muß sie ihre Kinder glauben machen, daß sie
– nie etwas mit Sex zu tun hatte,
– nie eine falsche Entscheidung getroffen hat,
– nie der eigenen Mutter auch nur eine Sekunde lang Sorgen gemacht hat,
– nie ein Kind war.
Zugelassen zu diesem Lehrgang sind nur diejenigen, die schon den Kurs »Geheimnis des Madonnengesichts« belegt hatten.
Lernen Sie Ihre Rechte kennen! Wird von Ihnen verlangt, Wäsche zu transportieren, die länger als sechzig Tage in der Waschküche gelegen hat?
Sind Sie berechtigt, eine Schlafzimmertür mit dem Schraubenzieher zu öffnen, oder gilt das als unbefugtes Eindringen?
Dürfen Sie ein Kind an der Autobahn aussetzen, das 1000 km lang Papis Fahrersitz von hinten mit den Füßen traktiert hat?
Werden Sie wegen böswilligen Verlassens angeklagt, wenn Sie umziehen und Ihrem erwachsenen Sohn nicht mitteilen, wohin?
Ein Forum juristischer Fachkräfte wird sich mit der Frage befassen, wieweit die Anleihe von 600 Dollar von einem zwei Monate alten Baby für die Eltern verbindlich ist, falls keine Zeugen anwesend waren.
Auf allgemeinen Wunsch nehmen wir diesen Kurs für ältere Mütter nochmals ins Programm auf.
Woran merkt man, ob ein Kind die Wahrheit sagt, wenn seine Nase nicht mehr wächst?
Folgende Beispielfälle für Argwohn werden diskutiert:
Hat Marlene tatsächlich eine Bibel auf ihren Fuß fallen lassen, und war es ihr dadurch unmöglich, den Brief an die Eltern zur Post zu bringen?
Sind tatsächlich 20 Dollar aus Ihrem Portemonnaie gefallen, und Ihr Sohn hat sie gefunden und behalten, weil er nicht wußte, wem sie gehören?
Lag Ihr Sohn tatsächlich im Bett und sah im Fernsehen Hamlet, als er Lärm hörte und beim Aufstehen feststellte, daß 200 Unbekannte im Haus eine Party abhielten und Daddys Bier austranken?
Ärztliche Untersuchung vor Kursbeginn ist unerläßlich.
Vier amüsante Kursabende über abschreckende Drohungen und leere Versprechungen und wie man die Kinder für den Rest ihres Lebens damit ängstigt.
Dankschreiben von Teilnehmerinnen nach Abschluß des Kurses. Eine Mutter, die ihre Tochter gewarnt hatte, wenn sie mit Streichhölzern spielte, würde sie nachts ins Bett machen, wußte zu berichten, daß das Kind sich erst mit fünfunddreißig getraute, das Backrohr anzuzünden.
Eilt sehr! Teilnehmerzahl begrenzt!
Dieser Kurs fällt aus, bis ein neuer Kursleiter gefunden ist. Dr. Volland gab an, seine Mutter finde, er habe keine Veranlassung, andere Leute zu unterrichten, solange er sich so wenig um seine eigene Mutter kümmere.
Zusammen hatten sie 22 Kinder, 6 Ehemänner und 3 Dienstmädchen. Zwei Jahrzehnte hindurch, die ganzen fünfziger und sechziger Jahre waren sie für alle Mütter im ganzen Land richtungweisende Vorbilder.
Donna aus der Donna Reed Show
Harriet aus Ozzie and Harnet
Barbara aus Leave It to Beaver
Shirley aus Die Partridge-Familie
Marjorie aus Make Room for Daddy
Jane aus Vater ist der Beste
Florence aus The Brady Bunch
Beim Hausputz sahen sie besser aus als die meisten von uns am Hochzeitstag.
Sie bekamen nie Wut, nahmen nie zu, gaben nie mehr Geld aus, als ihre Männer verdienten, oder aber sie gaben den Zuschauern Grund zu der Annahme, sie lebten selbständig und im Zölibat. Nie schrubbten sie eine Toilettenschüssel, hatten nie Küchenschaben im Haus, und niemand erfuhr je, was sie eigentlich die ganze Zeit taten, nachdem ihre Familien morgens das Haus verlassen hatten. Jede Woche wurde man in einer weiteren Fernsehfolge Zeuge eines Wunders. Sieben von sieben Frauen erreichten – nachdem sie ihr Kind bekommen hatten – wieder ihre frühere schlanke Figur. Die Tugend, die ihnen allen gemeinsam war, hieß Geduld. Keine Situation war so traumatisch, daß sie sie nicht mit Milch und Plätzchen hätten kurieren können. Es gab kein Problem, das nicht in 24 Minuten hätte gelöst werden können (plus zwei Minuten Werbeeinschaltungen und zwei Minuten für Vorspann und Absage).
Ich habe mich oft gefragt, was in der Fernsehfolge losgewesen wäre, hätte eines ihrer Kinder auf der Schultoilette einen Mitschüler gegen den Handtuchspender geknallt und ihn um sein Taschengeld erleichtert. Dabei steht bei mir eisern fest:
Donna hätte eine Familienkonferenz einberufen, Barbara wäre ihrem Ward bis an die Tür entgegengegangen und hätte nur gesagt: »Das Essen ist fertig.«
Shirley hätte ihrem Sprößling für eine Woche seine Bongo-Trommeln weggenommen,
Marjorie hätte ihren Nagellack gewechselt,
Harriet hätte ihren Ozzie nach Eis geschickt,
Jane hätte den Beklauten zum Essen eingeladen, und Florence hätte ihren hauseigenen, altmodischen Lebkuchen gebacken.
Es war das Zeitalter der Gottesfurcht, der Mutterschaft, der Nationalfahne und des Apfelkuchens. Man brauchte nur eine Schürze vorzubinden, und schon war man eine Mutter.
Niemand konnte das besser als die hauptberuflichen Mütter. Ich gehörte zu den noch nicht ganz leistungskonformen hauptberuflichen Müttern.
Ich trug den ganzen Tag im Hause keine Strumpfhose und kannte auch niemanden, der es tat.
Meine Kinder waren von der Sorte, mit denen zu spielen die hauptamtlichen Mütter ihren Gören verboten, weil sie sonst in irgendeinen Schlamassel gerieten.
Ich bügelte nie die Schlafanzüge meines Mannes. Wenn ich die Hand hob, um meinen Kindern das Haar aus den Augen zu streichen, zuckten sie zurück und riefen nach ihrem Rechtsanwalt.
Wir wußten alle, daß hauptamtliche Mütter zu gut waren, um wahr zu sein. (Ich gab einmal damit an, ich hätte einem Zuckerkranken das Leben dadurch gerettet, daß ich mich zwischen ihn und den Fernsehschirm warf, auf dem eine viel zu süße Mami erschien.) Du liebe Zeit, wie gern hätte ich selbst zu der Sorte gehört!
Über Jane habe ich mir mal eine ganze Geschichte zusammenphantasiert:
Sie hatte einen dieser entzückenden Tage, an denen alles schiefläuft und an denen man eigentlich im Bett bleiben sollte. Betty hatte sich ihren Pulli, den sie erst Weihnachten bekommen hatte, ausgeborgt und ihn total verschwitzt. Unter Buds Matratze, zwischen der Sprungfederauflage und dem Schoner, fand sie einen Kalender mit Aktfotos, und Kathy sprach schon seit drei Tagen kein Wort mit ihr. Ihre Mutter meinte, ihr raten zu müssen: »Du solltest wirklich etwas strenger mit deinen Kindern sein.« Die Bank rief an und sagte, sie habe einen Scheck ausgeschrieben, nach dessen Einlösung ihr Konto überzogen sei.
Die chemische Reinigung rief an, um ihr mitzuteilen, daß von Jims Lieblingsjacke alle aufgebügelten Flicken abgegangen seien.
Irgendwer hatte mit einer Sprühdose obszöne Sprüche an ihren Gartenzaun geschrieben.
Meine Phantasiegeschichte endete damit, daß Jane mitten in dem ganzen Chaos stand und ein grobes Wort ausstieß, ehe sie zusammenbrach. Irgendwie tat mir das wohl.
Wie auch immer diese Fernsehmütter sonst waren, es gelang ihnen, deutlich zu machen, daß sie etwas Bedeutendes taten. Sie waren der Mittelpunkt der Familie und hielten das Ganze zusammen. Und das schafften sie in nur dreißig Minuten pro Woche.
Es waren die anderen, die nicht so perfekten Mütter, die Ende der sechziger Jahre gewisse Dinge zur Debatte stellten. Sie hatten etwas gegen die langen Arbeitstage. Gegen das Fehlen von Sozialleistungen. Gegen das Hol-und-Bring-Syndrom. Sie hatten etwas gegen die Frage: »Na, was hast du denn den ganzen Tag gemacht?« und etwas dagegen, daß die Antwort dann auf taube Ohren stieß.
War die Unzufriedenheit am Anfang wie eine leichte Bewegung des Wassers, so schlug sie während der siebziger Jahre immer höhere Wellen. In den achtziger Jahren waren die Dissidenten bereits eine Macht, mit der man sich auseinandersetzen mußte, da inzwischen 52 Prozent aller Mütter Stellungen angenommen hatten.
Was mag aus den Fernsehmüttern geworden sein? Aus Donna, Barbara, Shirley, Harriet, Marjorie, Jane und Florence? Sie wurden von einer Woge der Realität überspült und verschwanden.
Hie und da ist die eine oder andere bei Wiederholungssendungen am Nachmittag noch einmal zu sehen. Um diese Zeit sind kaum Mütter zu Hause, die in die Glotze schauen könnten. Meist sind es Schlüsselkinder, die vor dem Bildschirm Pizza essen und sich gewiß fragen, wer das denn da ist – diese Dinosaurier in Schürzen, die durchs Leben wandeln, weise lächeln und Milch eingießen.
Ironischerweise vermisse ich sie, trotz ihrer fürchterlichen Vollkommenheit, die einen auf die Palme treibt. Außerdem beneide ich sie ein kleines bißchen, denn sie schienen mir so ausgefüllt.
Ich frage mich, warum. Vielleicht, weil sie so gut dafür bezahlt wurden, eine Mutter zu sein, und weil ihre Saison nur 26 Wochen dauerte? Oder vielleicht, weil sie die Gören nur für dreißig Minuten pro Woche hatten und sie anschließend wieder dorthin zurückschicken konnten, wo sie herkamen?
Vielleicht auch, weil sie bei schwierigen Szenen einen kleinen Applaus bekamen.
Oder vielleicht – nur sehr vielleicht –, weil sie sich in den Stunden zwischen dem Wegfahren der Familie am Morgen und deren Rückkehr am Abend nicht dem wirklichen Leben stellen mußten. Diese vortrefflichen Mütter…
Ausblenden • Ende der Sendung • Ende der Ära…
Am 15. Oktober 1979 wurde Frank Rutledge Mutter von Adam (14), Caroline (12) und Teddy (6) und dadurch die erste Mutter des Villenvorortes Rochester mit einem Schnurrbart.
Die neue Rolle war die Folge eines Gesprächs, das sechs Monate vorher stattgefunden hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte Frank gestanden, er fühle sich in seiner Arbeit in der Werbefirma total unbefriedigt. Er habe sie mehr als satt, diese Cornflakes-Packungen, die Step tanzten, und diese Termiten in Ballettröckchen. Was er sich wünschte, war, einfach zu Hause zu bleiben und an seinem Roman weiterzuschreiben.
Ann, seine Frau, war ganz begeistert von seinem Entschluß. Sie hatte die sexuelle Revolution verpaßt, war für die Frauenbewegung zu spät dran, hatte ihre Selbstachtung den Kindern geopfert und lehnte es ab, mit ihrer Midlife-Crisis anzufangen, ehe sie nicht zehn Pfund abgenommen hatte. Die Vorstellung, irgendwohin zu gehen, wo sie nicht bei Tisch allen das Fleisch kleinschneiden mußte, reizte sie ungemein.
Die beiden kamen überein, es mal ein Jahr zu versuchen. Ann wollte arbeiten gehen und Büroeinrichtungen verkaufen, und Frank würde zu Hause bleiben und schreiben. Es schien eine einfache Sache zu sein. Schließlich hatte ja auch der Präsident der Vereinigten Staaten jahrelang zu Hause gearbeitet. Dennoch gab es da einige bemerkenswerte Unterschiede.
Der Präsident der Vereinigten Staaten wurde beim Telefonieren auf höchster Ebene, das dem Lauf der Geschichte eine andere Richtung geben konnte, nie durch eine Stimme gestört, die rief: »Es ist kein Klopapier mehr da!«
Durch das Weiße Haus trotteten keine Kammerjäger und besprühten ihm die Füße mit Insektenvertilgungsmittel.
Die First Lady rief nie aus ihrem Büro im Zentrum an, um ihm folgende Anweisungen durchzugeben: »Geh in die Garage und kipp den Rasenmäher auf den Rücken, gleich unter dem rechten Mähmesser ist eine Seriennummer eingestanzt. Die schreib dir auf und gib sie der Reparaturwerkstatt, damit wir nicht wieder so dumm dastehen, wenn die Rasenschneiderei anfängt.«
Am 22. November, nachdem er einen Monat lang Hamster wieder eingefangen und tagelang nichts anderes gehört hatte als »Uiii, das sag ich aber«, riß Frank das leere Blatt aus der Schreibmaschine und faßte einen zweiten Entschluß. Nämlich den, das Schreiben des Romans auf später zu vertagen. Statt dessen wollte er ein Tagebuch über seine Erfahrungen als Hausmann verfassen.
Das würde sich verkaufen, soviel wußte er. Er konnte ja keine Buchhandlung betreten, ohne daß ihm ganze Regale voller Haushalts-Schnurren ins Auge fielen. Auf den Schutzumschlägen sah man verstörte Frauen, denen der Hund in die Fersen kniff. Und schließlich: Wie viele Männer hatten denn die Erfahrungen, die er eben jetzt machte? Es würde ein humorvolles Buch werden. Er wollte es nennen: »Frank und frei als Mutter«. (Gott, war der Titel himmlisch!)
Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß am 22. November 1979 in Rochester im Staat New York der kälteste Winter der Geschichte einsetzte. Innerhalb von 6 Monaten fielen fast drei Meter Schnee.
Anfangs fand Frank den Schnee herrlich. An der Schreibmaschine sitzend, rief er eines der Kinder, die an seiner Tür vorbeitrabten, zu sich und erklärte geduldig, daß sich keine zwei Schneeflocken genau glichen. Er bestand sogar darauf, daß sie das Muster der Eisblumen auf den gefrorenen Scheiben nachzeichneten.
Am 3. Dezember wurde die Schule infolge »höherer Gewalt« geschlossen.