Vier Pfoten für ein Happy End - Melinda Metz - E-Book

Vier Pfoten für ein Happy End E-Book

Melinda Metz

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Beschreibung

Viel Romantik, ein Schuss Humor – und ein diebischer Kater: Kuppel-Kater MacGyver ist im humorvollen Liebesroman »Vier Pfoten für ein Happy End« zum 3. Mal als Liebesbote unterwegs. Bei Notfällen in Sachen Liebe stiehlt Kater MacGyver nicht nur Herzen, sondern auch Socken oder Toupets – aber mit dieser merkwürdigen Serie von Diebstählen in Hollywood hat er absolut nichts zu tun, Pfote aufs Herz! Leider sind seine Menschen Jamie und David vom Gegenteil überzeugt und versuchen mit sämtlichen schmutzigen Tricks, MacGyver zu Hause einzusperren. Nicht, dass ihn das aufhalten könnte – schließlich muss Mac sich um vier verwaiste Katzen-Babys kümmern, bis er die passenden Menschen für sie gefunden hat. MacGyvers neue Nachbarin, die junge Schauspielerin Serena, wäre vielleicht geeignet – vorausgesetzt, dem Kuppel-Kater gelingt es, Serena in Sachen Liebe ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Merkt sie denn gar nicht, wie der nette Polizist Erik um sie herumschwänzelt? Melinda Metz' humorvolle Liebesromane um Kuppel-Kater MacGyver sind in folgender Reihenfolge erschienen: • »Eine Samtpfote zum Verlieben« • »Eine Samtpfote stiehlt Herzen« • »Vier Pfoten für ein Happy End«

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Seitenzahl: 435

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Melinda Metz

Vier Pfoten für ein Happy End

Ein Katzenroman

Aus dem amerikanischen Englisch von Sigrun Zühlke

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

Bei Notfällen in Sachen Liebe stiehlt Kater MacGyver nicht nur Herzen, sondern auch Socken oder Toupets – aber mit dieser merkwürdigen Serie von Diebstählen in Hollywood hat er absolut nichts zu tun, Pfote aufs Herz!

Leider sind seine Menschen Jamie und David vom Gegenteil überzeugt und versuchen mit sämtlichen schmutzigen Tricks, MacGyver zu Hause einzusperren. Nicht, dass ihn das aufhalten könnte – schließlich muss Mac sich um vier verwaiste Katzen-Babys kümmern, bis er die passenden Menschen für sie gefunden hat. MacGyvers neue Nachbarin, die junge Schauspielerin Serena, wäre vielleicht geeignet – vorausgesetzt, dem Kuppel-Kater gelingt es, Serena in Sachen Liebe ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Merkt sie denn gar nicht, wie der nette Polizist Erik um sie herumschwänzelt?

Inhaltsübersicht

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Epilog

 

 

 

 

Für die fabelhafte Laura J. Burns, meine mehrfache Co-Autorin und langjährige Freundin, die zu meiner Rettung eilte, als ein Notfall in der Familie mich bei meiner Arbeit an »Vier Pfoten für ein Happy End« ins Stolpern brachte. Sie war mein Anker, und wir führten lange Gespräche über Katzen und Katzenbabys, warum Menschen sich ineinander verlieben und andere wesentliche Aspekte der Handlung. (Sie hat etwas von MacGyver an sich!) Jetzt muss ich mich noch bei E.B. White und bei Wilbur bedanken. Einfach »Laura« durch »Charlotte« ersetzen.

 

»Es kommt nicht oft vor, dass jemand auftaucht, der sowohl eine echte Freundin als auch eine gute Schriftstellerin ist. Charlotte ist beides.«

Kapitel 1

MacGyver starrte seinem Menschen ins Gesicht. Er konnte immer ausmachen, wenn Jamie nur so tat, als ob sie schlief, aber diesmal schlief sie wirklich. Früher hatte er gedacht, dass sie die Notwendigkeit häufiger Nickerchen schlichtweg nicht begriff, aber inzwischen schlief sie noch häufiger als er. Und dagegen hatte er nichts – sofern sie diese Schläfchen nicht gerade zu seiner Frühstückszeit hielt!

Er beugte sich vor, sodass seine Schnurrhaare über ihre Wangen strichen, dann riss er sein Maul auf, so weit er konnte, und jaulte. Das Jaulen hob er sich für echte Notfälle auf, und das hier war einer. Sein Magen war leer!

Jamie gab einen mürrischen Laut von sich, ihre Augenlider zuckten, aber sie wachte nicht auf. Mac tippte ihr mit der Pfote auf die Nase, die Krallen hatte er eingezogen. Sie wischte die Pfote weg, ohne aufzuwachen. Er überlegte. Natürlich wusste er, wie er sie mit Leichtigkeit aufwecken könnte, ein kleiner Kratzer würde genügen. Aber Jamie war sein Mensch, und so etwas würde er ihr niemals antun. Zumindest nicht, solange sie solche Respektlosigkeiten nicht zur Gewohnheit werden ließ.

Er sprang vom Bett. Es gab eine Menge anderer Menschen, die ihm noch eine Mahlzeit schuldeten. Eine für jeden Tag seines Lebens! Ja, immer wenn er sah, wie schwer sich die Menschen um ihn herum mit den einfachsten Dingen des Lebens taten, griff Mac ein. Dazu sah er sich als höher entwickeltes Wesen verpflichtet. Aber jetzt war es Zeit für eine Gegenleistung.

Mac beschloss, Gibb besuchen zu gehen. Als er Gibb kennengelernt hatte, hatte er sofort erkannt, wie einsam der Mann war. Sein Geruch hatte es ihm verraten. Mac hatte nicht lang gebraucht, um herauszufinden, wer als Gefährtin zu ihm gehörte. Jetzt wohnten sie zusammen. Ja, Gibb stand in seiner Schuld. Außerdem hatte Gibb immer Sardinen.

Da kam Diogee ins Zimmer galoppiert und starrte winselnd die immer noch schlafende Jamie an. Mac hätte einen Umweg machen und die Dose mit den Leckerchen umwerfen können, damit Diogee etwas zu fressen bekam. Und vielleicht würde er das auch noch tun, aber später. Erst Katzen, dann Hunde. Erst würde er dafür sorgen, dass sein eigener Magen gefüllt würde, bevor er sich des Schafskopfs erbarmte.

Er trabte ins Bad, sprang auf die Fensterbank und stieß das runde Fenster auf. Von dort aus war es nur ein kleiner Sprung auf den nächsten Ast der Zeder, seiner persönlichen Treppe. Er huschte hinunter und lief zu Gibbs Haus. Die leichte Brise zerzauste sein Fell, und das taunasse Gras kitzelte seine Zehen. Er konnte schon fast spüren, wie die öligen kleinen Fischchen seine Kehle hinunterglitten.

Auf einmal hörte Mac … etwas. Er bremste, ein Ohr nach hinten gedreht. Da war der Laut wieder. Ein Miauen, so schwach, dass es beinahe unhörbar war, aber eindeutig ein Miauen. Ein Katzenbaby in Not. Und niemand außer Mac war in der Lage, es zu retten. Die Sardinchen würden warten müssen.

Er brauchte einen Augenblick, um herauszufinden, aus welcher Richtung das Miauen kam, dann rannte er los. Als er sich dem Geräusch näherte, fiel ihm auf, dass das Miauen nicht von einem Kätzchen kam. Es konnten zwei oder sogar drei sein.

Oh, heilige Bastet! Mac irrte sich fast nie, aber diesmal schon. Er fand die Kätzchen unter einem kümmerlichen Busch, neben dem Haus, an dem er gewöhnlich ein paar Bissen Hühnchen abstaubte. Es waren vier Babys, alle braun getigert wie Mac. Zwei fingen an, lauter zu miauen, als sie ihn sahen. Eines miaute gar nicht, es öffnete nicht einmal die Augen. Das vierte machte einen Schritt auf ihn zu und krümmte seinen kleinen Rücken, sein Schwanz so buschig gesträubt, wie ein so kleiner Schwanz sich nur sträuben konnte. Das Katzenbaby öffnete sein Mäulchen und fauchte ihn an. Fauchte Mac an, der ihm um vier Kilo überlegen war.

Mac übersah die Herausforderung des Kätzchens, atmete ein und sog dabei mit der Zunge Luft in sein Maul, um Informationen zu sammeln. Das Kleinste war noch am Leben, aber sehr schwach. Die anderen waren gesund, hatten jedoch schon länger kein Futter mehr bekommen. Die Mutterkatze war bereits seit mehreren Tagen fort. Wenn sie hätte zurückkommen können, hätte sie das getan.

Allein würden die Kätzchen nicht überleben, auch das freche nicht, das Mac angefaucht hatte. Ihre Mägen mussten noch viel leerer sein als sein eigener. Und es gab auch niemanden mehr, der ihnen das Grundlegende beibringen konnte – Jagen, Lauern oder Große-Augen-Machen, dem Menschen nicht widerstehen konnten. Ihm blieb nichts anderes übrig: Er würde sich um sie kümmern müssen.

Erst musste er die Kleinen an einen sicheren Ort bringen. Er konnte andere Katzen riechen, Katzen, die sich möglicherweise unsicher genug fühlten, um ein Häuflein Katzenbabys für eine Bedrohung ihres Reviers zu halten. Und Hunde gab es auch. Diogee würde die Kleinen wahrscheinlich mit seiner Schlabberzunge ertränken, aber Diogee war kein Maßstab. Mac hatte ihn sogar mal vor einem Chihuahua davonrennen sehen. Einem Chihuahua. Der Schwachkopf hätte ihn einfach verschlucken können, aber er war nun mal ein Weichei und kein Maßstab dafür, wozu Hunde fähig waren.

Ein Auto fuhr vorbei und erinnerte Mac an eine weitere Gefahr. Er musste sich beeilen. Er hob Sassy, wie er den kleinen Frechdachs nannte, am Nackenfell hoch, wobei er ihr klägliches Knurren ignorierte. Wohin mit ihnen? So schnell, wie er sich traute, schlug er den Heimweg ein. Aber dorthin wollte er die Katzenbabys eigentlich nicht so gern bringen. Jamie war derzeit nicht einmal in der Lage, ihn und den Schwachkopf zu füttern. Ganz zu schweigen von seinem Katzenklo, das meistens David sauber machen musste. Und sie roch auch schon seit Monaten komisch. Nicht krank, aber auch nicht wie sie selbst. Doch darum würde er sich später kümmern.

Jetzt brauchte er einen sicheren Ort, ohne Tiere und Menschen. Denn nicht alle Menschen waren wie Jamie und David und Macs Freunde. Bevor man ihnen trauen konnte, musste man sie erst gründlich beobachten und beschnuppern.

Sassy wand und krümmte sich. Mac kümmerte sich nicht darum, sein Hirn arbeitete auf Hochtouren, während er sein Viertel durchquerte. Wohin, wohin, wohin nur? Er fing einen Hauch von verrottendem Stoff auf, von Pappkartons, Holz und Mäusedreck. Die Kätzchen waren nicht viel größer als Mäuse, aber wenn die Piepser Mac in der Gegend rochen, würden sie sich schon davonmachen.

Er lief auf das kleine Gebäude zu, woher die Gerüche kamen. Es war ungefähr so groß wie das Zimmer, in dem Jamie und David schliefen, aber das Dach war viel höher. Mac hatte es auf einem seiner nächtlichen Ausflüge gefunden. Er trug das zappelnde Kätzchen durch den engen Tunnel, den er entdeckt hatte, als er das Haus zum ersten Mal erforscht hatte. Er setzte es auf einem alten Stück Teppich ab und lief zu den anderen zurück. Keines davon zappelte so sehr wie Sassy. Das letzte hatte sich gar nicht bewegt, aber es lebte noch. Sie lebten alle noch. Und Mac würde dafür sorgen, dass es auch dabei blieb.

Das bedeutete Futter, und bei ihm zu Hause konnte er es am einfachsten beschaffen. Er wusste, wo die Tütchen mit dem Thunfisch standen. Das würde für den Anfang genügen. Er durfte kein Futter aus den Regalen nehmen. Jamie würde ihn einen bösen Kater nennen – falls sie lang genug wach war, um es zu merken –, aber das hatte ihm noch nie etwas ausgemacht.

Meistens machte es sogar Spaß, ein böser Kater zu sein. Doch jetzt war es notwendig, wenn auch nicht für lange Zeit. Er würde den Kleinen alles beibringen, was sie wissen mussten, und dann würde er jedes von ihnen mit einem Menschen verkuppeln. Er kannte viele Menschen, und er war hervorragend im Verkuppeln. Die Katzenbabys hatten Glück gehabt, dass es MacGyver gewesen war, der ihr Hilfe suchendes Miauen gehört hatte.

 

Serena steckte den Schlüssel ins Schloss, dann hielt sie inne. Sie betrat das Haus, in dem sie das nächste Jahr über wohnen würde. Sie war noch nie hier gewesen. Sie war auch noch nie in Kalifornien gewesen, geschweige denn in Los Angeles. Nicht dass Atlanta eine Kleinstadt wäre. Aber das hier war Hollywood. Da drüben stand als Beweis das Schild.

Sie betrachtete es lange. »Atme es ein«, flüsterte sie. Das machte sie schon, seit sie zwölf war, ihre Mutter hatte es ihr beigebracht. Jeden Tag versuchte sie, mindestens eine erstaunliche Sache zu entdecken. Dann sagte sie – oder dachte es manchmal auch nur –: »Atme es ein.« Das verankerte die Erlebnisse fest in ihrem Bewusstsein, und sie konnte sie dadurch noch mehr schätzen. Für sie als Schauspielerin hatte sich das bereits als sehr nützlich erwiesen. Daher hatte sie sich angewöhnt, es jedes Mal zu machen, wenn sie die Gefühle und Empfindungen eines Augenblicks, seien sie gut oder schlecht, besonders intensiv wahrnehmen und abspeichern wollte.

»Atme es ein«, flüsterte sie noch einmal, als sie den Schlüssel im Schloss drehte. Sie lächelte, als sie die Tür aufstieß. Den großen, runden Raum, eine Kombination aus Esszimmer und Küche, beherrschte eine spiralförmige Treppe. Sie schraubte sich hoch und höher. Vier Stockwerke hoch. »Atme es …«, fing sie an, hielt dann inne. Es gab zu viel zu sehen und zu erleben. Sie konnte es nicht in Momente aufteilen. Sie würde einfach zulassen müssen, dass die Erfahrung sie umfasste, und hoffen, dass sie sich wirklich an alles erinnern würde.

Anstatt das Erdgeschoss zu erkunden, folgte sie dem Impuls, die Treppe hinaufzusteigen. Der erste Stock war kleiner – genau wie man es sich vorstellte, wenn man in einem Leuchtturm wohnte. Sie würde in einem Leuchtturm wohnen! Nun, nicht direkt in einem funktionierenden Leuchtturm, aber in einem Haus, das aussah wie einer, komplett mit rot-weißen Bonbonstreifen außen und einem Witwensteg um die Kuppel herum. Alle Häuser im Storybook Court waren einzigartig. Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sie sich anzusehen, aber das stand ganz oben auf ihrer Liste. Bisher gefiel ihr das am besten, das aussah, als gehörte es ins Auenland, rund, mit runden Fenstern und einer runden Tür und einem strohgedeckten Dach, und dann eines, das aussah wie ein Hexenhaus, mit spitzem Dach und einem Türklopfer in Form einer Spinne aus rubinrotem facettiertem Glas.

Serena bemerkte einen kuriosen bauchigen Ofen und gemütliche dick gepolsterte Sessel und Sofas, bevor sie die Treppe weiter hinaufging. Im zweiten Stock fand sie das Schlafzimmer. Sie probierte das Bett aus – genau richtig gefedert – und strich genussvoll über die darauf liegende Patchworkdecke. Dann stand sie wieder auf, warf einen kurzen Blick ins Badezimmer und auf die Badewanne mit Klauenfüßen. »Atme es ein«, sagte sie sich, weil sie nicht anders konnte.

Als sie zur Treppe zurückkam, hörte sie ein tiefes Ohhhh-waaaah. Ein Nebelhorn. Nein, eine Türklingel. Eine Türklingel, die wie ein Nebelhorn klang, wurde ihr klar, als der Laut noch einmal ertönte. Sie eilte die Treppe hinunter und öffnete die Tür. Eine Frau, ungefähr Mitte fünfzig, stand mit einem freundlichen Lächeln auf ihrem Elfengesicht vor ihr. Sie hatte kurzes schwarzes Haar mit grauen Strähnen, und der Pony berührte fast ihre Augenbrauen.

»Ruby Shaffer?«, fragte Serena.

»Aber natürlich«, antwortete Ruby. »Ich wollte dich begrüßen und wissen, ob du irgendwelche Fragen zu den Bedingungen des Stipendiums hast.«

Serena trat zurück, um sie hereinzulassen. »Bestimmt habe ich Fragen, aber ich muss zugeben, dass mein Gehirn gerade voll und ganz damit ausgelastet ist, all die neuen Eindrücke zu verarbeiten.«

»Verständlich«, antwortete Ruby. »Ich will dein Gehirn auch nicht überstrapazieren. Du weißt das Wesentliche – du darfst hier ein Jahr lang mietfrei wohnen. Du musst nur beweisen, dass du ein kreatives Ziel hast. Schauspielerei, in deinem Fall. Mach einfach eine Liste mit Vorsprechterminen, Kursen, Fortbildungen, was auch immer, und wir sehen uns das einmal im Monat an. Dann schicke ich einen Bericht an die Mulcahys, die die Leuchtturmstiftung gegründet haben. Sonst gibt es nicht viel mehr zu wissen, und wenn du mich brauchst, ich wohne nur ein paar Blocks von hier entfernt. Außerdem habe ich ein Telefon, und du hast die Nummer.«

»Habe ich.« Serena hatte mehrfach mit Ruby gesprochen, seitdem sie erfahren hatte, dass sie die diesjährige Empfängerin des Leuchtturmstipendiums war. »Kann ich dir … ein Glas Leitungswasser anbieten?«, fragte sie. »Warte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Glas habe. Aber du kannst gerne deinen Kopf unter den Wasserhahn halten und einen Schluck Wasser trinken.«

Ruby lachte. »Du hast Gläser. Du hast auch Tassen und Untertassen. Teller, Bettzeug, Handtücher und alles, was du sonst brauchst. Die Mulcahys haben sogar dafür gesorgt, dass ich einkaufe, damit du nicht gleich wieder losmusst. Das hätte ich dir sagen sollen. Tut mir leid.«

Serena nickte, dann nickte sie noch einmal. »Nein, das hast du mir gesagt. Jetzt erinnere ich mich. Es fällt mir nur ein bisschen schwer, alles zu begreifen. Habe ich das schon erwähnt? Es ist einfach zu viel des Guten.«

»Hey, das ist Hollywood – ganz, ganz selten und für ganz, ganz wenige Leute«, beruhigte sie Ruby. »Und ich hätte gern etwas von dem Pfefferminztee, der in einem Krug in deinem Kühlschrank steht.«

»Und mein Kühlschrank steht hier drüben.« Serena ging zu dem himmelblauen Retrokühlschrank, der in der Mitte der an der geschwungenen Wand verlaufenden Arbeitsfläche stand und sie in zwei Hälften teilte. Ein großer, zartgrün gestrichener Holztisch und gemütlich aussehende Stühle beherrschten den Raum. »Das Haus ist toll eingerichtet, jedenfalls, was ich bisher gesehen habe. Ich bin gerade erst angekommen.«

»Ich dachte, du würdest gegen Mittag ankommen.«

»Es gab Verspätungen.« Serena inspizierte den gut gefüllten Kühlschrank, dann nahm sie einen Glaskrug heraus, der mit einem spiralförmigen Muster aus rosafarbenen Steinchen verziert war. Er passte perfekt zu dem Tisch und dem Kühlschrank. Ruby griff nach ein paar Gläsern, nahm einen Ziplockbeutel mit frisch gebackenen Plätzchen aus ihrer riesigen Tasche und legte sie auf einen Teller. Als sie am Tisch saßen, stieß Serena einen erleichterten Seufzer aus.

»Das kann ich dir nachfühlen«, sagte Ruby. »Gestern hatte ich ein dreizehnstündiges Meeting mit dem Produktionsteam für einen Film, für den ich das Set gestalte. Dreizehn. Stunden. Eigentlich noch länger, weil ich nämlich heute Nacht geträumt habe, ich wäre immer noch dabei, und es mir so wirklich vorkam.«

»Ja«, stimmte Serena zu. »Träume können einen manchmal wirklich fertigmachen. Ich habe ein paarmal geträumt, dass ich mich mit jemandem streite, und beim Aufwachen war ich immer noch sauer auf denjenigen. Ich musste mich sozusagen selbst davon überzeugen und daran erinnern, dass diese Person im wirklichen Leben nichts von all den schrecklichen Dingen getan hat.« Sie biss in ein Plätzchen, und eine köstliche Mischung aus Limone, Kokosnuss und Ananas kitzelte ihre Geschmacksknospen. »Also, natürlich interessiere ich mich jetzt brennend für diesen Film, als Schauspielerin. Ich will alles darüber wissen, in allen Details, und besonders natürlich, ob es eine Rolle für mich gibt. Habe ich lang genug gewartet, bevor ich die Frage gestellt habe? Ich habe auf das mit dem Traum geantwortet, was du zuerst erzählt hast.«

»Schon in Ordnung. Der Film ist … nun ... ein bisschen schwer zu beschreiben. Versuch dir so etwas wie Das Haus des Grauens unter der Regie von Wes Anderson vorzustellen – versteckte Gänge, ein frei herumlaufender Mörder, witziges Geplänkel«, sagte Ruby. »Die Hauptrollen sind alle schon vergeben, aber ich kann mich mal umhören.«

»Das hört sich toll an. Und ich will mich nicht einschmeicheln.« Sie lachte. »Was wohl heißt, dass ich genau das gerade tue. Aber außerdem will ich dich kennenlernen und mehr über das Filmemachen erfahren. In Atlanta habe ich hauptsächlich Theater gespielt, und das ist schon Jahre her. Die letzten vier Jahre habe ich hauptsächlich Schauspielen gelehrt, anstatt es selbst zu tun.« Sie schüttelte den Kopf. »Vier Jahre. Es kommt mir vor wie zwanzig, außer wenn es sich gerade anfühlt wie ein Monat.«

»Die widersprüchliche Natur der Zeit«, fügte Ruby hinzu. Sie zeichnete mit dem Finger das Symbol für die Unendlichkeit auf ihr beschlagenes Glas.

Serena mochte sie. Sie war jemand, mit dem man sich nach nur ein paar Minuten verbunden fühlte. »Warum hast du beschlossen, wieder zu schauspielern?«, fragte Ruby.

»Eigentlich hatte ich nie beschlossen, es aufzugeben«, antwortete Serena. »Ich habe einen Job angenommen, um mir ein paar zusätzliche Kleinigkeiten leisten zu können – wie die Miete.«

Ruby schnaubte. »Das kenne ich.«

»Und dann gefiel es mir, ich habe auch gute Bewertungen bekommen«, fuhr Serena fort, »und man hat mich gefragt, ob ich mehr Stunden geben wolle und – Simsalabim – vier Jahre später.«

»Dann hast du also einfach die Info zum Leuchtturmstipendium irgendwo gesehen und beschlossen, dass du wieder schauspielern möchtest?« Ruby malte an dem Kunstwerk auf ihrem Glas weiter.

»Nein. Ich habe mich über alle Stipendien informiert, für die ich mich bewerben konnte, und mich überall beworben«, gab Serena zurück. »Eines Tages nach dem Unterricht habe ich mitgehört, wie sich zwei Schüler unterhielten. Über mich.« Ruby zog die Augenbrauen hoch. »Obwohl ihnen mein Unterricht gefiel, wollten sie vielleicht doch lieber von einem aktiven Schauspieler unterrichtet werden. Sie sagten, dass ich schon bald dreißig sein müsste und ich es offensichtlich nicht mehr als Schauspielerin schaffen würde, sonst wäre das ja längst passiert. Und dass sie vielleicht keinen Unterricht bei jemandem nehmen sollten, der es offensichtlich nicht geschafft hat.«

»Autsch.« Ruby wischte mit der Handfläche über ihr Glas und säuberte es.

»Ja. Besonders, weil sie recht hatten. Ohne es zu bemerken, hatte ich meinen Traum aufgegeben, als Schauspielerin zu arbeiten. Ich habe mehr und mehr Unterrichtsstunden übernommen, es wurde ein Vollzeitjob, und aufgehört, mich für Rollen zu bewerben und vorzusprechen …«

»Simsalabim. Vier Jahre später«, sagte Ruby.

»Genau. Also tat ich das, wozu ich meinen Schülern immer geraten habe. Geh hin. Gib nicht auf. Jedes Vorsprechen ist wie ein Lotterielos, du kannst nicht gewinnen, ohne eins zu kaufen.«

»Und hier bist du. Es gab jede Menge Bewerber, das ist dir doch sicherlich klar, oder?«

»Ich bin immer noch im Schockzustand. Ein Jahr mietfrei und ein Stipendium für meine Ausgaben? Einfach unbegreiflich! Aber hier bin ich.« Serena nahm sich ein paar Sekunden für ein stilles Atme es ein. »Und alles, was ich dafür tun muss, ist, genau das zu tun, was ich tun will – daran zu arbeiten, eine professionelle Schauspielerin zu werden.«

»Nicht daran, ein Star zu werden?« fragte Ruby

»Nun ja, das wäre natürlich fantastisch. Aber wir wissen beide, wie selten das vorkommt und dass man eine Menge Glück braucht. Wenn ich meinen Lebensunterhalt mit etwas verdienen kann, das ich liebe, dann genügt mir das. Ich muss nicht berühmt werden.«

Ruby nickte. »Hört sich gut an. Es hat Jahre gegeben, in denen ich eine Menge Taschentücher an weinende Frauen verteilen musste, die am Boden zerstört waren, weil sie nicht von heute auf morgen zur Sensation geworden sind.«

»Warum ist das Stipendium nur für Frauen? Nicht dass ich mich darüber beklagen wollte.«

»Die Mulcahys hatten eine Tochter, die Filmregisseurin werden wollte. Sie kam bei einem Autounfall ums Leben, kurz nachdem sie hergekommen war, um es zu versuchen«, antwortete Ruby. »Ihre Eltern haben das Stipendium ihr zu Ehren eingerichtet. Vielleicht wollten sie die Waage etwas ausbalancieren. Du kennst die Statistiken zum Verhältnis von männlichen und weiblichen Regisseuren.«

»Und die ungleichen Gehälter in beinahe allen Berufen.« Serena nahm sich ein zweites Plätzchen, eines mit Schokolade. Die Plätzchen schmeckten köstlich. Sie liebte Schokolade. »Hey, wir sind völlig von dir abgekommen. Ich habe gesagt, dass ich dich besser kennenlernen möchte, und dann immer weitergeredet.«

Ruby sah auf die gelbe Küchenuhr, die sowohl ein Thermometer als auch einen Zeitschalter besaß. »In ein paar Minuten findet drüben ein Nachbarschaftstreffen statt. Möchtest du mitkommen? Dann können wir uns weiter unterhalten.«

Serena stand auf. »Unbedingt. Schließlich bin ich jetzt für ein ganzes Jahr hier.« Sie wohnte jetzt tatsächlich in Hollywood! In Storybook Court, was das bezauberndste Viertel der ganzen Stadt sein musste. Und sie wurde dafür bezahlt, ihre Träume zu verwirklichen. Sie konnte nicht verhindern, dass sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete, ein so breites Grinsen, dass ihre Wangen schmerzten. Wieso hatte sie nur so verdammtes Glück?

 

»Wieso habe ich nur so verdammtes Pech?«, murmelte Erik. Er warf seiner Partnerin einen verärgerten Blick zu.

»Warum siehst du mich so an?«, fragte Kait. »Ich habe nur gesagt, dass du Storybook Court wenigstens schon kennst und auch eine Menge Leute, was uns unseren Job erleichtern wird.« Die Stadt hatte wieder Streifenpolizisten eingeführt, zumindest im kleinen Rahmen, nachdem man sie vor acht Jahren abgeschafft hatte. Der Court gehörte zu Eriks und Kaits Revier. Sie würden eine Gemeindeversammlung abhalten, sich vorstellen und ein paar allgemeine Sicherheitsratschläge geben.

»Das ist mir egal. Wir könnten in jedes Viertel kommen, und es würde funktionieren.«

»Du hast völlig recht«, sagte Kait schnell. »Ich wollte dir nur zeigen, dass es einen Lichtblick gibt.«

»Der Lichtblick ist mir auch egal.«

Kait seufzte. »Stanford hat in einer Studie bewiesen, dass, wenn man die Einstellung von Kindern einer Sache gegenüber verbessert, ihr Hirn tatsächlich …«

»Und diese Studien …«, unterbrach Erik.

»… sind dir auch scheißegal«, beendete Kait den Satz.

»Scheißegal war nicht das Wort, das ich im Sinn hatte.«

Sie ignorierte ihn. »Ich kann mir nicht jeden Tag deine geballte Negativität anhören. Mein Hirn muss für die Detective-Prüfung auf Hochtouren laufen. Und deins übrigens auch.«

Erik grunzte nur zur Antwort, während er den Streifenwagen in eine Parklücke auf der Gower Avenue einparkte. Als er ausstieg, sah er, wie ihn von einer Palme herab die schwarzen, glänzenden Augen einer Ratte anschauten. Beinahe hätte er Kait darauf hingewiesen, die jedes Tier, das keine Haare am Schwanz hatte, ekelerregend fand, aber er hielt sich zurück. Schließlich war es ja nicht ihre Schuld, dass sie hier eingeteilt worden waren. »Bringen wir’s hinter uns.«

»Das ist die richtige Einstellung.« Kait klopfte ihm auf die Schulter. Wenigstens hatte sie Tulip nicht erwähnt und nicht wieder darauf hingewiesen, dass es jetzt drei Jahre her war und er irgendeiner Studie zufolge – Kait hatte für jede Situation eine Studie parat – so langsam über Tulip hinweg sein sollte.

Und das war er ja auch. Er wollte nur nicht an sie denken, doch hier fiel es ihm schwer, genau das nicht zu tun.

»Das sind jedenfalls anständige Leute«, bemerkte Kait, als sie ankamen. Wenn sie weiterhin versuchte, ihm den Lichtblick anzudrehen, würde er seine Meinung ändern und ihr die Ratte doch noch zeigen …

Er blieb stehen und betrachtete die Gruppe, die um den Brunnen herum versammelt war, und bemerkte ein paar bekannte Gesichter. Al und Marie. David und eine sehr schwangere Jamie. Die beiden waren ungefähr zur selben Zeit zusammengekommen wie er und Tulip – Erik erlaubte sich nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Da stand Ruby neben einer Frau, die er nicht kannte. Das Haar der Frau war hellrot, und es war so verwuschelt, als käme sie gerade vom Strand. Sie trug ein hellgrünes, knöchellanges Trägerkleid, das ihre Schultern perfekt zur Geltung brachte. Es umfloss ihren Körper, ohne zu eng zu sitzen. Sie hatte es an einer Seite zusammengeknotet, kurz unter dem Knie, sodass er ein bisschen Bein sehen konnte, ein bisschen, was dafür sorgte, dass er mehr sehen wollte. Wenn der Stoff des Kleides doch nur ein bisschen dünner wäre …

»Lass das«, warnte Kait.

»Lass was?«

»Die Frauen, die hier im Court wohnen, als mögliche Date-Kandidatinnen für dich anzusehen«, sagte Kait. Sie malte bei dem Wort »Date« Anführungszeichen in die Luft. »Bleib bei deinen Dating-Plattformen. Du bist dienstlich hier. Kein Sex am Arbeitsplatz.«

Erik lachte schallend. »Du bist ja vielleicht prüde. Und ich habe doch nur geguckt, wer hier ist, an Sex am Arbeitsplatz habe ich gar nicht gedacht.«

»Ich bin Polizistin. Ich kann Leute durchschauen und dich am allerbesten. Du hast die Rothaarige abgecheckt«, gab Kait zurück. »Also, los geht’s.« Sie ging zum Brunnen hinüber und sprang auf den breiten Rand. Erik stellte sich neben sie. Er erlaubte sich nicht, die Rothaarige noch einmal anzusehen.

»Willkommen, Leute!« rief Kait aus. »Ich bin Officer Tyson. Kait. Und das hier ist mein Partner, Officer Ross.«

»Erik. Schön, ein paar bekannte Gesichter zu sehen.« Er winkte der Gruppe zu und nahm wahr, wie Marie ihm anerkennend zunickte. Er nahm sich vor, mal auf einen Eistee und einen kleinen Klatsch bei ihr vorbeizuschauen. Marie wusste über fast alles Bescheid, was im Court geschah, und was sie nicht wusste, das konnte sie ganz leicht herausfinden. Hoffentlich war er auch noch mit achtzig so gut beieinander wie sie.

»Unten auf der Station haben wir ein bisschen umdisponiert und werden mehr Streifenpolizisten in die Gegend schicken. Erik und ich – wir sind für Sie zuständig.«

»Das heißt, dass wir uns häufig sehen werden«, fügte Erik hinzu. »Wir möchten Sie alle kennenlernen und wissen, worüber Sie sich Sorgen machen. Wenn Sie uns hier sehen, kommen Sie doch einfach auf uns zu und sprechen Sie uns an.«

»Und wir geben Ihnen auch unsere Visitenkarten, damit Sie anrufen oder mailen können«, setzte Kait hinzu. »Hat noch jemand Fragen?«

»Warum das Ganze?«, fragte ein Mann. Er kam ihm bekannt vor, aber Erik konnte sich nicht an seinen Namen erinnern. »Es gibt in Storybook Court keine Verbrechen. Es sei denn, Sie rechnen die Unterwäsche-Diebstähle von MacGyver mit ein.«

»Ist dieser MacGyver jemand, den wir im Auge behalten sollten?«, fragte Kait leise.

»MacGyver ist ein Kater. Ich erklär’s dir später«, flüsterte Erik, dann hob er die Stimme. »Auch wenn sich Storybook Court anfühlen mag, als wäre es eine eigene kleine Stadt, gehört es doch zu einer Großstadt, und in jeder Großstadt gibt es auch Verbrechen. Wir wollen Sie nicht verängstigen. Wir möchten nur, dass Sie aufeinander achten und uns sagen, wenn es in der Nachbarschaft irgendetwas gibt, was Sie stört.«

»Es stört mich, dass Ed Yoder in seiner Badehose Unkraut jätet!«, rief jemand, und alle lachten.

»Tut mir leid, wir sind nicht von der Modepolizei«, gab Erik zurück, wofür er selbst ein paar Lacher erntete.

Kait kam zurück zum Thema. »Wir möchten Ihnen heute ein paar Ratschläge geben, wie Sie sich schützen können.«

»Sagen wir mal, ich wäre ein Vertreter und würde bei Ihnen an die Tür klopfen.« Erik hob die Faust und tat, als würde er anklopfen.

»Das könnte ganz leicht passieren«, informierte Kait die Gruppe. »Dreißig Prozent der Firmen, die Alarmanlagen verkaufen, berichten, dass sie neunzig Prozent ihrer neuen Kunden aufgrund von ungebetenen Vertreterbesuchen bekommen.«

»Sie öffnen die Tür.« Erik lächelte freundlich. »Hallo, ich bin Erik von der Firma Heil und Gesund. Ich …« Wie immer hielt er mitten in seiner Vorstellung inne. »Also, das würde besser gehen, wenn ich mit einer richtigen Person sprechen könnte. Gibt es vielleicht einen Freiwilligen?« Totenstille. Einen Freiwilligen einzusetzen war gut, um die Gruppe mit einzubeziehen, aber wenn sich niemand meldete, wurde es schnell ein bisschen ungemütlich. Wo war Hud Martin? Der ehemalige Fernsehstar hätte die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, bevor Erik auch nur »Freiwilliger« hätte sagen können.

»Niemand?«, fragte Erik.

»Serena macht das!«, rief Ruby und schob die Rothaarige nach vorn.

»Toll! Kommen Sie hier hoch.« Erik winkte sie zu sich.

»Du wirst doch nicht …«, murmelte Kait. Erik tat so, als hätte er sie nicht gehört. Er streckte die Hand aus, um der Frau – Serena – auf den Brunnenrand zu helfen, und war überrascht, als er ein beinahe elektrisches Kribbeln spürte, als ihre Finger sich berührten, so attraktiv fand er sie. Natürlich hatte er dieses Gefühl schon vorher empfunden, aber normalerweise nicht sofort und nicht bei einem so zufälligen Kontakt.

»Also, ein Verkäufer taucht an Ihrer Tür auf«, sagte Kait, als hätte er vergessen, was er tun sollte. Hatte er nicht. Er hatte sich nur einen Sekundenbruchteil lang ablenken lassen.

»Richtig. Okay. Tun Sie einfach das, was Sie tun würden, wenn ich an Ihrer Tür auftauchen würde«, sagte Erik zu Serena.

Sie nickte. »Verstanden.«

Er klopfte wieder an die imaginäre Tür.

»Ähm, Ihre Hand ist zu weit vorne«, sagte Serena zu ihm. »Da, wo Sie stehen, wäre die Tür hier.« Sie machte eine Armbewegung. »Versuchen Sie, es sich vorzustellen, dann versuchen Sie es noch einmal.«

Machte sie sich über ihn lustig oder wollte sie ihm tatsächlich helfen? Auch egal. Er musste mitspielen. »O…kay.« Er wiederholte das Klopfen.

»Schon besser.«

»Hallo. Ich bin Erik Ross. Ich war gerade drüben in der Magic Beans Street, es gab dort einen Fehlalarm. Meine Firma wird die nächsten paar Wochen hier in der Gegend alte Alarmanlagen auswechseln, die ihren Besitzern Ärger bereiten.«

Serena verschränkte die Arme vor der Brust und warf ihm einen herausfordernden Blick zu. »Warum erzählen Sie mir das?«

Sie brachte wirklich Begeisterung mit. Und sie hatte jedermanns Aufmerksamkeit. »Also, die Sache ist die, ich suche ein paar Hauseigentümer, die für meine Firma Werbung machen möchten. Das Einzige, was Sie tun müssen, ist, dieses Schild mit unserem Logo und unserer Telefonnummer in Ihrem Garten aufzustellen.«

»Tut mir leid, kein Interesse. Wissen Sie eigentlich, wie viel Zeit ich in meinen Garten investiert habe? Da werde ich doch den Teufel tun und ihn mit einem Schild verschandeln«, sagte sie unfreundlich, aber ihre Augen blitzten.

»Ihre bewundernswerten Rosen sind mir gleich als Erstes aufgefallen«, spielte er mit. »Passen Sie auf: Wenn Sie unser Schild in Ihrem Garten aufstellen, installiert meine Firma Ihnen eine Heil-und-Gesund-Alarmanlage gratis.«

Serena zog die Augenbrauen hoch. »Kostenlos?«

»Ganz und gar kostenlos. Wir stellen nur ein Schild, ein ganz kleines Schild bei Ihnen vor dem Haus auf.«

Sie knabberte an der Unterlippe. Er konnte nicht anders, als zu bemerken, dass sie ein wenig voller war als die Oberlippe, die … wohlgeformt war. Einfach … vollendet geformt. Der Bogen, so würde man es wohl nennen, war ganz deutlich zu erkennen.

Und ja, er starrte sie wohl an. Hatte sie etwas gesagt, als er damit beschäftigt war, die richtige Bezeichnung für ihren Mund zu finden?

»Hm. Ich weiß nicht. Das klingt irgendwie zu gut, um wahr zu sein.«

»Genau«, sagte Marie laut und bekam Applaus von ihren Nachbarn.

Gut. Er hatte es nicht vermasselt. Er war noch im Spiel. »Wir haben beide etwas davon. Heil und Gesund bekommt Werbung, und Sie bekommen die Alarmanlage. Zur Vorbereitung müsste ich nur noch wissen, wie viele Türen Sie haben.«

»Zwei«, sagte Serena.

»Die meisten Einbrüche passieren durch den Hintereingang«, erklärte Erik ihr. »Weil er abgelegener ist, schlechter einsehbar. Könnte ich mich mal umsehen? Ich brauche die Einzelheiten für mein Team.«

»Ich … glaube, ja.«

Sie hatte es ihm nicht leicht gemacht, aber er hatte bekommen, was er brauchte. Erik wandte sich von ihr ab und sah zur Gruppe hinüber. »Und jetzt bin ich drin. Ich kann mich im Haus umsehen. Und dann …« Er drehte sich wieder zu Serena. »Wann sind Sie morgen zu Hause?«

Serena gab ihm die perfekte Antwort. »Ich komme erst spät von der Arbeit.«

»Und jetzt weiß ich, wann die beste Zeit ist, um einzubrechen.«

»Wir sagen nicht, dass alle Vertreter Diebe sind«, sagte Kait. »Nur dass Sie darauf achten sollten, welche Informationen Sie einem Unbekannten geben.«

Serena sprang vom Brunnenrand. »Einen Applaus für unsere Freiwillige!«, rief Erik, und alle klatschten.

»Noch etwas, worauf Sie achten müssen, ist …«

Erik musste sich zwingen, Kait zuzuhören. Er konnte es kaum erwarten, dass sie hier fertig wurden. Als seine Partnerin ihre Ansprache beendet hatte, sagte er: »Ich geh nur mal eben und bedanke mich bei der Frau, die mir bei dem Vertreterding geholfen hat.«

»Tu nicht so, als könntest du dich nicht an ihren Namen erinnern. Schließlich sprichst du mit mir.« Kait stöhnte entnervt.

»Bin gleich zurück.« Erik sprang vom Brunnen und lief hinter Serena her, die bereits mit Ruby die Straße hinunterging. »Hi«, sagte er, als er sie eingeholt hatte. »Ich wollte mich nur bedanken, dass Sie eingesprungen sind.«

»Dafür sollten Sie sich bei Ruby bedanken, dass sie mich vorgeschlagen hat«, gab Serena zur Antwort.

»Danke, Ruby! Schön, dich wiederzusehen.« War es aber nicht. Er mochte Ruby, aber die meisten Erinnerungen, die er mit ihr verband, hatten mit Tulip zu tun.

»Gleichfalls. Schön, dass du hier im Einsatz bist. Ich habe dich vermisst«, antwortete Ruby und blieb stehen. »Hier in der Straße wohne ich. Wir sollten uns mal treffen, Serena. Wie wär’s, wenn ich dich übermorgen zum Frühstück einlade?«

»Das fände ich toll.« Serena winkte Ruby, als sie die Straße überquerte.

»Neu hier im Court?«, fragte Erik, als sie weitergingen.

»Neu hier im Court, neu in der Stadt, neu im Staat«, antwortete Serena.

Frau neu in der Stadt. Sie wollte bestimmt in all die angesagten Lokale gehen. Er war eher ein Typ für ruhige Pubs oder ein Bier auf der Terrasse, aber … »Waren Sie schon im Frolic Room?«

»Ich glaube nicht, dass Sie mich gut genug kennen, um mich das zu fragen!« Serena tat, als wäre sie empört. Zumindest war er sich fast sicher, dass sie nur so tat.

»Es fing als Flüsterkneipe an, und der Besitzer hieß Freddy Frolic«, erklärte Erik. »Es ist eine echte Spelunke, so eine Kneipe, in der auch Charles Bukowski sitzen könnte. Jeder, der in Hollywood lebt, muss wenigstens einmal dort gewesen sein.«

»Und was passiert, wenn ich nicht hingehe?«, fragte Selena. »Müssen Sie mich dann verhaften?« Sie machte ein ernstes Gesicht, aber er glaubte, ein leises Zucken um ihre Mundwinkel zu bemerken.

»Okay. Nicht der Typ für trendige Spelunken. Okay. Lassen Sie mich überlegen.« Er betrachtete sie einen Moment lang und dachte an all die Lokale, in die er mit den Frauen von dem Datingportal hingegangen war. Nur mit einer war er jemals in einer Bar gewesen, die als cool durchgehen könnte. »Ich denke ans Edison.«

»Das Museum für Stromerzeugung? Ich habe so viel davon gehört. Und ich bin ein Riesenfan von Strom!« Ihre Augen leuchteten vor Aufregung.

»Es fällt mir schwer einzuschätzen, ob Sie mich gerade auf die Schippe nehmen.« Sie hielt ihn auf Trab, so wie sie es schon bei ihrem kleinen Rollenspiel getan hatte.

»Das ist mein Talent. Und ich nehme Sie ganz eindeutig auf die Schippe.« Sie lachte. »Wenn es hier nicht tatsächlich ein Museum für Stromerzeugung gibt. Wie gesagt, ich bin neu hier. Was ist das Edison?«

»Eine Bar. Die Leute sagen, dort wäre die Cocktailkultur entstanden. Die Bartender dort heißen Alkoholchirurgen«, antwortete Erik. »Außerdem steht es auf der Liste der schönsten Bars in L.A.« Er kam sich vor wie ein Vollidiot. Hatte er tatsächlich »Liste der schönsten Bars in L.A.« gesagt? Das hatte er von der Frau gehört, die er dorthin ausgeführt hatte. Sam? Thalia? Er sollte sich an so etwas erinnern, aber die Anlässe und, wenn er ehrlich war, auch die Frauen fingen an, sich zu vermischen.

»Ich bin kein großer Barmensch«, sagte Serena. »Obwohl Atlanta definitiv auch seine Barszene hat. Einmal bin ich in eine Bar eingeladen worden, wo es einen ›Getränkedirektor‹ gab. Steht das über oder unter einem ›Alkoholchirurgen‹?«

»Ich habe keine Ahnung«, gestand Erik. »Eigentlich bin ich auch kein großer Barmensch. Aber bei einem Date ist die Bar ziemlich obligatorisch.«

»Was machen Sie denn, wenn es kein Date ist?«, wollte sie wissen. »Also ohne das Obligatorische.«

Er überlegte, ob er ein bisschen lügen sollte, um wenigstens etwas interessanter zu wirken, entschied sich dann aber für die Wahrheit. »Ich bleibe zu Hause. Lese. Sehe fern, fast nur Sport. Koche. Arbeite im Garten. Ich habe sogar ein paar ›atemberaubende Rosen‹«, sagte er in Erinnerung an ihren Dialog, als sie die argwöhnische Hausbesitzerin gespielt hatte. »Das heißt aber nicht, dass ich gar nicht ausgehe«, fügte er hinzu.

»Ich bin genauso. Meine Freunde haben sich immer darüber beklagt, dass sie mich praktisch aus dem Haus zerren mussten. Es ist nicht so, dass ich nicht manchmal Lust hätte auszugehen. Aber ich brauche meine Zeit zu Hause. Aber kochen? Nein. Oder nur, wenn meine erstaunlichen Mikrowellenfertigkeiten zählen.«

»Tut mir leid, die zählen nicht«, antwortete er. »Nur um sicherzugehen, dass Sie nicht verhungern, darf ich Sie mal zum Essen zu mir einladen?«

»Also … ich weiß nicht.« Sie kaute wieder auf ihrer Unterlippe. »Ich habe gerade einen Vortrag über Sicherheit gehört. Da kommt mir so etwas nicht vernünftig vor.«

Sie bogen um eine Ecke, und der Leuchtturm kam in Sicht. Eriks Magen zog sich zusammen. »Nun, es wird die ganze Zeit ein Polizist zugegen sein«, versicherte er.

»In dem Fall – ja, gerne.«

Ihre Antwort fegte die Spannung hinweg, die er beim Anblick des Leuchtturms gespürt hatte. »Prima. Nächsten Freitag?«

»Nächsten Freitag«, stimmte sie zu. »Hier wohne ich.« Serena blieb an dem Aufgang stehen, der zu dem rot-weiß gestreiften Gebäude führte.

»Hier?« Die Anspannung war wieder zurück. Jetzt fühlte er sogar einen Druck in seiner Brust. »Hier?«, wiederholte er. Unfreiwillig trat er einen Schritt zurück. »Wissen Sie was? Mir ist gerade eingefallen, dass ich am Freitag schon was vorhabe.« Gelogen. »Ein Date.« Noch eine Lüge. »Wir machen es ein andermal.« Ganz große Lüge.

Ihre braunen Augen weiteten sich, aber sie sagte nur: »Okay.« Er ging eilig davon, wobei er winkte, ohne sich umzudrehen.

Kapitel 2

Mac leckte Bittles noch ein letztes Mal und roch an ihm. Gut. Das kleinste Kätzchen roch jetzt nach ihm. Wer auch immer sich ihm näherte, wusste sofort, dass er – und seine Schwestern und Brüder – unter Macs Schutz standen. Also, Menschen nicht. Menschliche Nasen funktionierten fast überhaupt nicht. Manchmal konnten sie nicht einmal riechen, dass ihr Essen schlecht war, bevor sie es in den Mund steckten.

Bittles gähnte und schmiegte sich dichter an seine Schwester Lox. Mac nannte sie so, weil dieses delikate Fischchen eines seiner Lieblingsessen war. David mochte es – und hatte auch Jamie dazu gebracht, es zu essen. Was bedeutete, dass Mac doppelt Leckerbissen bekam. »Bittles« hatte Jamie Mac genannt, als er noch ein kleines Kätzchen, nicht viel größer als dieses hier war, einfach nur eine Handvoll, und daher hatte Bittles diesen Namen bekommen.

Mac begutachtete seine Mündel. Nachdem sie gefressen hatten und gewaschen waren, sahen sie alle aus, als würden sie bald einschlafen, sogar Zoomies, der ständig in Bewegung war, im Zickzack über und unter den Möbeln umhersauste. Mac machte das auch manchmal, besonders abends, und David blah-blahte immer, dass Mac die Zoomies hatte, wenn er das machte. Es schien ihm ein guter Name für das schnellste Kätzchen zu sein.

Endlich konnte Mac eine Pause machen und selbst ans Fressen denken! Er quetschte sich durch den Tunnel in den Sonnenschein hinaus. Der Tau war getrocknet und das Gras unter seinen Pfoten warm.

Aber ein unangenehmer Geruch lag in der Luft, der eines Menschen, dem es nicht gut ging. Er schnupperte noch einmal. Es war kein Geruch nach Krankheit, nur wieder ein Mensch, der nicht wusste, wie er glücklich werden konnte. Mac war drauf und dran, den Menschen selbst aus seinem Elend herausfinden zu lassen. Schließlich hatte er vier Kätzchen, um die er sich kümmern musste. Aber als er noch einmal schnupperte, merkte er, dass er diesen Menschen kannte. Es war der, der Erik hieß. Mac hätte seinen Geruch beinahe nicht wiedererkannt. Der Geruch nach Unglück, Unglück gemischt mit Wut, war zu stark.

Er war schon länger nicht mehr in Macs Gegend gewesen, aber Mac erinnerte sich, dass er ganz genau wusste, wo Mac sich gern kraulen ließ – unter dem Kinn, auf der linken Seite. Außerdem hatte er immer zusammen mit dem Menschen namens Tulip am Brunnen gesessen und gegessen und immer etwas abgegeben. Sie allerdings nicht. Mac konnte beinahe den Thunfisch schmecken, den Schinken, den Truthahn.

Erik war einer von den guten Menschen. Mac musste ihm helfen. Schließlich tat es sonst niemand. Vielleicht brauchte er ein Kätzchen. Vielleicht Sassy. Sie würde mit Menschenproblemen umzugehen wissen, wenn sie erst einmal ein wenig älter wäre.

Aber Mac würde keines seiner Babys jemandem überlassen, der so roch wie Erik im Moment. Keines von ihnen kam schon mit so etwas klar. Doch wenn Mac ihn erst einmal in Ordnung gebracht hatte, käme er vielleicht für eines von MacGyvers Kätzchen infrage.

 

»Ich kann nicht fassen, dass sie im Leuchtturm wohnt!«

»Das hast du jetzt drei Mal gesagt, seit wir ins Auto gestiegen sind«, antwortete Kait. »Und achte auf die Geschwindigkeit.«

»Ist ja nicht so, als würde ich einen Strafzettel kriegen«, schnauzte Erik zurück.

»Ein Strafzettel wäre mir egal. Ich denke da eher ans Sterben«, antwortete Kait. »Wie ich dir bereits gesagt habe, ist das Übertreten der Geschwindigkeit ein Faktor in einunddreißig Prozent aller …«

Erik stimmte ein: »… tödlichen Unfälle, ja. Aber du hast mir nie erklären können, wie viel Prozent davon auf eine Geschwindigkeitsübertretung von sieben oder weniger Stundenkilometern zurückzuführen ist. Im Moment bin ich nämlich ungefähr fünf drüber.«

Die Vertrautheit, die so typische Kait-lichkeit dieser so oft geführten Unterhaltung, saugte allmählich alles Schlechte aus ihm heraus, die Wut, die alten Verletzungen. Zumindest für den Augenblick. Er fuhr langsamer. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich weiß, dass es dich stresst, wenn ich zu schnell fahre.« Er umfasste das Lenkrad fester. »Storybook Court hat mich tiefer in die Vergangenheit zurückkatapultiert, als ich gedacht hätte.«

»Du warst nicht darauf vorbereitet, dass du dich von einer Frau angezogen fühlen würdest, die im selben Haus lebt wie Tulip damals«, antwortete Kait.

»Ja. Nun, zumindest musst du mich nicht ständig daran erinnern, mich nicht mit Serena einzulassen. Auf keinen Fall werde ich mich auch nur in die Nähe einer weiteren Empfängerin des Leuchtturm-Stipendiums wagen.«

»Ich glaube nicht, dass du genug Daten dafür hast, um eine Korrelation herzustellen zwischen einer Stipendiatin … «

»Können wir einfach nicht weiter darüber reden?«, fiel ihr Erik ins Wort, weil das ganze Schlechte schon wieder anfing, in ihm hochzukochen.

Zur Antwort zuckte Kait mit den Schultern und fing an, I know you know zu streamen. Ihre Jazzbesessenheit hatte mit La La Land angefangen. In letzter Zeit hatte sie Jazz von Frauen erforscht, sowohl aus den Dreißigern als auch zeitgenössische Interpretinnen wie Esperanza Spalding. Das war ihr MO. Sie fand etwas, das ihr gefiel, und dann vertiefte sie sich darin. In ihrer Shakespeare-Phase hatte sie jedes Theaterstück gelesen, jede Verfilmung gesehen und war zu unzähligen Theateraufführungen gegangen. Schließlich hatte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit erregt, und sie war weitergezogen. Ausgenommen davon waren psychologische Studien und Comics. Davon würde sie wohl niemals genug bekommen.

»Home, sweet home«, murmelte Kait, als Erik in einen Stellplatz auf dem Polizeiparkplatz einbog. Er antwortete mit einem Grunzen. »Versuch’s doch mal mit Worten«, witzelte Kait, und ihr Ton wurde weicher, als sie hinzusetzte: »Storybook ist nur ein Teil unseres Reviers.«

»Ich werde mich schon dran gewöhnen. Kein Problem.« Das stimmte.

Tulip hatte ihn vor über drei Jahren verlassen. Er war darüber hinweg. Wieder in ihrer früheren Gegend zu sein, vor ihrem alten Haus zu stehen, wo er so viel Zeit verbracht hatte, das war ihm an die Nieren gegangen. Aber nur, weil er das erste Mal seit der Trennung von Tulip dort gewesen war. Jetzt, wo er das hinter sich hatte, würde es kein Problem mehr sein.

»Sie hat dir das Herz gebrochen, Erik. Kein Grund, so zu tun, als stimmte das nicht.« Kait wartete, bis er zu ihr hinübersah, dann fügte sie hinzu: »Nicht mir gegenüber.«

Solch ein Gespräch wollte er absolut nicht führen. Er grunzte, dann stieg er aus dem Wagen und ging zur Polizeistation. Er hörte, wie sie seufzte, als sie ihm folgte.

Er war schwer in Tulip verliebt gewesen. Sie war so temperamentvoll, so lebendig gewesen. Es schien beinahe, als verwandelte er sich in jemand anderen, wenn er mit ihr zusammen war, als würde er in eine Wunderwelt hineingezogen, die sie zu erschaffen schien.

Aber das bedeutete doch nicht, dass sie ihm das Herz gebrochen hatte. Ja, verletzt hatte sie ihn schon, sie war schließlich die Erste gewesen. Nein, nicht seine erste Freundin, aber seine erste Liebe. Bevor er sie kennengelernt hatte, hatte er schon ein paarmal gedacht, verliebt zu sein – Sex kann so etwas mit einem machen, besonders wenn alles neu ist –, aber als er und Tulip zusammengekommen waren, hatte er gemerkt, dass er sich vorher geirrt hatte. Was er vorher gefühlt hatte, war dem nicht einmal nahegekommen.

Es war normal, dass es ihn eine Weile aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, als ihm klar geworden war, dass sie nicht annähernd dasselbe für ihn empfand wie er für sie. Als sie L.A. verließ, wollte sie nicht, dass er mit ihr kam. Seine Liebe musste wohl ziemlich einseitig gewesen sein, sonst hätte sie ihn niemals verlassen.

»Du bist an der Tür vorbeigelaufen!«, rief Kait ihm nach.

Tatsächlich, er war so in Gedanken versunken gewesen. Warum hatte er sich erlaubt, über wahre Liebe und den ganzen Tulip-Mist überhaupt nachzudenken? Das war vorbei. Der Leuchtturm änderte nichts daran, er war nur ein Gebäude.

Er drehte um und folgte Kait in eine bessere Abstellkammer, wo sie beide und die anderen Streifenpolizisten ihr Hauptquartier hatten. Nur ein paar wenige Gegenden bekamen Streifenpolizisten, und sie würden hauptsächlich zu Fuß auf Streife gehen. Ihr Lieutenant wollte mal etwas Neues ausprobieren. Nicht dass es tatsächlich neu gewesen wäre. Aber der Einsatz von Streifenpolizisten war in den letzten Jahren mehr und mehr reduziert worden, und der Lieutenant wollte beweisen, dass es sich lohnte, Streifenpolizisten einzusetzen. Er hatte die Erlaubnis erhalten, es in kleinem Rahmen auszuprobieren.

Weil es sich um einen Versuch handelte, gab es viel mehr Papierkrieg als sonst, mehr Statistiken, die gesammelt werden mussten. Deshalb hatten er, Kait und die anderen ein paar verbeulte Metallschreibtische und Rechner bekommen, statt wie sonst alles im Auto zu dokumentieren. Darüber hinaus war ihnen ein Mr Coffee aus den späten Achtzigern zur Verfügung gestellt worden. Jandro Flores goss sich gerade einen Becher ein, als Erik und Kait eintraten, und Erik blieb stehen, um ihn mit ihrem obligatorischen, komplizierten Handschlag zu begrüßen. Das machten sie so, seit sie sich auf der Polizeischule kennengelernt hatten. Jandro hatte ein paar Jahre bei den Marines verbracht und Erik durch die ersten paar Tage an der Polizeischule geholfen, als Erik noch nicht einmal wusste, was es bedeutete, in Formation anzutreten. Seine Bestnoten auf dem Los Angeles City College hatte er für andere Dinge bekommen.

»Wie war’s da draußen?«, fragte Jandro.

Jandro wusste, dass Erik nicht gerade begeistert über Storybook war. Und er wusste auch, warum. Er hatte lange Nächte damit zugebracht, einfach danebenzusitzen, während Erik wegen Tulip in sein Bier weinte. Er war eben ein richtiger Freund, der zuhört, während du tausendmal dasselbe sagst, bis du damit fertig bist. So Sachen wie: »Ich war nicht gut genug für sie«, »Warum durfte ich nicht mitkommen?«, »Warum ist sie so komisch geworden?«, »Wieso bin ich bloß auf einmal so erbärmlich?«.

Sean Hankey kam Erik zuvor. »Es war spitze. Hab dieses Lokal gefunden, das Carrousel heißt. Bestes Lammshawarma überhaupt.«

»Er hat so viel gegessen, dass ich nur noch darauf warte, dass er zu blöken anfängt«, fügte Seans Partner Tom hinzu. »Seine Vorstellung vom Streifendienst besteht darin, sich die Straße rauf und runter zu essen.«

»Hey, ich habe mich nur bei den ansässigen Geschäftsleuten vorgestellt. Man kann nicht in ein Restaurant gehen, ohne wenigstens eine Mezze zu essen. Das ist respektlos«, sagte Sean.

»Mezze?«, fragte Kait.

»Vorspeise«, erklärte ihr Sean.

»Er ist polyglott, solange …«, fing Tom an.

»Oohooh. Er war auf der Highschool«, rief Sean aus.

Tom ignorierte ihn und fuhr fort. »Er ist polyglott, solange er vom Essen spricht.« Sean rülpste zur Antwort laut. Daraufhin zog Tom eine Grimasse. »Ich kann das Lamm noch riechen.«

»Und wenn du furzt, kann ich auch den Kohl und die Rote Bete riechen.« Sean rülpste noch einmal und rieb sich zufrieden seinen flachen Bauch.

»Ein Veganer und Fleischesser gehen in eine Bar«, murmelte Jandros Partner Angie, ohne von ihrem Handy aufzusehen.

»Also, wie war’s?«, fragte Jandro Erik noch einmal.

Erik zuckte die Schultern. »So wie es halt war.« Er wollte gleichgültig erscheinen, aber Jandro kannte ihn zu gut, um darauf hereinzufallen.

»Gehst du noch einmal mit … wie hieß sie noch … Brittany aus?«, fragte er. Jandro war der Ansicht, die beste Art und Weise, über Tulip hinwegzukommen, bestünde darin, jemand Neues zu finden. Und obwohl die Trennung schon Jahre her war, bestand Jandro immer noch darauf. Er meinte wohl, wenn Erik nur lang genug suchte, würde er am Ende eine so tolle Frau finde wie Jandro.

»Bettina.« Kait zog eine Flasche Wasser aus ihrer Kuriertasche. »Und das ist schon zwei Frauen her.«

Tatsächlich drei. Er hatte ihr gegenüber nichts von Amy erwähnt, weil er ihr abschätziges Schnauben nicht hatte hören wollen. Kait redete viel, konnte aber mit einem geräuschvollen Ausatmen genauso viel sagen wie mit einem ganzen Satz.

»Also, wer ist jetzt dran?«, fragte Sean. »Ich will Details hören. Ich will Maße. Übertrifft ihre Schuhgröße ihre Kleidergröße? Das ist für mich immer ein Muss.«

Kait schniefte missbilligend. Auch mit einem Einatmen konnte sie eine Menge sagen.

Sean sah sie an. »Was ist dein Problem?«

»Du bist verheiratet«, antwortete Angie für Kait, während sie weiter auf ihrem Handy scrollte.

»Verdammt richtig, ich bin verheiratet«, gab Sean zurück. »Deshalb brauche ich diese Details von Erik ja. Denn er wird mir sie sowieso nicht geben.« Er zeigte mit dem Daumen auf seinen Partner.

»Ein geiler Bock und ein Gentleman gehen in eine Bar«, murmelte Angie.

Kait schnippte mit den Fingern vor Eriks Gesicht. »Dokumentation.«

Er schnappte sich einen Becher Kaffee und setzte sich neben sie. Als sie anfing zu tippen, holte er sein Handy hervor und checkte sein Konto auf der Dating-Plattform. Er hatte ein Herz von einer hübschen Frau aus Los Feliz geschickt bekommen, die Amber hieß.

»Ja. Eindeutig ja.« Jandro tauchte hinter Erik auf und blickte auf das Foto auf dem Handy. Erik schickte ein Herz zurück. Nicht weil er noch immer Hilfe brauchte, um über Tulip hinwegzukommen. Das war ihm schon vor langer Zeit gelungen. Der Leuchtturm hatte ihm ein paar schlimme Erinnerungen beschert, das war alles. Ein paar flüchtige, schlimme Erinnerungen. Ganz flüchtig. Fast schon wieder vergessen.

Zumindest, bis er wieder zum Storybook Court zurückmusste.

 

»Ich glaube, ich nehme den Schwarm winziger Waffeln«, sagte Serena zu Ruby, als sie sich am Dienstag zum Frühstück trafen. »Auch weil es solchen Spaß macht, Schwarm winziger Waffeln auszusprechen.« Sie wiederholte es noch einmal, einfach zum Spaß. »Schwarm winziger Waffeln. Es hört sich an wie ein niedlicher Zeichentrickfilm. Und außerdem ist eine Schnittlauchwaffel mit geräuchertem Lachs und Frischkäse mit Dill belegt, und das hört sich toll an.«

»Ich nehme die glutenfreie vegane Waffel«, sagte Ruby.

»Hört sich auch lecker an«, meinte Serena. Ihre Schauspielerfahrung machte es ihr leicht, glaubhaft zu klingen.

Ruby lachte. »In Wirklichkeit nehme ich die mit den Bratkartoffeln und saurer Sahne obendrauf.«

»Gut. Ich glaube zwar, ich hätte auch mit dir befreundet sein können, wenn du eine wirklich gesundheitsbewusste Esserin wärst, aber es wäre doch eine Herausforderung gewesen.«

»Die doppelten Mimosas hier werden mit einer halben Flasche Sekt zubereitet. Aber Mimosas sind sehr gesund, all der Orangensaft, du willst also wahrscheinlich keine.«

»Ich würde gern, aber ich will noch an ein paar Monologen arbeiten.« Serena nahm einen Schluck Eistee aus dem Einmachglas. »Ich habe am Montag einen Termin mit einem Agenten, und da könnte ich einen gebrauchen.«